Fall 6 GmbH und FusG Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 2017 Zürich, 28./29./31. März 2017 Dr. Lukas Fahrländer
Frage 1 Seite 2
Frage 1 Sachverhalt A B 20 % 20 % C 20 % D 20 % 20 % E Z GmbH A B AA C E F Seite 3
Frage 1 Lösung (1/4) GmbH-Geschäftsführung (Art. 809 OR) - Prinzip der Selbstorganschaft (Abs. 1) - Abweichende Regelung in Statuten möglich (Abs. 1) Drittorganschaft, Mischformen - Gesellschafterversammlung muss Vorsitz regeln (Abs. 3) GmbH-Vertretung (Art. 814 OR) - Jeder Geschäftsführer ist zur Einzelvertretung berechtigt (Abs. 1) - Abweichende Regelung in Statuten möglich (Abs. 2) F als Nichtgesellschafter wurde von der Gesellschafterversammlung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Z GmbH gewählt. Seite 4
Frage 1 Lösung (2/4) Abberufung von Geschäftsführern (Art. 815 Abs. 1 OR) - Die Gesellschafterversammlung kann von ihr gewählte Geschäftsführer jederzeit abberufen. - Absolute Mehrheit der vertretenen Stimmen nötig (Art. 808 OR). E wird absolute Mehrheit mangels Unterstützung nicht erreichen. Klage auf Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (Art. 815 Abs. 2 OR) - Aktivlegitimation: Jeder Gesellschafter E ist aktivlegitimiert - Passivlegitimation: Gesellschaft (nicht betroffener Geschäftsführer) BGer 4A_8/2014, E. 2.3 Seite 5
Frage 1 Lösung (3/4) - Klagegrund = «wichtiger Grund» Gesetz nennt «namentlich» grobe Pflichtverletzungen und Unfähigkeit (Art. 815 Abs. 2 OR) Weitere wichtige Gründe möglich, z.b. gegenseitige Blockierung von zwei Geschäftsführern, falls Verantwortung bei einem liegt (BGer 4A_72/2012, E. 3.3) Klage dient dazu, die Funktionstauglichkeit der Gesellschaftsorgane aufrecht zu erhalten (BGer 4A_8/2014, E. 2.3) Daher: Massgebend für Beurteilung des wichtigen Grundes ist das Interesse der Gesellschaft und nicht die individuellen Interessen der Geschäftsführer oder Gesellschafter (BGer 4A_693/2015, E. 3.2.2) Seite 6
Frage 1 Lösung (4/4) - Argumentation Z GmbH erwirtschaftet regelmässig Gewinn E ist mit übrigen Geschäftsführern uneinig über die Ausrichtung der Z GmbH. Dies führt nicht zu einer Blockierung, weil E in Minderheit E versteht sich persönlich nicht mit F Anzahl Stammanteile spielt keine Rolle Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des F eher nicht im Interesse der Z GmbH, sondern nur im individuellen Interesse des E Antwort: E ist aktivlegitimiert zur Klage nach Art. 815 Abs. 2 OR gegen die Z GmbH. Seine Erfolgsaussichten sind jedoch schlecht. Seite 7
Frage 2 Seite 8
Frage 2 Sachverhalt A 20 % B 20 % C 20 % D 20 % 20 % E Kaufvertrag Abtretung X AG Z GmbH A B AA C E F Seite 9
Frage 2 Lösung (1/3) Abtretung von Stammanteilen - Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft - Form: sowohl für Verpflichtungs- wie für Verfügungsgeschäft einfache Schriftlichkeit nötig (Art. 785 Abs. 1 OR) i.c. Schriftform erfüllt - Inhalt: Art. 785 Abs. 2 OR; bei Nichteinhaltung Abtretungsvertrag ungültig i.c. keine Hinweise auf Nichteinhaltung im Sachverhalt Zustimmungserfordernis (Vinkulierung) - Abtretung bedarf Zustimmung der Gesellschafterversammlung; Zustimmung kann ohne Begründung verweigert werden (Art. 786 Abs. 1 OR) - Abweichende Regelung in Statuten möglich (Art. 786 Abs. 2 OR) i.c. keine Regelung in Statuten Seite 10
Frage 2 Lösung (2/3) - Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ist zwingend (Art. 804 Abs. 2 Ziff. 8 OR) Einberufung einer Ges.Versammlung nötig - Zustimmungsbeschluss untersteht qualifiziertem Mehr (Art. 808b Abs. 1 Ziff. 4 OR) - Veräusserer darf bei Beschlussfassung mitwirken (Art. 806a OR e contrario) A, B, C und D können Zustimmung in Gesellschafterversammlung ohne Angabe von Gründen verweigern Rechtsübergang - Abtretung wird erst mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung rechtswirksam (Art. 787 Abs. 1 OR) Übertragungsgeschäft ist suspensiv bedingt - Zustimmung gilt erteilt, wenn Gesellschafterversammlung nicht innerhalb von 6 Monaten ablehnt (Art. 787 Abs. 2 OR) Seite 11
Frage 2 Lösung (3/3) - Verweigern Gesellschafter die Genehmigung der Übertragung, wird das Verpflichtungsgeschäft mangels Eintritt der Suspensivbedingung unwirksam. - Wurde die Abtretung schon vollzogen, muss eine Rückabwicklung stattfinden. Antwort: A, B, C und D können vor Ablauf von 6 Monaten eine Gesellschafterversammlung einberufen und die Zustimmung zur Übertragung der Stammanteile von E auf die X AG mittels Zweidrittelmehrheit ohne Angabe von Gründen verweigern. Dies führt dazu, dass der Verkauf der Stammanteile von E unwirksam wird und die Abtretung rückabgewickelt werden muss. Seite 12
Frage 3 Seite 13
Frage 3 Sachverhalt A B 20 % 20 % C 20 % D 20 % 20 % E Z GmbH A B AA C E F Seite 14
Frage 3 Lösung (1/4) Ausschluss durch Gesellschafterversammlung, wenn statutarisch vorgesehen (Art. 823 Abs. 2 OR) - I.c. keine Regelung in Statuten Klage auf Ausschluss eines Gesellschafters (Art. 823 Abs. 1 OR) - Aktivlegitimation: Gesellschaft (nicht einzelne Gesellschafter) zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung (Art. 804 Abs. 2 Ziff. 14 OR) Einberufung einer Ges.Versammlung nötig Zustimmungsbeschluss untersteht qualifiziertem Mehr (Art. 808b Abs. 1 Ziff. 8 OR) auszuschliessender Gesellschafter darf bei Beschlussfassung mitwirken (Art. 806a OR e contrario) A, B, C und D können in Gesellschafterversammlung beschliessen, Klage auf Ausschluss von E zu erheben Seite 15
Frage 3 Lösung (2/4) - Passivlegitimation: auszuschliessender Gesellschafter E ist passivlegitimiert - Klagegrund = «wichtiger Grund» Fortsetzung der Gesellschaft mit betreffendem Gesellschafter unzumutbar und/oder Gesellschaft mit Schaden bedroht Grund liegt i.d.r. (aber nicht zwingend) in den persönlichen Verhältnissen bzw. im Verhalten des betreffenden Gesellschafters Gesellschafterbeschluss muss die wichtigen Gründe nennen. In der Folge überprüft das Gericht, ob die genannten Gründe für einen Ausschluss genügen Seite 16
Frage 3 Lösung (3/4) - Argumentation E verhält sich querulatorisch A, B, C und D sind der Meinung, E sei als Mitgesellschafter nicht mehr zumutbar Angaben aus SV sprechen eher für das Vorliegen eines wichtigen Grundes die Unzumutbarkeit müsste im Gesellschafterbeschluss konkretisiert werden - Ausschluss wirkt im Innenverhältnis mit richterlichem Urteil ex nunc. Aber: Während Verfahren vorsorgliche Massnahmen möglich (Art. 824 OR). Im Aussenverhältnis ist HR-Eintrag massgebend. - Anspruch auf Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters (Art. 825 f. OR) Seite 17
Frage 3 Lösung (4/4) Antwort: A, B, C und D können eine Gesellschafterversammlung einberufen und mittels Zweidrittelmehrheit beschliessen, dass die Z GmbH eine Klage auf Ausschluss von E erhebt. Der Beschluss muss die wichtigen Gründe konkret nennen, damit das Gericht in der Folge überprüfen kann, ob die genannten Gründe für einen Ausschluss genügen. Seite 18
Frage 4 Seite 19
Frage 4 Sachverhalt A B C 0.5 Aktien pro 25 % D Y AG Stammanteil 25 % 25 % 25 % Z GmbH A B AA C F Seite 20
Frage 4 Lösung (1/4) Anwendbarkeit der Vorschriften zur Spaltung (Art. 29 ff. FusG) - Abgrenzung zur Fusion: Z GmbH bleibt bestehen (vgl. Art. 3 Abs. 2 FusG) - Abgrenzung zur Vermögensübertragung: mitgliedschaftliche Seite ist betroffen (vgl. Art. 69 Abs. 1 Satz 2 FusG) - zulässige Spaltungen: Kapitalgesellschaften können sich in Kapitalgesellschaften spalten (Art. 30 FusG) i.c.: GmbH spaltet Teil an AG ab - Spaltungsarten: Auf- und Abspaltung (Art. 29 FusG) zur Übernahme oder Neugründung symmetrisch oder asymmetrisch (Art. 31 FusG) i.c.: symmetrische Abspaltung zur Übernahme Seite 21
Frage 4 Lösung (2/4) Ausgleichsklage nach Art. 105 FusG - Klage ermöglicht Überprüfung der Angemessenheit des Zuteilungsverhältnisses oder der Abfindung im Rahmen einer Umstrukturierung - Abgrenzung zur Anfechtungsklage (Art. 106 FusG): D will nicht die Abspaltung an sich anfechten, sondern das vereinbarte Zuteilungsverhältnis - Aktivlegitimation: Gesellschafter der übertragenden und übernehmenden Gesellschaft D ist aktivlegitimiert - Passivlegitimation: beteiligte Gesellschaften Z GmbH und Y AG sind passivlegitimiert Seite 22
Frage 4 Lösung (3/4) - Klagegrund: Unangemessenheit des Zuteilungsverhältnisses = Verletzung des Prinzips der mitgliedschaftlichen Kontinuität (Art. 31 Abs. 1 i.v.m. Art. 7 FusG) in vermögensmässiger Hinsicht Geschäftsführer haben bei der Wahl der Bewertungsmethoden und Bewertungsumstände einen Ermessensspielraum. Eine Verletzung liegt somit nur bei einer Ermessensüberschreitung vor (BGer 4A_96/2011, E. 5.4; BGer 4A_341/2011, E. 5.2) - Argumentation: Geschäftsführer haben sich auf bewährte Methoden verlassen zugelassener Revisionsexperte hat Vertretbarkeit des Zuteilungsverhältnisses bestätigt (Art. 40 i.v.m. 15 Abs. 4 lit. b FusG) i.c. keine Ermessensüberschreitung erkennbar Seite 23
Frage 4 Lösung (4/4) - Klagefrist: 2 Monate nach Veröffentlichung im SHAB Verwirkungsfrist - Rechtswirkungen: Urteil hat Wirkung für alle Gesellschafter (Art. 105 Abs. 2 FusG) Klage/Entscheid hindert Rechtswirksamkeit des Spaltungsbeschlusses nicht (Art. 105 Abs. 4 FusG) Antwort: D kann die Ausgleichsklage nach Art. 105 FusG erheben. Die Erfolgsaussichten sind eher schlecht, weil i.c. keine Ermessensüberschreitung erkennbar ist. Seite 24
Frage 5 Seite 25
Frage 5 Sachverhalt A B C Abfindung CHF 50 pro 25 % D Y AG Stammanteil 25 % 25 % 25 % Z GmbH A B AA C F Seite 26
Frage 5 Lösung (1/3) Handelsregistersperre (Art. 162 HRegV) - Falls Spaltungsbeschlüsse noch nicht im Handelsregister eingetragen sind, zur einstweiligen Verhinderung der Eintragung Anfechtungsklage nach Art. 106 FusG - Abgrenzung zur Ausgleichsklage (Art. 105 FusG): Nicht die wertmässige Abfindung ist umstritten, sondern die Zulässigkeit einer reinen Barabfindung an sich. - Aktivlegitimation: Gesellschafter des betroffenen Rechtsträgers, welche dem Umstrukturierungsbeschluss nicht zugestimmt haben D ist aktivlegitimiert - Passivlegitimation: Gesellschaft, in welcher der Beschluss gefasst wurde Z GmbH ist passivlegitimiert - Anfechtungsobjekt: Beschluss der Gesellschafter über die Spaltung Seite 27
Frage 5 Lösung (2/3) - Anfechtungsgrund: Verletzung von Vorschriften des FusG D macht geltend, es sei nicht korrekt, dass Gesellschafter der Z GmbH nur eine Abfindung bekommen Bei Fusion ist diese Möglichkeit vorgesehen (sog. Squeeze-out; Art. 8 Abs. 2 FusG erfordert Quorum von 90%, Art. 18 Abs. 5 FusG) Art. 31 FusG kennt diese Regelung für die Spaltung nicht Trotzdem geht eine Mehrheit der Lehre davon aus, dass eine Squeezeout-Spaltung zulässig ist, wenn die Gesellschafter nicht aus sämtlichen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften ausgeschlossen werden. Dies setzt jedoch das für den Squeeze-out-Merger erforderliche Quorum von 90% (Art. 18 Abs. 5 FusG) voraus I.c. haben A, B und C dem Vertrag zugestimmt, somit wurde ein Quorum von nur 75% erreicht. Seite 28
Frage 5 Lösung (3/3) - Anfechtungsfrist: 2 Monate nach Veröffentlichung im SHAB Verwirkungsfrist - Rechtswirkungen: Kann ein Mangel behoben werden, so räumt das Gericht den betroffenen Rechtsträgern dazu eine Frist ein (Art. 107 Abs. 1 FusG) Kann ein Mangel nicht behoben werden, so hebt das Gericht den Beschluss auf und ordnet die erforderlichen Massnahmen an (Art. 107 Abs. 2 FusG) Antwort: D kann eine Anfechtungsklage gegen die Z GmbH zur Anfechtung des Spaltungsbeschlusses erheben. Selbst wenn man der Lehrmeinung folgt, wonach eine Squeeze-out-Spaltung zulässig ist, wäre vorliegend das nötige Quorum von 90% nicht erreicht. Daher verstösst die Spaltung gegen das FusG und die Anfechtung wird erfolgreich sein. Seite 29
Herzlichen Dank Lukas Fahrländer lukas.fahrlaender@nkf.ch Seite 30