Steuern und Sozialversicherung Kongresshaus, Zürich (1121.) 13. März 2014
Steuerrechtliche Erfassung von Sozialversicherungsleistungen, insbesondere bei Nachzahlung von Leistungen lic. iur. Adrian Rufener
Vorgaben des StHG und DBG 1. StHG Verbindliche Vorgaben für die Kantone (ab. 1.1.2001) Besteuerung gestützt auf Einkommensgeneralklausel (Art. 7 Abs. 1 StHG) Steuerfreie Einkünfte nach Art. 7 Abs. 4 StHG behinderungsbedingte Kosten (Art. 9 Abs. 2 lit. h bis StHG) 2. DBG Einkünfte aus Vorsorge nach Art. 22 DBG Übrige Einkünfte nach Art. 23 DBG Steuerfreie Einkünfte nach Art. 24 StHG behinderungsbedingte Kosten (Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG) lic. iur. Adrian Rufener 3
Einkommensbegriff im CH-Steuerrecht 1. Steuergesetze enthalten keine Definition des Einkommensbegriffes, obwohl im Abgaberecht das Legalitätsprinzip besonders streng gehandhabt wird; 2. In der Steuerrechtslehre und Praxis orientiert sich der Einkommensbegriff an der Reinvermögenszugangstheorie; lic. iur. Adrian Rufener 4
Einkommensbegriff im CH-Steuerrecht 3. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob Zufluss in Steuergesetzen ausdrücklich als Einkommensart aufgeführt ist; Zufluss gemäss Generalklausel als Einkommen zu qualifizieren ist; Keine Ausnahme von der Steuerpflicht vorliegt Normative Ausnahme Begriffliche Ausnahme Beweislastverteilung analog Art. 8 ZGB Steuerbehörde: steuerbegründende / steuererhöhende Tatsachen Steuerpflichtiger: steuerausschliessende / steuermindernde Tatsachen lic. iur. Adrian Rufener 5
Ausnahmen von der Steuerpflicht 1. Normative Ausnahmen Art. 7 Abs. 4 StHG und Art. 24 DBG (Text identisch) «Unterstützung aus öffentlichen oder privaten Mitteln» «Genugtuung» (Integritätsentschädigung?) «Ergänzungsleistungen aufgrund der Bundesgesetzgebung über.» 2. Begriffliche Ausnahmen, d.h. keine Reinvermögenszugänge, wie Sachleistungen Kostenersatz für «Vermögensschaden» Haushalts-, Betreuungs- und Pflegeschaden lic. iur. Adrian Rufener 6
Vorrang des DBG Kantone haben Gliederung des DBG übernommen, d.h. «Einkünfte aus Vorsorge» nach Art. 22 DBG AHV, IV, BVG, Säule 3a «Übrige Einkünfte» nach Art. 23 DBG Alle übrigen Einkünfte die an die Stelle von Erwerbseinkommen treten (Art. 23 lit. a DBG) Einmalige und wiederkehrende Zahlungen bei Tod sowie für bleibende körperliche Nachteile (Art. 23 lit. b DBG) Auswirkungen der vorstehenden Unterscheidung beim Steuermass von Kapitalleistungen lic. iur. Adrian Rufener 7
Besteuerung im Einzelnen 1. Taggelder Stellen im Grundsatz übriges Einkommen dar. Ausnahme: IV- Taggelder (= Vorsorgeleistungen). Taggelder unterliegen je nach Leistungserbringer der AHV/IV/EO/ALV Beitragspflicht. 2. Renten Stellen im Grundsatz Vorsorgeleistungen dar: Ausnahmen: UVG/MVG-Renten. Diese stellen übriges Einkommen dar. 3. Kapitalleistungen Stellen im Grundsatz übriges Einkommen dar. Ausnahme: Kapitalleistungen aus zweiter Säule und Säule 3a. lic. iur. Adrian Rufener 8
Besteuerung im Einzelnen 4. Genugtuung Steuerfrei nach Art. 7 Abs. 4 lit. i StHG und Art. 24 lit. g DBG 5. Integritätsentschädigung Steuerfrei, da gleicher Zweck wie Genugtuung. Begründung für Steuerfreiheit in Praxis unterschiedlich. Richtig wohl: Art. 74 Abs. 2 lit. e ATSG 6. Hilfsmittel / Eingliederungsmassnahmen / Krankenpflegeleistungen / Vorsorgeuntersuchungen Steuerfrei, da kein Reinvermögenszugang lic. iur. Adrian Rufener 9
Besteuerung im Einzelnen 7. Pauschalierter Kostenersatz Hilflosenentschädigung nach Art. 43bis AHVG, Art. 42 IVG, Art. 26 und 27 UVG, Art. 20 MVG Pflegebeiträge an Minderjährige nach Art. 20 IVG Entsprechende Leistungen eines haftpflichtigen Dritten 8. Kapitalleistung für behinderungsbedingte Mehrkosten Kein Reinvermögenszugang Zur Abzugsfähigkeit der selbstbezahlten Kosten siehe nachstehende Ausführungen lic. iur. Adrian Rufener 10
Periodizität der steuerlichen Erfassung 1. Grundsatz Im Zeitpunkt des Leistungszuflusses bzw. des Erwerbs eines festen Rechtsanspruches 2. Periodische Leistungen Taggelder / Renten, etc.: im Zeitpunkt der Fälligkeit zusammen mit den übrigen Einkünften lic. iur. Adrian Rufener 11
Periodizität der steuerlichen Erfassung 3. Kapitalleistungen Kapitalzahlungen nach Art. 22 DBG und 23 lit. b DBG unterliegen einer separaten Jahressteuer, getrennt vom übrigen Einkommen (Art. 38 DBG; Art. 11 Abs. 3 StHG; vgl. auch BGE 2C_158/2013 und 2C_159/20132C_158/2013) Kapitalzahlungen nach Art. 23 lit. a DBG werden zusammen mit den übrigen Einkünften zum Rentensatz besteuert (Art. 37 DBG; Art. 11 Abs. 2 StHG) lic. iur. Adrian Rufener 12
Rentennachzahlungen im Besonderen 1. Rentennachzahlung UVG / MVG Zum Rentensatz zusammen mit den übrigen Einkünften (UVG- Nachzahlung: PRA 2001, 173 ff.). 2. Rentennachzahlung IVG / BVG Zum Rentensatz zusammen mit den übrigen Einkünften (IV- Rentennachzahlung: BGE 2A.118/2006) Beurteilung der bundesgerichtlichen Praxis: Begründung falsch, Ergebnis richtig lic. iur. Adrian Rufener 13
Behinderungsbedingte Kosten 1. Behinderungsbegriff gemäss BehiG (SR 151.3) BehiG definiert den Behinderungsbegriff eigenständig, ausserhalb des Sozialversicherungsrechts Art. 2 Abs. 1 BehiG lautet wie folgt: «In diesem Gesetz bedeutet Mensch mit Behinderungen (Behinderte, Behinderter) eine Person, der es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben.» lic. iur. Adrian Rufener 14
Behinderungsbedingte Kosten 2. Bundessteuergesetze unterscheiden zwischen Krankheits- und Unfallkosten Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG, Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG Nur selbstbezahlte Kosten sind abzugsfähig Mit Selbstbehaltsregelung Behinderungsbedingten Kosten Art. 9 Abs. 2 lit. h bis StHG, Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG Nur selbstbezahlte Kosten sind abzugsfähig Ohne Selbstbehaltsregelung Kreisschreiben Nr. 11 vom 31. August 2005 lic. iur. Adrian Rufener 15
Haushaltsschaden 1. Haftpflichtrechtlicher Haushaltsschaden Steuerfrei gemäss BGE 131 II 128 2. Subrogierte und damit an den haftpflichtrechtlichen Haushaltsschaden anrechenbare IV-Rente: Nach Ansicht des Bundesgerichts ist die Invalidenrente immer steuerbar Entscheid kritisiert in: HAVE 2006, 144 ff.; Steuern und Versicherungen, 3. Auflage, 2, S. 40 ff. lic. iur. Adrian Rufener 16
Haushaltsschaden Argumentation des Bundesgerichts ist nicht schlüssig, weil: Zweck der Leistung entscheidend ist und nicht der Leistungserbringer Keine Lehrmeinungen zugunsten Bundesgericht bestehen Eine IV-Rente an eine Person im Haushalt den «Einkommensbegriff» nicht erfüllt Das Thema «Subrogation» ausgeblendet worden ist Die «Bruttomethode» nicht zur Anwendung kommt Es zu einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung je nach IV-Grad führt lic. iur. Adrian Rufener 17