Salatblatt II. Vorvertragliches Schuldverhältnis. Ansprüche aus vorvertraglichem Schuldverhältnis zwischen M und S mit Schutzwirkung zugunsten T

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Transkript:

Salatblatt II Tochter T begleitet ihre Mutter zum Einkaufen in den Supermarkt des S und hilft ihr bei der Auswahl der Ware. Sie rutscht dabei auf dem Salatblatt aus und bricht sich das Bein. Welche Ansprüche hat T gegen S?

Salatblatt II M Vorvertragliches Schuldverhältnis S T Ansprüche aus vorvertraglichem Schuldverhältnis zwischen M und S mit Schutzwirkung zugunsten T

A. Schadensersatzanspruch der T gegen S gem. 280 I 1, 311 III 1 BGB I. Schuldverhältnis 1. Vertragsanbahnung/ähnlicher Kontakt, 311 II Nr. 2 bzw. Nr. 3 BGB (-), da T selbst nichts kaufen wollte, sondern ihre Mutter lediglich begleitete. (Die Erstreckung vorvertraglicher Schuldverhältnisse auf Dritte ist Regelungsgegenstand des 311 III BGB, a.a. vertretbar). 2. T könnte über die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in das Schuldverhältnis zwischen M und S einbezogen worden sein. 311 III 1 BGB ist offen formuliert, so dass auch Dritte mit in den Vertrag einbezogen werden können.

a) Leistungsnähe = Dritte muss bestimmungsgemäß den Gefahren einer Pflichtverletzung des Schuldners ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger => (+), da die Gefahr, auf dem Salatblatt auszurutschen, für T und M gleichermaßen bestand. b) Gläubigernähe = Gläubiger muss ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben; dieses liegt insbes. vor bei einem Näheverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag ( Wohl und Wehe ). (+), da die M gem. 1626 BGB die elterliche Fürsorgepflicht gegenüber T trifft. c) Erkennbarkeit für den Schuldner; der Schuldner muss erkennen, dass Dritte betroffen sein können. (+), denn für S war ohne weiteres erkennbar, dass Kinder von den Eltern mit zum Einkaufen genommen werden.

d) Schutzbedürftigkeit = T muss schutzbedürftig sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie selbst keine inhaltsgleichen vertraglichen oder vertragsähnlichen Ansprüche gegen S hat. Da T keine anderen Ansprüche hat, ist sie schutzbedürftig. Die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter liegen daher vor. II. Pflichtverletzung des S (+) III. Vertretenmüssen des S gem. 280 I 2 BGB (+) IV. Schaden = Heilungs- und Arztkosten T hat gegen S einen Anspruch auf Zahlung der Heilungs - und Arztkosten gem. 280 I 1, 311 III 1 BGB. Daneben besteht ggf. ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß 253 II BGB. Für eine Anspruchsminderung gem. 254 BGB fehlen Anhaltspunkte. B. Ihr steht gegen S auch ein Anspruch aus 823 I BGB zu. C. Zudem hat sie einen Anspruch gem. 823 II BGB i.v.m. 229 StGB.

Der schwierige Hausbau Die Eheleute E wollen ein Haus bauen. Da sie aber über keinerlei Erfahrung diesbezüglich verfügen, beauftragen sie den Finanzmakler S mit der Errichtung des Hauses. S soll später auch die Vermietung des Hause übernehmen. S erklärt den Handwerkern, er werde dafür sorgen, dass die Eheleute E nur dann Aufträge an die Handwerker erteilen werden, wenn sie diese auch bezahlen können. Daraufhin nimmt Handwerker H Installationen vor, nachdem S die Vergabe gebilligt hat. Die Eheleute E können die Rechnung jedoch nicht zahlen. Hat H gegen S einen Anspruch auf Zahlung?

Der schwierige Hausbau E Vertragliches Schuldverhältnis H Ansprüche gegen den Dritten (S) S

I. Anspruch des H gegen S aus Vertrag? 1. S will nicht für die Eheleute E einstehen, so dass ein Bürgschaftsvertrag gem. 765 BGB nicht zustande gekommen ist. 2. S erklärte auch nicht gegenüber H, dass er dafür einstehen wolle, dass H das Geld aus dem Vertrag mit den Eheleuten E bekomme. Ein Garantievertrag wurde daher nicht geschlossen. 3. Haftung aus Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrags gemäß 280 I BGB (-). Für die Annahme eines solchen Vertragsschlusses fehlen hinreichende Anhaltspunkte. II. Anspruch aus 280 I, 311 III 1, 2 BGB? 1. Vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen H und S gem. 311 III 1, 2 BGB? a) Grundsätzlich besteht das vorvertragliche Schuldverhältnis nur zwischen den späteren Vertragspartnern. H und S wollten jedoch nie einen eigenen Vertrag schließen.

b) Ausnahmsweise haften auch Dritte, 311 III 2 BGB. aa) Starkes wirtschaftliches Eigeninteresse des S?; fraglich, ob di ese Fallgruppe überhaupt anzuerkennen ist, jedenfalls hier ( -), S ist nicht Vertreter der Eheleute und bekommt für seine Aufgaben nur ein vertraglich vereinbartes Entgelt. bb) S könnte als Sachwalter haftbar gemacht werden. Sachwalter ist derjenige, der weder Vertragspartei noch Vertreter ist, aber als Vertrauensträger bei der Vertragsanbahnung behilflich ist. Wie der Vertreter haftet der Sachwalter aber nur dann, wenn er durch sein Verhalten erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des anderen nimmt, indem er eine zusätzlich, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts bietet (vgl. dazu BGH NJW-RR 1991, 1241, 1242). S hat H mitgeteilt, dass er persönlich dafür sorgen werde, dass die ausgeführten Arbeiten auch bezahlt werden. Insofern hat er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Zwischen S und H ist daher ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen.

2. S hatte gem. 241 II BGB die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Eheleute E ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Diese Pflicht hat S verletzt. 3. Gem. 280 I 2 BGB wird das Vertretenmüssen des S vermutet. Diese Vermutung kann S nicht widerlegen. 4. Als Rechtsfolge ist H so zu stellen, als wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre. Diesen Schaden muss S dem H ersetzen. Hätte H gewusst, dass die Eheleute nicht zahlen können, hätte er die Installationen nicht vorgenommen. Insofern sind ihm die Materialkosten zu ersetzen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass er sonst einen anderen Auftrag erhalten hätte, so dass ihm der entgangene Verdienst zu ersetzen ist. III. Haftung aus 823 I BGB (keine Rechts- oder Rechtsgutsverletzung) IV. Haftung aus 826 BGB 1. Schaden 2. Vorsatz des S wohl (-)

Ausweitung der Aktivlegitimation gemäß 311 III BGB A) Fallgruppen der Anspruchsberechtigung Dritter gemäß 311 III 1 BGB: 1. Vertrag zugunsten Dritter, 328 BGB oder 2. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Ausweitung der Aktivlegitimation gemäß 311 III BGB A Vertragliches oder vorvertragliches Schuldverhältnis B D Ansprüche aus Vertrag oder vorvertraglichem Schuldverhältnis zwischen A und B mit Schutzwirkung zugunsten Drittem (D)

Ausweitung der Aktivlegitimation gemäß 311 III BGB B) Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung Dritter gemäß 311 III 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben sich nach den von Rspr. und Lehre dazu entwickelten Voraussetzungen. I. Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritte ist umstr.: Gewohnheitsrecht, richterliche Rechtsfortbildung, ergänzende Vertragsauslegung. Streit unergiebig.

II. Voraussetzungen: a) Leistungsnähe = Dritte muss bestimmungsgemäß den Gefahren einer Pflichtverletzung des Schuldners ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger b) Gläubigernähe = Gläubiger muss ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben; dieses liegt insbes. vor bei einem Näheverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag ( Wohl und Wehe ) c) Erkennbarkeit für den Schuldner; der Schuldner muss erkennen, dass Dritte betroffen sein können. d) Schutzbedürftigkeit = Dritter muss schutzbedürftig sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Dritte selbst keine inhaltsgleichen vertraglichen oder vertragsähnlichen Ansprüche gegen den Schuldner hat.

Ausweitung der Passivlegitimation gemäß 311 III BGB A) Fallgruppen der Haftung Dritter gemäß 311 III 1 und 2 BGB 1. Haftung des Vertreters bei einem unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Interesse am Vertragsschluss 2. Haftung des Vertreters bei Inanspruchnahme besonderen eigenen Vertrauens 3. Haftung anderer Personen, insbes. von Sachwaltern, wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens

Ausweitung der Passivlegitimation gemäß 311 III BGB A Vorvertragliches Schuldverhältnis B Ansprüche gegen den Dritten D Dritter: Vertreter, Sachwalter

Ausweitung der Passivlegitimation gemäß 311 III BGB B) Voraussetzungen für die Einbeziehung eines Dritten in das vorvertragliche Schuldverhältnis gemäß 311 III 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens sind: 1. Inanspruchnahme von besonderem Vertrauen, das sich gerade auf die Person des Dritten und nicht auf die der zukünftigen Vertragspartei bezieht. Der Dritte muss gleichsam die Gewähr für das Zustandekommen und die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags übernehmen. 2. Durch die Anspruchnahme des Vertrauens müssen die Vertragsverhandlungen oder der Vertragsabschluss erheblich beeinflusst worden sein. (Kausalität)

Ausweitung der Passivlegitimation gemäß 311 III BGB C) Voraussetzungen für die Einbeziehung eines Vertreters in das vorvertragliche Schuldverhältnis gemäß 311 III 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses sind: 1. Persönliches Führen der Verhandlungen (lässt der Vertreter Vierte für sich handeln, kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn er sich deren Verhalten ausnahmsweise nach Treu und Glauben zurechnen lassen muss). 2. Vertreter führt Vertragsverhandlungen im Grunde in eigener Sache.

Ausweitung der Passivlegitimation gemäß 311 III BGB Eine Haftung ist unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses nach der Rspr. regelmäßig zu bejahen, wenn der Vertreter die Absicht hat, die Gegenleistung des anderen Teils nicht ordnungsgemäß an den Vertretenen weiterzuleiten, sondern für eigene Zwecke zu verwenden (BGHZ 126, 181, 185). Eine Haftung scheidet aus, wenn der Vertretene nur ein mittelbares wirtschaftliches Interesse am Geschäft hat. Vorteile aus Provisionen oder Gewinnen der vertretenen Gesellschaft reichen nicht.

Vermietung mit Schwierigkeiten V ist Eigentümer einer Fabrikhalle, die er bis zum 31.5. vermietet hat. Er bemüht sich um einen Nachmieter. M ist nach Besichtigung der Halle am 3.5. grundsätzlich bereit, einen Mietvertrag über 5 Jahre zum 1.6. abzuschließen, wenn vier Zusatzbedingungen in den Vertrag aufgenommen werden. V übersendet M am 26.5 einen Vertragsentwurf und nimmt aufgrund de r Absprachen mit M einige Instandsetzungsarbeiten an der Fabrikhalle vor. Mit Schreiben vom 2.6. teilt M dem V mit, er trete von den Vertragsverhandlungen zurück und wolle sich um ein anderes Obje kt bemühen. V verlangt von M den Vertragsschluss, zumindest aber Schadensers atz für die vorgenommenen Arbeiten an der Fabrikhalle, die für ihn nutzlos seien. Außerdem verlangt er Ersatz der entgangenen Miete, weil er einen anderen Mietvertrag mit Blick auf die Verhandlungen mit M ausgeschlagen hat.

Anspruch des V gegen M aus 280 I BGB I. Durch die Aufnahme ernsthafter Vertragsverhandlungen gem. 311 II Nr. 1 BGB ist zwischen V und M ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen. II. Pflichtverletzung des M dadurch, dass er die Vertragsverhandlungen abgebrochen hat? 1. Grundsätzlich können Vertragsverhandlungen jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden. 2. Ausnahme: a) Erweckt jemand das Vertrauen, ein Vertrag werde mit Sicherheit abgeschlossen und

b) enttäuscht er dieses Vertrauen, indem er die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht, verletzt er seine Aufklärungs- und Rücksichtnahmepflicht. M hat den Vertragsschluss als sicher hingestellt, wenn die vier Zusatzbedingungen in den Vertrag aufgenommen werden; dies ist geschehen. Da er nach der Zusendung des Vertragsentwurfs nicht umgehend widersprochen hat, hat er bei V ein berechtigtes Vertrauen auf den Abschluss des Vertrages hervorgerufen. Fraglich ist, ob ein triftiger Grund für M vorlag, vom Vertragsschluss abzusehen. An den triftigen Grund sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt z.b., wenn sich für den Vertragspartner ein günstigeres Angebot bietet. Darüber müsste der andere Vertragspartner dann unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden. Hier sind keine Gründe für das Abstandnehmen vom Vertragsschluss ersichtlich. M hat die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen. Eine Pflichtverletzung liegt daher vor.

III. Vertretenmüssen gem. 280 I 2 BGB 1. Bezüglich des Erzeugens des Vertrauens auf den späteren Vertragsschluss (nach früherer Rspr. analog 122 BGB nicht erforderlich, jetzt aber 280 I 2 BGB) (+), Vertretenmüssen wird gem. 280 I 2 BGB vermutet. Gegenbeweis kann nicht geführt werden. 2. Bezüglich des Abbruchs der Vertragsverhandlungen, (+), Vermutung des 280 I 2 BGB nicht widerlegt. RF: M muss den Schaden ersetzen, der infolge der Pflichtverletzung entstanden ist (Vertrauensschaden). Er ist so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. - V kann nicht das Erfüllungsinteresse verlangen; demnach hat er keinen Anspruch auf Abschluss des Vertrages. - V kann aber den Mietausfall verlangen, weil er darlegen kann, dass er die Halle rechtzeitig weitervermieten konnte. - V kann die Materialkosten für die Instandsetzungsarbeiten verlangen, die speziell den Interessen des M dienten (MüKo/Ernst, 284, Rn. 34). Sofern sich sein Vermögen durch die Instandsetzungsarbeiten vergrößert hätte, wäre dies anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Exkurs: Schadensersatzansprüche wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen aus 280 I, 311 II BGB Abbruch von Vertragsverhandlungen ist nur dann eine Pflichtverletzung gem. 241 II BGB, wenn 1. das berechtigte Vertrauen erweckt wird, der Vertrag werde mit Sicherheit abgeschlossen und 2. die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen werden. Ein berechtigtes Vertrauen wird beispielsweise nicht erweckt, wenn: - mit dem Scheitern der Vertragsverhandlungen noch gerechnet werden muss - der Anspruchssteller sich den Vertragsabschluss selbst noch vorbehält - noch keine Einigung über wesentliche Punkte des angestrebten Vertrages erzielt wurde

Ein triftiger Grund zum Abbruch liegt vor: bei vernünftigen Erwägungen, beispielsweise: - einem besseren Angebot - einer Verschlechterung der Geschäftschancen, die es ratsam erscheinen lassen, von dem beabsichtigten Geschäft Abstand zu nehmen - wenn der andere Teil den Eindruck erweckt, er sei am Vertragssch luss nicht mehr interessiert Ein triftiger Grund liegt regelmäßig vor: - wenn der spätere Vertrag formbedürftig ist. Eine Schadensersatzp flicht nach 280 I BGB würde sonst einen indirekten Zwang zum Vertragsschluss bedeuten. Dies liefe zumeist dem Sinn und Zweck des die Formbedü rftigkeit anordnenden Tatbestandes zuwider (z.b. 311 b I 1 BGB, der zum Schutz des Käufers vor Übereilung die notarielle Beurkundung des Vertra ges anordnet.) Rückausnahme: Bei einem besonders schwerwiegenden Treueverstoß, d.h., dann, wenn auch die Berufung auf die Formnichtigkeit eines Vertrages nach Treu und Glauben ausgeschlossen wäre. Dies wird nur bei einer vorsätzlichen Täuschung über die Wirksamkeit des Vertragsschluss es angenommen.