Expertenstandard nach 113a SGB XI Erhalt und Förderung der Mobilität in der Pflege Sven Reuther, MScN Mitglied der Expertenarbeitsgruppe Wissenscha:licher Mitarbeiter Deutsches Zentrum für NeurodegeneraAve Erkrankungen e.v. (DZNE, WiFen) Sept.2011
Warum Mobilität?
Als Expertenstandard eine Herausforderung, da...mobilität im Alltag ein sehr weit gefasster Begriff ist. Pflegebedür:igkeit o: mit Mobilitätseinschränkungen verbunden sind. Jedoch ist Mobilität eines der zentralen Themen (neben KogniOon) in der Pflege Grundvoraussetzung für Autonomie, SelbstbesAmmung und Teilhabe am sozialen Leben. WichAg in der GesundheitsprävenAon! ca. 75% der Menschen im Altenheim sind von Immobilität betroffen (Wingenfeld et al. 2013). Über 40% der unbeeinträchagten Bewohner entwickeln innerhalb von 18 Monaten Mobilitätseinbußen (Wingenfeld et al. 2013).
Rahmenbedingungen
WissenschaRliche Leitung: Dr. Klaus Wingenfeld (auch verantwortlich für die Literatursuche). 15 Mitglieder: 12 Experten aus der Pflege und 3 externe Berater (Physiotherapie, Sportwissenscha: und MDK). Entwicklungsdauer: Mai 2013 bis Januar 2014. 5 Standardebenen Einschätzung KoordinaAon & Planung Beratung Maßnahmen EvaluaAon
Zielgruppe des Expertenstandards sind alle pflegebedür:ige Menschen, die auf dauerha:e Hilfe angewiesen sind! Zielsetzung: Jeder pflegebedür:ige Mensch erhält eine pflegerische Unterstützung, die zum Erhalt und /oder zur Förderung der Mobilität beiträgt! Primär entwickelt für Einrichtungen der staaonären, teilstaaonären und ambulanten Langzeitversorgung (nicht pauschal auf andere Versorgungssejngs wie z.b. Krankenhaus übertragbar)
DefiniOon des Begriffes Mobilität Mobilität ist die Eigenbewegung des Menschen, mit dem Ziel, sich fortzubewegen oder eine Lageveränderung des Körpers vorzunehmen. Lageveränderung und Fortbewegung umfassen den Lagewechsel im Liegen und Sitzen, das Aufstehen, das Umsetzen sowie das Gehen mit oder ohne Hilfe (DNQP, 2014, S. 14)
Strukturkriterien Prozesskriterien Ergebniskriterien S1 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen, Gründe für Mobilitätsbeein- trächagungen sowie Umgebungsmerkmale, die für die Mobilität relevant sind, systemaasch einzuschätzen. P1 Die PflegefachkraR schätzt zu Beginn des pflegerischen Au:rags die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen sowie Probleme, Wünsche und Ressourcen im Zusammenhang mit der Erhaltung und der Förderung der Mobilität ein. Sie wiederholt die Einschätzung regelmäßig in individuell festzulegenden Abständen sowie bei Veränderungen der mobilitätsrelevanten Einflussfaktoren. E1 Eine aktuelle Einschätzung der vorhandenen Mobilität und möglicher Probleme und Ressourcen im Zusammenhang mit der Mobilität liegen vor. Die Entwicklung der Mobilität ist abgebildet. S2a Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz zur Planung und KoordinaAon von Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität. S2b Die Einrichtung stellt sicher, dass Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität fester Bestandteil des internen Qualitätsmanagements sind. P2 Die PflegefachkraR plant und koordiniert in enger Absprache mit dem pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seinen Angehörigen sowie weiterer Berufsgruppen individuelle Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität unter BerücksichAgung seiner Präferenzen. Sie sorgt für eine konanuierliche Umsetzung des Maßnahmenplans. E2 Ein individueller Maßnahmenplan mit den vereinbarten Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität des pflegebedür:igen Menschen liegt vor. S3 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, den pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seine Angehörigen über die Bedeutung von Mobilität für die Gesundheit und den Erhalt von Selbständigkeit zu informieren und sie durch Beratung und Anleitung darin zu unterstützen, Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Mobilität in ihren Lebensalltag zu integrieren. P3 Die PflegefachkraR bietet dem pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seinen Angehörigen InformaAon, Beratung und Anleitung unter BerücksichAgung der bei der Einschätzung idenafizierten Probleme, Wünsche und Ressourcen an. E3 Der pflegebedür:ige Mensch und gegebenenfalls seine Angehörigen sind über die Auswirkungen einer eingeschränkten Mobilität sowie Möglichkeiten zur Erhaltung und Förderung von Mobilität informiert. S4a Die Einrichtung verfügt über personelle, materielle und räumliche Ressourcen für ein zielgruppenspezifisches Angebot mobilitätserhaltender und - fördernder Maßnahmen sowie für eine mobilitätsfördernde Umgebungsgestaltung. S4b Die PflegefachkraR verfügt über Kompetenzen zur Ermöglichung und Durchführung von mobilitätsfördernden und - erhaltenden Maßnahmen. P4 Die PflegefachkraR unterbreitet dem pflegebedür:igen Menschen konanuierlich Angebote zur Erhaltung und Förderung der Mobilität und führt die mit dem Pflegebedür:igen vereinbarten Maßnahmen durch. E4 Die Maßnahmen sind plangemäß durchgeführt und wirken sich posiav auf die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen aus. S5 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, die Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen. P5 Die PflegefachkraR überprü: gemeinsam mit dem pflegebedür:igen Menschen und ggf. seinen Angehörigen sowie weiteren an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen den Erfolg und die Angemessenheit der Maßnahmen. Bei Bedarf vereinbart sie mit dem pflegebedür:igen Menschen auf Grundlage einer erneuten Einschätzung Veränderungen am Maßnahmenplan. E5 Eine EvaluaAon der vereinbarten Maßnahmen liegt vor.
Was bedeutet das für die Pflegepraxis?
Ebene 1: Einschätzung
Vor der Einschätzung ist entscheidend zu beurteilen: Welche BeeinträchOgungen, Ressourcen und Umgebungsbedingungen kennzeichnen die individuelle Mobilität des pflegebedür:igen Menschen?
Was ist bei der Einschätzung wichog? Keine gesonderte IdenOfizierung von Risikogruppen (alle pflegebedür:igen Menschen haben ein Risiko). Keine Empfehlung zur Auswahl eines besammten standardisierten Instrumentes! Für die Einschätzung der Mobilität sind Kriterien idenafiziert worden (komplexes Phänomen erfordert individuelles Vorgehen) Keine konkreten zeitlichen Vorgaben - jedoch muss diese in regelmäßigen, individuell festzulegenden Abständen und bei Veränderungen der Mobilität erfolgen. (Verlauf der Mobilität sollte sichtbar sein!) Viele InformaAonen sind o: schon in den bestehenden DokumentaAonssystemen vorhanden (InformaAonen bündeln!)
Kriterien geleitete Einschätzung: A. Aktueller und früherer Status der Mobilität Selbständiger Lagewechsel in liegender PosiAon Selbständiges Halten einer aufrechten SitzposiAon Selbständiger Transfer (aufstehen, sich hinsetzen, sich umsetzen) Selbständige Fortbewegung über kurze Strecken (Wohnräume) Selbständiges Treppensteigen. B. Merkmale der materiellen und sozialen Umgebung (z.b. HilfsmiFelnutzung, Raumgestaltung) C. Individuelle körperliche, kogniove und psychische BeeinträchOgungen und Ressourcen (z.b. MoAvaAon, Schmerzen) D. Erkrankungen und aktuell durchgeführte therapeuosche Maßnahmen (z.b. MedikaAon)
Ebene 2: KooperaOon, Planung & KoordinaOon
Was sollten bei der Planung und KoordinaOon von Maßnahmen berücksichogt werden? Individuelle Bedürfnisse des Betroffenen haben immer Vorrang! (Manchmal im Gegensatz zum professionell ermifelten Bedarf!) Immer in enger Absprache mit Betroffenen (evtl. auch Angehörigen) In den Pflegealltag integrierbar sein und kononuierlich angeboten werden Pflegefachkra: übernimmt Steuerungs- und Koordinierungs- funkaon (Kontakt mit Hausarzt, Physiotherapie, Sportvereinen) Maßnahmenplan auf Basis der Wünsche und Bedürfnisse des pflegebedür:igen Menschen sollte erstellt sein EvaluaAon (z.b. in Form von Fallbesprechungen) sollte regelmäßig erfolgen, um Maßnahmen anzupassen Es empfiehlt sich das grundsätzliche Vorgehen innerhalb der Einrichtung im Form eines z.b. Konzeptes oder eines QM- Systems darzulegen
Ebene 3: InformaOon, Beratung und Anleitung
Was ist hier zu beachten? Wissen über Aurau eines professionellen Beratungsgesprächs Ausgangslage ist immer Interesse, Bedürfnisse und aktuelle LebenssituaOon des Betroffenen! Grenzen bei Menschen mit kogniave Einschränkungen Angebote für Gespräche zum Thema Mobilität unterbreiten! (Gemeinsamer Aushandlungsprozess) Folgende Aspekte können von Bedeutung sein : Bedeutung der Mobilität vermiieln Gemeinsam HandlungsrouOnen und Verhaltensmuster reflekaeren (Was hindert mich daran, das Haus zu verlassen?) Räumliche Gestaltung des Umfeldes / HilfsmiFel Einstellung und EmoAonen Wissen über Angebote z.b. in der InsAtuAon oder näheren Umgebung IntegraAon von Bewegungsübungen in den Alltag! Je nach Versorgungssejng können jedoch unterschiedliche Themenfelder von Bedeutung sein
Ebene 4: Maßnahmen
Was ist bezüglich Maßnahmen zur Mobilitätsförderung zu beachten? Auf das Individuum abgesommt, KonOnuität und Angebotsvielfallt sind entscheidend Ressourcen in der Einrichtung ausreichend vorhanden (z.b. Räume)? OrienAerung der Maßnahmen an Alltagshandlungen Belastungsniveau der Maßnahmen muss angemessen sein (keine Über- bzw. Unterforderung). O: zeitliche Grenzen in der ambulanten Versorgung (Welche Maßnahmen lassen sich in den Pflegealltag integrieren?). Hier möglicherweise Schwerpunkt auf Beratung. Beispiele für Bewegungsfördernde IntervenAon unter: hfp://bfi.zqp.de/
Welche Maßnahmen können empfohlen werden? (Vgl. DNQP, S.73ff.)
Fitness und Bewegungsübungen (z.b. Kra: & Balancetraining) Transfer und Mobilitätsförderung im Alltag (z.b. Gehen) Übungen mit komplexen Bewegungsabläufen (z.b. Tanzen) Zeigen posiaven Einfluss auf die Mobilität älterer Menschen jedoch keine Empfehlung bezüglich einer besammte Maßnahme, Häufigkeit oder Intensität Bewegungsübungen, bei den Alltagshandlungen trainiert werden (z.b. Transfer), führen zu einer Verbesserung! Kein Beurteilung über den Nutzen von KinästheOk bezüglich Mobilitätsförderung möglich. Merkmal: Durchführung vorgegebener Bewegungsabläufe Zeigen in Studien u.a. posiaven Einfluss auf die Bewegungsfähigkeit
Angebotsformen Gezielte Einzelangebote (z.b. Balancetraining) Gezielte Gruppenangebote (z.b. Tanzen) PflegebedürRiger Mensch Mobilitätsförderung bei alltäglichen pflegerischen Handlungen (z.b. Gang zum Speisesaal, Garten)
Ebene 5: EvaluaOon
Was ist bei der EvaluaOon zu beachten? Grundsätzliche bei Veränderungen (z.b. Status der Mobilität oder Maßnahmen) durchzuführen Für die körperliche Einschätzung OrienAerung an Handlungsebene 1 (Status der Mobilität) Keine genauen zeitlichen Vorgaben (Kompetenz der Pflegefachkra:!) Belastungsniveau der Maßnahme ausreichend? (möglicherweise Änderungsbedarf)? Entsprechen die Maßnahmen den Bedürfnissen des Menschen (SAmmen mit den vereinbarten Zielen überein?) MoAvaAon und Einstellung des Menschen Schri:liche DokumentaAon (standardisiert), um leichter Brüche im Mobilitätsverlauf aufzeigen zu können.
Fazit Der Expertenstandard beschreibt einen allgemeinen konzepaonellen Rahmen zum Thema Mobilität. Umsetzung muss und kann nur vor Ort geschehen (einrichtungsspezifische Besonderheiten) Der Expertenstandard soll OrienAerung und Sicherheit zum Thema Mobilität geben (ArgumentaAonshilfe) Die Kompetenz der PflegefachkraR ist entscheidend nicht die Verwendung eines besammten Instrumentes! Umsetzung des Standards eine große Herausforderung für Pflegefachkrä:e und InsAtuAonen (benöagt Zeit!) Erfolgreiche Umsetzung kann nur Berufsgruppenübergreifend geschehen Wünsche und Bedürfnisse des Betroffenen Menschen stehen an erster Stelle!
Der Expertenstandard als Impuls für mehr Mut zur Bewegung im Pflegealltag!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Deutsches Zentrum für NeurodegeneraOve Erkrankungen e.v. (DZNE) Sven Reuther, MScN Tel.: 02302/926-231 Mail: sven.reuther@dzne.de Sept.2011
Ebene 1: Einschätzung S1 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen, Gründe für Mobilitäts- beeinträchogungen sowie Umgebungsmerkmale, die für die Mobilität relevant sind, systemaasch einzuschätzen. P1 Die Pflegefachkra: schätzt zu Beginn des pflegerischen AuRrags die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen sowie Probleme, Wünsche und Ressourcen im Zusammenhang mit der Erhaltung und der Förderung der Mobilität ein. Sie wiederholt die Einschätzung regelmäßig in individuell festzulegenden Abständen sowie bei Veränderungen der mobilitätsrelevanten Einflussfaktoren. E1 Eine aktuelle Einschätzung der vorhandenen Mobilität und möglicher Probleme und Ressourcen im Zusammenhang mit der Mobilität liegen vor. Die Entwicklung der Mobilität ist abgebildet.
Ebene 2: KooperaOon, KoordinaOon, Planung S2a Die Pflegefachkra: verfügt über die Kompetenz zur Planung und KoordinaOon von Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität. S2b Die Einrichtung stellt sicher, dass Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität fester Bestandteil des internen QM sind P2 Die PflegefachkraR plant und koordiniert in enger Absprache mit dem pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seinen Angehörigen sowie weiterer Berufsgruppen individuelle Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität unter BerücksichAgung seiner Präferenzen. Sie sorgt für eine kononuierliche Umsetzung des Maßnahmenplan. E2 Ein individueller Maßnahmenplan mit den vereinbarten Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität des pflegebedür:igen Menschen liegt vor.
Ebene 3: InformaOon, Beratung und Anleitung S3 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, den pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seine Angehörigen über die Bedeutung von Mobilität für die Gesundheit und den Erhalt von Selbständigkeit zu informieren und sie durch Beratung und Anleitung darin zu unterstützen, Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Mobilität in ihren Lebensalltag zu integrieren. P3 Die PflegefachkraR bietet dem pflegebedür:igen Menschen und gegebenenfalls seinen Angehörigen InformaAon, Beratung und Anleitung unter BerücksichAgung der bei der Einschätzung idenafizierten Probleme, Wünsche und Ressourcen an. E3 Der pflegebedür:ige Mensch und gegebenenfalls seine Angehörigen sind über die Auswirkungen einer eingeschränkten Mobilität sowie Möglichkeiten zur Erhaltung und Förderung von Mobilität informiert.
Ebene 4: Maßnahmen S4a Die Einrichtung verfügt über personelle, materielle und räumliche Ressourcen für ein zielgruppenspezifisches Angebot mobilitätserhaltender und - fördernder Maßnahmen sowie für eine mobilitätsfördernde Umgebungsgestaltung. S4b Die PflegefachkraR verfügt über Kompetenzen zur Ermöglichung und Durchführung von mobilitätsfördernden und - erhaltenden Maßnahmen. P4 Die PflegefachkraR unterbreitet dem pflegebedür:igen Menschen konanuierlich Angebote zur Erhaltung und Förderung der Mobilität und führt die mit dem Pflegebedür:igen vereinbarten Maßnahmen durch. E4 Die Maßnahmen sind plangemäß durchgeführt und wirken sich posiav auf die Mobilität des pflegebedür:igen Menschen aus.
Ebene 5: EvaluaOon S5 Die PflegefachkraR verfügt über die Kompetenz, die Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen. P5 Die PflegefachkraR überprü: gemeinsam mit dem pflegebedür:igen Menschen und ggf. seinen Angehörigen sowie weiteren an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen den Erfolg und die Angemessenheit der Maßnahmen. Bei Bedarf vereinbart sie mit dem pflegebedür:igen Menschen auf Grundlage einer erneuten Einschätzung Veränderungen am Maßnahmenplan. E5 Eine EvaluaAon der vereinbarten Maßnahmen liegt vor.