Übung zur Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft Steuern I: Einführung und Tariflehre Sommer 25 Definition Eine Steuer ist eine von einem öffentlich rechtlichen Gemeinwesen auferlegte Abgabe ohne rechtlichen Anspruch auf Gegenleistungen. (Abgabenordnung) Steuern sind Geldleistungen, stellen keine Gegenleistung für eine besondere Leistung dar, werden von einem öffentlich rechtlichen Gemeinwesen zum Zwecke der Einnahmenerzielung auferlegt, werden allen denjenigen auferlegt, auf die der gesetzlich festgelegte Tatbestand der Leistungspflicht zutrifft. Dabei kann die Einnahmenerzielung auch Nebenzweck sein. 1 Ziele der esteuerung Grundbegriffe fiskalische Ziele Einnahmenerzielung nach drei Fragen geordnet: nichtfiskalische Ziele Verhaltenslenkung Worauf liegt die Steuer? Wen betrifft die Steuer? Wie wird die Steuer berechnet? 2 3
Grundbegriffe Grundbegriffe Worauf liegt die Steuer? Steuerquelle = güter oder geldmäßiger Strom oder estand, dem die Steuerleistung entnommen wird Steuerobjekt = Steuergegenstand = Sache, Geldsumme oder wirtschaftliche Handlung oder rechtliche ökonomische Transaktion, an die die esteuerung im konkreten Fall anknüpft Steuerbemessungsgrundlage = diejenige physische Größe oder die monetäre Strom oder estandsgröße, die bei der Ermittlung der Steuerschuld gemäß Steuergesetz zugrundegelegt wird Wen betrifft die Steuer? Steuergläubiger = diejenige Körperschaft, zu deren Gunsten Steuern erhoben werden Steuersubjekt = Steuerpflichtiger, Steuerschuldner = diejenige natürliche oder juristische Person, auf die der gesetzlich fixierte Steuerverpflichtungsgegenstand zutrifft Steuerzahler = Steuerzahlungsschuldner, Steuerentrichtungspflichtiger = diejenige natürliche oder juristische Person, die verpflichtet ist, die Steuer abzuführen 4 5 Grundbegriffe Grundbegriffe Wen betrifft die Steuer? Steuerträger = diejenige natürliche Person, bei der am Ende der Anpassungsvorgänge eine zumindest relative eeinträchtigung ihrer ökonomisch finanziellen Dispositionskraft anfällt, die auf die esteuerung zurückzuführen ist Steuerdestinatar = die Person, die nach dem Willen des Gesetzgebers Steuerträger sein soll Wie wird die Steuer berechnet? Steuersatz = der auf eine esteuerungseinheit entfallene etrag, der als absolute Größe oder im Vomhundert oder Vomtausendsatz (Steuerfuß) ausgedrückt wird Steuerschuld = Steuerbetrag = absoluter etrag, der sich nach Anwendung der Steuersätze auf die emessungsgrundlage ergibt esteuerungseinheit = Einheit der emessungsgrundlage, die in der jeweiligen Dimension (z.. EURO, kg) festgelegt ist und auf die sich der Steuersatz (Steuerbetrag) bezieht 6
Wie wird die Steuer berechnet? Grundbegriffe Steuertarif = gesetzlich festgelegte eziehung zwischen Steuerbemessungsgrundlage und Steuerschuld. eim Steuersatztarif wird die Steuerschuld auf die esteuerungseinheit in v.h. bezogen, beim Steuerbetragstarif wird die Steuerschuld in absoluten Geldbeträgen auf die esteuerungseinheit bezogen. Steuerarten direkte vs. indirekte Steuern direkt: Steuersubjekt = Steuerträger, keine Überwälzung möglich indirekt: Überwälzung möglich Subjekt /Personalsteuer vs. Objekt /Realsteuer Personalsteuer: Steuerbelastung abhängig von persönlichen Verhältnissen Realsteuer: Steuerbelastung unabhängig von persönlichen Verhältnissen allgemeine vs. spezielle Steuer nach reite der emessungsgrundlage (Einkommens vs. Schaumweinsteuer) 8 9 Äquivalenz versus Äquivalenzprinzip Grundfrage: Wer soll welchen Anteil der Steuerlast tragen? zwei mögliche Antworten: 1. persönliche Steuerlast äquivalent zum persönlichen Nutzen aus staatlichen Leistungen Äquivalenzprinzip 2. persönliche Steuerlast nach persönlicher (ökonomischer) Leistungsfähigkeit esteuerung nach Nutzen Nutzen? Wie messen? nach Inanspruchnahme? einfach dort, wo öffentliche Leistungen direkt zurechenbar sind: Gebühren und eiträge ansonsten: Staatsleistungen überwiegend = öffentliche Güter Problem: keine Präferenzoffenbarung, keine Zurechenbarkeit zum Teil über Indikatoren: z.. Mineralölsteuer als Proxy für Straßennutzung 1 11
esteuerung nach Leistungsfähigkeit = finanzielle Leistungsfähigkeit (ability to pay) für Ökonomen: Fähigkeit zur Erzielung von Nutzen, edürfnisbefriedigung Problem: Nutzen ist nicht direkt beobachtbar also: Indikatoren für Leistungsfähigkeit: Vermögen historisch erstes Kriterium problematisch, weil nachhaltige Verminderung des esteuerungsgegenstandes Einkommen heute üblich Aspekt der wiederkehrenden Art der Leistungsfähigkeit Konsumausgaben aktuell auch angewendet misst tatsächliche Ausgaben zur edürfnisbefriedigung aber: klassenspezifische Konsumquoten 12 13 Einkommen als Indikator der Leistungsfähigkeit Tarifgestaltung Opferprinzipien Problematik der Einkommensdefinition: U(Y) Quellentheorie Einkommen = Summe aller regelmäßig zufließenden Ströme, nicht also: Schenkungen, Lottogewinne u.s.w. Reinvermögenszugangstheorie Einkommen = Summe aller Ströme, die das Vermögen erhöhen deutsches Steuerrecht: Kompomiss = enumeratives Verfahren Annahmen: positiver abnehmender Grenznutzen im Geld (!!!) kardinale, interindividuell vergleichbare Nutzenmessung Y : nutzenstiftende Größe Y 14 15
Tarifgestaltung Opferprinzipien Tarifgestaltung Opferprinzipien U(Y) U(Y) gleiches absolutes Opfer: ( Jeder soll 1 Utils verlieren. ) U 2 U 1 = U 2 PSfrag Y 1 replacements < Y 2 U1 gleiches relatives Opfer: ( Jeder soll 1% seines ursprünglichen Nutzens verlieren. ) U 1 = U PSfrag replacements 2 Y 1 < Y 2 U 1 U 2 U 2 U 2 U 1 U 1 (Gilt nicht grundsätzlich für jede konkave Funktion!) Y 1 Y 2 Y Y 1 Y 2 Y 16 1 Tarifgestaltung Opferprinzipien gleiches marginales Opfer: PSfrag replacements ( Jeder soll auf das gleiche Nutzenniveau gelangen. ) U 2 U(Y) Zusammenfassung Egal, ob gleiches absolutes, relatives oder marginales Opfer erreicht werden soll, die esteuerung muss in jedem Fall progressiv in der nutzenstiftenden Größe sein. U 1 = U 2 Y 1 < Y 2 U 1 U 1 =U 2 Y 1 Y 2 Y 18 19
T : Steuertarif T () : emessungsgrundlage T = T () Durchschnittsteuer: t() = T () Grenzsteuer: T () = d T () d Proportionaler Tarif T() = a mit a > PSfrag replacements 2 21 T () T () Linearer Tarif mit Freibetrag Linearer Tarif T() = a c mit a > PSfrag replacements T() = { PSfrag falls replacements F a( F) falls > F c c F 22 23
Linearer Tarif mit Freigrenze { falls F T () = PSfrag replacements a falls > F T () Tariftypen gemessen an der Veränderung des Durschnittsteuersatzes d t() < regressiver Tarif = proportionaler PSfrag replacements Tarif d > progressiver Tarif t() progressiv proportional regressiv c F 24 25 progressiver Tarif Grenzsteuersatz ist immer größer als Durchschnittsteuersatz: T () T () d T () d T () T() > = T () T() > PSfrag 2 (Defn. replacements progressiv) T () > T () = t() indirekt progressiver Tarif Die Kombination aus Freibetrag PSfragund replacements konstantem Grenzsteuersatz wirkt progressiv. (α < β < γ) alternativ: t() = tanα < T () = tanβ α β F α β γ 26 2
T () eispiel: linearer Tarif mit Freigrenze { falls 2 T () =.3 falls > 2 direkt progressiver Tarif konvexe Tariffunktion (α < β < γ) PSfrag replacements Grenzsteuersätze > 1 bewirken die Umkehrung der Einkommensreihenfolge. (T > 1 an der Stelle = 2) Individuum A: A = 25 T = 5 Y A = 15 Individuum : A = 2 T = Y = 2 α β γ A >, aber Y A < Y 28 29 Degressionswirkung bei Abzügen von der emessungsgrundlage Progressive Tarife wirken degressiv bei Abzügen von der emessungsgrundlage. eispiel Grenzsteuersatz für Individuum A: T A =.4 Grenzsteuersatz für Individuum : T =.2 Progressive esteuerung führt zu horizontaler Ungleichbehandlung über die Zeit. eispiel PSfrag replacements Individuum A: 25 = 26 = 5 Individuum : 25 = 25; 26 = 5 2 T(5) < T (25) + T(5) T () 1 2 T (25) + 1 2 T (5) T (5) eiden wird EURO 1. von der emessungsgrundlage abgezogen. A spart EURO 4. Steuern, nur EURO 2.. 25 5 5 3 31
Kalte Progression ei progressiver esteuerung steigt die Steuerschuld auch deshalb, weil Nominallöhne steigen, obwohl sich aufgrund der Inflation die Reallöhne und damit die Kaufkraft weniger stark entwickeln. Progressionsmaße Progression: Durchschnittsteuer steigt mit emessungsgrundlage, aber wie stark? Maß für Progression? möglich: zweite Ableitung T () (Krümmungsmaß) Anstieg der Durchschnittsbelastung d t() d Aufkommenselastizität Residualelastizität 32 33 Aufkommenselastizität α = d T () d T Progressive Tarife sind aufkommenselastisch. eweis Für progressive Tarife gilt Es folgt d T () d > T (). Aufkommenselastizität entsprechend gilt: proportionale Tarife sind uni elastisch: α() = 1 regressive Tarife sind unelastisch: α() < 1 d T () > 1 d T () } {{ } α() α() > 1 q.e.d. 34 35
Residualelastizität X: Residuum: X() = T () (z.. Nach Steuer Einkommen) Residualelastizität: ρ = d X() d X() pragmatisch und sehr vereinfacht etwa: Um wie viel Prozent ändert sich das Nettoeinkommen, wenn sich das ruttoeinkommen um ein Prozent erhöht? Residualelastizität ρ < bewirkt Reihenfolgeumkehr! ρ < : Erhöhung von führt zu Verminderung von X(), also: Etwas mehr rutto Einkommen führt zu weniger Netto Einkommen. 36 3 Residualelastizität ρ = = proportionaler Tarif: d X() d X = d X() d = d [ T()] = d 1 d T () d = ( also: = oder d X() ) d = d T () d = 1 proportionaler Tarif Residualelastizität analog: < ρ < 1: progressiver Tarif 38 39
Aufkommens und Residualelastizität Zusammenhang: ρ = X α T X eweis: ρ = d X d [ T ()] = d X d T () [ = 1 d T () ] d T () [ 1 = d T () ] T() d T = T() T d T () } d {{ T} α [ ] T = T() T α = X α T X q.e.d. 4 41 Exkurs: Lorenzkurven Aufkommens und Residualelastizität entsprechend gilt: ρ() 1 α() 1 Es sei x = (x 1, x 2,..., x H ) mit x 1 x 2... x H eine geordnete Einkommensverteilung, die jedem Haushalt h = 1,..., H ein Einkommen x h zuordnet. Dann ist die Lorenzkurve definiert als L(i H) = i h=1 x h H i {1, 2,..., H} h=1 xh Die Lorenzkurve gibt an, welchen Anteil des gesamten Einkommens die unteren i H 1 Prozent der Haushalte beziehen. 42 43
Exkurs: Lorenzkurven Exkurs: Lorenzkurven Einkommensverteilung Hinter den Sieben ergen 1 Zwerg Einkommen Dopey 3 Grumpy 1 Doc Happy 8 ashful 4 Sneezy 15 Sleepy 3 Schritt 1: Ordne das absolute Einkommen aufsteigend. Schritt 2: Ermittle relative Einkommensanteile. Schritt 3: Kumuliere Einkommensanteile. Schritt 4: Ordne kumulierte evölkerungsanteile zu. Summe abs. Eink. 3 3 4 8 1 15 5 rel. Eink. 6% 6% 8% 14% 16% 2% 3% 1% kum. Eink. 6% 12% 2% 34% 5% % 1% kum..a. 1 2 3 4 5 6 1 1 Streng genommen müsste man annehmen, in jenem Lande lebten nicht sieben Zwerge, sondern sieben Kontinuen von Zwergen, die jeweils das angegebene Einkommen haben. Nur so ist gewährleistet, dass die Lorenzkurve einigermaßen kontinuierlich aussieht, und nicht wie eine Lorenz Säge. Danke, odo! 44 45 Exkurs: Lorenzkurven Exkurs: Lorenzkurven Schritt 1: Ordne das absolute Einkommen aufsteigend. Schritt 2: Ermittle relative Einkommensanteile. Schritt 3: Kumuliere Einkommensanteile. Schritt 4: Ordne kumulierte evölkerungsanteile zu. Schritt 5: Zeichne kumulierte Einkommensanteile gegen kumulierte evölkerungsanteile. Juchuh! Lorenzkurve kumul. Eink.anteil 1% 5% 14.3% 28.6% 42.9% 5.1% 1.4% 85.% 1% kumul. ev.anteil Lesehilfe: Summe abs. Eink. 3 3 4 8 1 15 5 rel. Eink. 6% 6% 8% 14% 16% 2% 3% 1% kum. Eink. 6% 12% 2% 34% 5% % 1% kum..a. 1 2 3 4 5 6 1 14.3% 28.6% 42.9% 5.1% 1.4% 85.% 1% Die ärmsten 14.3% der evölkerung verdienen 6% des Gesamteinkommens, die ärmsten 28.6% verdienen 12%,... auch: Die reichsten 14.3% der evölkerung verdienen 3% des Gesamteinkommens. 46 4
Exkurs: Lorenzkurven Gleichmäßigkeit (Gleichheit?) Je näher die Lorenzkurve an der Winkelhalbierenden ( Linie der Gleichverteilung ) liegt, desto gleichmäßiger ist die Einkommensverteilung, die sie repräsentiert. (Problem bei sich schneidenden Lorenzkurven.) 48 Exkurs: Lorenzkurven Gleichmäßigkeit (Gleichheit?) L2 L1 Linie der Gleichverteilung kumul. ev.anteil kumul. Eink.anteil 1% 1% 49 Exkurs: Lorenzkurven Gleichmäßigkeit (Gleichheit?) alternativ: Gleichmäßigkeitsmessung über Gini Koeffizienten (Fläche zwischen Lorenzkurve und Linie der Gleichverteilung) Je kleiner der Gini Koeffizient, desto gleichmäßiger die Verteilung. kumul. ev.anteil kumul. Eink.anteil 1% 1% G 5 Umverteilung durch progressive esteuerung? Falls ja, müsste die Lorenzkurve der Nettoeinkommen näher an der Linie der Gleichverteilung liegen als die Lorenzkurve der ruttoeinkommen, oder zumindest der Ginikoeffizient der Nettoeinkommen kleiner sein als der der ruttoeinkommen. 51
Umverteilung durch progressive esteuerung? Satz von Jakobsson Gegeben seien eine Verteilung der ruttoeinkommen und zwei T 1 und T 2 mit x 1 und x 2 als den zugehörigen Verteilungen der Nettoeinkommen. Hat der erste Tarif T 1 überall eine geringere Residualelastizität ρ als der zweite, dann ist die Nettoeinkommensverteilung x 1 Lorenz dominant gegenüber ( gleichmäßiger als ) x 2. 52