Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht im Überblick Arbeiterkammer Salzburg Wien, 25.04.2016 Dr. in Julia Ecker
Inhaltsverzeichnis Allgemeine Grundsätze Erwerb durch Abstammung (Voraussetzungen) Erwerb durch Verleihung (Voraussetzungen) Sicherung des Lebensunterhalts Aufenthaltsdauer Unterbrechung der Hauptwohnsitzfrist Ermessensspielraum Erwerb durch Erstreckung Verfahrensbestimmungen Verlust der Staatsbürgerschaft Sonderbestimmungen
Allgemeine Grundsätze geregelt durch das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ius sanguinis vs. ius soli keine Doppelstaatsbürgerschaft Vermeidung von Staatenlosigkeit einheitliche Staatsangehörigkeit von Familienmitgliedern
Erwerb durch Abstammung eheliche Kinder erwerben die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt, wenn ein Elternteil ÖsterreicherIn ist ( 7 Abs 1 StbG) uneheliche Kinder erwerben die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt, wenn die Mutter Österreicherin ist oder die Vaterschaft durch den österreichischen Vater innerhalb von acht Wochen nach der Geburt anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden ist ( 7 Abs 1 StbG) nach Ablauf von acht Wochen: erleichtertes Verleihungsverfahren ( 12 Abs 2 StbG)
Exkurs: Anerkennung bzw Feststellung der Vaterschaft nach der achtwöchigen Frist; erleichtertes Verleihungsverfahren ( 12 Abs 2 StbG) bei unehelichen Kindern nur bei unmündigen minderjährigen Kindern rechtmäßige Niederlassung des Kindes nötig (Ausnahme: Vater hat Lebensmittelpunkt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland) Vater zum Zeitpunkt der Geburt österreichischer Staatsbürger keine wesentliche Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit
Erwerb durch Verleihung allgemeine Voraussetzungen ( 10 StbG) keine gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe keine Verurteilung wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe kein Strafverfahren anhängig auch ausländische Verurteilungen relevant nicht mehr als eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung kein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Einreiseverbot bzw keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung keine Ausweisung in den letzten 18 Monaten kein aufenthaltsbeendigendes Verfahren anhängig kein aufrechte Rückführungsentscheidung in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz
kein Gefährdung öffentlicher Interessen kein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung keine Schädigung der Interessen der Republik Österreich keine wesentliche Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich Aufenthaltsdauer (10 Jahre; Ausnahmen) Deutschkenntnisse (auf dem Niveau B1 oder höher) Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Geschichte Österreichs (Prüfung) Sicherung des Lebensunterhalts in drei Jahren innerhalb der letzten sechs Jahre (Ausnahme für Personen mit Behinderung oder dauerhafter Erkrankung) Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft
Aufenthaltsdauer rechtmäßiger und unterbrochener Aufenthalt in bestimmter Dauer grundsätzlich erforderlich Sonderbestimmungen für bestimmte Konstellationen Rechtsanspruch nach sechsjährigem rechtmäßigem Aufenthalt ( 11a StbG): EhegattInnen von ÖsterreicherInnen bei gemeinsamem Wohnsitz und fünfjähriger aufrechter Ehe EWR-BürgerInnen Asylberechtigte Geburt in Österreich vergangene und zukünftige außerordentliche Leistungen Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 (!) nachhaltige persönliche Integration
Normalfall des Gesetzes : Ermessen nach zehnjährigem rechtmäßigen Aufenthalt sowie fünfjähriger Niederlassung ( 10 Abs 1 Z 1 StbG) Rechtsanspruch nach 15jährigem rechtmäßigem Aufenthalt sowie bei nachhaltiger beruflicher und persönlicher Integration ; keine Mindestniederlassungszeit ( 12 Abs 1 StbG) Rechtsanspruch nach 30jährigem Hauptwohnsitz bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen; durchgehend rechtmäßiger Aufenthalt ist nicht erforderlich ( 12 Abs 1 StbG) keine Wohnsitzfrist falls im besonderen Interesse der Republik ( 10 Abs 6 StbG)
Unterbrechung der Aufenthaltszeit Unter bestimmten Umständen können schon erworbene rechtmäßige Aufenthaltszeiten in Österreich unterbrochen werden. Die Frist beginnt danach neu zu laufen: durchsetzbare Rückkehrentscheidung oder durchsetzbares Aufenthaltsverbot mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer Haftanstalt wegen einer nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung Auslandsaufenthalt länger als 20% der Wohnsitzfrist Einstellung des Asylverfahrens
Sicherung des Lebensunterhalts geregelt in 10 Abs 1 Z 7 ivm 10 Abs 5 StbG feste und regelmäßige, eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen geschmälert durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen sowie Unterhaltszahlungen Erreichen der Ausgleichszulagenrichtsätze ( 293 ASVG) unter Berücksichtigung der freien Station ( 292 Abs 3 ASVG) entscheidend ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen
Zeitraum: zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt jedenfalls die letzten sechs Monate vor dem Antragszeitpunkt Maßstab: ASVG-Richtsätze der letzten drei Jahre Ausnahme: falls der Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von dem/der Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht gesichert werden kann betrifft in erster Linie dauerhaft Kranke sowie Personen mit Behinderung Weitere Ausnahme für BezieherInnen von Kinderbetreuungsgeld (für die sechs Monate vor Antragstellung)
Beispiel zur Unterhaltsberechnung Landesverwaltungsgericht Wien, 06.10.2015, VWG 151/071/1/2015; Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eines Nigerianiers mit drei mj. Kindern am 31.01.2014; Beobachtungzeitraum Februar 2011 bis Jänner 2014, insgesamt 36 Monate; eigenes Einkommen, ledig, gemeinsamer Haushalt mit Lebensgefährtin sowie in der Zeit zwischen Februar 2011 bis Mai 2011 mit drei Kindern, in der Zeit zwischen Mai 2011 und Februar 2013 mit vier Kindern und in der Zeit zwischen Februar 2013 und Jänner 2014 mit fünf Kindern 13
Zur Überprüfung der gesicherten Lebensunterhalts im Sinne des 10 Abs 5 StbG ist das Einkommen und der Richtsatz gemäß 293 ASVG für eine Einzelperson und drei (Februar 2011 bis Mai 2011), vier (Mai 2011 bis Februar 2013) bzw. fünf Kinder (Februar 2013 bis Jänner 2014) maßgeblich. Die so errechneten Richtsätze betrugen gemäß 293 ASVG in den drei Jahren vor Antragstellung (Februar 2011 bis Jänner 2014) insgesamt 53.876,35. 14
Rechenbeispiel Einkommen 01.02.2011 bis 31.12.2011: Familienbeihilfe: EUR 6.764,72 Kinderbetreuungsgeld: EUR 4.082,50 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei Fa. E. GmbH: EUR 13.123,64 Summe der Belastungen: Miete und Betriebskosten: EUR 4.785,-- freie Station gemäß 292 ASVG für 2011: EUR 253,51 monatlich Einkommen für den Zeitraum 01.02.2011 bis 31.12.2011 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: + EUR 21.974,47. 15
Einkommen 01.01.2012 bis 31.12.2012: Familienbeihilfe: EUR 7.379,70 Kinderbetreuungsgeld: EUR 11.626,96 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei Fa. E. und Fa. H. GmbH: EUR 10.987,81 Summe der Belastungen: Miete und Betriebskosten: EUR 5.220,-- freie Station gemäß 292 ASVG für 2012: EUR 260,35 monatlich Einkommen für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2012 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: + EUR 27.898,67. 16
Einkommen 01.01.2013 bis 31.12.2013: Familienbeihilfe: EUR 11.850,60 Kinderbetreuungsgeld: EUR 4.488,62 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei Fa. H. GmbH: EUR 15.847,19 Summe der Belastungen: Miete und Betriebskosten: EUR 5.220,-- freie Station gemäß 292 ASVG für 2013: EUR 267,40 monatlich Einkommen für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2013 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: + EUR 30.198,09. 17
Einkommen Jänner 2014: Familienbeihilfe: EUR 987,55 Kinderbetreuungsgeld: EUR 638,29 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei Fa. H. GmbH: EUR 1.474,12 Summe der Belastungen: Miete und Betriebskosten: EUR 435,-- freie Station gemäß 292 ASVG für 2014: EUR 274,06 monatlich Einkommen für Jänner 2014 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: + EUR 2.932,02. 18
Es ergibt sich ein Gesamteinkommen für den Berechnungszeitraum (Februar 2011 bis Jänner 2014 - insgesamt 36 Monate) unter Berücksichtigung der Aufwendungen in Höhe von + EUR 83.003,25 Die errechneten Richtsätze betrugen gemäß 293 ASVG in den drei Jahren vor Antragstellung (Februar 2011 bis Jänner 2014) insgesamt 53.876,35. Die geltend gemachten durchschnittlichen Nettoeinkünfte (hier: die drei Jahre vor Antragstellung) übersteigen die Summe der Richtsätze gemäß 293 ASVG im Zeitraum von drei Jahren vor Antragstellung. Der Lebensunterhalt ist gesichert! 19
Ermessensspielraum geregelt in 11 StbG Gesamtverhalten des/der Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration zu berücksichtigen dazu zählt: Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft
Erwerb durch Erstreckung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine/n Familienangehörige/n möglich EhegattInnen ( 16 StbG) gemeinsamer Haushalt sechsjähriger rechtmäßiger Aufenthalt bei Antragstellung niedergelassen Asylberechtigung Legitimationskarte Ehe seit fünf Jahren aufrecht
Kinder ( 17 StbG) ehelich unehelich (und Vaterschaft anerkannt) Wahlkinder unter folgenden Voraussetzungen: minderjährig (oder erheblich behindert) ledig bei Antragstellung niedergelassen Asylberechtigung Legitimationskarte
Verfahren Zuständigkeit der Landesregierung des Wohnsitz- Bundeslandes in erster Instanz ( 39 StbG) teilweise starke Überlastung der Behörde (Wien!) langwierige Erhebungen (Polizei, Asylbehörde etc.) bei drohender abweisender Entscheidung: Parteiengehör / Stellungnahmemöglichkeit; früher Ruhen ; Zurückziehung des Antrags bei stattgebender Entscheidung: zunächst Zusicherungsbescheid ( 20 Abs 1 StbG) nach dem Ausscheiden aus bisherigem Staatsverband Verleihung ( 20 Abs 3 StbG) bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausbürgerung ebenfalls Verleihung ( 20 Abs 3 Z 2 StbG)
Rechtsschutz Beschwerde an Landesverwaltungsgericht vier Wochen Frist Beschwerde an Verfassungsgerichtshof oder Revision an Verwaltungsgerichtshof sechs Wochen Frist anwaltspflichtig Verfahrensdauer theoretisch sechs Monate pro Instanz ( 73 Abs 1 AVG) Säumnisbeschwerde / Fristsetzungsantrag möglich
Verlust der Staatsbürgerschaft Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit ( 27 StbG) durch Antrag Erklärung ausdrückliche Zustimmung Beibehaltung der Staatsbürgerschaft kann im Voraus bewilligt werden ( 28 StbG) freiwilliger Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates ( 32 StbG)
Entziehung ( 33f StbG) Dienst für einen fremden Staat und erhebliche Schädigung der Interessen der Republik Österreich vor mehr als zwei Jahren ö. Staatsbürgerschaft erworben und trotzdem fremde beibehalten Wiederaufnahme bei Erschleichung binnen drei Jahren ab Einbürgerung Verzicht auf die Staatsbürgerschaft möglich, wenn ( 37 StbG) fremde Staatsangehörigkeit vorliegt kein Strafverfahren anhängig Präsenz-/Zivildienst bereits abgeleistet oder von Ableistung befreit
Sonderbestimmungen ehemalige österreichische StaatsbürgerInnen mindestens zehnjähriger Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft Verlust nicht durch Entziehung Aufenthalt in Österreich keine Wohnsitzfrist keine Deutschkenntnisse erforderlich Personen, die als Kinder die Staatsbürgerschaft verloren haben Frauen, die nach früheren Gesetzen durch Eheschließung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben
NS-Verfolgte ( 58c Abs 1 StbG): ursprünglich österreichische StaatsbürgerInnen Flucht vor dem 09.05.1945 vor NS-Verfolgung oder befürchteter NS-Verfolgung in das Ausland keine Wohnsitzfrist Verleihung trotz schwerwiegender Verwaltungsübertretung möglich, sofern die Verwaltungsstrafe nicht mindestens 1.000 betragen hat keine Deutschkenntnisse erforderlich kein gesicherter Lebensunterhalt erforderlich bloß Anzeige einzubringen Doppelstaatsbürgerschaft möglich
PutativösterreicherInnen ( 57 Abs 1 StbG) zumindest in den letzten 15 Jahren von einer österreichischen Behörde fälschlich als StaatsbürgerIn behandelt, ohne dass der/die Betroffene dies zu vertreten hat Anzeige innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis der fälschlichen Behandlung erforderlich Erwerb ist rückwirkend keine Wohnsitzfrist kein gesicherter Lebensunterhalt erforderlich keine Deutschkenntnisse erforderlich Verleihung trotz schwerwiegender Verwaltungsübertretung möglich, sofern die Verwaltungsstrafe nicht mindestens 1.000 betragen hat
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