Fortschritte der Ausgrabung in der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II in Bad Buchau am Federsee, Kreis Biberach, Baden-Württemberg

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Transkript:

Fortschritte der Ausgrabung in der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II in Bad Buchau am Federsee, Kreis Biberach, Baden-Württemberg HELMUT SCHLICHTHERLE und WOLFGANG HOHL Zusammenfassung Im Zuge von sechs Grabungskampagnen wurde vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg eine Siedlung des Endneolithikums weitgehend erschlossen, die zwischen Festland und Insel Buchau im Federseemoor gelegen war. Die Anlage besteht aus zwei Zeilen von beidseits einer Straße errichteten Großhäusern. Bei einem besonders langen, mit dichten Pfostensetzungen konstruierten Gebäude am landwärtigen Siedlungseingang handelt es sich um eine Sonderkonstruktion. Zudem sind zwei Kleinhäuser nachgewiesen. Es ergibt sich so das Bild eines Straßendorfes mit auffallender Differenzierung der Bebauung. Die ein- und zweischiffigen Gebäude waren ebenerdig, mit Hilfe von Unterzugskonstruktionen errichtet und enthalten Feuerstellen und Ofenreste. Für die Sonderkonstruktion wird eine abgehobene Bauweise auf Pfählen diskutiert. Die Siedlung war offenbar nur kurzfristig bewohnt und wurde von den Bewohnern systematisch geräumt. Das Fundmaterial besteht ausschließlich aus Siedlungsabfällen. Die Keramik ist der älteren Horgener Kultur zuweisbar. Fernkontakte sind durch Keramikfragmente der Badener Kultur und Feuersteinimporte nachweisbar. Ein Programm dendrochronologischer, archäobotanischer, archäozoologischer, insektenkundlicher, moorgeologischer und phosphatanalytischer Untersuchungen ist angelaufen. Die Ausgrabungen werden voraussichtlich noch zwei weitere Jahre andauern. Résumé Au cours de six campagnes, l Office des Monuments du Bade-Wurttemberg a effectué la fouille pratiquement complète d un habitat du Néolithique récent, situé dans le marais du Federsee entre l île de Buchau et la terre ferme. Le village consiste en deux rangées de grandes maisons, situées de part et d autre d une rue centrale. Côté terre, à l entrée du village, un bâtiment particulier se distingue par ses grandes dimensions et la densité des poteaux verticaux. Deux petites maisons ont été également mises au jour. Il s agit ainsi d un village sur rue attestant une certaine variabilité dans la construction. Les maisons à une ou deux nefs sont construites à même le sol sur un radier de poutres horizontales et comprennent des foyers et des restes de fours. Pour le bâtiment singulier, la question d une construction surélevée sur pilotis est discutée. L habitat n a vraisemblablement été occupé que brèvement et nettoyé systématiquement par les occupants lors de son abandon. Le matériel archéologique consiste uniquement en rejets d habitat. La céramique se rapporte à la culture du Horgen ancien. Des contacts lointains sont attestés par des fragments de céramique de la culture de Baden et par des imports de silex. Un programme d étude comprenant la dendrochronologie, l archéobotanique, l archéozoologie, l entomologie, la stratigraphie de tourbière et la pédologie (cartographie du phosphate) est en cours. Deux campagnes sont encore prévues dans le projet de fouille. Traduction A. Billamboz Die im Zuge von Bohrungen auf der Trasse metallzeitlicher Bohlenwege zwischen Festland und Insel Buchau entdeckte und seit 1997 in nunmehr sechs Sommerkampagnen untersuchte Moorsiedlung ist mit Abschluß der Kampagne 2002 bereits in großen Teilen ergraben. Die Ausgrabungen erfolgen jeweils in den Sommermonaten, die Schnitte werden dabei mit Elektropumpen entwässert. Etwa ein Meter unter der heutigen Oberfläche lassen sich die Strukturen einer einphasigen Feuchtbodensiedlung des Endneolithikums freipräparieren, die in mächtige Niedermoorlagen eingebettet ist. Über erste Ergebnisse war bereits in NAU 6, 1999, 44 45 berichtet worden. Seitdem erschloß sich eine Siedlungsanlage mit zwei Zeilen von Großhäusern beidseits einer Dorfstraße (Abb. 1). Erste dendrochronologische Untersuchungen ergaben eine Datierung von 3283 3281 v. Chr. (BILLAMBOZ/HOHL/ SCHLICHTHERLE 2000, 42 f.). Insgesamt sind 11 61

NAU 9 2002 Abb. 1: Plan der Siedlung Bad Buchau-Torwiesen II. Stand 2001 mit skizzenhafter Ergänzung der Ergebnisse der Kampagne 2002 Schnitte mit Jahreszahl (Grafik W. Hohl). 62 Großhäuser von etwa 30 50 m 2 Grundfläche sowie zwei Kleinhäuser von nur 5 6 m 2 Grundfläche ergraben worden. Zudem kann das erste Haus linkerhand des landwärtigen Dorfeinganges als Sonderkonstruktion bezeichnet werden. Es ist länger als 12 m (Gesamtlänge noch nicht ergraben), seine Pfosten sind vor allem aus Eichenradialspältlingen gemacht und stehen etwa doppelt so dicht als in den anderen, meist mit Eschenpfosten errichteten Gebäuden (Abb. 2). Auch fehlen dem Haus Fußbodenkonstruktionen, obwohl Holzerhaltung in diesem Bereich gegeben ist und durch Späne innerhalb, sowie Holzlagen außerhalb des Gebäudes angezeigt wird. Als Arbeitshypothese postulieren wir hier ein Haus mit abgeständertem Fußboden. Seine möglicherweise besondere (kommunale?) Funktion ist noch nicht ergründet. Die anderen Großhäuser sind sowohl als zweischiffige wie einschiffige Gebäude errichtet, haben meist

Fortschritte der Ausgrabung in der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II im hinteren Bereich einen mit Lehm gebauten Feuerstellenbereich und enthalten zumindest rudimentär erhaltene hölzerne Fußbodenreste, die auf ebenerdige Konstruktionen schließen lassen. Es sind vor allem Unterbauten der Böden in Form kreuzförmig gelegter zwei- bis dreilagiger Substruktionen nachweisbar. Nur in wenigen Fällen erhielt sich auch der Prügelboden selbst. Die Bauhölzer der Siedlung müssen bereits in der Steinzeit einer starken Zersetzung ausgesetzt gewesen sein. Zahlreiche Baumstubben von Erlen und Birken zeigen, daß der Siedlungsplatz bereits vor der Besiedlung, insbesondere aber nach deren Auflassung von einem Bruchwald überdeckt war. Dies deutet auf eine Trockenphase hin, die für die relativ schlechte Erhaltung verantwortlich zu machen ist. Die für das Federseemoor ungewöhnlich schwachen Baubefunde hatten in den ersten Grabungsjahren zu Überlegungen Anlass gegeben, auch in den regulären Großhäusern Reste von Pfahlhäusern zu vermuten und deren Reste als Versturzmasse zu deuten (HOHL/SCHLICHTHER- LE 1999, 40 f.) Von diesen Überlegungen dürfte in den meisten Fällen wieder abzurücken sein, nachdem nun doch eine große Zahl von Beobachtungen vorliegt. Vermutlich reichte die geringe, durch die liegenden Substruktionen bedingte Bodenfreiheit der Gebäude von 20 30 cm aus, um Bodenbeläge und Unterzüge an der Atmosphäre verfaulen zu lassen, wobei die Lehme aus Feuerstellenbereichen und in einigen Fällen offenbar auch von Wandverputz zerfielen und zwischen den Böden durchrieselten bzw. vom Regen hindurchgewaschen wurden. Ansonsten trugen die Böden nur sporadisch Lehmlagen, die zudem nicht klar von verstürztem Wandverputz zu unterscheiden sind, der gelegentlich den Hauswänden folgt. Die Verwendung von Lehm spielte im Hausbau jedenfalls nur stellenweise eine Rolle, wie die Verteilung der flachen Lehmlinsen zeigt. Die Siedlung reiht sich somit in die Konstruktionen des Endneolithikums ein, die auch in Seekirch- Stockwiesen, Alleshausen-Grundwiesen und Alleshausen-Täschenwiesen nicht mehr in der massiven Holz-Lehmbauweise errichtet waren, wie wir sie aus den jungneolithischen Siedlungen gerade des Federseeriedes gut kennen (SCHLICHTHERLE 1999, 36 f.). Eine Ausnahme bilden hier die zwei Kleinhäuser mit zweilagigem hölzernem Bodenaufbau und darüber liegenden mächtigen Lehmestrichen. Nicht zuletzt deswegen hatten wir lange erwogen, ob diese kleinen Gebäude eventuell einer älteren Siedlung zuzuweisen seien, deren Ruinen dann die Großhäuser überbauten. Inzwischen gibt sich jedoch klar zu erkennen, dass es zu keinen baulichen Überlagerungen kam und die Kleinhäuser in den Siedlungsplan integriert, also vermutlich zeitgleich sind. In ihrer Konstruktion ähneln sie ebenfalls mit Lehmpaketen ausge- Aufgehende Konstruktionen sind mit Ausnahme der Pfosten kaum erhalten. Die Seitenwände der Häuser scheinen jedoch mehrfach durch horizontal zwischen Pfostenzangen geschichtete Prügel oder Bretter gebildet worden zu sein, wie vielfach zu beobachtende Pfostenpaare andeuten. Im zentralen Feuerstellenbereich war in allen Häusern Lehm verbaut worden. Mehrfach liegen hier auch angeziegelte Fragmente von geformtem Hüttenlehm, vermutlich Reste von Ofenkuppeln, vor. In einer Feuerstelle konnten sogar Fragmente mit plastischer Verzierung durch modellierte Rillen und linsenartige Verdickungen festgestellt werden. Vermutlich war im Umfeld der Feuerstellen auch der Fußboden mit Lehm abgestrichen, wie uns dies der Befund von Seekirch-Stockwiesen Haus 1 klarer gezeigt hat (SCHLICHTHERLE 1997, 102). Abb. 2: Torwiesen II. Freilegungsarbeiten im Bereich des aus Eichenpfosten in Sonderkonstruktion gebauten Hauses am landwärtigen Dorfeingang (Foto W. Hohl). 63

NAU 9 2002 und damit durch rasch besser werdende Erhaltungsbedingungen für Siedlungsabfälle. Es kamen erste Textilfunde aus Gehölzbast (Abb. 4) sowie zahlreiche Leinstengellagen zum Vorschein. Auch hier sollen die Untersuchungen weitergehen, zumal noch geklärt werden muss, ob es eine landwärtige Palisade oder andere Abschrankungen gab. Die Geländearbeiten, die als präventive Maßnahme im Bauerwartungsland des Moorheilbades Bad Buchau stattfinden, werden so voraussichtlich noch zwei weitere Kampagnen andauern. Abb. 3: Die Lage der Siedlung Torwiesen II zwischen Festland und Insel im Geländemodell. Sie riegelte den Prügelweg zur Insel Buchau (im Bild links) ab und gewährte, allseits von Moor umgeben, größtmögliche Sicherheit (Foto W. Hohl). Abb. 4: Torwiesen II. Fragment eines Geflechtes in Zwirnbindung aus Gehölzbast (Zeichnung H. Schlichtherle). kleideten kleineren Häusern in der 1 km entfernt gelegenen Siedlung Dullenried, die bereits in den 1920er Jahren dokumentiert wurden (BOLLACHER im Druck). Zwischen den Traufseiten der eng aneinander gebauten Häuser blieben etwa 1 1,5 m schmale Gassen, die partiell mit Holzlagen befestigt waren. Einen geregelten Prügelbelag auf Unterzügen wies hingegen die Dorfstraße auf, was sich aus erhaltenen Teilbereichen erschließen lässt. Sie wurde zudem durch Pfostenreihen flankiert. Es ist zu vermuten, dass diese Straße die Siedlung nicht nur mit dem Festland verband, sondern auch zur Insel Buchau hinüberführte (Abb. 3). Dies wird durch weitere Bohrungen und Sondagen zu erkunden sein. Etwa 10 m nordöstlich des Dorfes zeigte sich in der Kampagne 2002 auf Siedlungsniveau ein Spülsaum in Seeablagerungen (Mudde). Zu klären, ob dies ein siedlungszeitliches Ufer oder aber Folge späterer Transgressionen des Federsees ist, bleibt ebenfalls einer weiteren Kampagne vorbehalten. Schließlich deuten Bohrergebnisse im Osten des Dorfes an, dass hier das Ende der Bebauung noch nicht erreicht ist. Der westliche Dorfeingangsbereich überraschte durch eine leichte Absenkung des Fundhorizontes Die Funde Die Siedlung muß von ihren Bewohnern verlassen worden sein, noch bevor es zu grundlegenden Renovierungsarbeiten oder Umbauten gekommen war. Vermutlich bestand sie nur wenige Jahre, maximal ein bis zwei Jahrzehnte. Die Siedlung wurde systematisch geräumt, wie sich an der Zusammensetzung des spärlichen Fundmaterials erkennen läßt. Es liegen zahlreiche Keramikfragmente vor, aber bislang kein einziges vollständiges Gefäß. Ebenso gibt es zahlreiche Fragmente von Mahlsteinen und Schleifsteinen, aber kein vollständiges Stück, und von Steinbeilklingen zeugen lediglich Bruchstücke, Halbfabrikate und Felsgesteinabschläge. Alle Holzgeräte mehr als 10 Bruchstücke eines Eibenbogens, ein Knieholm, ein Stangenholm, ein gebrochener Griff eines weiteren Holmes, ein kleines Faustmesser sind bereits alt beschädigt und waren nicht mehr brauchbar. Aus der Siedlung wurde offenbar das ganze, noch irgend brauchbare Inventar herausgeschafft. Die Keramikfunde lassen eine Zugehörigkeit zur älteren Horgener Kultur erkennen, wobei typologische Rudimente des vorausgehenden Jungneolithikums festzustellen sind. Auffällig ist das Vorkommen zahlreicher Spinnwirtel, eines kleinen gesattelten Henkels und einer kannelierten Scherbe, vermutlich das Fragment einer Tasse oder einer Abb. 5: Torwiesen II. Spinnwirtel in originaler Fundlage mit erhaltener Spindel aus einem einjährigen Haselschössling (Foto W. Hohl). 64

Fortschritte der Ausgrabung in der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II Kanne. Diese Elemente sind auf Einflüsse der Badener Kultur zurückzuführen, die den Federsee über die Obere Donau erreicht haben müssen (KÖNINGER/KOLB/SCHLICHTHERLE 2001. SCHLICHTHERLE 2001). Der Frage, ob die kannelierte Scherbe ein Importstück ist, wird durch entsprechende Keramikuntersuchungen nachzugehen sein. Im Silexfundmaterial, das vor allem eine Abschlagindustrie aus Jurahornstein umfasst, gibt es seltene Exoten: Plattensilex aus der Frankenalb und Kreidefeuerstein. Die Einzeleinmessung der Funde wird eine detaillierte Auswertung der Fundverteilungen erlauben. Mehrfach sind Fundkonzentrationen in Abfallzonen erkennbar, die sich einzelnen Häusern zuordnen lassen. Tierknochen sind bis auf wenige Ausnahmen nur in kalzinierter Form erhalten. Mehrfach bilden auch sie kleinere Abfallhaufen und scheinen mit ausgeräumtem Herdstellenmaterial abgelagert. Erste Stichproben wurden von Karlheinz Steppan im Rahmen eines DFG-Projektes der Universität Freiburg untersucht. Insektenkundliche Analysen werden von Edith Schmidt durchgeführt. Auch die Erhaltung von Pflanzenfunden ist beeinträchtigt. Eine Kulturschicht, wie wir sie aus anderen Moorsiedlungen des Federsees oder auch aus den Pfahlbauten des Bodensees kennen, liegt nur am westlichen Siedlungsrand vor. Dennoch ergeben sich bei flächendeckender Untersuchung aufschlussreiche Verteilungen pflanzlicher Siedlungsabfälle, wie erste Untersuchungen durch Ursula Maier und Christoph Herbig zeigen (HERBIG 2002). Zudem ist der einphasige Siedlungsplatz mit mächtiger Überlagerung durch sterile Torfe für Phosphatuntersuchungen geeignet, die durch Richard Vogt in Verbindung mit dem Geographischen Institut der Universität Frankfurt in Angriff genommen sind. Für die Großrestanalyse und Phosphatanalyse wurden über das gesamte Siedlungsareal im Quadratmeterraster Proben genommen. Die Auswertung der Verteilungen lässt Einblikke in die Aktivitäten der einzelnen Hausgemeinschaften erwarten und soll u. a. auch der Frage nachgehen, ob sich in den Häusern oder ggf. auch in den Gassen Viehstandplätze befanden. Erste Ergebnisse der archäologischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurden auf der Sonderausstellung Zeitgenossen des Gletschermannes am Federsee im Sommer 2002 im Federseemuseum präsentiert, deren Texte als Begleitheft dort erhältlich sind (HEU- MÜLLER/MATUSCHIK/SCHLICHTHERLE 2002). Anschrift der Verfasser WOLFGANG HOHL Dr. HELMUT SCHLICHTHERLE Landesdenkmalamt Baden-Württemberg Arbeitsstelle Hemmenhofen Fischersteig 9 D-78343 Gaienhofen-Hemmenhofen Literatur BOLLACHER im Druck: CH. BOLLACHER, Die endneolithische Siedlung im Dullenried bei Bad Buchau, Lkr. Biberach. Neue Untersuchungen zu den Funden und Befunden der Reinerth schen Grabungen von 1920, 1928 und 1929. Fundber. Baden-Württemberg 25, im Druck. BILLAMBOZ/HOHL/SCHLICHTHERLE 2000: A. BILLAMBOZ/ W. HOHL/H. SCHLICHTHERLE, Erste Datierungen für die endneolithische Siedlung Bad Buchau-Torwiesen am Federsee, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2000, 42 45. HERBIG 2002: CH. HERBIG, Archäobotanische Untersuchungen in der spätneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II im Federseemoor. Magisterarbeit, Seminar für Vor- und Frühgeschichte Frankfurt, unpubliziert. HEUMÜLLER/MATUSCHIK/SCHLICHTHERLE: M. HEUMÜL- LER/I. MATUSCHIK/H. SCHLICHTHERLE, Zeitgenossen des Gletschermannes am Federsee. Eine Sonderausstellung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Federseemuseum Bad Buchau. Texte und Bilder (Hemmenhofen 2002). Hohl/SCHLICHTHERLE 1999: W. HOHL/H. SCHLICHT- HERLE, Torwiesen II eine Siedlung mit Langhäusern der Horgener Kultur im Federseemoor bei Bad Buchau, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1999, 39 42. KÖNINGER/KOLB /SCHLICHTHERLE: J. KÖNINGER/ M. KOLB/H. SCHLICHTHERLE, Elemente von Boleráz und Baden in den Feuchtbodensiedlungen des südwestdeutschen Alpenvorlandes und ihre mögliche Rolle im Transformationsprozess des lokalen Endneolithikums. In: P. ROMAN/S. DIAMANDI (Hrsg.), Cernavodǎ III Boleráz. Ein vorgeschichtliches Phänomen zwischen dem Oberrhein und der unteren Donau. Studia Danubiana, Series Symposia II (Bukarest 2001) 641 672. SCHLICHTHERLE 1997: H. SCHLICHTHERLE, Neolithische und bronzezeitliche Häuser in den Feuchtbodensiedlungen Südwestdeutschlands. In: H. BECK/H. STEUER (Hrsg.), Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit (Göttingen 1997) 86 136. SCHLICHTHERLE 1999: H. SCHLICHTHERLE, Die Goldberg III Gruppe in Oberschwaben. In: H. SCHLICHT- HERLE/M. STROBEL (Hrsg.), Horgen Cham Goldberg III Schnurkeramik in Süddeutschland. Hemmenhofener Skripte 1 (Freiburg i. Br. 1999) 35 48. SCHLICHTHERLE 2001: H. SCHLICHTHERLE, Neue Baubefunde und eine Scherbe der Badener Kultur in der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II, Bad Buchau, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2001, 38 42. 65