Antworten auf 7 Praktikerfragen rund um die Krankenbestätigung (Teil 1)



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Dr. Josef Grünanger PVP 2014/77, 303 Antworten auf 7 Praktikerfragen rund um die Krankenbestätigung (Teil 1) Wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalles keine Arbeitsleistungen erbringen kann, dann sind regelmäßig die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bestätigung vorlegen? 2. Der Arbeitnehmer legt die ärztliche Bestätigung nicht vor: Was sind die Konsequenzen? 3. Wer muss die ärztliche Bestätigung ausstellen? Kann jeder Arzt die Krankenbestätigung ausstellen? 4. Welche Inhalte müssen/können ärztliche Bestätigungen haben? 5. Welche Rechtsfolgen löst eine unvollständig ausgefüllte ärztliche Bestätigung aus? 6. Wann liegt überhaupt eine Arbeitsunfähigkeit vor? 7. Der Arbeitgeber hat Zweifel an der Richtigkeit der Krankenbestätigung: Was kann er tun? Auf die Fragen 1 bis 3 finden Sie in diesem Heft die praxisorientierten Antworten, jene auf die Fragen 4 bis 7 im Dezember-Heft. Verwendete Abkürzungen in diesem Beitrag: AG Arbeitgeber // AN Arbeitnehmer // GKK Gebietskrankenkasse// KB Krankenbestätigung Frage 1: Muss der Arbeitnehmer eine ärztliche KB vorlegen? a) Meldepflicht des Arbeitnehmers Gemäß 8 Abs 8 AngG (oder 4 Abs 1 EFZG bei Arbeitern) ist der AN auch ohne ausdrückliche Aufforderung des AG verpflichtet, unverzüglich, nachdem ein Dienstverhinderungsgrund (zb Krankheit) gegeben ist, diesen seinem AG zu melden. Personalverrechnung für die Praxis 11/2014 pvp.lexisnexis.at 303

Sobald und sofern der AN dazu in der Lage ist, muss er den AG in irgendeiner Form (per Telefon, Fax, E-Mail, SMS etc) darüber informieren, dass er am Arbeitsplatz aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht erscheinen kann. Ausführliche e zur Meldepflicht des AN finden Sie in PVP 2012/18, 61 (März-Heft). b) Vorlage einer KB Der AG kann eine KB der zuständigen GKK oder eines Amts - oder Gemeindearztes über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Die Antwort auf die Frage, ob auch der Vertrauensarzt des Arbeitnehmers die KB ausstellen darf, finden Sie im Kapitel Frage 3: Wer muss die ärztliche Bestätigung ausstellen? Kann jeder Arzt die KB ausstellen? Kommt der AN diesem Verlangen nicht nach, verliert er für die Dauer dieser Säumnis den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Trotz fehlenden Entgeltfortzahlungsanspruchs zählen jedoch diese Tage als Krankenstandstage und vermindern das fortzahlungspflichtige Kontingent an Krankenstandstagen. Reicht eine im Dienstvertrag geregelte KB-Vorlagepflicht? Nein AN sind nur dann verpflichtet, eine ärztliche KB vorzulegen, wenn dies vom AG ausdrücklich verlangt wird. Der AG muss dazu den AN unmittelbar auffordern. Nach der Judikatur genügt eine allgemeine Verpflichtung im (schriftlichen) Arbeitsvertrag nicht (bspw nicht ausreichend ist folgende Formulierung im Dienstvertrag: Der AN ist verpflichtet, eine Bestätigung ohne weitere Aufforderung durch AG vorzulegen ). Kann der AG erst nach 3 Krankenstandstagen eine KB verlangen? Der betroffene AN muss vom AG in jedem Anlassfall dazu aufgefordert werden, eine ärztliche KB vorzulegen (OGH 15. 6. 1988, 9 ObA 122/88). Eine solche Aufforderung kann bereits am 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit erfolgen ein Zuwarten, wie oft in der Praxis zu hören, von 3 Tagen ist nicht erforderlich! Ist es sinnvoll, bei einem 1-tägigen Krankenstand eine ärztliche Bestätigung zu verlangen? Im Regelfall so lehrt die Erfahrung aus der Praxis ist es nicht sinnvoll bei einem 1-tägigen Krankenstand eine ärztliche KB zu verlangen, weil das Verlangen meist dazu führt, dass der Arzt den AN für mehrere Tage (sicherheitshalber) krankschreibt. Hingegen kann in jenen Einzelfällen, in denen der Verdacht besteht, dass in Wahrheit andere Motive der Grund sind für das Fehlen am Arbeitsplatz, die Aufforderung zur Vorlage einer ärztlichen KB sinnvoll sein. 304 Personalverrechnung für die Praxis 11/2014 pvp.lexisnexis.at

Der AG kann das Verlangen nach einer ärztlichen KB nach angemessener Zeit wiederholen. Scheint auf der ärztlichen KB ein Wiederbestelltermin auf, kann sich der AG dies vormerken und neuerlich eine (weitere) KB nach diesem Termin verlangen. Kann der AG unmittelbar, nachdem er eine KB erhalten hat, sofort wieder eine neuerliche KB verlangen? Eine konkrete Zeitangabe, wie viel Zeit zwischen den einzelnen AG-Aufforderungen, eine KB vorzulegen, verstreichen muss, existiert nicht, weder gesetzlich noch aufgrund der Rechtsprechung. Der AG darf nicht schikanös vorgehen und alle paar Tage eine neue KB verlangen. Die neuerliche Aufforderung, eine weitere KB vorzulegen, wird aber nach 1 bis 2 Wochen zumutbar sein. Der AN ist nur nach ausdrücklichem Verlangen des AG nach jedem Anlassfall verpflichtet, eine ärztliche KB vorzulegen. 4 Tipps aus der Praxis für die Praxis ➊ Regeln Sie im Dienstvertrag die Form der Krankmeldung Da die konkrete Form, wie der AN seine Arbeitsunfähigkeit zu melden hat, gesetzlich nicht geregelt ist, sollte der AG will er vermeiden, mitunter mehrere Tage (für die Dauer des Postweges) im Dunkeln zu tappen, ob ein Arbeitnehmer, der nicht zur Arbeit erschienen ist, womöglich krank ist im Arbeitsvertrag regeln, in welcher Form die Krankmeldung zu erfolgen hat. Die Regelung im Vertrag über die Form ersetzt wie schon eingangs erwähnt die ausdrückliche Aufforderung zur Vorlage der KB im Einzelfall nicht. ➋ Fordern Sie nachweislich den AN zur Vorlage der KB auf Der AG sollte den AN sofort, nachdem dieser seine Arbeitsverhinderung gemeldet hat, auffordern, eine ärztliche KB zu übermitteln. Sollte diese Aufforderung telefonisch erfolgt sein, sollte aus Nachweisgründen zusätzlich ein E-Mail ( wie telefonisch besprochen ) an den betroffenen AN mit dieser Aufforderung gesendet werden. ➌ Klare Empfangsregeln im Unternehmen Regeln Sie im Dienstvertrag, wer im Unternehmen berechtigt ist, Krankmeldungen entgegenzunehmen, und an wen diese Empfangsperson die Krankmeldung weiterzuleiten hat (an die Personalabteilung, an den unmittelbaren Vorgesetzten, an den Abteilungsleiter? etc) ➍ Nehmen Sie eine Bevollmächtigungsklausel in den Dienstvertrag auf Im Hinblick auf die Rechtsprechung erscheint es zweckmäßig, bereits in den Arbeitsvertrag einen entsprechenden Passus aufzunehmen, wonach der Arbeitnehmer dritte Personen, die in seinem Namen Erklärungen abgeben, auch bevollmächtigt, Erklärungen des AG entgegenzunehmen. Als PVP - Leserservice bietet Ihnen die Redaktion kostenfrei ein entsprechend umfassendes Textmuster betreffend Melde- und Nachweisregelungen bei Dienstverhinderungen an. Personalverrechnung für die Praxis 11/2014 pvp.lexisnexis.at 305

Frage 2: Der Arbeitnehmer legt die ärztliche KB nicht vor: Was sind die Konsequenzen? Auf Verlangen des AG muss der AN eine KB vorlegen. Wird dem AN keine Frist oder eine unangemessen kurze Frist (1 bis 2 Tag[e]) gesetzt, gilt eine Frist von 3 Tagen als vereinbart (OLG Wien 28. 3. 2003, 7 Ra 17/03a). Erst nach Ablauf der zulässigen Frist treten die Säumnisfolgen ein. Der AN verliert für die Dauer der Säumnis seinen Entgeltfortzahlungsanspruch. Der AG ist dann berechtigt, das Entgelt für jene Arbeitstage, an denen der AN ohne ärztliche KB der Arbeit ferngeblieben ist, einzubehalten und den AN für diesen Zeitraum bei der GKK mit dem Tag vor Beginn der Säumnis abzumelden ( Ende Entgelt ). Eine Entlassung ist bei Verletzung der Melde- und Nachweispflichten grundsätzlich nur möglich, wenn gravierende Umstände hinzutreten (OGH 22. 1. 2003, 9 ObA 247/02t). Solche Umstände liegen bspw dann vor, wenn eine Meldung leicht möglich gewesen wäre und der AN wusste, dass dem AG dadurch, dass der AN seine Dienstunfähigkeit nicht meldete, ein beträchtlicher Schaden erwachsen könnte (zb Projekt mit hoher Pönalezahlung konnte nicht fertiggestellt werden), oder wenn sich nachträglich herausstellt, dass der AN entgegen seiner Behauptung, arbeitsunfähig zu sein, arbeitsfähig war. Der AG muss im gerichtlichen Verfahren (zb Entlassungsanfechtung) den Umstand der Arbeitsfähigkeit des AN nachweisen. Nur das Fehlen der ärztlichen KB begründet keinen Entlassungsgrund, weil mit dem Entgeltverlust bereits eine besondere Rechtsfolge vorgesehen ist. Frage 3: Wer muss die Bestätigung ausstellen? Kann jeder Arzt die KB ausstellen? Ohne Zweifel muss dann, wenn eine Arbeitsverhinderung wegen Krankheit vorliegt, ein Arzt die KB ausstellen. Das Gesetz schränkt sogar noch weiter ein und verlangt eine KB entweder von der zuständigen GKK oder von einem Amts- oder Gemeindearzt. Kann jeder Arzt die KB ausstellen? a) In Österreich praktizierender Arzt Nach der herrschenden Meinung kann die KB auch von jedem Vertragsarzt ausgestellt werden. Welchen Arzt der AN wählt, bleibt diesem selbst überlassen, weil nach der Judikatur der Grundsatz der freien Arztwahl gilt (OGH 16. 9. 1952, 4 Ob 140/52; OGH 23. 4. 2003, 9 ObA 245/02y). b) Arzt aus EU-Staat Von Ärzten innerhalb der EU ausgestellte KB gelten als inländischen gleichwertig (EuGH 3. 6. 1992, C-45/90, Paletta). 306 Personalverrechnung für die Praxis 11/2014 pvp.lexisnexis.at

Help-PV.at c) Arzt aus Drittstaat Wird eine KB von einem Arzt aus einem Drittstaat ausgestellt, muss unterschieden werden zwischen Drittstaaten mit SV-Abkommen mit Österreich und solchen ohne. Bei Vorliegen eines SV-Abkommens müssen die Regelungen des jeweiligen Abkommens berücksichtigt werden. Sollte kein SV-Abkommen vorliegen, ist die österreichische GKK zuständig. Nach der Rückkehr aus dem Ausland muss der AN den zuständigen Chefarzt/Gruppenarzt seiner GKK aufsuchen und eine (nachträgliche) Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Der AN muss Nachweise (zb Kreditkartenabrechnung, Rechnungen, Bestätigungen, Rezepte etc) bezüglich seiner Erkrankung/Verletzung erbringen. Der Autor: - Foto Soyka KG Dr. Josef Grünanger war von 2009 bis 2012 als Universitätsassistent am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien tätig. Seit 2012 ist er in der Kanzlei Gerlach Rechtsanwälte beschäftigt. Er publiziert regelmäßig und trägt laufend bei verschiedenen Bildungseinrichtungen und Unternehmen zum Arbeits- und Datenschutzrecht vor. Kontakt: jg@arbeitsrecht.at Personalverrechnung für die Praxis 11/2014 pvp.lexisnexis.at 307

Dr. Josef Grünanger PVP 2014/84, 324 Antworten auf 7 Praktikerfragen rund um die Krankenbestätigung (Teil 2) Wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalles keine Arbeitsleistungen erbringen kann, dann sind regelmäßig die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bestätigung vorlegen? 2. Der Arbeitnehmer legt die ärztliche Bestätigung nicht vor: Was sind die Konsequenzen? 3. Wer muss die ärztliche Bestätigung ausstellen? Kann jeder Arzt die Krankenbestätigung ausstellen? 4. Welche Inhalte müssen/können ärztliche Bestätigungen haben? 5. Welche Rechtsfolgen löst eine unvollständig ausgefüllte ärztliche Bestätigung aus? 6. Wann liegt überhaupt eine Arbeitsunfähigkeit vor? 7. Der Arbeitgeber hat Zweifel an der Richtigkeit der Krankenbestätigung: Was kann er tun? Die praxisorientierten Antworten auf die Fragen 1 bis 3 finden Sie in PVP 2014/77, 203 (November-Heft), jene auf die Fragen 4 bis 7 in diesem Heft. Verwendete Abkürzungen in diesem Beitrag: AG Arbeitgeber // AN Arbeitnehmer // GKK Gebietskrankenkasse// KB Krankenbestätigung Frage 4: Welche Inhalte müssen/können ärztliche KB haben? a) Diese Inhalte müssen ärztliche KB haben Die ärztliche KB muss die Ursache und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit beinhalten. Ursache Als Ursache muss auf der KB nur angegeben werden, ob die Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Unfall oder Krankheit eingetreten ist. Der AG hat nach der strsp keinen Anspruch darauf, Informationen über die genaue Diagnose zu erhalten (OGH 27. 9. 1989, 9 ObA 236/89). Die Konsequenz ist, dass der AG dem AN keine zulässigen alternativen Tätigkeiten zuweisen kann, weil der AG keine (rechtlichen) Möglichkeiten hat, nähere Informationen über den Grund der Arbeitsunfähigkeit seines AN zu erhalten. Dieser Umstand wird schon seit Jahren (erfolglos) von einem großen Teil der arbeitsrechtlichen Lehre kritisiert. Dauer Hinsichtlich der Dauer müssen der Beginn und das wahrscheinliche Ende der Arbeitsunfähigkeit bekannt gegeben werden. Der Beginn ist grundsätzlich der Tag der Untersuchung, weil Ärzte bei vielen Erkrankungen/Verletzungen einen genauen Eintrittstermin nicht rückwirkend feststellen werden können. Praktisch sind Rückdatierungen bis zu 1 Tag zulässig und kommen auch regelmäßig vor (OLG Wien 16. 9.2004, 10 Ra 110/04a). Es kann auch nicht jedem AN zugemutet werden, gleich am 1. Tag einer Erkrankung einen Arzt aufzusuchen. Darüber hinausgehende Rückdatierungen von mehr als 1 Tag führen zu einer erhöhten Begründungspflicht des Arztes (insbesondere auch gegenüber der zuständigen GKK). Das wahrscheinliche Ende muss nach der vom Arzt getroffenen Prognose eingetragen werden. Kann eine gesicherte Prognose durch den Arzt nicht vor- 324 Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at

genommen werden, müssen zumindest der Zusatz bis auf weiteres und der Wiederbestellungstermin enthalten sein. Weitere Angaben, die auf der KB aufscheinen müssen: Aussteller der KB (= der ausstellende Arzt) und das Ausstellungsdatum. Je länger daher der AG mit der Aufforderung zur Vorlage einer ärztlichen KB zuwartet, desto eher muss er aufgrund des Rückdatierungsverbotes auch unbestätigte Tage tolerieren. b) Diese Inhalte können ärztliche KB haben Auf der ärztlichen KB können auch sogenannte Ausgehzeiten angegeben werden. Es handelt sich dabei um keine Information, die zwingend auf der KB angegeben werden muss. Allgemein gilt, dass es sich bei einem Krankenstand um keinen Hausarrest handelt. Der AN ist verpflichtet, kein Verhalten zu setzen, das geeignet ist, die Genesung zu verzögern. Im Wesentlichen hängt die Zulässigkeit eines Verhaltens von der Erkrankung/Verletzung ab. Notwendige Einkäufe zu erledigen, Spaziergänge zu unternehmen oder sogar Sport (bei manchen psychischen Erkrankungen) auszuüben, kann je nach Art der Erkrankung/Verletzung zulässig sein. Im Wesentlichen hängt das richtige Verhalten von der ärztlichen Weisung ab. Die Angabe von Ausgehzeiten und/oder die Information, was der AN tun darf, ohne dass der Heilungsverlauf gestört ist, sind möglich und können dem AN das richtige Verhalten im Krankenstand erleichtern. Frage 5: Welche Rechtsfolgen löst eine unvollständig ausgefüllte ärztliche KB aus? Manchmal kommt es vor, dass auf der KB Angaben über die Ursache (Krankheit/ Unfall) und/oder über die Dauer (insbesondere Prognose für die Zukunft) fehlen. Die Säumnisfolgen (= Entgeltverlust für die Dauer der Säumnis) treten nur dann nicht ein, wenn eine vollständige KB (= Angaben über Beginn/Ende und Ursache) vorliegt. Die Rechtsprechung sieht vor, dass dann, wenn der AN eine unvollständige KB vorlegt, er grundsätzlich seine Nachweispflichten verletzt. Aus diesem Grund verliert der AN bis zur Vorlage einer vollständigen KB seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. In einem Fall informierte der AN den AG trotz mehrmaliger Urgenz weder über die fehlende Prognose des Arztes über die voraussichtliche Dauer des Krankenstandes noch über den vorgeschriebenen Wiederbestellungstermin und verlor deshalb seinen Entgeltfortzahlungsanspruch (OGH 22. 8. 2012, 9 ObA 66/12i; siehe PVP 2012 2013/4, 12 [Jänner-Heft]). Frage 6: Wann liegt überhaupt Arbeitsunfähigkeit vor? Entscheidend ist die arbeitsrechtlich geschuldete Tätigkeit des AN Ob und ab welchem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit wegen Unfall/Krankheit vorliegt, entscheidet jener Arzt, der die KB erteilt. Bevor der Arzt die KB ausstellt, ist er verpflichtet, die arbeitsrechtlich geschuldete Tätigkeit des AN und die gestellte medizinische Diagnose zu berücksichtigen. Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at 325

Beispiel Ein auf Wespenstiche allergischer Berufskraftfahrer und ein nicht allergischer Buchhalter (mit wirksamer Home-Office-Vereinbarung) werden von einer Wespe in den rechten Fuß gestochen. Der behandelnde Arzt bestätigt beiden die Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von 1 Woche. Streng genommen dürfte nur der Berufskraftfahrer krankgeschrieben werden, weil nur dieser den rechten Fuß ( Gas geben ) für seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit benötigt. Der Buchhalter muss aufgrund seiner Home-Office-Vereinbarung seinen rechten Fuß nicht einmal beim Weg vom Wohnort zur Arbeitsstätte einsetzen. Arbeitsunfähigkeit liegt beim Buchhalter wohl nicht vor. Praktisch sind Ärzte häufig uninformiert über die konkrete arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitspflicht (dazu wäre das Studium des schriftlichen Arbeitsvertrages/der Home-Office-Vereinbarungen erforderlich) und über die im jeweiligen Betrieb herrschenden Arbeitsbedingungen (dazu wäre wahrscheinlich eine Begehung erforderlich) und daher oft ausschließlich auf die Angaben des AN angewiesen. Im Zweifel werden sich aus den genannten praktischen Gegebenheiten Ärzte (wohl auch aus Haftungsgründen) eher für als gegen eine Arbeitsunfähigkeit entscheiden. Vertrauensschutz des AN Der AN darf grundsätzlich auf die Richtigkeit der ärztlichen KB vertrauen. Auf die Richtigkeit einer ärztlichen KB darf vom AN jedoch dann nicht vertraut werden, wenn diese im Wesentlichen nur aufgrund seiner eigenen Angaben über seine (bspw extrem übertrieben geschilderten) Beschwerden ausgestellt wurde (OGH 30. 8. 1989, 9 ObA 199/89). Beispiel In unserem Wespenstich-Beispiel können sowohl der Berufskraftfahrer als auch der Buchhalter darauf vertrauen, dass die vom Arzt ausgestellte Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit korrekt ist. Sollten die (starke) Schwellung bei dem nicht allergischen Buchhalter nach wenigen Stunden (nach dem Arztbesuch) völlig verschwunden und keine Schmerzen vorhanden sein, liegt kein rechtmäßiges Vertrauen mehr vor, weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Der Buchhalter muss daher neuerlich den Arzt konsultieren und/oder den AG informieren. Frage 7: Der Arbeitgeber hat Zweifel an der Richtigkeit der KB: Was kann er tun? Der AG muss grundsätzlich darauf vertrauen, dass die vom Arzt ausgestellte KB korrekt ist und daher die Arbeitsunfähigkeit des AN beweist. Gemäß OGH wird vermutet, dass der AN in aller Regel darauf vertrauen darf, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zu dieser Feststellung gelangte (OGH 30. 8. 1989, 9 ObA 199/89). Bestehen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, 326 Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at

muss der AG beweisen, dass der AN in Wirklichkeit arbeitsfähig war und/oder dass er nicht auf die Richtigkeit der ärztlichen KB vertrauen durfte. Nach der Judikatur muss der AG die vom AN vorgelegte KB mit Beweisen entkräften, dh, er muss sich Informationen, Unterlagen und Zeugen für diesen Beweis beschaffen. Gelingt der Beweis durch den AG nicht, ist die KB wirksam und es ist rechtswidrig, wenn der AG Entgelt einbehält oder den AN entlässt. a) Wie kommt der AG zu Beweismitteln? Die kostensparendste Variante ist, bei der zuständigen GKK anzuregen, dass der Krankenstand überprüft wird. Die GKK kann den betroffenen AN etwa zu einer Untersuchung beim Amtsarzt laden. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer solchen Überprüfung. In der Praxis werden immer häufiger Privatdetektive eingesetzt, die das Verhalten der betroffenen AN im Krankenstand überprüfen. Die Aussage und die Dokumentation eines Detektives werden von den Gerichten als zulässiges Beweismittel in allfälligen Verfahren akzeptiert. Ersatz der Detektivkosten Der AG kann dann vom AN die Detektivkosten zurückfordern, wenn der AN zunächst ausreichende Anhaltspunkte für ein vertragswidriges, den Interessen des AG zuwiderlaufendes Verhalten gegeben hat (kein allgemeines Überwachen aller Arbeitnehmer, die sich im Krankenstand befinden), die den AG veranlassten, sich durch geeignete Nachforschungen noch weitere Klarheit zu verschaffen (vgl OGH 12. 7. 2006, 9 ObA 129/05v). Die Ersatzfähigkeit von Detektivkosten findet aber ua dort ihre Grenze, wo die Überwachung offenkundig überflüssig und erkennbar unzweckmäßig ist (OGH 28. 4. 2014, 8 ObA 88/13v). Den AN anzuweisen, einen bestimmten Arzt (zb den Betriebsarzt) aufzusuchen, der überprüfen soll, ob der AN arbeitsunfähig ist oder nicht, wird regelmäßig am Grundsatz der freien Arztwahl scheitern. Den AN treffen also keine Sanktionen, wenn er sich etwa weigert den Betriebsarzt aufzusuchen. Bestellt der AG einen medizinischen Sachverständigen anlässlich eines allfälligen Gerichtsverfahrens, so ist dies idr aus AG-Sicht keine erfolgreiche Strategie, weil eine rückwirkende Beurteilung von Beginn/Ende von Krankheiten/ Verletzungen meist nur schwer möglich ist und der Sachverständige idr dann oft keine gesicherten Aussagen machen wird (können). Selbstverständlich können als Zeugen auch andere AN und/oder Dritte herangezogen werden, die den betroffenen AN bei möglichem Fehlverhalten beobachtet haben. b) Sanktion 1: AG behält das Entgelt zurück Der AG kann trotzdem eine KB vorliegt die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Bestätigung bestehen AN muss auf die Auszahlung des ausstehenden Entgelts klagen. Den AN trifft also die Klagelast. In einem folgenden Verfahren muss der AG jedoch beweisen, dass die KB unrichtig ausgestellt ist. Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at 327

c) Sanktion 2: AG entlässt den AN Eine Entlassung wird nur dann zulässig sein, wenn der AN auf die ärztliche KB nicht vertrauen durfte, er also wissen musste, dass eine Arbeitsunfähigkeit in Wirklichkeit gar nicht vorliegt. Für eine Entlassung ist immer auch ein (Mit-)Verschulden des AN erforderlich. Hatte der AN subjektive Schmerzen und durfte deshalb darauf vertrauen, dass die in der KB bescheinigte Arbeitsunfähigkeit korrekt, wenngleich objektiv unrichtig war, liegt kein Entlassungsgrund vor. Verfälschungen von KB (zb Änderung des Endigungsdatums) berechtigen den AG ebenfalls zur Entlassung (OGH 6. 10. 2005, 8 ObA 63/05f). Ferner wird eine Entlassung dann rechtmäßig sein, wenn der AN ein Verhalten im Krankenstand setzt, das seine Genesung beeinträchtigt. Judikatur- Beispiele Umfangreiche Informationen rund um das Verhalten des AN im Krankenstand und Antworten auf die Frage, welches Verhalten zu einer Entlassung berechtigt (mit 14 Judikaturbeispielen!), finden Sie in PVP 2012/26, 95 (April-Heft). Im Folgenden eine Kurzübersicht dieser 14 Judikaturbeispiele (detailliertere Begündungen im oa April-Heft): Sachverhalt Disco-Besuch im Krankenstand wegen Burn-out (ASG Wien 3. 3. 2011, 31 Cga 82/09v) Reisen nach Italien im Krankenstand ua wegen Burn-out (OGH 25. 5. 2011, 8 ObA 35/11x) Arbeitnehmer betrieb Laufsport während des Krankenstandes wegen Burn-out (ASG Wien 10. 5. 2010, 16 Cga 192/09k) Fußballspielen im Krankenstand wegen Rückenschmerzen (OGH 28. 2. 2011, 9 ObA 128/10d) einmalige Nagelbehandlung im Krankenstand (OGH 21. 1. 2011, 9 ObA 3/11y) Arbeitnehmer war während des Krankenstandes im Freibad (OGH 14. 11. 1996, 8 Ob A 2302/96d) Arbeitnehmer hat während des Krankenstandes sein Auto repariert und Gasthäuser besucht (OGH 10. 3. 1987, 14 ObA 25/87) Arbeitnehmer hat während des Krankenstandes einen Buschenschank geführt (OGH 26. 1. 2000, 9 ObA 329/99v) Arbeitnehmerin war während des Krankenstandes shoppen (OGH 24. 2. 2000, 8 ObA 12/00y) Arbeitnehmer hat während des Krankenstandes Traktorarbeiten auf dem Feld verrichtet (OGH 7. 4. 1987, 14 ObA 38/87) Arbeitnehmer hat während des Krankenstandes in der Bar des Sohnes ausgeholfen (OGH 23. 6. 2004, 9 ObA 35/04v) Arbeitnehmer gab während des Krankenstandes dem Nachbarn Heimwerkertipps (OGH 13. 11. 2002, 9 ObA 233/02h) Arbeitnehmer führte während des Krankenstandes Vorstellungsgespräche (OGH 7. 11. 2002, 8 ObA 150/02w) Entlassung? 1) JA NEIN 328 Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at

Sachverhalt Arbeitnehmer hat während des Krankenstandes mehrere Motorradfahrten unternommen (OGH 16. 5. 2002, 8 ObA 100/02t) Arbeitnehmer im Krankenstand (Burn-out) besuchte Konzert der Red Hot Chili Peppers und begann in Friedrichshafen eine Ausbildung zum Physiotherapeuten (OGH 26. 8. 2014, 9 ObA 64/14y) Entlassung? 1) JA NEIN 1) Entlassung wegen schuldhaften, grob genesungsbeeinträchtigenden Verhaltens? Die Klagelast liegt auch bei Entlassungen beim AN. Als kostenfreies PVP-Leserservice können Sie eine Checkliste anfordern mit Empfehlungen, wie Sie bei vermutetem Krankenstandsmissbrauch vorgehen können ( LexisNexis KnowHow, das unverzichtbare Portal für Personalisten). d) Strafrecht Erschleicht sich der AN eine ärztliche KB, indem er falsche Informationen über seinen Gesundheitszustand angibt, um mit Vorsatz eine bezahlte Freistellung zu erlangen, so kann der strafrechtliche Tatbestand des Betruges ( 146 StGB) erfüllt sein. e) KB wurde unrichtig ausgestellt: Die Rechtsfolgen für den Arzt Die Praxis berichtet immer wieder von Vorfällen, wonach Dienstunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden, ohne dass entsprechende Untersuchungen durchgeführt wurden; die der Diagnose und der damit verbundenen Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht entsprechen ; aufgrund einer telefonischen Ferndiagnose des Arztes; die KB kann sich der AN dann bei der Ordinationshilfe abholen. Eine unrichtige oder wie zuvor beschrieben ausgestellte ärztliche KB bedeutet nicht automatisch, dass den Arzt rechtliche Sanktionen treffen. Es kommt darauf an, ob der Arzt wissentlich ( Gefälligkeitsattest ) eine falsche KB ausgestellt hat oder aufgrund der vorliegenden Informationen eine (objektiv) vertretbare Entscheidung getroffen hat. Nur im ersten Fall drohen dem ausstellenden Arzt Sanktionen. Wird eine unrichtige KB (ungerechtfertigt) ausgestellt, können für den Arzt strafrechtliche Sanktionen drohen. Rechtlich bedeutsam können 293 StGB ( Fälschung eines Beweismittels ) bzw 146 StGB ( Betrug als Beitragstäter ) sein. In diesen Fällen können AG auch Schadenersatz vom Arzt verlangen. der Redaktion Sanktionen für Ärzte gab es bisher praktisch nie, weil im Zweifel (und der liegt aus der Sicht der Ärzte fast immer vor) kein Arztkollege gegen Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at 329

Der Fall aus der Abrechnungspraxis den eigenen Berufsstandsangehörigen ein negatives Gutachten erstellt. Dennoch ist auf die insbesondere von der Literatur mehrfach aufgeworfenen strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten hinzuweisen. Der Autor: - Foto Soyka KG Dr. Josef Grünanger war von 2009 bis 2012 als Universitätsassistent am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien tätig. Seit 2012 ist er in der Kanzlei Gerlach Rechtsanwälte beschäftigt. Er publiziert regelmäßig und trägt laufend bei verschiedenen Bildungseinrichtungen und Unternehmen zum Arbeits- und Datenschutzrecht vor. Kontakt: jg@arbeitsrecht.at 330 Personalverrechnung für die Praxis 12/2014 pvp.lexisnexis.at