Sportkardiologie Körperliche Aktivität bei Herzerkrankungen

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Transkript:

Sportkardiologie Körperliche Aktivität bei Herzerkrankungen

w. Kindermann H.-H. Dickhuth A. Nieß K. Röcker A. Urhausen Sportkardiologe e Körperliche Aktivität bei Herzerkrankungen Mit 20 Abbildungen in 36 Einzeldarstellungen und 19 Tabellen

Univ.-Prof. Dr. med. WILFRIED KINDERMANN Prof. Dr. med. Ax EL URHAUSEN Institut fur Sport- und Prăventivmedizin Universităt des Saarlandes Campus Gebăude 39.1, 66123 Saarbriicken Univ.-Prof. Dr. med. HANS-HERMANN DICKHUTH Priv.-Doz. Dr. med. ANDREAS NIESS Priv.-Doz. Dr. med. KAI R6cKER Abt. Rehabilitative und Prăventive Sportmedizin Medizinische Universitătsklinik Hugstetter StraBe 55, 79106 Freiburg ISBN 978-3-662-13021-6 DOI 10.1007/978-3-662-13020-9 ISBN 978-3-662-13020-9 (ebook) Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Dbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfăltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfăltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulăssig. Sie ist grundsătzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. http://www.springer.steinkopff.de Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003 Urspriinglich erschienen bei Steinkopff-Verlag Dannstadt 2003 Softcover reprint of the hardcover lst edition 2003 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wăren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Produkthaftung: Fiir Angaben iiber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewăhr iibernommen werden. Derartige Angaben miissen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit iiberpriift werden. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Redaktion: Sabine Ibkendanz Herstellung: Klemens Schwind Satz: K + V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN 11308348 85/7231-5 4 3 2 1 - Gedruckt auf săurefreiem Papier

Vorwort Sportkardiologische Probleme sind häufig und erfordern die Berücksichtigung sowohl kardiologischer als auch leistungsphysiologischer Kriterien. Einem scheinbar gesunden, aber mit Risikofaktoren belasteten Patienten ist mit der globalen Empfehlung "Treiben Sie Sport" genauso wenig gedient, wie einem hypertensiven Turniertennisspieler, dem der gut gemeinte Ratschlag gegeben wird, Belastungsspitzen zu meiden. Sportanfänger und Sporttreibende mit kardiovaskulären Anomalien und Erkrankungen erwarten differenzierte Hinweise zur Sportausübung. Während über das Beanspruchungsprofil der verschiedenen Sportarten und Belastungsformen gute Kenntnisse vorliegen, fehlen häufig systematische Studien zur Risikoabschätzung bei Sporttreibenden mit gleichzeitig bestehender Herzerkrankung, sodass die ärztliche Entscheidung in erster Linie auf der Basis von Konsensus-Konferenzen und Expertenmeinungen getroffen wird. Die bisher umfassendsten sportkardiologischen Empfehlungen zur Belastbarkeit bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden auf der 26. Bethesda-Konferenz des American College 0/ Sports Medicine und des American College 0/ Cardiology 1994 erarbeitet (publiziert in Medicine and Science in Sports and Exercise und in Journal 0/ the American College 0/ Cardiology). Sie beziehen sich ausdrücklich auf die Tauglichkeit für Wettkampfsport und werden auch in diesem Buch berücksichtigt. Ziel der Autoren des vorliegenden Buches war es, das gesamte Spektrum von Sporttreibenden zu erfassen und konkrete Empfehlungen für deren körperliche bzw. sportliche Belastbarkeit zu geben. Das betrifft die regelmäßige körperliche Aktivität in der Prävention und Rehabilitation, die sportliche Betätigung im Freizeit- bzw. Breitensport und den Leistungssport bis hin zum professionellen Sport. Für ausschließlich gesundheitssportliche Betätigung werden anhand der Art und des Schweregrades der Herz-Kreislauf-Erkrankung differenzierte Empfehlungen gegeben, die zu positiven adaptativen Veränderungen führen, ohne zu schaden. Für den Wettkampfsport werden ebenfalls die sportkardiologischen Rahmenbedingungen dargestellt, die eine

VI Vorwort Entscheidung im Sinne von Pro oder Kontra erlauben oder die Wettkampf tauglichkeit auf bestimmte Sportarten beschränken. Das schließt aber nicht aus, dass bei einzelnen Sporttreibenden bei Vorliegen von Besonderheiten davon abweichende ärztliche Entscheidungen getroffen werden können. Die Empfehlungen sollen auch helfen, kardiologische Befunde im Zusammenhang mit Sport nicht überzubewerten, um kein ungerechtfertigtes Wettkampfverbot auszusprechen. Die ersten vier Kapitel des Buches befassen sich mit grundsätzlichen Zusammenhängen und Wechselwirkungen zwischen Sport und Herz-Kreislauf-System. Das betrifft sowohl die physiologischen kardiovaskulären Anpassungen und pharmakologischen Interaktionen als auch das Beanspruchungsprofil der verschiedenen Sportarten und trainingsphysiologische Grundlagen. Beispielsweise erleichtert die Kenntnis kardialer Adaptationen an körperliches Training das Verständnis für die Belastbarkeit bei Herzerkrankungen, aber auch die Abgrenzung von pathologischen Befunden mit erhöhtem kardialen Risiko. Medikamente können mit Belastungsreaktionen interagieren oder bei Leistungssportlern zu schwerwiegenden juristischen Konsequenzen führen, wenn sie auf der Dopingliste stehen. Wir möchten uns bei den Erstautoren bzw. Mitautoren einzelner Kapitel bedanken. Ebenso gilt unser Dank Frau Ibkendanz und dem Team des Steinkopff Verlages. Die Autoren hoffen, mit dem vorliegenden Buch im deutschsprachigen Raum eine Informationslücke bei der ärztlichen Beratung und Betreuung von Sporttreibenden mit Herz-Kreislauf Erkrankungen zu schließen. Saarbrücken/Freiburg, im März 2003 DIE AUTOREN

Inhaltsverzeichnis Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung.... WILFRIED KINDERMANN D Kardiovaskuläres Risiko und Klassifikation der Sportarten............................... 19 AXEL URHAUSEN D Trainingsempfehlungen im Gesundheitssport AXEL URHAUSEN, WILFRIED KINDERMANN 35 11 Kardiovaskuläre Pharmaka und körperliche Belastung 51 WILFRIED KINDERMANN 11 Angeborene Herzerkrankungen... 69 HANS-HERMANN DICKHUTH, DENIZ KECECIOGLU 11 Erworbene Herzklappenerkrankungen KAI RÖCKER IJ Kardiomyopathien ANDREAS NIESS 83 99 D Entzündliche Herzerkrankungen... 115 AXEL URHAUSEN 11 Koronare Herzkrankheit... 127 KAI RÖCKER U!J Arterielle Hypertonie... 145 WILFRIED KINDERMANN m Herzrhythmusstörungen................... 157..... HANS-HERMANN DICKHUTH, CHRISTIAN MEWIS

VIII Inhaltsverzeichnis Im Synkopen und Sport... 173 MARTIN H. HUST, HANS-HERMANN DICKHUTH m Chronische Herzinsuffizienz... 187 TIM MEYER, WILFRIED KINDER MANN 111 Herztransplantation... 205 WILFRIED KINDER MANN Sachverzeichnis............ 215

Mitarbeiterverzeichnis Dr. med. MARTIN H. HUST Medizinische Klinik Kreiskrankenhaus Reutlingen Steinenbergstr. 31 72764 Reutlingen Univ.-Prof. Dr. med. DENIZ KECECIOGLU Abt. Pädiatrische Kardiologie/Angeborene Herzfehler Universitätsklinik Freiburg Mathildenstr. 1 76106 Freiburg Priv.-Doz. Dr. med. CHRISTIAN MEWIS Abt. Kardiologie, Med. Klinik u. Poliklinik Universität Tübingen Otfried-Müllerstr. 10 72076 Tübingen Dr. med. TIM MEYER Institut für Sport- und Präventivmedizin Universität des Saarlandes Campus Gebäude 39.1, 66123 Saarbrücken Unser Dank gilt Herrn Benno Weiler, Diplomsportlehrer, Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes, für die Gestaltung des Umschlagmotivs.

Physiologe sehe Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung WILFRIED KINDERMANN Einleitung Körperliche Belastung erfordert eine Zunahme der Durchblutung, insbesondere der arbeitenden Muskulatur, da der Sauerstoffbedarf ansteigt. In Ruhe verbraucht der menschliche Organismus ca. 3,5 mllmin kg Sauerstoff entsprechend 1 MET (metabolisches Äquivalent). Unter Belastung steigt die Sauerstoffaufnahme linear zur Intensität an. Im Bereich der maximalen Intensität flacht die Kurve der Sauerstoffaufnahme ab [31]. Dieses Phänomen des "levelling off" gilt auch als Ausbelastungskriterium für die Ergometrie. Die Sauerstoffaufnahme kann unter Belastung beim gesunden Untrainierten um das 10- bis 12 fache und beim Hochausdauertrainierten bis über das 20 fache ansteigen [17]. Die maximale Sauerstoffaufnahme (V02max) beträgt bei jüngeren Untrainierten im Mittel 40-45 (Männer) bzw. 35-40 mllmin kg (Frauen) und fällt oberhalb des 3. Lebensjahrzehnts um ca. 10% pro Lebensdekade ab [1]. Hochausdauertrainierte Männer können eine V02max von über 80, im Einzelfall 85-90 mllmin kg erreichen [31, 45]. Bei hochausdauertrainierten Frauen kann die V02max über 70 mll min. kg betragen. Die V02max ist das international am häufigsten benutzte Kriterium zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit [49]. Die wahre V02max wird in der Regel nur beim Laufen bzw. bei einer Laufbandbelastung erreicht. Dementsprechend wird zwischen V02max und V02peak unterschieden. Letztere bezeichnet die testspezifische höchste Sauerstoffaufnahme, die definitionsgemäß gleich oder niedriger als die V02max liegt. Hämodynamik unter körperlicher Belastung Der Anstieg der Sauerstoffaufnahme unter Belastung geschieht durch eine Zunahme des Herzzeitvolumens und der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz (Abb. 1.1). Von 5 bis 6 limin in Ruhe steigt das Herzzeitvolumen um ca. 6 limin an, wenn die Sauerstoffaufnahme um 1 limin zunimmt [43]. Das maximale Herzzeitvolumen beträgt bei jüngeren gesunden Personen 20-25 limin und kann bei Hochausdauertrainierten bis über 40 limin ansteigen [10]. In Ruhe und bei jeweils gleichen submaximalen Intensitäten besteht

2 W. Kindermann kein Unterschied zwischen Trainierten und Untrainierten. Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz steigt parallel zum Herzzeitvolumen von 5 mljloo ml Blut in Ruhe auf 15-17 ml/l00 ml Blut bei maximaler Belastung an [43]. Bei gleicher submaximaler Intensität liegt die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz bei Untrainierten höher als bei Trainierten, die maximale arteriovenöse Sauerstoffdifferenz ist hingegen beim Trainierten etwas höher [43]. Das Schlagvolumen, das bei Untrainierten bei ca. 80 ml liegt, nimmt unter Belastung um ca. 30 bis 50% zu und erreicht seinen Maximalwert bereits bei ca. 40-50% V02maX' Im Liegen ist der Anstieg des Schlagvolumens deutlich geringer als in aufrechter Position. Bei Hochausdauertrainierten werden Maximalwerte über 200 ml beschrieben [10, 60]. Bereits in Ruhe ist das Schlagvolumen beim Trainierten gegenüber dem Untrainierten erhöht. Die Herzfrequenz steigt linear zur Intensität an, bei 'hoher Intensität flacht der Herzfrequenzanstieg etwas ab. Während die sub maximale Herzfrequenz beim Trainierten niedriger als beim Untrainierten liegt, zeigt die maximale Herzfrequenz, die nach der Faustformel 220 minus Lebensalter abgeschätzt werden kann, keinen signifikanten trainingsbedingten Unterschied [40] (siehe Abb. 1.1). Im Einzelfall können aber Hochausdauertrainierte niedrigere maximale Herzfrequenzen aufweisen. Der arterielle Blutdruck ist eine Funktion des Produkts aus Herzzeitvolumen und totalem peripherem Gefäßwiderstand. Da das Herzzeitvolumen während Belastung stärker ansteigt als der Gefäßwiderstand abfällt, kommt es mit zunehmender Intensität zu einem linearen Blutdruckanstieg. Dabei ist der diastolische Blutdruckanstieg deutlich geringer (beim Dauerlauf kein diastolischer Anstieg) als der systolische, der mittlere arterielle Blutdruck steigt leicht an. Beim Trainierten kann der Blutdruck bei vergleichbaren Intensitäten niedriger liegen (siehe auch Kapitel 10). Unter Belastung ändern sich auch Volumina und Druckverhältnisse des Herzens. So wird die Auswurffraktion mit steigender Belastung zunehmend größer, was zunächst auf eine Verkleinerung des endsystolischen Volumens zurückzuführen ist. Bei höherer Belastung nimmt auch das enddiastolische Volumen bei weiterer Verkleinerung des endsystolischen Volumens ab. Die diastolischen Füllungsdrücke beider Ventrikel und die mittleren Vorhofdrücke sind auch bei maximaler Belastung nicht erhöht [21]. Die kardiovaskuläre Regulation während Belastung erfolgt hauptsächlich über das autonome Nervensystem, wobei peripher-muskuläre Ergorezeptoren wie Mechano- und Chemorezeptoren involviert sind [30]. Beim Gesunden dominiert in Ruhe der Parasympathikus. Der Herzfrequenzanstieg unter Belastung erfolgt zunächst über eine Abnahme der parasympathischen Aktivität, bei mittlerer und höherer Intensität bzw. oberhalb der intrinsischen Herzfrequenz über eine Zunahme der sympathischen Aktivität. Ebenfalls sympathisch reguliert ist die Kontraktilitätssteigerung des Herzens. Durch eine Umverteilung des Herzzeitvolumens wird die Durchblutung der arbeitenden Muskulatur unter Belastung zusätzlich gesteigert. Die Sympathikusaktivierung bewirkt in der nichtarbeitenden Muskulatur und vor allem in den Baucheingeweiden über Alpharezeptoren eine kollaterale Va-

Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belaswng _ 3 200 150 c l u.. J: 100 - untrainiert - - tra iniert 50 150,.. ' " ",.. ",----------_. 50 40 30 20 10 15 10 ------------------------ 5 Ruhe 100 200 300 400 Watt Abb. 1.1. Verhalten von Herzfrequenz (HF), Schlagvolumen (SV), Herzzeitvolumen (HZV) und arteriovenäser Sauerstoffdifferenz (AVD0 2) bei Untrainierten (--) und Trainierten (- - ----)

4 W. Kindermann sokonstriktion. Die lokale Durchblutungsregulation via Metaboliten und weitere Einflussfaktoren wie Stickstoffmonoxid führen zu einem besonders großen Anstieg der Durchblutung in der arbeitenden Muskulatur. Die hämodynamische Antwort zeigt zwischen dynamischer und statischer bzw. isometrischer Belastung deutliche Unterschiede. Bei Belastungen mit vermehrtem Krafteinsatz werden die intramuskulären Blutgefäße komprimiert. Entscheidend ist die Intensität der Muskelkontraktion. Die Durchblutung verhält sich invers zur eingesetzten Muskelkraft. Das Herzzeitvolumen wird nur mäßig erhöht, der Herzfrequenzanstieg ist geringer als bei dynamischer Belastung, das Schlagvolumen bleibt unverändert oder fällt infolge Press atmung ab. Der totale periphere Gefäßwiderstand sinkt nicht, sondern kann bei Einsatz großer Muskelgruppen sogar ansteigen. Parallel zur ausgeübten Kraft steigt der systolische und diastolische Blutdruck deutlich stärker an als bei dynamischen Belastungen (siehe auch Kapitel 10). Statische Belastungen erhöhen die Druckarbeit, dynamische die Volumenarbeit des Herzens [13]. Kardiovaskuläre Trainingsadaptationen Regelmäßiges ausdauerorientiertes Training führt zu kardiozirkulatorischen Anpassungen, die vom Umfang und von der Intensität des Trainings abhängig sind. Grundsätzlich können zwei Formen von Anpassungen unterschieden werden. Funktionelle Adaptationen können bereits im Anfangsstadium eines Trainings auftreten und finden sich typischerweise bei einem gesundheitssportlichen Training entsprechend einem zusätzlichen wöchentlichen ' Energieverbrauch zwischen 1000 und 2000 Kilokalorien. Wird eine individuelle Grenze insbesondere an Trainingsumfang überschritten, können strukturelle Adaptationen im Sinne von dimensionalen Veränderungen auftreten. Funktionelle Adaptationen Unabhängig von dimensionalen Veränderungen des Herzens wird durch ein dynamisches aerobes Training der myokardiale Sauerstoffverbrauch in Ruhe und für eine gegebene Belastungsintensität gesenkt, da bei unverändertem Herzzeitvolumen die Herzfrequenz ab- und das Schlagvolumen zunimmt [19]. Diese veränderte hämodynamische Konstellation, die die Herzarbeit ökonomisiert, ist sowohl zentral-kardial als auch peripher-muskulär bedingt. Über eine Beeinflussung der linksventrikulären Füllungsdynamik mit verbesserter diastolischer Funktion und einer Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes steigt das enddiastolische Volumen an und fällt das endsystolische Volumen ab, sodass das Schlagvolumen größer wird. Wesentliche Bedeutung für die veränderte Hämodynamik haben Veränderungen in der Skelettmuskulatur wie vermehrte Kapillarisierung, Zunahme von Zahl und Größe der Mitochondrien und Zunahme der Aktivität

Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung. 5 oxidativer Enzyme. Als Ausdruck des verbesserten aeroben Stoffwechsels wird bei gleicher Belastungsintensität weniger Laktat produziert, sodass sich die Laktatleistungskurve nach rechts verschiebt. Der veränderte Impulsstrom aus der trainierten und belasteten Muskulatur durch die vergrößerte aerobe Kapazität modifiziert die autonome Regulation. Die konsekutiv reduzierte submaximale Sympathikusaktivität ist wesentlich an der Abnahme von Herzfrequenz, Kontraktilität und peripherem Gefäßwiderstand beteiligt. Da maximale Herzfrequenz und Kontraktionskraft unverändert bleiben, steigen Herzfrequenz- und Kontraktilitätsreserve an, sodass die Regulationsbreite des trainierten Herzens vergrößert wird. Die dargestellten funktionellen Adaptationen ohne gleichzeitige Herzvergrößerung werden durch ein ausdauerorientiertes gesundheits- oder breitensportliches Training erzielt. Ein ausschließlich statisches bzw. isometrisches Training, also Krafttraining, führt zwar über eine Muskelhypertrophie zu einer Zunahme der Muskelkraft. Außer einer leichten Abnahme der sympathischen Aktivität finden sich aber keine weiteren relevanten funktionellen Anpassungen, wie sie für ein überwiegend aerobes Training beschrieben worden sind [7]. Strukturelle Adaptationen - Sportherz Das Stadium einer vergrößerten anatomischen KapazitiU des Herzens ist nahezu ausschließlich dem leistungssportlichen Ausdauertraining vorbehalten. 1899 stellte der finnische Arzt Henschen perkutorisch bei Skilangläufern eine Herzvergrößerung fest und bezeichnete diese als Sportherz [16]. Seitdem ist im internationalen Schrifttum der Begriff "athlete's heart" etabliert. Jahrzehntelang wurde das Sportherz kontrovers beurteilt. Aufgrund einer Vielzahl von Untersuchungen an Herzen von Hochleistungsspordern gilt heute als gesichert, dass das Sportherz einen physiologischen Anpassungsvorgang darstellt [19-21, 39, 42, 47, 51]. Insbesondere Reindell aus Freiburg hat mit seinen röntgenologischen Untersuchungen wesentlich zu der Auffassung beigetragen, dass das durch Sport vergrößerte Herz gesund und besonders leistungsfähig ist [39]. Herzgröße. Das Ausmaß der Herzvergrößerung wird von der Dauer, der Intensität und der Art der körperlichen Belastung bestimmt. Entscheidender Mechanismus ist die vermehrte Volumenbelastung, die zu einer Hypertrophie und Dilatation aller vier Herzhöhlen führt, sodass eine harmonische Herzvergrößerung resultiert [47]. Ein kritisches Herzgewicht von 7,5 g/kg Körpergewicht wird nicht übej,'schritten [7], was im Mittel 500 g entspricht [24]. An diesem Wachstum sind neben den Herzmuskelzellen auch die Mitochondrien und Kapillaren beteiligt, sodass eine ausreichende Sauerstoffversorgung gewährleistet ist. Eine Hyperplasie tritt nicht auf. Die Herzgröße wird in der Regel als absolutes und relatives Herzvolumen angegeben und kann sowohl röntgenologisch [34] als auch echokardiographisch [6, 50] bestimmt werden. Die normale Herzgröße beim männlichen

6 W. Kindermann und weiblichen Geschlecht liegt bei lo-12 (Grauzone bis 13) bzw. 9-11 (Grauzone bis 12) mllkg. Ein oberer Grenzwert von 20 mllkg scheint nicht überschritten zu werden [20,42]. Die Absolutwerte liegen bei oder sogar über 1300 ml, in einem Fall werden sogar 1700 ml beschrieben [42]. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Herzgrößenadaptation bestehen nicht. Da aber die Herzvolumina bei untrainierten Frauen körpergewichts bezogen lo% niedriger als bei untrainierten Männern liegen, sind die Sportherzen von hochtrainierten Frauen im Mittel kleiner als jene von Männern. Herzvergrößerungen durch Sport sind bei entsprechendem Training bereits im Wachstumsalter möglich [21, 42]. Durch ein umfangreiches Ausdauertraining kann auch im mittleren und höheren Lebensalter noch eine sportbedingte Herzvergrößerung erreicht werden [57]. Sportherzen sind seltener als allgemein angenommen wird. Leistungssport führt nicht per se zu einer Herzvergrößerung. Ein Minimum an Ausdauertraining muss gegeben sein. 5 Stunden Ausdauertraining pro Woche (z. B. mindestens 60-70 km Laufen oder 15 km Schwimmen oder 150 km Radfahren bei einer Mindestintensität) sind notwendig, um ein Sportherz zu entwickeln [57]. Andererseits gibt es erhebliche, wahrscheinlich genetisch bedingte individuelle Unterschiede hinsichtlich einer sportbedingten Herzvergrößerung, sodass selbst bei einem wöchentlichen Lauf training von über 100 km das Herz nicht vergrößert sein muss. Dementsprechend besteht auch in Ausdauersportarten nur eine lockere Beziehung zwischen der Herzgröße und der Wettkampfleistungsfähigkeit. Die größten Sportherzen haben Langstreckenläufer, Straßenradrennfahrer, Skilangläufer und Triathleten [21, 51]. Profifußballspieler oder -tennisspieler zeigen im Mittel eine leichte Herzvergrößerung, wobei im Fußball erhebliche inter individuelle Unterschiede in Abhängigkeit von der Spielposition bestehen. Ruderer haben absolut betrachtet ebenfalls große bis sehr große Herzen. Wegen des hohen Körpergewichts sind aber die körpergewichtsbezogenen Herzvolumina nur mäßig vergrößert. Sportarten, bei denen nur wenig Ausdauertraining durchgeführt wird wie Kraft- und Schnellkraftsportarten oder andere nicht primär ausdauerorientierte Sportarten wie Gewichtheben, Kunstturnen, die verschiedenen Sprint-, Sprungund Wurfdisziplinen der Leichtathletik oder alpiner Skisport, führen zu keiner Sportherzausbildung. Dazu gehören auch Zehnkämpfer, die als vermeintlich "konditionsstark" eingeschätzt werden. Da aber 9 von lo Disziplinen anaerobe Belastungen darstellen, wird kein überproportional umfangreiches Ausdauertraining durchgeführt. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick in die vergleichende Zoologie. Ausgesprochene Lauftiere wie das Reh haben ein höheres körpergewichtsbezogenes Herzgewicht als hochausdauertrainierte Sportler, während der Hase und das Pferd mit ca. 7 g/kg etwa im Bereich von sehr gut Ausdauertrainierten liegen. Das deutlich bewegungsärmere Schwein liegt mit seinem relativen Herzgewicht gering höher als der gesunde untrainierte Mensch [39]. Diese vergleichende zoologische Betrachtung weist darauf hin, dass die strukturelle Anpassung des Herzens keine Besonderheit des Menschen ist.

Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung - 7 Der entscheidende Unterschied zwischen einer physiologischen Sportherzvergrößerung und einem krankhaft vergrößerten Herz ist die deutlich höhere Leistungsfähigkeit. Für das Sportherz bedeutet die Herzvergrößerung eine Leistungsreserve. Dagegen stellt die Herzvergrößerung bei Patienten häufig einen Kompensationsmechanismus bei erheblich eingeschränkter Leistungsfähigkeit dar. Arbeitsweise. Technisch betrachtet arbeitet das Sportherz mit einem größeren Hubraum und einer erniedrigten Schlagzahl. Die dimensionalen Veränderungen führen zu einer deutlichen Schlagvolumenzunahme und Absenkung der Herzfrequenz, sodass bei unveränderter maximaler Herzfrequenz ein hohes maximales Herzzeitvolumen erreicht wird, das mit der Herzgröße korreliert. Das Schlagvolumen, das beim trainierten nichtvergrößerten Herz bereits bei 40-50% V02max seinen höchsten Wert erreicht, scheint demgegenüber bei Hochausdauertrainierten progressiv zuzunehmen [15,60]. Die intrakardialen und pulmonalen Drücke sind nicht erhöht [21]. Die Arbeitsweise des trainierten, nichtvergrößerten und vergrößerten Herzens wird dadurch beeinflusst, ob die trainierte Skelett muskulatur bei der körperlichen Belastung eingesetzt wird. Werden nichttrainierte Muskelgruppen bei der jeweiligen Belastung beansprucht, führt also z. B. ein Langstreckenläufer eine Handkurbelergometrie durch, steigen Herzfrequenz und Laktatkonzentration steiler an, sodass der ökonomisierende Trainingseffekt nicht voll wirksam wird. Hier zeigt sich, dass die Arbeitsweise des Herzens auch wesentlich peripher-muskulär über einen veränderten Impulsstrom reguliert wird. Echokardiographische Befunde. Echokardiographisch entspricht das Sportherz einer exzentrischen linksventrikulären Hypertrophie [19, 20, 27, 37, 38, 42, 48, 51, 52]. Der häufig angewandte klinische Grenzwert für die linksventrikuläre Muskelrnasse von 130 g/m 2 [2, 23] kann beim Sportherz überschritten werden [7, 52, 55]. Bei 75 Ruderern, die zum Teil der nationalen Spitzenklasse angehörten, hatten 31 % eine linksventrikuläre Muskelrnasse, die oberhalb von 130 g/m 2 lag, im Einzelfall bei 170 g/m 2 [55]. Der enddiastolische Durchmesser des linken Ventrikels liegt im Mittel 10% höher als beim normalgroßen Herz. Ein Innendurchmesser von 60 mm wird auch bei hochausdauertrainierten Sportlern selten überschritten. Andererseits bedeuten 60 mm bei großen Körperdimensionen (Körperoberfläche > 2,2 m 2 ), wie sie bei Sportlern häufiger vorkommen, nicht zwangsläufig ein großes Herz. Die Kammerwände sind im Mittel ebenfalls 10% dicker. Nach dem Gesetz von Laplace verhindert die Wanddickenzunahme einen Anstieg der myokardialen Wandspannung bei Größenzunahme des linken Ventrikels. Funktionsparameter, die die systolische und diastolische linksventrikuläre Funktion beschreiben, sind beim Sportherz normal. Die eindimensional gemessene Verkürzungsfraktion kann in seltenen Fällen leicht erniedrigt sein, die zweidimensional gemessene Auswurffraktion ist aber fast immer

8 W. Kindermann regelrecht. Bereits unter leichter Belastung normalisiert sich eine eventuell in Ruhe verminderte systolische Funktion. Die diastolische linksventrikuläre Funktion, gemessen über den transmitralen Blutfluss (EI A-Verhältnis), ist beim Sportherz häufig supranormal und immer größer als 1,0 [4, 11, 12,28,32,38,55]. Einfluss von Krafttraining. In der Literatur wird ein spezifischer Einfluss von Krafttraining auf das Herz diskutiert und eine konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie bei vorwiegend isometrischem Training beschrieben [4, 14, 26, 33]. Als wesentliche Ursache wird der deutliche Blutdruckanstieg während statischer Muskelarbeit angenommen. Dem stehen Befunde gegenüber, die keinen Unterschied des Hypertrophieindex als Maß für das Verhältnis zwischen Wanddicke und Innendurchmesser des linken Ventrikels bei 230 Sportlern verschiedener Sportarten zeigen konnten. Verglichen wurden Untrainierte, Ausdauersportler, Kraftausdauersportler und Kraftsportler. Die in diesem Rahmen untersuchten 11 Gewichtheber gehörten der Nationalmannschaft an und unterzogen sich regelmäßigen Dopingkontrollen. Demgegenüber war der Hypertrophieindex der Bodybuilder, die Anabolika verwendeten, im Vergleich zu allen anderen Gruppen signifikant erhöht [52] (Abb. 1.2). Eine konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie als Folge einer Anabolikaeinnahme ist bekannt [5, 44, 52]. In einigen Studien wird außerdem eine eingeschränkte diastolische linksventrikuläre Funktion beschrieben [5, 36, 54]. Es muss angenommen werden, dass die in der Literatur dargestellte 55 50! 45 x CI> -g 40 'iij :.c: ~ 35 t: ~ >. 30 :r: 25 20~~----~---- ~------~----~----~--~-L--~-~~~- Untralniene Untralnlene Triathleten Fußball- Ruderer Gewicht- Body Body- KO > 2,1 ml spieler heber builder bullde, + anabole Steroide Abb. 1.2. Vergleich des Hypertrophieindex (Mittelwert und Standardabweichung) zwischen Untrainierten mit unterschiedlichen Körperdimensionen, Ausdauertrainierten, kombiniert Kraft-/Ausdauertrainierten, Ballsportlern und Krafttrainierten. Nur die Gruppe der Bodybuilder mit Anabolikamissbrauch hat einen signifikant erhöhten Hypertrophieindex. (Nach [52])

Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung _ 9 konzentrische Hypertrophie bei Kraftsportlern nicht auf die sportbedingte vermehrte Druckbelastung des Herzens, sondern auf Missbrauch von Anabolika oder anderen Substanzen zurückzuführen ist. In den meisten Studien fehlen entsprechende Angaben. Kraftsport per se führt zu keinen verdickten Kammerwänden. Differenzialdiagnose. Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung pathologischer Veränderungen ist die Kenntnis individueller Grenzwerte des Sportherzens von Bedeutung (Tabelle 1.1). Der Innendurchmesser des linken Ventrikels und Septum- und Hinterwanddicke liegen auch bei sehr großen Sportherzen nicht über 20% der oberen Normalwerte [20, 38, 51, 52]. Ein enddiastolischer Ventrikeldurchmesser von 67 mm ist nur möglich bei Ausdauertrainierten mit entsprechend großen Körperdimensionen. Kammerwanddicken oberhalb von 13 mm sind verdächtig auf eine pathologische Hypertrophie [20, 48, 51, 52]. Selbst ein mehrfacher Medaillengewinner im Gewichtheben mit einem Körpergewicht von knapp 150 kg wies lediglich eine Wanddicke von 12 mm auf. Beim Sportherz ist auch der linke Vorhof proportional zum linken Ventrikel vergrößert und kann im Extremfall - wiederum bei großen Körperdimensionen - 48 mm betragen. Zur Abgrenzung einer pathologischen Hypertrophie müssen insbesondere eine Hypertonie, eine hypertrophe und dilatative Kardiomyopathie und eventuell gleichzeitig bestehende volumenbelastende Vitien ausgeschlossen werden (siehe auch Kapitel 7). Bei der Kombination Ausdauersport und Hypertonie wäre eine konzentrische Hypertrophie eindeutig als pathologisch zu werten, während bei einer exzentrischen Hypertrophie verdickte Kammerwände auf eine hypertoniebedingte Hypertrophie hinweisen würden. Nicht selten wird bei Sporttreibenden mit verdickten Kammerwän- Tabelle 1.1. Echokardiographische Grenzwerte des Sportherzens Männer Frauen _ Herzvolumen (ml/kg) 20 19 - Herzgewicht (glkg) 7,5 7 lvmm (g/m 2 ) 170 135 EDO-LV (mm) 63(-67*) 60(-63*) _ LV-Wanddicken (mm) 13 12 Verkürzungsfraktion (%) > (22- )27 > (22- )27 T Belastung T Belastung EtA-Verhältnis >1,0 > 1.0 linker Vorhof (mm) 45 (-48*) 43 (5 ) LVMM linksventrikuläre Muskelmasse; EDD-LVenddiastolischer Durchmesser linker Ventrikel; E/A Verhältnis zwischen früh- und spätdiastolischer transmitraler Flussgeschwindigkeit * bei großen Körperdimensionen

10 W. Kindermann den oberhalb von 12-13 mm ein Sportherz diagnostiziert, obwohl der linke Ventrikel nicht vergrößert ist. Nach Ausschluss einer Hypertonie muss eine hypertrophe Kardiomyopathie in Erwägung gezogen werden [48]. Auch wenn Leistungssport betrieben wird, ist der Innendurchmesser des linken Ventrikels bei einer hypertrophen Kardiomyopathie in den meisten Fällen nicht vergrößert [9]. Ein weiteres differenzialdiagnostisches Kriterium ist die bei pathologischer Hypertrophie gestörte diastolische Funktion (EI A < 1), die am zuverlässigsten mittels Gewebedoppler beurteilt werden kann. Zur Abgrenzung einer (beginnenden) dilatativen Kardiomyopathie oder einer zusätzlich zur sportbedingten Volumenbelastung begleitenden pathologischen Volumenbelastung kann der Abstand der Mitralklappe (E-Punkt) vom Septum einen brauchbaren Hinweis geben. Der Mitralis-Septum-Abstand, der sich bei einer ausschließlichen Sportherzvergrößerung normal verhält, ist bei einer pathologischen Vergrößerung des linken Ventrikels häufig erhöht. Schließlich ist ein Missverhältnis zwischen ergometrischer Leistungsfähigkeit und Ventrikelgröße ein zuverlässiges Zeichen für eine pathologische Herzvergrößerung. Sportherzrückbildung. Das Sportherz bildet sich nach Trainingsabbruch zurück [8]. Die Geschwindigkeit der Rückbildung ist unterschiedlich und offensichtlich davon abhängig, wie lange ein Sportherz bestanden hat. Bei Wiederaufnahme des Ausdauertrainings entwickelt sich eine Herzvergrößerung schneller als beim ersten Mal. Die Regression des Sportherzens ist nicht immer vollständig. Jahrzehntelanges Ausdauertraining und genetische Einflüsse scheinen von Bedeutung zu sein. Oft genügt ein relativ geringer Belastungsreiz, um eine leichte Herzvergrößerung aufrecht zu erhalten. In diesem Fall besteht auch eine erhöhte Leistungsfähigkeit, sodass das Verhältnis zwischen Herzgröße und Leistungsfähigkeit regelrecht bleibt [8]. Bei abruptem Trainingsabbruch kann bereits nach 1-4 Wochen ein akutes Entlastungssyndrom mit unangenehmer, meist vegetativer Symptomatik auftreten [53]. Herzbezogene Beschwerden wie Missempfindungen in der Herzgegend, Palpitationen oder auch Schwindel, verbunden mit innerer Unruhe und Schlafstörungen, sind dabei häufig. Die Beschwerden sind zwar unangenehm, stellen aber keine tatsächliche Gefährdung dar, da sie nicht Ausdruck einer Herzschädigung sind. Sie verschwinden meist nach Wochen bis Monaten oder nach Wiederaufnahme des Trainings. Deshalb ist es günstiger, systematisch abzutrainieren. Immer wieder wird spekuliert, langjähriges extremes Ausdauertraining und große Sportherzen könnten langfristig zu Schäden führen, sodass ehemalige Leistungssportler früher sterben würden. Diese Annahme konnte inzwischen widerlegt werden. Es wurde gezeigt, dass die Lebenserwartung ehemaliger Ausdauersportler, die national und international erfolgreich gewesen sind, signifikant größer ist als die von gleichaltrigen, nicht sporttreibenden Personen einer Kontrollgruppe. Die Lebenserwartung ehemaliger Leistungssportler anderer Sportarten unterschied sich nicht von einer Kon-

Physiologische Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems an körperliche Belastung - 11 trollgruppe [46]. Es gibt also keinen plausiblen Grund für die Annahme, wettkampfmäßig betriebener Ausdauersport würde langfristig zu kardialen Schäden führen. Elektrokardiographische Veränderungen des trainierten Herzens Veränderungen des Ruhe-EKG als Trainingsfolge sind häufig und können differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten [42,58]. Sie werden zwar beim Sportherz besonders häufig beobachtet, können aber ebenso beim Trainierten ohne Herzvergrößerung nachweisbar sein, insbesondere wenn Ausdauertraining durchgeführt wird. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich das Ruhe-EKG des Sportlers nicht zur Beurteilung des Trainingszustandes eignet. In der Vergangenheit sind derartige Versuche wiederholt erfolglos unternommen worden. Das Ruhe-EKG, durchgeführt im Rahmen von Screeninguntersuchungen, dient dem Ausschluss von kardialen Erkrankungen. Trainings- bzw. sportbedingte EKG-Veränderungen sollten als Normvarianten, nicht aber als Störungen bezeichnet werden. Es handelt sich um physiologische Veränderungen, die häufig durch einen erhöhten Vagotonus verursacht werden. In diesen Fällen führt eine Abnahme der parasympathischen und eine Zunahme der sympathischen Aktivität beispielsweise durch Belastung zu einer Normalisierung des EKG. Das EKG des Trainierten kann sowohl Veränderungen der Erregungsbildung und -leitung als auch Veränderungen des Kammerkomplexes und der Erregungsrückbildung zeigen (Übersicht in Tabelle 1.2). Unter dem Terminus Rhythmusveränderungen werden im Folgenden die Veränderungen der Herzfrequenz, des Herzrhythmus und der Überleitung des Herzens subsumiert, die meist als bradykarde Rhythmusstörungen imponieren. Sie sind teilweise im Kapitel 11 zusammen mit den pathologischen Rhythmusstörungen beschrieben, sollen aber an dieser Stelle zusammenfassend dargestellt werden, so weit es sich um sportbedingte Veränderungen handelt (siehe Tabelle 1.2). Die Sinusbradykardie ist der bei weitem häufigste Befund im EKG des Sportlers [25]. Frequenzen unter 30/min sind möglich (im Langzeit-EKG bis 25/min). Unter Belastung kann die Frequenz adäquat gesteigert werden. Ähnlich häufig, insbesondere bei jüngeren Sportlern, sind Sinusarrhythmien, meist respiratorische Arrhythmien, die bei der Pulspalpation Extrasystolen vortäuschen können. Längere Sinuspausen bei Ausdauertrainierten wurden wiederholt beschrieben. Sie können 2,0 Sekunden überschreiten, bleiben aber meist unter 3,0 Sekunden [56]. Bei langsamer Sinusknotenaktivität kann es zum ersatzweise Einspringen nachgeordneter Zentren im Sinne einer passiven Heterotopie kommen. Der aktuelle Schrittmacher kann zwischen Sinusknoten (positive P-Welle) und AV-Knoten (negative P-Welle) hin- und herwandern, oder es treten Ersatzrhythmen wie ein AVjunktionaler Rhythmus und in seltenen Fällen auch ein ventrikulärer Er-

12 W. Kindermann Tabelle 1.2. Veränderungen im Ruhe-EKG des trainierten Herzens Rhytflmusveränderungen Sinusbradykardie Sinusarmythmie (respiratorisch) Sinuspausen (>25 <3s) Wandernder Schrittmacher AV-junktionaler Ersatzrhythmus Ventrikulärer Ersatzrhythmus Einfache AV-Dissoziation Parasystolie Ventrikuläre/supra ventrikuläre Extrasystolen AV-Block I. Grades AV-Block 11. Grades, Typ Mobitz I oder Wenckebach Veränderungen des Kammerkomplexes In kompletter Rechtsschenkelblock Oberhöhte Voltagen der R- und S-Zacken ErregungsFÜckbildungsveränderungen ST-Hebungen mit hohen spitzen T-Wellen ST-Senkungen mit oder ohne T-Wellen-Veränderungen Biphasische oder terminal negative T-Wellen mit oder ohne ST -Veränderungen häufig häufig weniger häufig weniger häufig weniger häufig selten weniger häufig selten weniger häufig häufig weniger häufig häufig häufig häufig selten selten satzrhythmus, gekennzeichnet durch schenkelblockartig deformierte Kammerkomplexe, auf. Wenn zwei Zentren um die Führung konkurrieren, weil sich die Frequenz des Sinusknotens und des Ersatzzentrums nur gering unterscheidet, können Pararrhythmien wie die einfache AV-Dissoziation und Parasystolie auftreten [21]. Extrasystolen sind im Ruhe-EKG des Trainierten meist durch eine ausgeprägte Bradykardie bedingt. Häufig handelt es sich um monotope ventrikuläre Extrasystolen, seltener um supraventrikuläre. Bereits bei geringem Herzfrequenzanstieg verschwinden in der Regel die Extrasystolen. Atrioventrikuläre Überleitungsverzögerungen sind ebenfalls vagoton bedingt. Der AV-Block 1. Grades ist ein häufiger Befund, die PQ-Zeit kann im Einzelfall über doppelt so lang sein wie normal und normalisiert sich unter Belastung [39]. Ein AV-Block II 0, Typ Mobitz I oder Wenckebach, ist weniger häufig, aber bei Ausdauertrainierten nicht ungewöhnlich. Nach Unterbrechung des Trainings oder unter Belastung verschwindet die eindrucksvolle EKG-Veränderung [59]. AV-Blockierungen II. Grades vom Typ Mobitz II und AV-Blockierungen III. Grades wurden ganz vereinzelt bei Sportlern beobachtet, sind aber als Trainingsfolge umstritten. Häufigste Veränderung des Kammerkomplexes (siehe Tabelle 1.2) ist der inkomplette Rechtsschenkelblock, der insbesondere bei Ausdauertrainierten, aber auch bei allen anderen Sportlern vorkommen kann. Komplette