Gemeinsam (voneinander) lernen? Ein kritischer Blick auf die Bildungslandschaft für Kinder zwischen 0-10 Jahren 03.06.2014 Samtgemeinde Meinersen Dr. Ilse Wehrmann Sachverständige für Frühpädagogik
Zitat Nelson Mandela Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht. Unser Erfolg muss am Glück und Wohlergehen unserer Kinder gemessen werden, die in einer jeden Gesellschaft zugleich die wunderbarsten Bürger und deren größter Reichtum sind. Dr. Ilse Wehrmann
Die sieben Grundbedürfnisse von Kindern 1. Beständige liebevolle Erfahrungen 2. Körperliche Unversehrtheit, Sicherheit, Regulation 3. Individuelle Erfahrungen 4. Entwicklungsgerechte Erfahrungen 5. Grenzen und Strukturen 6. Stabile und unterstützende Gemeinschaften und kulturelle Kontinuität 7. Zukunftssicherung (Brazelton und Greenspan, 2002) Dr. Ilse Wehrmann 3
Das Bild vom Kind Bildungsvisionen, die von Anfang an und über alle Altersstufen hinweg, konsequent von den pädagogischen Fachkräften verfolgt werden sollten: starke Kinder, kommunikations- und medienkompetente Kinder, Kinder als kreative und fantasievolle Künstler und Künstlerinnen, Kinder als aktive Lernende, Forschende und Entdeckende und verantwortungsvoll und wertorientiert handelnde Kinder. (Vgl. Prof. Dr. mult. Fthenakis 2014) Dr. Ilse Wehrmann 4
Das Bild vom Kind Kinder haben das Bedürfnis, zu anderen Personen eine Beziehung aufzubauen und mit ihnen in Kommunikation zu treten. Kinder gestalten ihre Bildungsprozesse aktiv mit, sie sind aktive Ko- Konstrukteure ihres Wissens. Die Entwicklung jedes Kindes ist ein komplexes und individuell verlaufendes Geschehen. Kinder haben Rechte, u. a. ein Recht auf bestmögliche Bildung von Anfang an, ein Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit, ein Recht auf Mitsprache bei der Gestaltung von Lern- und Entwicklungsprozessen. (Vgl. Prof. Dr. mult. Fthenakis 2014) Dr. Ilse Wehrmann 5
Die vier kindlichen Basiskompetenzen Kompetenzebenen: Individuum bezogene Kompetenzen, Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext, Lernen und lernmethodische Kompetenz sowie Kompetenz im Umgang mit Veränderung und Belastung: Widerstandsfähigkeit (Resilienz). (Vgl. Prof. Dr. mult. Fthenakis 2014) Dr. Ilse Wehrmann 6
Zitat BMFSFJ "Kindertagesbetreuung 2013" - 10-Punkte-Programm für ein bedarfsgerechtes Angebot Bildung braucht, gerade unter föderalen Bedingungen, verlässliche Qualitätsstandards. Bis zum Jahr 2020 sollen wissenschaftlich fundierte qualitative Mindeststandards bundesweit erreicht sein. Durch ein Qualitätsgesetz soll ein "Rahmen-Bildungsplan" mit bundesweiter Gültigkeit geschaffen werden, der den Förderauftrag mit Mindeststandards konkretisiert und den Bildungsplänen der Länder trotzdem noch Spielraum für landesspezifische Gestaltung überlässt. Quelle: http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/kinder-und-jugend,did=186656.html Dr. Ilse Wehrmann 7
Problematik: In vielen Bundesländern findet sich keine Deckung zwischen bindenden Qualitätsrichtlinien zur Betreuung der Kinder und in den Bildungsplänen geforderten Ansprüchen an pädagogische Fachkräfte, an Bildungsumgebungen und an deren Ausstattung. Dr. Ilse Wehrmann 8
Beispiel: Strukturqualität Raum Es geht um die Ausstattung sowie Größe und Gestaltung der Räumlichkeiten, um durch zeitweilige Binnendifferenzierung dem jeweiligen Entwicklungsbedarf der Altersgruppen flexibel mal altershomogen, mal altersheterogen gerecht zu werden. altersheterogen gerecht zu werden. Dr. Ilse Wehrmann 9
Den Raum im politischen Blick Raumanforderungen in den Bundesländern 5 der 16 Bundesländer (31 %) haben überhaupt keine gesetzlichen Raumforderungen 8 (50 %) fordern bestimmte Räumlichkeiten, geben aber für die meisten Räume keine m²-vorgaben nur 3 Bundesländer (19 %) nennen genaue Raumforderungen für die wichtigste Räumlichkeiten (Gruppenraum, Nebenraum, Schlafraum, Außenfläche) nur 6 Bundesländer (38 %): BaWü, NRW, Sachsen, Brandenburg, Saarland und Hamburg erwähnen zumindest 50 % der relevanten Raumtypen in ihren Richtlinien Dr. Ilse Wehrmann 10
Haug-Schnabel, G., Wehrmann, I. (Hrsg.) (2012) Raum braucht das Kind. Anregende Lebenswelten für Krippe und Kindergarten. Verlag das netz, Weimar/Berlin. Dr. Ilse Wehrmann 11
Zitat Prof. Dr. mult. Fthenakis Es gibt keinen anderen Bereich im Bildungssystem, der in dem Maße abseits jeglicher Reform geblieben ist wie die Erzieher/innenausbildung. Quelle: Prof. Dr. mult. Fthenakis 2014 Dr. Ilse Wehrmann 12
Gesteigerte Anforderungen an die Kita und das Fachpersonal Professionelles Know-How und didaktisches Handwerkszeug sind die Basis der pädagogischen Arbeit! Divergierende Bildungsprozesse hinsichtlich sozialer, religiöser, ethnischer und kultureller Herkunft machen die Arbeit komplexer und anforderungsreicher! Kinder mit Migrationshintergrund, Entwicklungsverzögerungen und Beeinträchtigungen verlangen dabei dem Fachpersonal spezielles Wissen ab, was Inhalt jeder Ausbildung auf Universiätsniveau sein sollte! Für eine gelingende, sich ergänzende pädagogische Arbeit mit dem Kleinkind, ist eine funktionierende Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern unerlässlich! Dr. Ilse Wehrmann 13
Fachkompetenzen der pädagogischen Fachkräfte Die Fachkompetenzen der pädagogischen Fachkräfte müssen innerhalb der Ausbildung gestärkt werden. Dazu gehören: Interaktionskompetenz, Reflexionskompetenz, Beobachtungs- und Dokumentationskompetenz, Forschungskompetenz, Präventionskompetenz, Kompetenz im Umgang mit Diversität, Vernetzung- und Leitungskompetenz. Dr. Ilse Wehrmann 14
Kernprobleme des Erzieher-Berufs Die fehlende Wertschätzung und der geringe Status Die zu geringe Wertigkeit der Ausbildung Zu geringe Vor- und Nachbereitungszeiten Die zu geringe Bezahlung Die zu hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigung Der Mangel an männlichen Beschäftigten Der zu geringe Anteil an Fachkräften mit Migrationshintergrund (Quelle: Früh beginnen früh gelingen Vortragsreihe der Zeit-Stiftung in Hamburg, Prof. Dr. Thomas Rauschenbach) 15
Fazit der Stege-Untersuchung Schlechte strukturelle Rahmenbedingungen wie zu wenig Zeit, räumliche, finanzielle und personelle Ausstattungsmängel, geringe Arbeitsplatzsicherheit, keine festen Pausenzeiten, fehlende Einrichtungsbesprechungen oder Supervisionsangebote erhöhen das Risiko für verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen. (Quelle: www.kita-forschung.de 25.04.2014) 16
Forderungen/Ziele als Konsequenz zum Projektergebnis Entwicklung von Konzepten zur Gesundheitsförderung für die pädagogischen Fachkräfte. Reduzierung der gesundheitlichen Risiken und Ausbau der Ressourcen am Arbeitsplatz. Förderung und Unterstützung einer guten Gesundheit durch die nachhaltige Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Ausbau einer gesunden Kindertageseinrichtung auch für die Kitaleitung und die Erzieherinnen und Erzieher. Schaffung von Bedingungen zur Verwirklichung einer hohen Qualität der pädagogischen Arbeit. Dr. Ilse Wehrmann 17
Transition: der Übergang von der Kita in die Grundschule Definition: Transitionen sind Lebensereignisse, die Bewältigung von Diskontinuitäten auf mehreren Ebenen erfordern, Prozesse beschleunigten und intensivierten Lernens anregen und als bedeutsame biografische Erfahrungen von Wandel in der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden (Niesel & Griebel, 2007). Dr. Ilse Wehrmann 18
Übergang Kita - Schule Quelle: www.transkigs.nrw.de/papiere/fachgrund.pdf, 21.05.14 Dr. Ilse Wehrmann 19
Das Alte im Neuen erkennnen Es gilt, das Lernen, die Lernumgebung und die Lern-Beziehung so zu gestalten, dass Kinder die Strukturverwandtschaft auch im neuen Lebensbereich erkennen (das Alte im Neuen), dass die Elemente»einander vereinbar«(bronfenbrenner) sind und Kinder auf diese Weise über sich hinauswachsen können. Quelle: TransKiGs Dr. Ilse Wehrmann 20
Bausteine für eine gemeinsame Bildungsarbeit Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses Quelle: TransKigs, Gestaltung des Übergangs von der Kita in die Schule 21
Von der Anschlussfähigkeit der Bildungsinstitutionen zur gemeinsamen Bildungsarbeit In der Grundschule sollen die bereits im Kindergarten erworbenen Basiskompetenzen gestärkt und weiterentwickelt werden Schulnahe Vorläuferkompetenzen Phonologische Bewusstheit Mathematisches Verständnis Motorik Sozial-emotionale Kompetenzen 22
Entwicklungsaufgaben im Transitionsprozess auf der individuellen Ebene: Veränderung der Identität, Bewältigung starker Emotionen, Kompetenzerwerb auf der interaktionalen Ebene: Aufnahme neuer Beziehungen, Veränderung bzw. Verlust bestehender Beziehungen, Rollenzuwachs auf der kontextuellen Ebene: Integration zweier oder mehr Lebensumwelten, evtl. weitere familiale Übergänge. Quelle: Wilfried Griebel 2010. www.kita-elementar.de (21.05.14) Dr. Ilse Wehrmann 23
Beispiele für Bildungspartnerschaft und Verantwortung der Eltern Eltern und Kinder gestalten gemeinsam mit Erzieherinnen und Lehrkräften den Übergang. Eltern tauschen sich zu verschiedenen Gelegenheiten mit Erzieherinnen und Lehrkräften über ihr Bildungsverständnis aus. Erzieherinnen und Lehrkräfte sprechen die Eltern als Experten ihrer Kinder an. Eltern entwickeln gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften ein Verständnis von Schulfähigkeit. Eltern und Kinder lernen schon während der KiTa-Zeit die Schule und dort agierende Menschen durch gemeinsame Vorhaben und Projekte sowie die Teilhabe am Unterricht kennen. Quelle: Wilfried Griebel 2010. www.kita-elementar.de (21.05.14) Dr. Ilse Wehrmann 24
Gelungene Transition Der Übergang von der Kita in die Schule ist dann gelungen, wenn: das Kind sich in der Schule wohl fühlt, die gestellten Anforderungen bewältigt, die Bildungsangebote für sich optimal nutzt. Gelingende Übergänge fördern die kindliche Entwicklung. Die Kompetenz des sozialen Systems entscheidet maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg der Übergangsbewältigung. Alle Akteure müssen erfolgreich zusammenarbeiten (Kita, Schule, Eltern, Kind). Dr. Ilse Wehrmann 25
Kita im Netzwerk Quelle: nifbe 2011, www.hamburg.de/contentblob/3090076/data/pdf-nife-bedeutung.pdf 21.05.14 Dr. Ilse Wehrmann 26
Zitat Prof. Dr. mult. Wassilos Fthenakis Wir benötigen eine integrative, sich gegenseitig bereichernde Bildungs-, Familien-, Kommunal- und Kinderpolitik. Quelle: Eröffnungs-Pressekonferenz für die didacta Messe 2014 Dr. Ilse Wehrmann 27
Zitat Eine wesentliche Voraussetzung für eine systematische und auf Kontinuität setzende Bildungsförderung ist, dass sich Fach- und Lehrkräfte in Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und Förderschulen auf eine gemeinsame Verantwortung für die Bildungsförderung der Kinder besinnen und von einem gemeinsamen Bildungsverständnis ausgehen. (Quelle: Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen 2010) Dr. Ilse Wehrmann 28
Gefunden auf dem Flur einer Kita: Wachsen kann ich da, Wo jemand mit Freude auf mich wartet, Wo ich Fehler machen darf, Wo ich Raum zum Träumen habe, Wo ich meine Füße ausstrecken kann, Wo ich gestreichelt werde, Wo ich geradeaus reden kann, Wo ich laut singen darf, Wo immer ein Platz für mich ist, Wo ich ohne Maske herumlaufen kann, Wo einer meine Sorgen anhört, Wo ich still sein darf, Wo ich ernst genommen werde, Wo jemand meine Freude teilt, Wo ich auch mal nichts tun darf, Wo mir in Leid Trost zuteil wird, Wo ich Wurzeln schlagen kann, Wo ich leben kann. 29
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