DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: 11363 letzte Aktualisierung: 04.06.2004 BGB 1132, 1191 Lastenfreistellung bei Gesamtgrundschuld: Teilbarkeit bei Abtretung der Eigentümerrechte und Rückübertragungsansprüche? I. Sachverhalt Die Grundstücke A und B des Verkäufers sind mit einer Gesamtgrundschuld in Höhe von 200.000, 00 belastet. Lediglich das Grundstück A wird vom Verkäufer verkauft. Üblicherweise werden in Kaufverträgen die Eigentümerrechte und Rückübertragungsansprüche der zu beseitigenden Belastungen, aufschiebend bedingt auf die Kaufpreiszahlung, an den Käufer abgetreten. Die Kaufvertragsformulierung lautet: II. Rechtsfragen Schon heute werden Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche des Verkäufers bezüglich der zu beseitigenden Belastungen des verkauften Grundbesitzes mit sofortiger Wirkung, bedingt durch die Bezahlung des Kaufpreises auf den Käufer übertragen und ihre Umschreibung im Grundbuch bewilligt. Soweit die Grundschuldabteilung III 4 an weiteren Mithaftstellen eingetragen ist, werden die Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche an den Verkäufer auf den Zeitpunkt der Löschung des Rechts in S. Blatt... bezüglich der weiteren Mithaftstellen zurückabgetreten und ihre Umschreibung im Grundbuch insoweit bewilligt. 1. Können bei einer Gesamtgrundschuld die Eigentümerrechte und Rückübertragungsansprüche anlässlich eines Kaufvertrages geteilt auf ein verkauftes Grundstück abgetreten werden? 2. Wenn nein, welche Alternativgestaltung ist in diesem Fall möglich? III. Zur Rechtslage 1. Der Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers entsteht als vertraglicher Anspruch ( 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB) mit Abschluss des Sicherungsvertrages aufschiebend bedingt (BGH DNotZ 1958, 383 = Rpfleger 1958, 53; BGH DNotZ 1977, 542 = NJW 1977, 247 = Rpfleger 1977, 56; BGH DNotZ 1983, 42; BGH NJW 1982, 2768; BGH Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de internet: http://www.dnoti.de mr pool Gutachten/11363.doc
Seite 2 ZIP 1989, 157, 158; BGH NJW 1989, 1349). Mit Veräußerung des Grundstücks geht der Rückgewähranspruch als selbständiges Vermögensrecht (schuldrechtlicher Anspruch) des Berechtigten (Gläubiger) nicht ohne Weiteres auf einen Sonderrechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks über; der Erwerber des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks wird nicht zum Sicherungsgeber, da er nicht in das durch den Sicherungsvertrag begründete Schuldverhältnis eintritt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004 Rn. 2335 mit Fn. 55). Erforderlich ist daher die Abtretung des Rückgewähranspruchs, welche auch stillschweigend vorgenommen werden kann (BGH NJW 1986, 2108, 2110). 2. Um zu verhindern, dass die dem Verkäufer zustehenden Eigentümerrechte oder Rückgewähransprüche an Grundpfandrechten durch Gläubiger des Verkäufers gepfändet werden und damit die Löschung dieser Grundpfandrechte nur mit Zustimmung solcher Drittgläubiger möglich wird, werden die Rückgewähransprüche und vorsorglich auch die Eigentümerrechte aufschiebend bedingt auf die Zahlung des Kaufpreises, spätestens auf die Umschreibung des Eigentums, an den Erwerber abgetreten. Entsprechendes sieht z. B. die Musterformulierung von Krauß (Immobilienkaufverträge in der Praxis, 2. Aufl. 2003, Muster 6, dort unter 3 = Rn. 1228 = S. 762) vor. Hätte zudem der Verkäufer sein Wahlrecht zwischen Aufhebung ( 1192, 1183, 875 BGB), (Rück-) Übertragung ( 1192, 1154 BGB) und Verzicht auf die Grundschuld ( 1192, 1157, 1169, 1168 BGB) im Zeitpunkt der Pfändung noch nicht ausgeübt, könnte der Pfändungsgläubiger das Wahlrecht ausüben und z. B. Übertragung an sich verlangen (so zutreffend Krauß, Rn. 408). 3. Der mehreren Sicherungsgebern gemeinsam zustehende Rückgewähranspruch kann von ihnen nur gemeinsam geltend gemacht werden (Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden, 6. Aufl. 2000 Rn. 769). Eine andere Art der Rückgewähr, als im Sicherungsvertrag vorgesehen ist, können sie nur gemeinschaftlich bestimmen (BGH, Urt. v. 15.1.1988, BGHZ 103, 72 = DNotZ 1988, 492 = NJW 1988, 1375 = WM 1988, 446 = ZIP 1988, 899 = EWiR 426 BGB 2/88, 439 (Selb)). Auch das Wahlrecht können sie nur gemeinschaftlich ausüben (BGH, Urt. v. 25.3.1986, BGHZ 97,280 = NJW 1986, 2108 = Rpfleger 1986, 297 = WM 1986, 763 = ZIP 1986, 900 = EWiR 1191 BGB 3/86, 573 (Gaberdiel)). Mehreren Sicherungsgebern (z. B. mehreren Miteigentümern, die eine (Fremd-) Grundschuld bestellt oder eine (Eigentümer-) Grundschuld abgetreten haben) steht der Rückgewähranspruch auch nach der Rechtsprechung nur gemeinschaftlich zu (BGH, Urt. v. 9.5.1996, NJW 1996, 2231 = WM 1996, 1245 sowie BGH, Urt. v. 25.3.1986, BGHZ 97, 280) und zwar untereinander in demselben Verhältnis, in dem sie die Sicherheit gewährt haben (Gaberdiel, Rn. 768). Belasten zwei Miteigentümer das ihnen zu je einem halben Bruchteil gehörende Grundstück, so erwerben sie auch den Rückgewähranspruch zu je 1/2-Anteil gem. 741 ff. BGB (BGHZ 97, 280). Gesamthandseigentümern (beispielsweise den Miterben, die das Grundstück der Erbengemeinschaft belastet haben) steht auch der Rückgewähranspruch gesamthänderisch (als Erbengemeinschaft) zu (Gaberdiel, a. a. O.). Haben Ehegatten als Miteigentümer eines Grundstückes je zur ideellen Hälfte eine Grundschuld bestellt, so ist der Anspruch auf Rückübertragung der Grundschuld unteilbar (BGH, Urt. v. 21.12.1984, DNotZ 1985, 551). Sind Eheleute als Miteigentümer zu je 1/2-Anteil zweier Grundstücke im Grundbuch eingetragen und beide Grundstücke mit Grundschulden belastet, gebühren die Rückgewähransprüche den Eheleuten ge-
Seite 3 meinschaftlich zu gleichen Teilen. Denn sie haben die aufschiebend bedingten Ansprüche als zur ideellen Hälfte berechtigte Miteigentümer der mit den Sicherungsgesamtgrundschulden belasteten Grundstücke, mithin als Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. v. 741 ff. BGB erworben (OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.1989, OLGZ 1990, 3, 8). 4. Im Kaufvertrag konnte der Verkäufer als jeweiliger Alleineigentümer der Grundstücke A und B seine Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche bezüglich der zu beseitigenden Belastungen des verkauften Grundbesitzes im Ausgangspunkt allein auf den Käufer übertragen. Die Frage, ob bei einer Gesamtgrundschuld die Eigentümerrechte und Rückübertragungsansprüche auch so gesehen geteilt bezüglich des einen (von zwei) verkauften Grundstücken abgetreten werden können, wird von Wolfsteiner (in: Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 1996, 1132 Rn. 69, mit Hinweis auf Böhringer, BWNotZ 1994, 172, jedoch ohne weitere Begründung) verneint. Böhringer (Anmerkung zu LG Nürnberg/Fürth, Urt. v. 14.7.1992, BWNotZ 1994, 172, 174) differenziert und nimmt an, dass der auf Rückübertragung der Grundschuld gerichtete Rückgewähranspruch nicht hinsichtlich einzelner Grundstücke (Grundstücksteilflächen) an verschiedene Personen abgetreten werden könne. Für die Abtretung müßte zuerst ein Anspruch des Sicherungsgebers gegen den Grundschuldgläubiger auf Verteilung der Grundschuld (nach 1132 BGB) begründet werden; mit der Verteilung des Rechts auf einzelne Grundstücke entstehen dann Einzelrechte, die getrennt abgetreten werden könnten. Gleiches gelte nach Böhringer für den Anspruch auf Total-Verzicht nach 1168, 1192 BGB aufgrund des Gebotes der Einheitlichkeit des Rechts. Der auf Aufhebung der Grundschuld gehende Rückgewähranspruch könne sachenrechtlich erfüllt werden durch Total-Aufhebung ( 875, 1183, 1192 BGB) oder teilweise durch Verzicht nach 1175 Abs. 1 S. 2, 1192 BGB. Dieser Aufhebungsanspruch könne nach Böhringer hinsichtlich eines jeden Grundstücks an verschiedene Personen abgetreten werden; es komme zur Löschung der Grundschuld an dem entsprechenden Grundstück, also zu keiner Vervielfältigung des Rechts. Wie oben ausgeführt, ist der Rückgewähranspruch ein einheitlicher und daher nur einheitlich abtretbar und nicht teilbar. Der Erwerber des Grundstücks A tritt hinsichtlich der abgetretenen Rückgewähransprüche in eine Rechtsgemeinschaft mit dem Verkäufer als verbleibendem Eigentümer des Grundstückes B, welches der Gesamtgrundschuld mithaftet, ein. Der einheitliche Rückgewähranspruch kann nicht real geteilt werden. Auch ist - im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft, in welcher gem. 747 BGB der Miteigentümer über seinen Anteil an dem Rückgewähranspruch verfügen kann (BGH NJW 1956, 2108, 2110) - eine gespaltene Abtretung des Rückgewährsanspruchs bei einer Gesamtgrundschuld nicht möglich. Insofern ist die in dem Kaufvertrag aufgenommene weitere Formulierung, wonach die Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche an den Verkäufer auf den Zeitpunkt der Löschung des Rechts bezüglich der weiteren Mithaftstellen zurückabgetreten und ihre Umschreibung im Grundbuch insoweit bewilligt wird, soweit die Grundschuld an weiteren Mithaftstellen eingetragen ist, folgerichtig: Denn infolge der vorherigen Übertragung aller (nicht teilbaren) Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche vom Verkäufer auf den Erwerber des Grundstückes A hat dieser aufgrund der nur einheitlich abzutretenden Rückgewähransprüche auch solche hinsichtlich des Grundstückes B ab-
Seite 4 getreten erhalten, welche er an den Verkäufer als verbleibenden Eigentümer des Grundstückes B zurückabzutreten hatte. 5. Patennotar Dr. Amann, Berchtesgaden, teilt die Ansicht, dass bei einer Gesamtgrundschuld die Eigentümerrechte und Rückübertragungsansprüche bezüglich des einen (von zweien) verkauften Grundstücken nicht geteilt abgetreten werden können. Jedoch hält er die obige Kaufvertragsformulierung zum einen wegen der erforderlichen teilweisen Rückabtretung vom Käufer an den Verkäufer textlich für zu lang und zum anderen die Abtretung der Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche bezüglich der zu beseitigenden Belastungen des verkauften Grundbesitzes aufgrund der vorliegenden Gesamtgrundschuld für nicht möglich. Notar Dr. Amann schlägt deshalb vor, die Rückgewähransprüche insgesamt abzutreten, dies aber nur sicherungshalber an den Käufer und sowohl aufschiebend bedingt mit Zahlung des Kaufpreises als auch auflösend bedingt mit Durchführung der Lastenfreistellung. Dazu unterbreitet Dr. Amann folgenden eigenen Textvorschlag: Um die Lastenfreistellung sicherzustellen, wird folgendes vereinbart: Käufer und Notar brauchen nicht nachzuprüfen, ob Auflagen, von denen die Lastenfreistellung abhängt, berechtigt sind. Soweit solche Auflagen reichen, kann der Kaufpreis nur durch ihre Erfüllung, nicht durch sonstige Leistung an den Verkäufer oder an Dritte bezahlt werden. Der Notar wird ermächtigt, die Unterlagen zur Lastenfreistellung für alle am Vertrag oder an der Kaufpreisfinanzierung Beteiligten entgegenzunehmen und zu verwenden. Alle Rechte und Ansprüche des Verkäufers, die mit den zu beseitigenden Belastungen zu tun haben, werden hiermit sicherungshalber auf den Käufer übertragen. Diese Übertragung wirkt, sobald der Kaufpreis bezahlt ist, und entfällt, sobald die Lastenfreistellung durchgeführt ist. a) Nach diesem Formulierungsvorschlag von Dr. Amann werden die Rückgewähransprüche sowohl aufschiebend als auch auflösend bedingt übertragen. Bei einer bedingungslosen Abtretung geht eine Pfändung der Rückgewähransprüche durch Gläubiger des Verkäufers ins Leere. Vorliegend könnte diese erwünschte Folge jedoch dadurch gefährdet sein, dass die Abtretung sowohl aufschiebend als auch auflösend bedingt gestaltet ist und damit möglicherweise dem Zedenten bei Nichteintritt der aufschiebenden wie auch der auflösenden Bedingung die Rückgewähransprüche pfändbar verbleiben. Jedoch bestimmt 161 Abs. 1 S. 2 BGB, dass eine Verfügung, die während der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt, unwirksam ist. Damit dürfte der Käufer vor Pfändungen trotz der aufgenommenen 2-fachen Bedingung im Rahmen der abgetretenen Rückgewähransprüche hinreichend geschützt sein. b) Die Lösung von Notar Dr. Amann hat gegenüber der im Kaufvertrag aufgenommenen Formulierung den Vorteil der Kürze und Eleganz, da eine Rückabtretung durch den Erwerber an den Verkäufer nicht erforderlich ist.
Seite 5 Jedoch vermögen beide Formulierungsvorschläge folgende Fallgestaltung nicht zu lösen: Ein Bauträger verkauft nach und nach 20 Eigentumswohnungen eines mit einer Gesamtgrundschuld belasteten Objektes. Tritt der Verkäufer an den Erwerber A der ersten Wohnungseigentumseinheit sämtliche ihm zustehende Rückgewähransprüche ab, kann er Gleiches hinsichtlich der alsdann zu veräußernden zweiten Wohnung an den weiteren Erwerber B nicht in gleicher Weise vornehmen. Dies, da er zuvor die Durchführung der Lastenfreistellung als auflösende Bedingung der an den ersten Erwerber vollumfänglich abgetretenen Rückgewähransprüche abwarten müsste, um diese erneut an den zweiten Erwerber abtreten zu können. Das Problem wiederholt und potenziert sich, wenn nach und nach 20 Wohnungseigentumseinheiten oder sogar mehr verkauft werden sollen. Die jeweilige Abtretung der Rückgewähransprüche wäre mit der daraus erwachsenen Unsicherheit belastet, dass der (jeweils) vorgehende Kaufvertrag abgewickelt und die Lastenfreistellung als auflösende Bedingung durchgeführt wird. Dies bietet für die weiteren Erwerber hinsichtlich der abzutretenden Rückgewähransprüche keine Sicherheit. Auch hilft 185 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach die Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam wird, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt, nicht weiter: Denn die weiteren Abtretungen sämtlicher Rückgewähransprüche durch den veräußernden Bauträger wären in ihrer Wirksamkeit und Verfügung eines Nichtberechtigten davon abhängig, dass der Bauträger nach jeweiligem Eintritt der auflösenden Bedingung die Rückgewähransprüche aus den vorhergehenden Kaufverträgen wieder erwirbt. Bei einer Vielzahl von mitbelasteten Objekten und abzuverkaufenden Wohnungseigentumseinheiten wäre dies sowohl rechnerisch als auch praktisch nicht mehr handhabbar. Zudem wäre der jeweils zeitlich nachfolgende Käufer auch nicht weiter geschützt, da aus seiner Sicht der Erhalt der Rückgewähransprüche durch Abtretung ungewiss bleibt und von der Durchführung der von ihm zu beeinflussenden zeitlich vorgehenden Kaufverträge abhängt. c) Patennotar Dr. Amann räumt hierzu ein, dass auch seine Formulierung den Fall des Verkaufs mehrerer mitbelasteter Objekte (Wohnungseigentumseinheiten durch Bauträger) nicht zu lösen vermag, sondern zunächst für den Einzelfall zu verwenden ist. Für den Abverkauf von mitbelasteten WEG-Objekten durch den Bauträger müsste deshalb die Übertragung der Rückgewähransprüche durch Abtretung im Wege der Vereinbarung nach Ansicht von Herrn Notar Dr. Amann ausgeschlossen werden, so dass sich die Rückgewähransprüche auf Löschung und Verzicht von Vornherein beschränken.