Krankentaggeldversicherung und Datenschutz



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Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter Préposé fédéral à la protection des données Incaricato federale per la protezione dei dati Incumbensà federal per la protecziun da datas SEMINAR DATENSCHUTZ IM GESUNDHEITSWESEN VOM 17. MÄRZ 2000 Krankentaggeldversicherung und Datenschutz Matthias Horschik, Fürsprecher, Büro Eidg. Datenschutzbeauftragter 1. Einführung a. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDSB) wird in der Praxis relativ häufig mit Problemen rund um die Krankentaggeldversicherung konfrontiert. Die Bürger und Bürgerinnen wollen z. B. von uns wissen, ob und inwiefern es gerechtfertigt sei, dass der Arbeitgeber Einblick in ihre Versicherungsdaten erhalte. Im Weiteren ist oft unklar, welche Gesundheitsangaben durch die Taggeldversicherungen beschafft werden dürfen. Insbesondere im Anmeldestadium und im Fall der Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit stellen sich solche Fragen. In diesem Zusammenhang geben auch die sogenannten Generalvollmachten Anlass zur Kritik 1. Diese pauschalen Einwilligungserklärungen sollen die Versicherer berechtigen, grundsätzlich sämtliche oder mindestens die gewünschten Informationen bei Dritten (Behörden, andere Versicherer, Ärzte etc.) einzuholen. b. Die Krankentaggeldversicherungen aus datenschutzrechtlicher Sicht zu analysieren, macht aus mehreren Gründen Sinn. Einerseits betrifft die Taggeldversicherung einen grossen Teil unserer Bevölkerung 2, was auch die vielen Anfragen an den EDSB belegen. Zweitens ist die Relevanz der Taggeldversicherungen in der Praxis unbestritten, sollen sie doch den Lohnausfall bei Krankheit, Unfall oder Mutterschaft sichern. Drittens werden v.a. Gesundheitsdaten, welche im Sinne des Datenschutzgesetzes zu den besonders schützenswerten Personendaten gehören 3, bearbeitet. Besonders heikel für die Arbeitnehmer ist der Datenaustausch zwischen Versicherung und Arbeitgeber, welcher für die Betroffenen im Extremfall zum endgültigen Ausschluss aus der Arbeitswelt führen kann. Die Kosten, wenn überhaupt davon gesprochen werden kann, werden in solchen Fällen einfach auf die Arbeitslosen- und Invalidenversicherung überwälzt. Sehr unbefriedigend ist dies dann, wenn die Betroffenen wohl (noch) arbeitsfähig sind, jedoch aus Sicht der Taggeldversicherung als krank bezeichnet und daher nur mit einem Vorbehalt in die Taggeldversicherung aufgenommen werden. Die Arbeitsstelle der betroffenen Person dürfte in einem solchen Fall v. a. dann gefährdet sein, wenn der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt erfährt. c. Für die Betroffenen von Nachteil ist auch, dass die Arbeitgeber und Versicherer die gleichen Interessen verfolgen: Die Arbeitgeber sind immer weniger bereit, sogenannt kranke oder handicapierte Arbeitnehmer anzustellen, geschweige denn weiter zu beschäftigen 4. Auf der anderen Seite stellen die Versicherer das Taggeld nach ca. drei Monaten vermehrt ein 1 Vgl. auch 6. Tätigkeitsbericht 1998/99 EDSB, S. 83-84; die Publikationen des EDSB sind im Übrigen abrufbar unter: www.edsb.ch. 2 Genaue Zahlen über den Versichertenbestand und die Art der verschiedenen Krankentaggeldversicherungen gibt es offensichtlich - auch in Expertenkreisen (noch) nicht. 3 Vgl. Art. 3 Bst. c DSG. 4 Vgl. S. 21 des vom BSV in Auftrag gegebenen Berichts Wirkungsanalysen Freizügigkeitsregelungen und Wohneigentumsförderungen der Metron AG und ATAG.

2 und fordern die Versicherten auf, sich eine weniger belastende Arbeit zu suchen. Dabei berufen sich die Versicherer auf die Schadenminderungspflicht 5. Dem EDSB liegen auch Fälle vor, bei denen die Arbeitgeber und Versicherer gemeinsam statistische Erhebungen am Arbeitsplatz über Arbeitsunfähigkeit, Absenzen, Gesundheitsvorsorge etc. durchführen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch sind solche Untersuchungen v. a. dann, wenn sie nicht anonymisiert sind bzw. nicht anonymisiert werden können. 2. Rechtsgrundlagen 2.1 Freiwillige Taggeldversicherung nach KVG 6 a. Die freiwillige Taggeldversicherung gehört zur sozialen Krankenversicherung und ist im KVG normiert 7. Daneben kommen auch die Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zur Anwendung. Wer in der Schweiz Wohnsitz hat oder erwerbstätig und zwischen 15 und 65 Jahren ist, kann eine Taggeldversicherung nach KVG abschliessen. Sie kann als Einzelversicherung oder Kollektivversicherung abgeschlossen werden 8. Im Bereich der Kollektivversicherungen kann der Arbeitgeber Aufgaben zur Durchführung der Krankenversicherung übernehmen, wofür ihm der Versicherer eine angemessene Entschädigung auszurichten hat 9. b. Von Gesetzes wegen können Versicherer Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen, durch einen Vorbehalt von der Versicherung ausschliessen. Das Gleiche gilt auch für frühere Krankheiten, die erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können. Der Versicherungsvorbehalt fällt jedoch spätestens nach fünf Jahren dahin 10. c. Die freiwillige Taggeldversicherung nach KVG untersteht wie die obligatorische Krankenpflegeversicherung - der gesetzlichen Schweigepflicht nach Art. 83 KVG 11. d. Zu erwähnen ist noch, dass viele freiwillige Taggeldversicherer das höchstversicherbare Einzeltaggeld massiv einschränken. Ob dies mit dem Gedanken des KVG vereinbar ist, bleibt jedoch fraglich 12. 2.2 Taggeldversicherung nach VVG 13 a. Die Taggeldversicherungen nach VVG unterstehen dem Privatrecht. Es steht dem Versicherer grundsätzlich frei, einen Vertrag abzuschliessen oder nicht. Es gibt z. B. keine gesetzlichen Vorgaben, wie alt die Versicherten oder wie hoch die Prämien sein müssen. b. Massgebend sind die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes sowie die individuellen Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer. Die Taggeldversicherung nach VVG kann als Kollektiv- und als Einzelversicherung abgeschlossen werden. 5 So funktioniert die Taggeldversicherung in: Tages Anzeiger vom 12. April 1999. 6 KVG (Krankenversicherungsgesetz, SR 832.10). 7 Vgl. vor allem Art.1, 63 und Art 67 77 KVG und Art. 107-109 der Krankenversicherungsverordnung (KVV, SR 832.102). 8 Vgl. Art. 67 KVG. 9 Vgl. Art. 63 KVG. 10 Vgl. Art. 69 KVG. 11 Die Ausnahmen von der Schweigepflicht sind in Art. 130 KVV geregelt. Ausnahmen von der Schweigepflicht bzw. die Datenbekanntgabe sollen in Zukunft auf formell-gesetzlicher Ebene geregelt werden (vgl. Botschaft über die Anpassung und Harmonisierung der gesetzlichen Grundlagen für die Bearbeitung von Personendaten in den Sozialversicherungen vom 24. November 1999). 12 Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass das Verhalten der Krankenkassen nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche und somit gesetzeswidrig sei (vgl. etwa K-dossier, Krankenkasse und Unfallversicherung, Zürich 1997, S. 83). 13 VVG (Versicherungsvertragsgesetz, SR SR 221.229.1).

3 c. Der Versicherer kann einen Antragsteller auch ablehnen oder Gesundheits-Vorbehalte anbringen. Im Gegensatz zum KVG müssen diese Vorbehalte aber nicht auf fünf Jahre beschränkt sein. 2.3 Datenschutzrechtliche Grundlagen a. Der Geltungsbereich des DSG erstreckt sich auf die Datenbearbeitung 14 durch Bundesorgane und private Personen 15. b. Die Versicherer nehmen im Bereich der Taggeldversicherung nach KVG öffentliche Aufgaben wahr und treten gegenüber der Versicherten hoheitlich auf 16. Sie ist daher im Sinne des DSG als Bundesorgane zu betrachten 17. Die Datenbearbeitung durch Bundesorgane ist an das Legalitätsprinzip gebunden 18. Insbesondere dürfen besonders schützenswerte Personendaten (Beispiel Gesundheitsdaten) und Persönlichkeitsprofile grundsätzlich nur dann bearbeitet werden, wenn dies in einem formellen Gesetz vorgesehen ist 19. c. Im Bereich der Taggeldversicherungen nach VVG sind die Versicherer hingegen als private Personen 20 im Sinne des DSG zu betrachten 21. Damit die Datenbearbeitung durch private Personen nicht widerrechtlich ist, muss ein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Eine Verletzung der Persönlichkeit ist dann nicht widerrechtlich, wenn sie durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist 22. d. Sowohl Bundesorgane wie auch private Personen haben die allgemeinen Datenschutzgrundsätze einzuhalten. Personendaten dürfen nur rechtmässig beschafft bzw. bearbeitet werden 23. Die Datenbearbeitung hat auch nach Treu und Glauben zu erfolgen, muss also für die Betroffenen transparent und erkennbar sein 24. Ein wesentlicher Grundsatz ist derjenige der Verhältnismässigkeit nach Art. 4 Abs. 2 DSG 25. Neu ist, dass mit dem DSG das Verhältnismässigkeitsprinzip auch im Bundeszivilrecht gilt 26. 14 Unter Bearbeiten wird jeder Umgang mit Personendaten, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten verstanden (vgl. Art. 3 Bst. e DSG) 15 Vgl. Art. 2 Abs. 1 DSG. 16 Verfügungen von Taggeldversicherungen nach KVG in Datenschutzfragen können grundsätzlich mit Beschwerde bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission (EDSK) angefochten werden. Deren Entscheid unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (vgl. Art. 25 DSG). 17 Bundesorgane sind Behörden und Dienststellen des Bundes sowie Personen, soweit sie mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut sind (Art. 3 Bst. h DSG). 18 vgl. Art. 16-25 DSG. 19 vgl. Art. 17 Abs. 2 DSG. 20 Private Personen sind Personen, welche Daten im Rahmen einer privatrechtlichen Beziehung bearbeiten. Im Gegensatz zum öffentlichen Recht gibt es hier kein Subordinationsverhältnis (vgl. Marc Buntschu, Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz [Kommentar DSG], Basel/Frankfurt am Main 1995, zu Art. 2 Rz. 21). 21 Vgl. Art. 12 15 DSG; Datenschutzverletzungen sind auf dem zivilrechtlichen Weg geltend zu machen (vgl. Art. 15 DSG). 22 vgl. insbesondere Art. 13 Abs. 1 DSG. 23 Art. 4 Abs. 1 DSG. 24 vgl. Urs Maurer, Kommentar DSG, zu Art. 4 Rz. 9. 25 Ein Verhalten entspricht dann dem Verhältnismässigkeitsprinzip, wenn die Massnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen (Zwecktauglichkeit), und sie diejenige ist, welche die privaten Interessen am meisten schont (geringstmöglicher Eingriff). Schliesslich muss eine zwecktaugliche und schonendste Massnahme auch durch ein überwiegendes staatliches Interesse gerechtfertigt sein (Urs Maurer, a.a.o., zu Art. 4 Rz. 11). 26 Es wird von einer eigentlichen Rezeption des Verhältnisgrundsatzes im Privatrecht gesprochen (Urs Maurer, a.a.o., zu Art. 4 Rz. 11).

4 Die Versicherer dürfen im Bereich der Taggeldversicherungen nach VVG demnach nur diejenigen Personendaten bearbeiten, welche für den jeweiligen Zweck erforderlich und geeignet sind. Im Weiteren ist der Grundsatz der Zweckbindung zu beachten, wonach Personendaten nur zu dem Zweck bearbeitet werden dürfen, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist 27. Wer Personendaten bearbeitet, hat sich zudem über deren Richtigkeit zu vergewissern 28. Dem Grundsatz der Datensicherheit kommt in der heutigen Zeit eine immer grössere Bedeutung zu. Personendaten sind durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten zu schützen. Ein Element der Datensicherheit ist etwa die Vertraulichkeit, welche verlangt, dass nur die berechtigten Personen Zugriff zu den bestimmten Daten erhalten 29. Das wichtigste Institut des Datenschutzes ist das Auskunftsrecht. Danach kann jede Person vom Inhaber einer Datensammlung grundsätzlich Auskunft darüber verlangen, ob Daten über sie bearbeitet werden 30. e. Anhand der folgenden Problembereiche soll versucht werden, das Thema Krankentaggeldversicherung und Datenschutz ein bisschen näher aufzuzeigen: - Schnittstelle Arbeitgeber / Versicherer - Gesundheitsfragen - Einwilligungsklauseln 3. Schnittstelle Arbeitgeber / Versicherer 3.1 Problem a. In der Praxis erhält der Arbeitgeber oft Einblick in die Versicherungsdaten seiner Mitarbeiter. Insbesondere im Rahmen einer neuen Anstellung füllt der neue Arbeitnehmer ein Anmeldeformular zum Abschluss einer Taggeldversicherung aus. Auf dem gleichen Formular, auf welchem in der Regel Gesundheitsfragen zu beantworten sind, wird oft die Unterschrift des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers (bzw. Versicherungsnehmers) gleichzeitig verlangt. Der Arbeitgeber erhält also Einblick in die Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer weiss nun nicht, wie er sich gegenüber dem Arbeitgeber und dem Versicherer verhalten bzw. wie er das Anmeldeformular ausfüllen soll. b. Ebenso kommt es vor, dass im Stadium der Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit der Versicherer den Arbeitgeber über gewisse Krankheitsdispositionen des Versicherten informiert. Insbesondere bei den kollektiven Krankentaggeldversicherungen nach KVG, bei welchen Aufgaben der Krankenversicherung dem Arbeitgeber übertragen werden können (Erhalt von Krankmeldungen, Taggeldauszahlungen etc.), kann dies zu Persönlichkeitsverletzungen führen 31. 27 Vgl. Art. 4 Abs. 3 DSG. 28 Vgl. Art. 5 DSG. 29 Vgl. auch Art. 7 DSG und Art.8 12 und 20 23 der Datenschutzverordnung (VDSG; SR 235.11) sowie Leitfaden zu den technischen und organisatorischen Massnahmen des Datenschutzes, Bern 1994. 30 Vgl. Art. 8-9 DSG; in diesem Zusammenhang sei auch auf das aktuelle Bundesgerichtsurteil verwiesen, wonach die Auskunft in sogenannt interne Akten nicht generell verweigert werden darf (vgl. BGE 125 II 473). 31 Vgl. Art. 63 KVG.

5 3.2 Prüfung a. Die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Zweckbindung stehen vorliegend im Vordergrund. Diese Grundsätze werden jedoch verletzt, wenn der Arbeitgeber Zugang zu den Gesundheitsdaten der Versicherer bekommt 32. Gesundheitsdaten gehören nicht in die Hände des Arbeitgebers 33. Der Arbeitgeber darf jedoch Daten über den Arbeitnehmer bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind 34. Er darf z. B. die Eignung für das Arbeitsverhältnis durch einen Arzt abklären lassen. Dabei darf der an die ärztliche Schweigepflicht gebundene Arzt dem Arbeitgeber nur mitteilen, ob der Bewerber für die zu besetzende Stelle tauglich ist oder nicht. Über den Gesundheitszustand des potentielles Bewerbers steht dem Arbeitgeber kein Auskunftsrecht zu. Der Arbeitnehmer ist im Weiteren berechtigt, Fragen des Arbeitgebers die keinen Arbeitsplatzbezug aufweisen, entweder gar nicht zu beantworten oder unrichtig zu beantworten ( Notwehrrecht der Lüge ) 35. Zudem darf der Arbeitgeber die im Rahmen der Taggeldversicherung erhobenen Daten nicht für andere Zwecke bearbeiten (Verstoss gegen den Zweckbindungsgrundsatz). b. Die nötigen technischen und organisatorischen Sicherheitsmassnahmen sind ebenfalls nicht getroffen worden, wenn der Arbeitgeber automatisch Einblick in die Gesundheitsdaten des Versicherers erhält. Die Vertraulichkeit der Daten ist somit nicht gegeben, wenn unberechtigte Stellen Zugriff auf die Personendaten erhalten 36. c. Werden Datenschutzbestimmungen verletzt, stehen der betroffenen Person die im DSG vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung 37. Macht die betroffene Person gegenüber ihrem Arbeitgeber vom Notwehrrecht der Lüge Gebrauch, darf ihr daraus kein Nachteil bzw. Schaden erwachsen. Sollte dies dennoch der Fall sein, weil ihr der Versicherer z.b. eine Anzeigepflichtverletzung vorwirft, steht ihr grundsätzlich die Klage auf Schadenersatz und Genugtuung offen. 38. d. Genauso unverhältnismässig im Sinne des DSG wäre es, wenn der Arbeitgeber nach dem Anstellungsverfahren erfahren würde, dass der Versicherer beim neu eingetretenen Arbeitnehmer einer Versicherungsvorbehalt angebracht hat 39. Die Gefahr ist dann nicht von der Hand zu weisen, dass der Arbeitgeber solchen Arbeitnehmern nur deshalb kündigt, weil mit Arbeitsausfällen zu rechnen ist. 4. Gesundheitsfragen 4.1 Problem a. In der Praxis wird häufig die Frage gestellt, ob die Versicherer im Aufnahmeverfahren ü- berhaupt Gesundheitsfragen stellen dürfen. Im Weiteren herrscht Unklarheit über die Art und den Umfang der Gesundheitsfragen. 40. 32 Vgl. auch Leitfaden für die Bearbeitung von Personendaten im Arbeitsbereich, Bern 1994, S. 11 und 6. Tätigkeitsbericht EDSB 1998/99, S. 86. 33 Es liegt am Versicherer, dafür zu sorgen, dass Personendaten nicht unberechtigterweise dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden. 34 Vgl. Art. 328 b OR. 35 Vgl. auch BGE 122 V 267 und Leitfaden für die Bearbeitung von Personendaten im Arbeitsbereich, S. 9. 36 Vgl. auch Kurt Pauli, Kommentar DSG, zu Art. 7 Rz. 2. 37 Gegenüber den Taggeldversicherungen nach KVG ist nach Art. 25 DSG und gegenüber den Taggeldversicherungen nach VVG nach Art. 15 DSG vorzugehen. 38 Vgl. Markus Hünig, Kommentar DSG zu Art. 15 Rz. 13 und Hans Bättig, ebenda zu Art. 25 Rz. 48 55. 39 Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe Datenschutz und Analysenliste / Krankenversicherung, Beiträge zur sozialen Sicherheit, BSV, Nummer 2/96, Bern, S. 15. 40 In der Praxis ist vermehrt eine Tendenz zu sehr detaillierten Gesundheitsfragebogen festzustellen (vgl. 6. Tätigkeitsbericht 1998/99 EDSB, S. 84/85).

6 b. Bei den Taggeldversicherungen stellt sich dieselbe Problematik auch im Stadium der Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit. 4.2 Prüfung a. Beim Wechsel des Versicherers in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist es dem neuen Versicherer untersagt, vom Antragsteller Gesundheitsdaten zu verlangen 41. Hingegen dürfen Versicherer beim Abschluss einer Taggeldversicherung nach KVG oder nach VVG Gesundheitsfragen stellen. Sie sind aber an das Verhältnismässigkeitsprinzip gebunden. Es dürfen also nur diejenigen Fragen gestellt werden, die für das jeweilige Versicherung tatsächlich geeignet und erforderlich sind. b. Dennoch gilt es festzuhalten, dass Gesundheitsfragen grundsätzlich zu beantworten sind. Ansonsten riskiert die betroffene Person, ihre Anzeigepflicht zu verletzen. Nebst dem Verhältnismässigkeitsprinzip nach Art. 4 Abs. 2 DSG beurteilt sich den Taggeldversicherungen nach VVG die Anzeigepflichtverletzung nach den jeweiligen vertraglichen Bestimmungen und nach den Regeln des VVG 42. Im Taggeldversicherungsbereich nach KVG hingegen verletzt ein Aufnahmebewerber oder ein Versicherter die Anzeigepflicht, wenn er der Kasse auf deren Frage hin eine bestehende Krankheit oder eine vorher bestandene, zu Rückfällen neigende Krankheit nicht anzeigt, obwohl er darum wusste oder bei der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit darum hätte wissen müssen 43. c. Die Definition von Krankheit im Sinne des KVG wird in Literatur und Rechtsprechung sehr kontrovers diskutiert 44. Das Bundesgericht geht davon aus, dass z. B. auch der Befund HIV-Positiv als Krankheit zu betrachten und daher im Rahmen der Taggeldversicherung anzugeben sei. Begründet wird dies v. a. damit, dass HIV-Seropositivität heute möglichst frühzeitig und mit kombinierten Medikamenten angegangen werden müsse. Es bestehe daher eine grundsätzliche Leistungspflicht der Krankenkassen 45. Unseres Erachtens ist es unverhältnismässig, nur auf den Krankheitsbegriff nach KVG abzustellen. Wohl mag allein schon HIV-Positivität die obligatorische Krankenpflegeversicherung belasten, jedoch nicht die Taggeldversicherung nach KVG, solange die betroffene Person noch arbeitsfähig ist. Gesundheitsdispositionen, die höchstwahrscheinlich in den nächsten fünf Jahren (maximale Vorbehaltsdauer) nicht zur Arbeitsunfähigkeit führen werden, darf nicht gefragt werden. Geht man davon aus, dass aufgrund der heutigen Behandlungsmethoden Aids nicht oder nur beschränkt ausbrechen wird, ist die Frage nach dem HIV-Status im KVG-Bereich nicht mehr gerechtfertigt 46. Selbst wenn die Krankheit eines Tages ausbrechen sollte, heisst dies noch nicht zwingend, dass die betroffene Person auch arbeitsunfähig sein muss. 41 Vgl. auch 6. Tätigkeitsbericht 1998/99, S. 72/73; der EDSB hat sich für getrennte Aufnahmeformulare ausgesprochen, je eines für den Grundversicherungsbereich (ohne Gesundheitsfragen) und je eines für die verschiedenen Zusatzversicherungen (mit den jeweils erforderlichen Gesundheitsfragen). In der Praxis finden sich aber immer noch Krankenkassen, die auch für den obligatorischen Grundversicherungsbereich weiterhin Gesundheitsdaten verlangen. 42 Massgebend sind die einschlägigen Vertragsbedingungen sowie die Bestimmungen von Art. 4 ff VVG. 43 BGE 124 V 120 Erw. 1 b). 44 Vgl. Soziale Sicherheit 2/98, BSV, S. 81. 45 Vgl. BGE 124 V 124 Erw. 6 b). 46 Zwischen der Infektion und dem Ausbruch von Aids vergehen in der Regel ca. 11 Jahre (vgl. Soziale Sicherheit 2/1998, S. 65).

7 Es ist zu hoffen, dass das Bundesgericht seine Praxis eines Tages ändern wird, damit mögliche Diskriminierungen am Arbeitsplatz soweit als möglich vermieden werden können. Am Rande sei noch vermerkt, dass im Aufnahmeverfahren zum Abschluss einer kollektiven Taggeldversicherung oft keine Gesundheitsdaten verlangt werden. Die Gefahr von Diskriminierungen wird so verringert. 5. Einwilligungsklauseln 5.1 Problem Taggeldversicherungen verlangen für gewisse Datenbearbeitungen eine Einwilligung von den betroffenen Personen. Dies gilt insbesondere für das Aufnahmeverfahren und im Leistungsfall. Die Einwilligungen sind in der Regel sehr unbestimmt abgefasst, lassen die Tragweite der Datenbearbeitung nicht erkennen und sind im Inhalt oft unverhältnismässig. Einwilligungsklauseln finden sich im gesamten Sozial- und Privatversicherungsbereich. 5.2 Prüfung a. Der Datenschutz basiert auf dem Gedanken der informationellen Selbstbestimmung. Das Selbstbestimmungsrecht soll den Betroffenen in die Lage versetzen, den Überblick über die Bearbeitung seiner Personendaten zu behalten. Dasselbe gilt auch dann, wenn er die Einwilligung in die Bearbeitung seiner Daten gibt. Eine Einwilligung braucht es u. a., damit die Datenbearbeitung nicht widerrechtlich ist 47. b. Definitionsgemäss ist eine Einwilligung 48 jede Willenserklärung, die ohne Zwang für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, bearbeitet werden. c. Konsequenz des Selbstbestimmungsrechts ist es also, dass der Betroffene seine Einwilligung freiwillig gibt. Ob und inwiefern die Freiwilligkeit durchsetzbar ist, bleibt dahingestellt. Die Praxis zeigt jedoch, dass überall dort, wo wirtschaftliche Machtverhältnisse bestehen, eine freiwillige Einwilligung grundsätzlich illusorisch ist. So sind z. B. viele neu eintretende Arbeitnehmer - aufgrund des GAV - verpflichtet, eine Taggeldversicherung abzuschliessen und dementsprechend die Einwilligung in die Bearbeitung ihrer Gesundheitsdaten zu geben 49. d. Folge des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist es, dass eine Einwilligung jederzeit widerrufbar ist. e. Wesentlich sind auch die datenschutzrechtlichen Grundsätze. Das Prinzip der Zweckbindung besagt, dass Daten nur zu dem vorgesehenen Zweck bearbeitet werden dürfen. Will ein Versicherer die Daten seiner Kunden für weitere Zwecke, wie z.b. Cross-Selling aufbereiten, hat er vorher die Einwilligung der Betroffenen einzuholen 50. 47 Diesbezüglich fragt es sich, ob bei der freiwilligen Taggeldversicherung nach KVG überhaupt eine Einwilligung möglich ist. Denn immerhin ist diese Taggeldversicherung an das Legalitätsprinzip gebunden, d. h. die Datenbearbeitung - und v. a. die Datenbeschaffung - müsste im KVG geregelt sein, was jedoch unseres Erachtens nicht der Fall ist. 48 Die Einwilligung kann eine ausdrückliche sein. Die ausdrückliche Einwilligung ist an keine Form gebunden, sie kann also mündlich oder schriftlich erfolgen. Die Einwilligung kann auch konkludent erfolgen, d. h. sie ergibt sich aus den gesamten Umständen und offenkundig. Stillschweigen bedeutet jedoch nicht grundsätzlich konkludente Zustimmung. Im Weiteren kann die Einwilligung - etwa bei momentaner Urteilsunfähigkeit - eine mutmassliche sein. 49 Auch ist etwa fraglich, ob die im Rahmen von Lehrlingsrekrutierungen durchgeführten Urinproben tatsächlich freiwillig sein können (vgl. auch 6. Tätigkeitsbericht 1998/99 EDSB, S. 68-70). Selbst wenn auf die Freiwilligkeit dieser Tests hingewiesen wird, wird der angehende Lehrling einem solchen Test grundsätzlich zustimmen. Schliesslich ist es heute nicht einfach, überhaupt ein Lehrstelle zu finden. 50 Vgl. 3. Tätigkeitsbericht 1995/96 EDSB, S. 49.

8 f. Entscheidend für eine gültige Einwilligung ist jedoch, dass der Betroffene die Tragweite (v.a. Umfang und Zweck) der Einwilligung erkennt. Je sensibler die Daten sind, desto höhere Anforderungen sind an die Transparenz der Einwilligung zu stellen 51. In der mangelnden Transparenz der Einwilligungserklärungen liegt in der Praxis denn auch das Hauptproblem. Die oft verwendeten Generalvollmachten sind im Inhalt pauschal und lassen die Reichweite der Datenbearbeitung nicht erkennen. Bei solchen standardisierten Einwilligungsklauseln besteht die Gefahr, dass sie zur reinen Formalität absinken 52. Bei Formularverträgen muss die Klausel analog den Gerichtsstandklauseln an einer für den Einwilligenden gut sichtbaren Stelle angebracht sein und zudem hervortreten 53. g. Schliesslich darf der Umfang der Einwilligung die Betroffenen in ihrer Freiheit gemäss Art. 27 ZGB nicht übermässig beschränken. Mit anderen Worten: Die Datenbearbeitung muss für den jeweiligen Zweck geeignet und nötig sein (Grundsatz der Verhältnismässigkeit). Es ginge z. B. zu weit, wenn eine Einwilligung einen Arzt ermächtigen würde, jede Anfrage über den Gesundheitszustand des Betroffenen zu beantworten. Auch wäre es unverhältnismässig, wenn der Arzt für alle Zukunft darüber Auskunft erteilen dürfte. Bei der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht muss klar dargestellt werden, wen und worüber der Arzt orientieren darf 54. h. Pauschale Vollmachten sind somit rechtlich nicht bindend, die Ärzte wie in der Versicherungsbranche üblich - von ihrer beruflichen Schweigepflicht zu entbinden 55. Die Einwilligung hat für jeden Einzelfall zu erfolgen 56. 6. Wünsche / Forderungen des EDSB a. Als Sofortmassnahme sind die Betriebsabläufe der Versicherer genau zu analysieren, damit mögliche Datenschutzverletzungen in Zukunft vermieden werden können. Insbesondere gilt es, den Datenaustausch zwischen Versicherer und Arbeitgeber auf ein Minimum zu reduzieren. Die Verfahren und Prozesse sind daher in einer ersten Phase transparent zu machen. Die Transparenz gibt den Versicherern die Möglichkeit, allfällige Mängel zu beheben und die Qualität der Datenbearbeitung zu verbessern 57. Man spricht dabei von Prozessanalyse 58. Für den EDSB stellen Prozessanalysen ein geeignetes Mittel dar, die Datenschutzqualität entscheidend zu verbessern. b. Im Weiteren fordern wir, dass mindestens diejenigen Versicherer, die Taggeld- Versicerungen als Kollektivversicherungen anbieteten, im Aufnahmeverfahren auf die Erhebung von Gesundheitsdaten verzichten und die Versicherten vorbehaltlos aufnehmen 59. Im Bereich der kollektiven Taggeldversicherungen nehmen immerhin einige Versicherer Abstand von Gesundheitsdeklarationen. c. Der Datenhunger der Versicherer nach Gesundheitsdaten, sei dies nun im Sozial- oder Privatversicherungsbereich, nimmt stetig zu. Insbesondere die Tendenz, dass Aufgaben der 51 52 53 54 55 56 57 58 59 Vgl. Lukas S. Brühwiler-Frésey, Medizinischer Behandlungsvertrag, Zürich 1996, S. 87. Vgl. Jörg Schmid, Persönlichkeitsschutz bei der Bearbeitung von Personendaten durch Private in ZBJV 12, 1995, S. 828. Vgl. Jörg Schmid, a.a.o., S. 827. Vgl. auch Heinrich Honsell, Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994, S. 349. Vgl. Heinrich Honsell, a.a.o., S. 349 FN. 130. Vgl. auch 6. Tätigkeitsbericht 1998/1999 EDSB, S. 83 84. Insbesondere die Datensicherheit lässt sich durch eine Analyse der Betriebsabläufe wesentlich verbessern. Der EDSB ist zur Zeit daran, einige Sozialversicherungen bei ihrer Prozessanalyse fachlich zu unterstützen und zu begleiten. Vgl. auch Soziale Sicherheit 2/1998, S. 72.

9 Sozialversicherungen vermehrt den Privatversicherungen (Beispiel: private Vorsorge) übertragen werden, wird Leute mit ungeeigneten Gesundheitsdispositionen vor Probleme stellen. Im Taggeldversicherungsbereich betrifft die Diskriminierung nicht nur Arbeitnehmer, sondern v. a. auch Selbstständige, die im Krankheitsfall dringend auf einen Lohnersatz angewiesen sind. Die Gesellschaft wird schliesslich entscheiden müssen, wieweit der Persönlichkeitsschutz der Vertragsfreiheit vorgehen soll. Es wäre z. B. denkbar, im Taggeldversicherungsbereich sämtliche präsymptomatische Diagnosen 60 zu verbieten. Bis anhin ist im Bundesgesetz über genetische Untersuchungen nur vorgesehen, dass die präsymptomatischen genetischen Untersuchungen im Taggeldversicherungsbereich verboten sein sollen 61. Dieses Verbot liesse sich auf sämtliche präsymptomatische Untersuchungen ausweiten. d. Würde man die Krankentaggeldversicherung gar für obligatorisch erklären, dürfte man die Aufnahme auch nicht von Gesundheitsfragen abhängig machen. Datenschutzrechtlich wäre dies zu begrüssen. Dies würde jedoch nur dann Sinn machen, wenn Versicherer nicht zusätzlich überobligatorische Taggeldleistungen anbieten würden. Denn wäre dies der Fall, hätte man eine analoge Situation wie bei der beruflichen Vorsorge. Die berufliche Vorsorge versichert in der Regel auch den überobligatorischen Teil und benötigt dafür Gesundheitsdaten, in welche der Arbeitgeber oftmals auch Einblick erhält. Die Gefahr möglicher Diskriminierungen am Arbeitsplatz bliebe also bestehen. e. Schliesslich sei noch an die besondere Verantwortung der Ärzte erinnert, die dem Berufsgeheimnis nach Strafgesetzbuch unterstehen. Insbesondere liegt es an ihnen, die erwähnten Generalvollmachten der Versicherer nicht zu akzeptieren und sich mit den Patienten abzusprechen, welche Informationen weitergeleitet werden dürfen und welche nicht. Es geht dabei nicht nur um die Persönlichkeitsrechte der Patienten und um das Vertrauensverhältnis zwischen diesen und den Ärzten. Vielmehr ist die Verschwiegenheit der Ärzte im Interesse der Allgemeinheit und eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Gesundheitswesens 62. 60 Präsymptomatische (prädiktive) Diagnosen lassen Diagnosen lange vor dem Ausbruch der Krankheit zu (vgl. Bericht der Studiengruppe Forschung am Menschen: Gendiagnostik, Gentherapie, 2. Phase Juni 1996 Oktober 1997, Bundesamt für Bildung und Wissenschaft, S. 18). Fragen nach HIV-Positivität wären dann nicht mehr zulässig. 61 Präsymptomatische Untersuchungen umfassen nicht nur Erbkrankheiten, sondern auch erworbene Krankheiten (vgl. Vorentwurf für ein Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen, S. 87 und S. 258 259 zu Art. 23). 62 Vgl. auch BGE 87 IV 107.