Haemovigilance Workshop Bern, 20. März 2017 Leitfaden für die Qualitätssicherung in der Transfusionspraxis: Vorbereitung und Durchführung auf Station Lorenz Amsler,, Clinical Reviewer, Abteilung Arzneimittelsicherheit Swissmedic Schweizerisches Heilmittelinstitut Hallerstrasse 7 3000 Bern 9 Schweiz www.swissmedic.ch
Kapitelverantwortliche Kapitel 5,6,8,9 Vertreter der Hämovigilanz-Verantwortlichen Herr PD Dr. med. Robert Escher, Chefarzt Innere Medizin der RSE Spitäler Burgdorf und Langnau und Hämovigilanz- Verantwortlicher Spital Burgdorf Frau Dr. med. Giorgia Canellini, Chefärztin, Interregionale Blutspende SRK, Hämovigilanz-Verantwortliche CHUV und Wallis Review durch die ganze Arbeitsgruppe und durch die SVTM 2
Blutgruppen-Bestimmungen Die Pflegefachpersonen, die zwei unabhängige Blutentnahmen vor einer Transfusion durchführen, müssen am Patientenbett nochmals die Personalien überprüfen (Patienten fragen nach Name, Vorname, Geburtsdatum; falls im Spital eingesetzt, Patientenarmband überprüfen). Die Transfusionskommission oder die Institution, in welcher die Transfusion durchgeführt wird, regelt den Ablauf bei z.b. nicht ansprechbaren, verwirrten oder nicht identifizierbaren Patienten. 3
Near Miss Grad 3 (lebensbedrohlich) im 2016 Fehler Anzahl Wrong Blood in Tube (WBIT) 59 Diskrepante Blutgruppe 58 Laborfehler: Interpretation, Eingabe, LIS 8 Sonstige: Patienten-ID, Administration 5 Total 130 provisorische Zahlen 4
Prävention dank 2. Blutentnahme (Fast) Alle diese Fehler hätten zu einer ABO-Fehltransfusion* geführt, wenn sie nicht durch eine bestehende oder neue 2. Blutentnahme entdeckt worden wären. * ABO-inkompatible Fehltransfusion oder nur zufällig kompatibel 5
Underreporting / Dunkelziffer 45 40 35 30 25 20 15 10 5 Institutionen, welche NM melden 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2016: provisorische Daten 6
2 BG-Bestimmungen Für jede Transfusion von labilen Blutprodukten braucht es mindestens zwei Blutgruppenbestimmungen, um allfällige Verwechslungen aufzudecken. Falls die Blutgruppe noch nicht bekannt ist, sollen je eine vollständige Blutgruppenbestimmung an zwei unabhängig voneinander entnommenen Blutproben mit jeweils unabhängiger Patientenidentifikation durchgeführt werden. Das QS System regelt, welche auswärtigen Dokumente als BG- Bestimmungen akzeptiert werden. 7
Blutprodukte ausserhalb des Labors Die Blutprodukte werden auf der Abteilung rasch transfundiert. Wenn immer möglich, werden keine Blutprodukte ausserhalb der Laborräumlichkeiten gelagert. Sollte ein solches Lager nötig sein (z.b. auf Intensivstationen), muss es kontrolliert (z.b. vom QS Verantwortlichen) und von der Institution und/oder der Transfusionskommission bewilligt worden sein. Einmal vom Labor ausgelieferte Blutprodukte werden vom Labor nur zurückgenommen, wenn die Bedingungen der Leitlinien Inspektion von Blutlagern von Swissmedic Inspektorate erfüllt sind [7] 8
Verworfene Produkte (Meldungen 2016) Produkt Anzahl Kosten EK 221 50 000.- TK 19 30 000.- Plasma 127 20 000.- Diese Zahlen stellen nur einen Bruchteil der in der Schweiz verworfenen Produkte dar, da nur wenige Zentren diese Vorkommnisse melden. provisorische Zahlen Keine Rücknahme von EK ans Lager nach mehr als 30 Min., ausser aus temperaturüberwachten Kühlschränken; keine Rücknahme von aufgetautem Plasma - Voraussetzungen zur Rücknahme von EK ans Lager: - Ununterbrochene Lagerung in temperaturüberwachtem Kühlschrank - Ausgabestelle hat Einsicht in Wartungs- und Überwachungsprotokolle und trägt Verantwortung für das Produkt - Rücknahme und Wiederabgabe (inkl. Kontrollen) muss dokumentiert sein 9
Kontrolle vor der Transfusion Die Kontrollen der Patientenidentifikation und der Blutgruppe (auf Beutel und auf Dokumentation) erfolgt am Patientenbett und unmittelbar vor der Transfusion, in der Regel im 4-Augen-Prinzip. 10
Kontrolle vor der Transfusion: HV-Daten CH 12 10 8 6 4 2 Fehlerquellen bei ABO Fehltransfusionen (inkl. zufällig kompatibel) 0 2013 2014 2015 2016 Fehler bei Pat. ID beim letzten Arbeitsschritt Fehler sonstwo in der Tf Kette 2016 provisorische Zahlen 11
Kontrolle vor der Transfusion Ein elektronisches Patienten-Identifikationssystem kann als unabhängige Kontrolle im Rahmen der doppelten Kontrolle auf der Station vor der Verabreichung dienen. Die diplomierte Pflegefachperson (FH/HF) muss dabei zusätzlich zur elektronischen Kontrolle den Namen des Patienten aktiv erfragen. 12
Kontrolle vor der Transfusion Wenn das Blutprodukt in eine Spritze aufgezogen wurde (z.b. in der Neonatologie), muss die Kontrolle am Patientenbett mit Spritze, Blutbeutel und Patientenidentität gemacht werden. 13
ABO-Fehltransfusion, nur zufällig kompatibel: Grad 3 (lebensbedrohlich) Fallbeschreibung: Ein 5-jähriges Kind (AB-pos), wird auf der Intensivstation transfundiert. Die Pflegefachperson entnimmt dem korrekten AB-Beutel eine Spritze, um sie nach korrekter Kontrolle im 4-Augen-prinzip dem Kind zu verabreichen. Bis zum nächsten Teil der Transfusion wird der Beutel im temperaturüberwachten Kühlschrank gelagert. Die Spritze wird wieder gefüllt, aber von einem O-Beutel, welcher für ein anderes Kind bestimmt war, und ebenso im Kühlschrank lag. 14
Kontrolle vor der Transfusion Jede Ausnahme (z.b. nicht identifizierter, bewusstloser oder verwirrter Patient) wird sorgfältig schriftlich dokumentiert. Die Institutionen müssen dafür sorgen, dass auch dieses Risiko minimiert wird (z.b. zusätzliche elektronische Kontrollen von Produkt und Patient; Prüfung mit ABO-Blutgruppentest am Patientenbett (Bedside-Test usw.)). 15
Verabreichung der Transfusion und Überwachung Soweit möglich soll nachts auf Transfusionen verzichtet werden (Gefahr der verminderten Aufmerksamkeit bei der Transfusion). 16
Venöse Zugänge Die Transfusion von Blutprodukten kann grundsätzlich über einen venösen peripheren oder zentralen Zugang, einen intraossären Zugang oder über ein Portsystem verabreicht werden. 17
Venöse Zugänge: Andere Länder Netherlands: Blood Transfusion Guideline 2011 (National Users Board Sanquin Blood SupplyAdministration methods) In general, blood components can be administered safely via a peripheral indwelling catheter, a Central Venous Catheter (CVC), Peripherally Inserted Central Catheter (PICC) or Port-a-Cath. UK: Handbook of Transfusion Medicine (United Kingdom Blood Services 5th edition, 2013) Blood components can be transfused through most peripheral or central venous catheters, although the flow rate is reduced by narrow lumen catheters and long peripherally inserted central catheters (PICC lines). Deutschland: Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (2014) Die Transfusion erfolgt in der Regel über periphere Venen, möglichst über einen eigenen venösen Zugang. 18
Transfusionsgeschwindigkeit Die Transfusionsgeschwindigkeit ist entsprechend der klinischen Situation festzulegen und sollte beim erwachsenen und kreislaufstabilen Patienten die Maximalgeschwindigkeit von 4ml/Min. nicht überschreiten. Bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Volumenüberlastung (z.b. Alter >70 Jahre, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Hypalbuminämie, Überhydrierung) sollte die Geschwindigkeit auf 1ml/kg/Std. reduziert werden. 19
TACO ist die wichtigste vermeidbare TR 2016: 7 Grad 3/4 TACO Meldungen (provisorisch) 20
Überwachung Die Transfusion von Blutprodukten muss überwacht werden. Vor der Transfusion sollen die Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Temperatur und evtl. transkutane Sauerstoffsättigung) gemessen und der klinische Zustand des Patienten geprüft werden. Die klinische Überwachung soll für die ersten 15 Minuten engmaschig erfolgen. Danach sollten die Vitalparameter regelmässig während und nach dem Ende der Transfusion gemessen werden. Weitere Kontrollen sind bei Auftreten einer Reaktion und je nach klinischer Situation nötig. Die Kontrollen gelten für jeden Beutel neu. 21
Fragen? Danke an die meldenden Haemovigilance-Verantwortlichen und viele weiteren aufmerksamen und qualitätsbewussten Fachpersonen aus den Spitälern und Laboratorien 22