Realismus oder Antirealismus? Ein modales Kriterium. Lydia Mechtenberg

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Transkript:

Philosophie und/als Wissenschaft Proceedings der GAP.5, Bielefeld 22. 26.09.2003 Realismus oder Antirealismus? Ein modales Kriterium Lydia Mechtenberg Die nach wie vor heftige philosophische Debatte zwischen Realisten und Antirealisten ist nicht nur ein Streit darüber, welche der beiden Positionen die richtige ist, sondern auch ein vielstimmiger Chor von Antworten auf die Frage, anhand welcher Kriterien wir eigentlich Realismus und Antirealismus voneinander unterscheiden können. Dabei wirken zumindest auf den ersten Blick die Fronten so klar. Beginnen könnte alles mit einer Definition: Nennen wir die Beziehung zwischen einem Gegenstand und mindestens einem mit Sinnen und Verstand ausgestatteten Subjekt, die notwendig oder hinreichend dafür ist, daß mindestens dieses Subjekt den betreffenden Gegenstand bewußt wahrnimmt oder zum Bezugsgegenstand seiner Gedanken macht, eine epistemische Relation. Das, worauf sich dann alle Diskussionsteilnehmer noch einigen würden, wäre dieses: Jede philosophische These, die behauptet, daß bestimmte Gegenstände von irgendeiner epistemischen Relation in irgendeiner als ontologisch interpretierbaren Weise abhängig sind, ist eine antirealistische These über diese Gegenstände. Ebenso einig wäre man sich darüber, daß jemand, der die ontologische Unabhängigkeit bestimmter Gegenstände von allen denkbaren epistemischen Relationen postuliert, im Hinblick auf diese Gegenstände ein Realist ist. Zumindest in Bezug auf einen ontologischen Antirealismus und nur um einen solchen soll es hier gehen scheinen die philosophischen Intuitionen hinreichend klar zu sein. Umso erstaunlicher ist es, daß keines der diskutierten Kriterien der Unterscheidung zwischen Realismus und Antirealismus ausdrücklich auf der naheliegenden Frage beruht: Ist die fragliche philosophische These oder Theorie damit vereinbar, daß die Gegenstände der Art A, von denen sie handelt, auch in einer möglichen Welt existieren, in der sie in keiner epistemischen Relation zu erkennenden Subjekten stehen? Wenn eine philosophische These über bestimmte Gegenstände damit verträglich ist, daß diese Gegenstände auch existieren könnten, ohne Relatum einer epistemischen Relation zu sein, dann wäre es zumindest prima facie verfehlt, diese These als eine antirealistische These über die betreffenden Gegenstände zu bezeichnen wenigstens als realismusverträglich müßte man sie ansehen. Daher stellt sich die Aufgabe, das modale Kriterium der Unterscheidung zwischen Realismus und Antirealismus auf seine Tauglichkeit hin zu überprüfen. Die Anwendung dieses Kriteriums auf Thesen, die in der Literatur durchgehend als antirealistische Thesen bezeichnet werden auf Aussagen also, die das Bestehen eines begrifflichen Zusammenhangs zwischen bestimmten Gegenständen und epistemischen Relationen behaupten, der im Sinne einer ontologischen Abhängigkeit interpretierbar zu sein scheint zeitigt ein erstaunliches Ergebnis: In den meisten ihrer möglichen vernünftigen Interpretationen sind diese Thesen dem modalen Kriterium zufolge mit dem Realismus verträglich. Wenn dieses Ergebnis richtig ist, sind antirealistische philosophische Positionen sehr viel seltener,

als gemeinhin angenommen wird, und viele sogenannte Antirealisten haben sich auf der philosophischen Bühne einen vielleicht gar nicht existierenden Platz ausgesucht. 1. Das modale Kriterium und die These der begrifflichen Abhängigkeit Angenommen, ein gläubiger Kantianer behauptet: (These des Kantianers) Die Aussage (A) Jeder Gegenstand (d.h. alles, was existiert) ist ein Gegenstand menschlicher Erfahrung ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. 1 Prima facie wirkt die These des Kantianers was auch immer es genau besagen soll, daß etwas aus rein begrifflichen Gründen wahr ist wie die These eines Antirealisten. Läßt sich dieser Eindruck durch die Anwendung des modalen Kriteriums rechtfertigen? Dessen genauere Formulierung macht deutlich, weshalb es alles andere als offensichtlich ist, wie diese Frage beantwortet werden soll: (Modales Kriterium) Eine philosophische These über Gegenstände der Art A ist realismusverträglich in Bezug auf Gegenstände der Art A genau dann, wenn es mit der These verträglich ist, daß diese Gegenstände in einer möglichen Welt W(i) existieren, in der sie in keiner epistemischen Relation zu erkennenden Subjekten stehen. Anwendbar ist dieses modale Kriterium nur auf solche Aussagen, die selbst in der Semantik möglicher Welten formuliert sind und das ist die These des Kantianers eindeutig nicht. Sie muss daher zunächst modal interpretiert werden. Ihre modale Interpretation ist allerdings nicht eindeutig; vielmehr gibt es vier verschiedene Aussagen, die mit der These des Kantianers gemeint sein könnten 2 : Die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen: Die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung: Die Aussage (A1) Jeder Gegenstand in dieser Welt (d.h. alles, was in dieser Welt existiert) ist etwas, das in dieser Welt von Menschen erfahren wird ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. 3 1 2 3 Diese recht allgemeine These wird u.a. von der spezifischeren Annahme des Verifikationismus impliziert, die unter anderem besagt, daß ein Satz, dessen Wahrheitswert sich prinzipiell nicht feststellen läßt, auch keinen Wahrheitswert hat und somit nicht von existierenden Dingen oder Sachverhalten handelt. Einen solchen Verifikationismus vertritt heutzutage z.b. Michael Dummett. Vgl. Dummett 1991. Der Verifikationismus ist (vermutlich) auf die ersten beiden Varianten beschränkt. Der Ausdruck in dieser Welt soll hier und im folgenden nicht über verschiedene mögliche Welten variieren, sondern nur eine Welt die Welt, die tatsächlich existiert bezeichnen. 222

Die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A2) Jeder Gegenstand in dieser Welt (d.h. alles, was in dieser Welt existiert) ist etwas, das in irgendeiner möglichen Welt W(i) von Menschen erfahren wird ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Die Thesen von den möglichen Gegenständen: Die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A3) Jeder Gegenstand in einer beliebigen möglichen Welt W(i) (d.h. alles, was in der möglichen Welt W(i) existiert) wird in einer beliebigen möglichen Welt W(j) von Menschen erfahren ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Die spezielle These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A4) Jeder Gegenstand in einer beliebigen möglichen Welt W(i) (d.h. alles, was in der möglichen Welt W(i) existiert) wird in eben dieser möglichen Welt W(i) von Menschen erfahren ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Ob und inwieweit darf oder muß jemand, der sich zu einer dieser Aussagen bekennt, den Titel eines Antirealisten für sich in Anspruch nehmen? 2. Die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen Eine erste Entscheidung Angenommen, der Kantianer entschließt sich, die stärkste der ihm zur Auswahl stehenden Behauptungen zu machen und legt sich fest auf die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung. Wir verfügen nach seiner Ansicht nicht über die Begriffe, mit denen wir wahrheitsgemäß sagen könnten, daß es in unserer Welt etwas gibt, das wir in eben dieser Welt nie erfahren werden. Der Kantianer ist ein Verifikationist; und Verifikationisten gelten als Antirealisten. Sind sie es wirklich; und sind sie es in jedem Fall? Laut dem modalen Kriterium ist zumindest der Kantianer, der die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung vertritt, offensichtlich kein Antirealist. Seine Behauptung ist vielmehr realismusverträglich. Denn sie ist mit der Aussage vereinbar, daß die Dinge, die Gegenstände menschlicher Erfahrung in dieser Welt sind, zugleich Gegenstände in einer anderen möglichen Welt sind, in der sie durch niemanden je erfahren werden. Um in dieser Welt unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt zu fallen, müssen die Gegenstände in dieser Welt Gegenstände der Erfahrung in dieser Welt sein. Sie müssen jedoch, um unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt zu fallen, nicht Gegenstände der Erfahrung in jeder möglichen Welt sein, in der sie existieren, und 223

existieren daher (wenn nichts anderes dagegen spricht) auch in einer möglichen Welt, in der sie niemandes Erfahrung zugänglich sind. Ganz analog verhält es sich mit der These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung. Der Kantianer, der diese schwächere These vertritt, behauptet, es sei begrifflich wahr, daß nichts, was in keiner möglichen Welt von Menschen erfahren wird, tatsächlich existiert. Die häufig zu den Kerngedanken des Realismus gezählte Vermutung, es gäbe vielleicht etwas, das sogar die idealen möglichen Erkenntnisfähigkeiten der Menschheit übersteigt 4, wird auf diese Weise zurückgewiesen. Dennoch ist sie nach dem modalen Kriterium realismusverträglich: Sie ist verträglich mit der Annahme, daß die Gegenstände, die in dieser Welt existieren, sowohl in dieser als auch in anderen möglichen Welten von niemandem je erfahren werden. Bei diesem Ergebnis kann man es allerdings nicht bewenden lassen. Es muß untersucht werden, ob nicht die möglichen Begründungen dieser Thesen die eigentlich antirealistischen Aussagen beinhalten, so daß trotz der Entscheidung durch das modale Kriterium jemand, der eine der ersteren vertritt, als Antirealist bezeichnet werden muß. Es wird sich herausstellen, daß nur eine schlechte und de facto von keinem Philosophen vertretene Begründung für die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher oder möglicher Erfahrung dazu führt, daß der, der sich zu einer von ihnen bekennt, als Antirealist betrachtet werden kann. 3. Die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen Wege der Begründung Eine schlechte Begründung der These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung besteht in der selbst nicht weiter begründbaren Annahme, daß die Aussage (A1) deshalb begrifflich wahr ist, weil sie analytisch wahr ist: Der Begriff Gegenstand in dieser Welt enthält dieser Annahme zufolge den Begriff Gegenstand menschlicher Erfahrung in dieser Welt. Die Vermutung, es gebe in dieser Welt vielleicht etwas, das eventuell aus kontingenten Gründen niemals ein Mensch erfahren wird, einer der Lieblingsgedanken der real existierenden Realisten, ist demnach schlicht widersprüchlich. Ein real existierender Realist wird jedoch stets darauf bestehen, daß dieser Gedanke, ob er nun wahr ist oder nicht, jedenfalls ein sinnvoller Gedanke ist. Er wird darauf bestehen, weil ihm zufolge die Existenz der Gegenstände in dieser Welt ontologisch unabhängig von menschlicher Erfahrung oder anderen epistemischen Relationen ist und intuitiv betrachtet hängen diese beiden Gedanken zusammen; sie machen einander plausibel. Deshalb gerät der, der behauptet, (A1) sei analytisch wahr, mit einigem Recht in den Verdacht, ein Antirealist zu sein. Ähnlich wie die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung wird auch die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung zu einer für den real existierenden Realisten nicht annehmbaren Behauptung, sobald sie durch 4 Diese Position wird von dem radikalen Realisten Thomas Nagel gegen Donald Davidson verteidigt. Vgl. hierzu Nagel 1986 und Davidson 1984. 224

die Annahme begründet wird, die Aussage (A2) sei analytisch wahr und die Vermutung, es gäbe etwas alle idealen menschlichen Erkenntnismöglichkeiten Übersteigendes, sei schlicht widersprüchlich. Ein Philosoph, der eine der Thesen von den tatsächlichen Gegenständen durch die Annahme der Analytizität von (A1) beziehungsweise (A2) begründet, begründet sie jedoch überhaupt nicht: Eine starke Behauptung auf eine noch stärkere Behauptung zurück zu führen ergibt noch kein Argument jedenfalls kein gutes. Daher sollte man jemandem, der eine der Thesen von den tatsächlichen Gegenständen für gerechtfertigt hält, eine solche gedankliche Strategie erst gar nicht unterstellen. Anders zu bewerten ist die Behauptung, (A1) oder (A2) sei begrifflich wahr, ohne analytisch wahr zu sein. Zu der Aussage, (A1) sei begrifflich, nicht jedoch analytisch wahr, führt der Gedanke, es gehöre zu den Gesetzen sprachlicher Bezugnahme, daß alles, was unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt fällt, etwas ist, das aufgrund von Erfahrungen, die ein kompetenter Sprecher unserer Sprache in dieser Welt macht, unter diesen Begriff subsumiert wird. Nichts kann dieser Auffassung zufolge unter einen Begriff fallen, ohne daß es in dieser Welt irgendwann einmal unter den entsprechenden Begriff subsumiert wird; und niemand kann etwas, von dem er keine Erfahrung hat, unter einen Begriff subsumieren. 5 In diesem Fall ist der Gedanke, daß es in dieser Welt Gegenstände gibt, die in dieser Welt von niemandem je erfahren werden, widerspruchsfrei und sinnvoll denkbar. Er ist zwar nicht de re wahr denn jeder Gegenstand in dieser Welt, auf den er sich bezieht, ist bereits dadurch, daß er Gegenstand dieses Gedankens ist und somit unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt fällt, als ein Gegenstand menschlicher Erfahrung in dieser Welt ausgewiesen. Es ist jedoch nicht die ontologische Beschaffenheit dieser Welt, sondern eine Besonderheit der Bezugnahme mit Begriffen unserer Sprache, die für die fehlende Wahrheit de re dieses Gedankens verantwortlich ist. 6 Wahrheit de re ist eine Eigenschaft, die man nicht in jedem Fall von philosophischen Thesen fordern sollte. Der Gedanke, daß es Dinge gibt, die wir nie erfahren werden, kann zu diesen Thesen gezählt werden. Er ist ein Gedanke, den man, zumindest wenn man an die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrungen glaubt, fairerweise nur de dicto, nicht de re interpretieren sollte. Es dürfte genügen auch dem Realisten daß dieser Gedanke widerspruchsfrei und gehaltvoll ist, denn das ist viel für einen Gedanken, der sich per definitionem nicht verifizieren läßt. Wenn er nicht mehr als diese Forderung erfüllen muß, so ist der Gedanke, es gebe etwas, das von uns Menschen nie erfahren wird, mit der These von den tatsächlichen 5 6 Diese Begründung der Kantischen These ist eine referenztheoretische Alternative zur verifikationistischen Bedeutungstheorie, die behauptet, ein nicht verifizierbarer Satz sei ipso facto sinnlos. Die referenztheoretische Begründung ist die bessere, da sie, anders als die verifikationistische Bedeutungstheorie, unter keinen Umständen Gefahr läuft, sich selbst als sinnlos zu disqualifizieren. Dieses Argument beruht offensichtlich auf der Annahme, daß das Bivalenzprinzip für sinnvolle Aussagen falsch ist, d.h. daß es auch sinnvolle und de re leere Aussagen geben kann. Die Akzeptanz des Bivalenzprinzips wird somit unter bestimmten Umständen zum Kennzeichen des Antirealisten und ist nicht, wie Dummett argumentiert, hinreichend (oder auch nur notwendig) für den Realismus. 225

Gegenständen tatsächlicher Erfahrung vereinbar. Der Intuition, diese These sei trotz der gegenteiligen Entscheidung des modalen Kriteriums im Grunde eine antirealistische Behauptung, kann somit der Rang einer philosophischen Einsicht zu Recht verweigert werden. Dasselbe gedankliche Vorgehen rettet auch die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung vor dem Einwand, sie müsse trotz der gegenteiligen Entscheidung des modalen Kriteriums aus den denkbaren Bekenntnissen real existierender Realisten gestrichen werden. Will ein Kantianer die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung verteidigen, so kann (und sollte) er argumentieren, daß ein Begriff sich nur dann auf einen Gegenstand A in dieser Welt bezieht, wenn es in einer möglichen Welt einen Verwender dieses Begriffes gibt, der A unter den betreffenden Begriff subsumiert, was diesem wiederum nur deshalb gelingt, weil er (in der betreffenden möglichen Welt) Erfahrung von A hat. Begriffliche Bezugnahme, so das Argument, ist abhängig von den (gegebenenfalls idealisierten) denkbaren Möglichkeiten der Subsumtion und somit von den denkbaren Möglichkeiten menschlicher Erfahrung sie ist nicht eine von allen vorstellbaren sprachlichen und epistemischen Handlungen unabhängige Beziehung zwischen Begriff und Gegenstand. So verteidigt, läßt die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung die Widerspruchsfreiheit der Vermutung zu, in dieser Welt gebe es etwas, das alle idealen möglichen Erkenntnisfähigkeiten des Menschen übersteigt. Allerdings ist diese Vermutung wiederum, obgleich sie ein sinnvoller Gedanke sein mag, nicht de re wahr, da sie aus begrifflichen Gründen von nichts in dieser Welt wahr sein kann. Begriffliche Bezugnahme, die durch die Bezugnahme dieses Gedankens auf etwas in der Welt vorausgesetzt werden würde, ist nur auf solche Dinge möglich, von denen dieser Gedanke gerade nicht wahr ist. Dies ist jedoch wie im Fall der Vermutung der Existenz von Dingen, die unsere faktische Erfahrung stets übersteigen werden, eine Besonderheit der Bezugnahme mit Begriffen unserer Sprache und nicht eine Besonderheit dessen, was es in dieser Welt gibt. Es ist durchaus ein sinnvoller Gedanke, daß sich unsere Begriffe nicht auf alles, was es in dieser Welt gibt, beziehen können also auch nicht auf Dinge, die selbst die idealisierte mögliche Erfahrung des Menschen übersteigen. Die traditionell als realistisch bezeichnete Vermutung, es gebe etwas, das prinzipiell unmöglich von Menschen erfahren werden kann, ist, wenn sie als ein Gedanke de dicto interpretiert wird, mit der These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung vereinbar. Daher ist die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung realismusverträglich. 4. Die Verschärfung des modalen Kriteriums Zugegeben: Die bisherigen Ergebnisse mögen vorschnell sein. Denn das modale Kriterium in seiner intuitiven Formulierung ist ungenau. Unklar ist, welche Eigenschaften die Gegenstände der Art A in einer möglichen Welt W(i) mit den Gegenständen der Art A in der tatsächlichen Welt gemeinsam haben müssen, damit davon die Rede sein kann, 226

daß es sich um dieselben Gegenstände oder zumindest um dieselbe Art A der betreffenden Gegenstände handelt. 7 Solange dieser Punkt nicht weitergehend geklärt ist, kann unter einer bestimmten Bedingung nahezu jede philosophische These, obgleich sie eine eindeutig ontologische Abhängigkeit bestimmter Gegenstände von epistemischen Relationen behauptet, als realismusverträglich bezeichnet werden. Ich möchte diese Schwäche des modalen Kriteriums anhand eines Beispiels erläutern. Betrachtet werden soll die Auffassung, daß alle Eigenschaften makroskopischer Dinge, also beispielsweise Eigenschaften von Tischen, Taschen und Tollkirschen, auf die Inhalte unserer Wahrnehmungen dieser Dinge reduziert werden können. Sie sind dieser These zufolge nichts weiter als Inhalte von Repräsentationen und daher in ihrer Existenz von diesen Repräsentationen abhängig. Es ist nicht nur der Fall, daß alle diese Gegenstände zufällig Inhalte unserer Wahrnehmung sind, aus vollständig kontingenten Gründen, ebenso zufällig, wie es geschehen kann, daß in einem Würfelspiel ein Spieler bis zum Ende des Spiels immer nur eine Sechs würfelt, und daß deshalb gilt, daß sie nur dann existieren, wenn sie repräsentiert werden. Denn in diesem Fall wäre nichts darüber gesagt, ob die Dinge nicht einer Cartesischen Metaphysik gemäß auch als etwas existieren, das kein Wahrnehmungsinhalt ist und als das sie auch dann existieren könnten, wenn sie keine Wahrnehmungsinhalte wären. 8 Diese Auffassung wäre nun wahrlich nicht als ein Antirealismus zu bezeichnen. Nein, es gilt mehr: Würden die Dinge nicht repräsentiert werden, gäbe es sie nicht. Ohne Zweifel verkündet diese These, die ich im folgenden die Idealismusthese nennen werde, eine starke Form ontologischer Abhängigkeit instantiierter Eigenschaften von einer epistemischen Relation (nämlich der Relation, die durch den Begriff x ist der Inhalt einer Repräsentation eines menschlichen Subjekts y repräsentiert wird). Doch unangesehen dessen ist die Idealismusthese dem modalen Kriterium zufolge unter einer bestimmten Bedingung mit dem Realismus verträglich. Sie ist unter dieser bestimmten Bedingung vereinbar mit der Annahme, daß die Eigenschaften der makroskopischen Dinge, obgleich sie in dieser Welt nicht existieren könnten, wenn sie in dieser Welt nicht Wahrnehmungsinhalte wären, in einer möglichen Welt W(i) ganz anderen Existenzbedingungen unterliegen: In W(i) könnten sie auch dann existieren, wenn sie in W(i) keine Inhalte von Wahrnehmungen (oder anderen Repräsentationen) 7 8 Auf die Probleme, die die Annahme von Querweltenidentitäten mit sich bringt, kann ich an dieser Stelle aus Platzgründen nicht eingehen. Man ist auf diese Annahme verpflichtet, wenn man das modale Kriterium als Unterscheidungskriterium zwischen Realismus und Antirealismus akzeptiert. Die meiner Ansicht nach sinnvollste Interpretation einer Querweltenidentität ist die, daß die Behauptung, ein Gegenstand A in einer Welt W(i) sei mit einem Gegenstand B in der Welt W(j) identisch (mit i j), das kontrafaktische Konditional ausdrückt, daß A auch dann A wäre, wenn es die Eigenschaften hätte, die wir dem Gegenstand B zuschreiben. Daß sich Gesetze von akzidentellen Generalisierungen dadurch unterscheiden, daß sich aus einem Gesetz, nicht jedoch aus einer akzidentellen Generalisierung eine kontrafaktische Aussage ableiten läßt, ist eine anerkannte These. Zur Begründung dieser These vgl. Sharpe 1971. 227

wären; und deshalb gilt in W(i), daß es eine mögliche Welt W(i*) gibt, in der alle diese Dinge existieren, ohne Wahrnehmungsinhalte zu sein. Die Bedingung, unter der dies gilt, ist die, daß nicht jede Möglichkeitsaussage erster Stufe in eine entsprechende Möglichkeitsaussage zweiter Stufe umgewandelt werden kann. Daß es in unserer Welt nicht möglich ist, daß p, bedeutet eben nicht, daß es generell unmöglich ist, daß es möglich ist, daß p. Was diese Bedingung leistet, ist nichts anderes als die Zulassung von möglichen Welten, in denen andere kontrafaktische Konditionale also beispielsweise auch andere Naturgesetze Geltung haben als in der tatsächlichen Welt. 9 Kontrafaktische Konditionale der Form Wäre F nicht G, wäre F auch nicht H sind unter dieser Bedingung nicht mit Möglichkeitsaussagen der allgemeinen Form In einer beliebigen möglichen Welt, in der F nicht G ist, ist F auch nicht H äquivalent, sondern behaupten nur die Geltung eines Gesetzes für diese Welt. Sollen die kontrafaktischen Aussagen in Möglichkeitsaussagen übersetzt werden, so dürfen sich letztere nur auf bestimmte mögliche Welten beziehen, nämlich auf diejenigen möglichen Welten, in denen die gleichen Gesetze gelten wie in der unsrigen. Der Begriff des Gesetzes ist dann ein nicht weiter erläuterter Grundbegriff für das, was in unserer Welt kontrafaktische Aussagen also Möglichkeitsaussagen erster Stufe wahr macht. Wäre F nicht G, wäre F auch nicht H heißt dann dasselbe wie In keiner möglichen Welt, in der dieselben Gesetze gelten wie in der wirklichen Welt, und in der F nicht G ist, ist F H. Eine naturgesetzliche Existenzbedingung für Gegenstände der Art A ließe sich somit so formulieren: Wären die Gegenstände der Art A nicht F, so würden sie nicht existieren. In keiner möglichen Welt, in der dieselben Gesetze gelten wie in der unsrigen, gibt es A-Gegenstände, die nicht F sind. Die Idealismusthese kann als die Behauptung gelesen werden, daß in unserer Welt ein Gesetz gilt, aufgrund dessen alle Dinge nur als Wahrnehmungsinhalte existieren können. Doch dann ist nichts darüber gesagt, ob es nicht andere mögliche Welten gibt, in denen dieses Naturgesetz keine Geltung hat, in denen jedoch dieselben Dinge existieren wie in der tatsächlichen Welt nur eben unter anderen naturgesetzlichen Existenzbedingungen. Daher muß das modale Kriterium verbessert werden, so daß es auch dann sinnvoll anwendbar ist, wenn man mögliche Welten zuläßt, in denen andere Gesetze gelten als in der tatsächlichen Welt: (Verschärftes modales Kriterium) Eine philosophische These über Gegenstände oder Eigenschaften der Art A ist realismusverträglich in Bezug auf Gegenstände oder Eigenschaften der Art A genau dann, wenn es mit der These verträglich ist, daß diese Gegenstände oder Eigenschaften in einer möglichen Welt W(i) existieren, in der sie denselben naturgesetzlichen Existenzbedingungen unterliegen wie in der tatsächli- 9 Nicht jedes modallogische Modell hat diese Eigenschaft. So kann der beschriebene Fall, daß ein bestimmtes Objekt zwar in dieser Welt, nicht jedoch in jeder anderen möglichen Welt mit Wahrnehmungsinhalten identisch ist, nur in sogenannten KI-Systemen beschrieben werden (d.h. genauer in den Modellen T+KI, S4+KI und S5+KI). 228

chen Welt und in der sie in keiner epistemischen Relation zu erkennenden Subjekten stehen. Nun hat das modale Kriterium der Realismusverträglichkeit eine schärfere Schneide bekommen. Gegen das weiter oben erzielte Ergebnis, die beiden Thesen von den tatsächlichen Gegenständen seien, vernünftig begründet, mit dem Realismus verträglich, ist nun ein Einwand möglich geworden, der darauf abzielt, daß diese Thesen durch einen sauberen Schnitt mit dem verschärften modalen Kriterium vom Realismus getrennt werden können. Laut dem verschärften modalen Kriterium, so der Einwand, beweist die Verträglichkeit einer These T mit der Annahme, daß die Dinge, von denen sie handelt, auch in einer möglichen Welt existieren, in der sie in keinen epistemischen Relationen zu erkennenden Subjekten stehen, die Realismusverträglichkeit von T nur dann, wenn in der betreffenden möglichen Welt dieselben naturgesetzlichen Existenzbedingungen herrschen wie in der tatsächlichen Welt. Naturgesetzliche Existenzbedingungen jedoch sind nichts weiter als das, was Aussagen folgender Form wahr macht: Wären Gegenstände der Art A nicht F, so würden sie nicht existieren. Gilt nun aber nicht, daß die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher oder möglicher Erfahrung auch dann, wenn sie vernünftig begründet werden, das Erfahren-Werden zu einer so verstandenen naturgesetzlichen Existenzbedingung der Gegenstände in dieser Welt erklären? Das entsprechende Argument sieht im Fall der These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung folgendermaßen aus: (1) Die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung besagt: Wenn x kein Gegenstand menschlicher Erfahrung in dieser Welt wäre, fiele x nicht unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt. (2) Nun gilt jedoch: Wenn x nicht unter den Begriff Gegenstand in unserer Welt fiele, wäre x auch kein Gegenstand in dieser Welt. (3) Aus der These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung und Prämisse (2) folgt: Wenn x kein Gegenstand menschlicher Erfahrung in dieser Welt wäre, wäre x auch kein Gegenstand in dieser Welt. (3 ) Es gilt also in dieser Welt: Wenn x kein Gegenstand menschlicher Erfahrung wäre, wäre x auch kein Gegenstand, existierte also nicht. (4) Die Existenzbedingung (3 ) ist naturgesetzlich im weiter oben erklärten Sinne und muß daher in allen für die Anwendung des verschärften modalen Kriteriums relevanten möglichen Welten gelten. (5) Folglich gibt es keine mögliche Welt, in der dieselben naturgesetzlichen Existenzbedingungen herrschen wie in der tatsächlichen Welt und in der die Gegenstände, die in unserer Welt Gegenstände menschlicher Erfahrung sind, existieren, ohne von jemandem erfahren zu werden. Die These von den tatsächlichen Gegenständen tat- 229

sächlicher Erfahrung wird somit vom verschärften modalen Kriterium dem Antirealismus zugeordnet. Analog funktioniert das Argument dafür, daß auch die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung auf die Seite des Antirealismus gehört. Dieser Einwand gegen die Überzeugung, die beiden Thesen von den tatsächlichen Gegenständen verhielten sich dem Realismus gegenüber vollkommen zahm, ist genau dann erfolgreich, wenn seine beiden Prämissen (1) und (2) berechtigt sind. Nun ist weder die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung, noch die These von den tatsächlichen Gegenständen möglicher Erfahrung ein kontrafaktisches Konditional oder eine andere Aussage, die ausdrücklich naturgesetzliche Existenzbedingungen für die Gegenstände dieser Welt behaupten soll. Daher kommt es bei der Beurteilung des Einwands wenigstens teilweise auf Plausibilitätsüberlegungen an, die, wenn möglich, zugunsten dessen angestellt werden sollen, der den Einwand vorbringt. Jemand, der die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung auf die einzig denkbare vernünftige Weise begründet, indem er die Aussage (A1) für begrifflich, nicht jedoch analytisch wahr hält, argumentiert, es gehöre zu den Gesetzen der sprachlichen Bezugnahme, daß alles, was unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt fällt, etwas ist, das aufgrund von Erfahrungen, die ein kompetenter Sprecher unserer Sprache in dieser Welt macht, unter den Begriff subsumiert wird. Ebenso wie Naturgesetze müssen auch Gesetze der sprachlichen Bezugnahme kontrafaktisch formuliert werden in ihrem Geltungsanspruch unterscheiden sie sich in nichts von Naturgesetzen; denn ebenso wenig wie die Naturgesetze können wir die Gesetze der sprachlichen Bezugnahme brechen oder gar verändern. Daher ist die erste Prämisse des Einwands richtig. Die alles entscheidende Frage ist nun, ob auch dessen zweite Prämisse eine Aussage ist, die von jemandem, der die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung verteidigen möchte, akzeptiert werden muß. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn er den objektsprachlichen Begriff Gegenstand in dieser Welt mit dem metasprachlichen Begriff etwas, das unter den Begriff Gegenstand in dieser Welt fällt nicht nur für extensionsgleich, sondern auch für bedeutungsgleich hielte. Doch ganz abgesehen davon, daß diese Annahme ad hoc und unplausibel wäre, gibt es nichts, was den Vertreter der These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung auf sie verpflichten würde. Die Aussage (2) wird auch durch die Auffassung impliziert, daß Eigenschaften nichts weiter sind als Inhalte von Begriffen, und daß die Instantiierung von Eigenschaften durch beliebige Gegenstände nichts weiter ist als die Instantiierung von Begriffen durch diese Dinge und zwar in allen möglichen Welten. Zwar hat der Begriff F oder etwas, das F ist diesem Ansatz nach nicht unbedingt dieselbe Bedeutung wie der Begriff etwas, das unter den Begriff F fällt ; aber dennoch sind diese beiden Begriffe in allen möglichen Welten koextensional, wenn die Identität von Eigenschaften mit Begriffen eine in diesem strengen Sinne notwendige Identität ist. 230

Für sich genommen ist diese Sicht der Dinge nicht antirealistisch, denn die Beziehung zwischen Begriffen und Einzeldingen die Instantiierung von Begriffen durch Einzeldinge kann durchaus als etwas konzipiert werden, das völlig unabhängig von den kognitiven Leistungen eines erkennenden Subjekts stattfindet und von diesem nur erkannt, nicht jedoch konstituiert werden kann. Bekannt ist diese Auffassung als die These von der begrifflichen Strukturiertheit der Welt. Die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung jedoch macht diesen Zug unmöglich; denn ihre einzige einsichtige Begründung besagte ja gerade, daß die Instantiierung von Begriffen durch Gegenstände eben nicht unabhängig von den kognitiven Leistungen erkennender Subjekte stattfinden kann. Dennoch ist jemand, der die These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung behauptet, nicht unbedingt ein Antirealist. Denn nichts verpflichtet ihn auf die Auffassung, daß (instantiierte) Eigenschaften (instantiierte) Begriffe sind. Er kann ebenso gut annehmen, daß Eigenschaften dasjenige sind, auf das Begriffe sich beziehen, und daß Begriffe sich folglich auf Einzeldinge dadurch beziehen, daß sie sich auf deren Eigenschaften beziehen eine im übrigen sehr vernünftige Behauptung, da sie die Annahme möglich macht, daß sich zwei inhaltlich verschiedene Begriffe auf dieselbe Eigenschaft beziehen können. Offensichtlich gibt es zwischen der zweiten Prämisse des Einwands der Aussage, daß etwas, wenn es nicht unter den Begriff des Gegenstands in dieser Welt fiele, auch kein Gegenstand in dieser Welt wäre und der These von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher Erfahrung per se keinen argumentativen Zusammenhang. Dann jedoch hat der Einwand keinen Erfolg. Dennoch ist er von großer Bedeutung. Seine Diskussion hat gezeigt, daß eine philosophische Position, die aus einer Konjunktion von Thesen über den Zusammenhang zwischen Begriffen und der Welt besteht, auch dann antirealistisch sein kann, wenn keine der konjugierten Thesen für sich genommen antirealistisch ist. Eine abschließende Bewertung einer philosophischen Position in Bezug auf die Realismus-Antirealismus- Debatte läßt sich, das zumindest ist deutlich geworden, nur dann vornehmen, wenn alle in ihr und ihrer (bestmöglichen) Begründung enthaltenen expliziten und impliziten Annahmen über die zugrunde zu legende modale Semantik und das Verhältnis von Eigenschaften und Begriffen bekannt sind. 5. Die Thesen von den möglichen Gegenständen eine vermeidbare Verwechslung Klein auf terminologischer, groß auf inhaltlicher Ebene ist der Unterschied zwischen der allgemeinen These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung und der entsprechenden speziellen These. Zur Erinnerung seien beide Thesen noch einmal angeführt: 231

Die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A3) Jeder Gegenstand in einer beliebigen möglichen Welt W(i) (d.h. alles, was in der möglichen Welt W(i) existiert) wird in einer beliebigen möglichen Welt W(j) von Menschen erfahren ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Die spezielle These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A4) Jeder Gegenstand in einer beliebigen möglichen Welt W(i) (d.h. alles, was in der möglichen Welt W(i) existiert) wird in eben dieser möglichen Welt W(i) von Menschen erfahren ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Beide Behauptungen können gemeint sein, wenn ein Philosoph wie beispielsweise Kant behauptet 10, es sei begrifflich wahr, daß ein möglicher Gegenstand stets auch ein Gegenstand möglicher (menschlicher) Erfahrung ist. Die Alltagssprache erlaubt keinen terminologischen Unterschied zwischen der allgemeinen und der speziellen These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung. Dennoch ist es für die Bewertung der Behauptung im Hinblick auf die Realismus-Antirealismus-Debatte ausschlaggebend, ob die allgemeine oder die spezielle These gemeint ist. Die Anwendung des (verschärften) modalen Kriteriums macht dies deutlich: Die spezielle These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung muß ein Antirealist vertreten, denn sie ist nicht mit der Annahme verträglich, daß (mögliche) Gegenstände menschlicher Erfahrung auch in einer möglichen Welt existieren, in der sie, denselben Gesetzen gehorchend wie in der tatsächlichen Welt, nicht Gegenstände menschlicher Erfahrung sind. Anders die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Da sie i j zuläßt, ist sie mit eben dieser Annahme vereinbar. Wie kann man nun erkennen, ob ein Satz wie Es ist begrifflich wahr, daß mögliche Gegenstände stets auch Gegenstände möglicher menschlicher Erfahrung sind die spezielle oder die allgemeine These repräsentieren soll? Die einzige Strategie, diese Frage zu beantworten, besteht in dem Versuch, die Begründbarkeit der allgemeinen These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung mit der Begründbarkeit der speziellen These zu vergleichen. Ohnehin muß untersucht werden, ob die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung sich für den Fall i j überhaupt sinnvoll begründen läßt und somit nicht nur auf der terminologischen, sondern auch auf 10 In KrV, A 596/B 624 schreibt Kant: Der Begriff ist allemal möglich, wenn er sich nicht widerspricht. Das ist das logische Merkmal der Möglichkeit, und dadurch wird sein Gegenstand vom nihil negativum unterschieden. Allein er kann nichtsdestoweniger ein leerer Begriff sein, wenn die objektive Realität [des Begriffs, d. Verf.] ( ) nicht besonders dargetan wird; welches aber jederzeit ( ) auf Prinzipien möglicher Erfahrung und nicht auf dem Grundsatze der Analysis (dem Satze des Widerspruchs) beruht. Das ist eine Warnung, von der Möglichkeit der Begriffe (logische) nicht sofort auf die Möglichkeit der Dinge (reale) zu schließen. 232

der inhaltlichen Ebene ein Unterschied zwischen der allgemeinen und der speziellen These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung besteht. Die bestmögliche Begründung für die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung lautet ähnlich wie die bestmöglichen Begründungen für die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen. Wenn wir beispielsweise sagen, daß Einhörner möglich sind, dann meinen wir, es sei weder durch den Inhalt des Begriffs Einhorn, noch durch die Gesetze der begrifflichen Bezugnahme ausgeschlossen, daß der Begriff Einhorn sich auf etwas bezieht. Was wir sagen wollen, ist: Es gibt eine mögliche Welt, in der sich der Begriff Einhorn auf etwas bezieht. Nun gelten aber in jeder möglichen Welt dieselben Gesetze begrifflicher Bezugnahme, wenn es um die Bezugnahme unserer Begriffe geht. In einer möglichen Welt, in der andere Gesetze begrifflicher Bezugnahme gelten als in unserer Welt, fallen die Dinge nicht unter unsere Begriffe, d.h. sie fallen dort nicht unter die Begriffe, über die wir in dieser Welt verfügen. In der wirklichen Welt gilt jedoch, daß sich ein gegebener Begriff nicht auf seinen Gegenstand bezöge, wenn dieser nicht aufgrund der Erfahrung, die jemand von ihm hat, unter seinen Begriff subsumiert werden würde (oder könnte). Eben dies gilt also in allen möglichen Welten, in denen etwas unter die Begriffe fällt, über die wir in der tatsächlichen Welt verfügen. Daher gilt in jeder möglichen Welt, in der ein Einhorn unter den Begriff Einhorn fällt, daß es in eben dieser möglichen Welt von jemandem erfahren werden muß. Nun besagte jedoch erklärtermaßen die Aussage, daß Einhörner möglich sind, nichts weiter als die Aussage, daß es eine mögliche Welt gibt, in der sie unter den Begriff Einhörner fallen. Ein Gegenstand, der die Eigenschaft hat, ein Einhorn zu sein, ist genau dann möglich, wenn es möglich ist, daß er unter den Begriff Einhorn fällt. In die Semantik möglicher Welten übersetzt, heißt das: Die Aussage, daß Einhörner in mindestens einer möglichen Welt W(i) existieren (daß sie möglich sind), besagt nichts weiter als die Aussage, daß sie in einer möglichen Welt W(j) unter den Begriff Einhorn fallen (daß es möglich ist, daß sich Einhorn auf etwas bezieht). Aus dieser Aussage und der Annahme, daß ein Einhorn in jeder möglichen Welt, in der es unter den Begriff Einhorn fällt, von jemandem erfahren werden muß, folgt, wenn man von dem Beispiel absieht und statt von Einhörnern allgemein von Gegenständen redet, unmittelbar die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung: Die Aussage (A3) Jeder Gegenstand in einer beliebigen möglichen Welt W(i) (d.h. alles, was in der möglichen Welt W(i) existiert) ist in einer beliebigen möglichen Welt W(j) ein Gegenstand menschlicher Erfahrung ist aus rein begrifflichen Gründen wahr. Doch noch ist die Frage offen, ob unter der Voraussetzung dieser Begründung der Fall i j sinnvoll zugelassen werden kann. Der Fall i j ist der Fall, in dem um zu dem 233

Beispiel zurückzukehren Einhörner auch in einer möglichen Welt W(i) existieren, in der sie nicht unter den Begriff Einhorn fallen. Entscheidend ist wieder, wie das Verhältnis zwischen Eigenschaften und Begriffen modelliert wird. Genau dann, wenn angenommen wird, daß instantiierte Eigenschaften instantiierte Begriffe sind (und zwar die Instantiierungen der Begriffe, über die wir in der tatsächlichen Welt verfügen), ist der Fall i j ausgeschlossen und die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung besagt nichts anderes als die antirealistische spezielle These. Doch kein Schritt in der oben angeführten Begründung für die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung verpflichtet auf diese Auffassung. Ebenso wie die Thesen von den tatsächlichen Gegenständen tatsächlicher oder möglicher Erfahrung kann auch die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung in gut begründeter Weise zusammen mit der Annahme vertreten werden, daß Eigenschaften nicht Begriffe, sondern dasjenige sind, auf das sich Begriffe beziehen wenn sie sich auf etwas beziehen. Wird diese Annahme akzeptiert, so wird durch die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung die folgende Position zusammengefaßt: Es existiert nur dann eine mögliche Welt mit einem Gegenstand, der die Eigenschaft hat, ein Einhorn zu sein, wenn auch eine mögliche Welt existiert, in der dieses Einhorn ebenfalls vorkommt, und in der es unter den Begriff Einhorn fällt. Diese letztgenannte mögliche Welt muß aufgrund der für Begriffe unserer Sprache geltenden Gesetze der Bezugnahme jemanden beinhalten, der Erfahrung von dem Einhorn hat. Da aber in allen möglichen Welten, in der dieselben Gesetze (sprachlicher Bezugnahme) gelten wie in der unsrigen, die Eigenschaft, ein Einhorn zu sein, zwar notwendig, nicht aber hinreichend für die Eigenschaft ist, unter den Begriff Einhorn zu fallen, ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß Einhörner auch in einer möglichen Welt existieren, in der sie von niemandem erfahren werden sofern sie eben nur auch in einer anderen möglichen Welt existieren, in der sie erfahren werden. Es gibt also eine gute Begründung für die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung, die garantiert, daß diese These inhaltlich von der antirealistischen speziellen These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung verschieden sein kann und sowohl dem verschärften modalen Kriterium, als auch unseren philosophischen Intuitionen zufolge mit dem Realismus verträglich ist. Falls ein Philosoph diese oben skizzierte Begründung im Hinterkopf hat, wenn er behauptet, daß mögliche Gegenstände aus begrifflichen Gründen stets auch Gegenstände möglicher (menschlicher) Erfahrung sind, dann ist er kein Antirealist. Falls ein Philosoph, der eben dies behauptet, jedoch zugleich der Auffassung ist, daß instantiierte Eigenschaften mit instantiierten Begriffen identisch und zwar notwendig identisch sind, dann vertritt er einen Antirealismus, der stärker nicht sein könnte: Er behauptet dann, daß es keine mögliche Welt gibt, in der irgendetwas existiert, ohne von 234

jemandem (einem Menschen oder zumindest einem Sprecher unserer Sprache) erfahren zu werden. 11 Die These, daß mögliche Gegenstände aus begrifflichen Gründen stets auch Gegenstände möglicher (menschlicher) Erfahrung sind, ist also für sich genommen mit dem Realismus vereinbar. Allein die philosophische Position dessen, der sie gegebenenfalls vertritt, kann nur dann im Hinblick auf die Realismus-Antirealismus-Debatte bewertet werden, wenn bekannt ist, ob der betreffende Philosoph instantiierte Eigenschaften für notwendig identisch mit instantiierten Begriffen hält oder ob er glaubt, daß instantiierte Eigenschaften dasjenige sind, auf das sich Begriffe beziehen wenn sie sich auf etwas beziehen. Wie auch im Fall der beiden Thesen von den tatsächlichen Gegenständen ist es diese Frage, deren Antwort entscheidend dafür ist, ob die allgemeine These von den möglichen Gegenständen möglicher Erfahrung das Bekenntnis eines Antirealisten ist oder nicht. Literatur D. Davidson, On the Very Idea of a Conceptual Scheme. In: Ders. Inquiries into Truth and Interpretation, Oxford 1984, S. 183 198. M. Dummett, Realism and the Theory of Meaning. In: Ders. The Logical Basis of Metaphysics, Cambridge (Mass.) 1991, Kap. 15. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Orig.-Ausg. hrsg. von Raymund Schmidt, Hamburg 1990. T. Nagel, Thought and Reality. In: Ders. The View from Nowhere, Oxford 1986, Kapitel VI, Abschnitte 1 und 2. M. Willaschek (Hrsg.), Realismus, Paderborn 2000. R. A. Sharpe, Laws, Coincidences, Counterfactuals and Counter-Identicals. In: Mind, 1971, Bd. 80, S. 572 582. 11 Es ist wichtig zu sehen, daß die als antirealistisch geltende Auffassung, daß bestimmte Sachverhalte nur relativ auf unser menschliches Begriffsschema existieren, nicht auf die Gleichsetzung von instantiierten Eigenschaften mit instantiierten Begriffen verpflichtet ist. Denn zum einen kann diese Auffassung auch besagen, daß wir nicht in der Lage sind, sinnvoll eine mögliche Welt zu beschreiben, in der Dinge existieren, die in keiner möglichen Welt unter die Begriffe fallen, über die wir in der wirklichen Welt verfügen. Es handelt sich in dem Fall um die Behauptung Davidsons, daß wir ein radikal von dem unsrigen verschiedenes Begriffsschema nicht sinnvoll für möglich halten können. Diese These ist nach dem verschärften modalen Kriterium durchaus realismusverträglich. Zum anderen kann auch gemeint sein, daß etwas genau dann existiert, wenn es zum Modell einer wahren Theorie in einer beliebigen Sprache gehört, und daß es nur als Bestandteil dieses Modells existiert. Was genau das besagen soll, mag zwar unklar sein doch eben wegen dieser Unklarheit ist diese Aussage weder hinreichend für eine Identifikation von Eigenschaften mit Begriffen, noch als antirealistische These bewertbar. 235