In 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG wird Arbeitnehmerüberlassung erstmals gesetzlich definiert. Es wird an die Eingliederung in die Arbeitsorganisation

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Transkript:

ARBEITS-, SOZIAL- UND TARIFRECHT A 023/2017 vom 23.02.2017 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) Änderungen ab 1. April 2017 Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze tritt mit Änderungen aufgrund von Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 1. April 2017 in Kraft. Die Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sowie im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) können der von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erstellten Fassung mit roten Hervorhebungen geänderter Passagen entnommen werden, welche als Anlage beigefügt ist. Auszugsweise ist auf folgende Änderungen besonders hinzuweisen: 1. Begriffsbestimmung und Ausschluss von Kettenüberlassungen In 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG wird Arbeitnehmerüberlassung erstmals gesetzlich definiert. Es wird an die Eingliederung in die Arbeitsorganisation und die Bindung an Weisungen eines Entleihers angeknüpft. Mit 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG wird die schon zuvor bestehende Auffassung der Bundesagentur für Arbeit, wonach eine Kettenüberlassung verboten sei, festgeschrieben. 2. Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wird wirkungslos Angesichts der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung von Dienst- oder Werkverträgen zur Arbeitnehmerüberlassung stellt das Vorhalten einer (vorsorglichen) Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ( Vorratserlaubnis ) bisher eine empfehlenswerte Absicherung gegen die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem (vermeintlichen) Auftraggeber dar. Dem tritt ab 1. April 2017 die Regelung in 1 Abs. 1 Satz 5 und 6 AÜG entgegen, welche vorschreibt, dass Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich vertraglich zwischen Verleiher und Entleiher vereinbart werden muss. Flankierend soll der Arbeitnehmer vor dem Einsatz darüber informiert werden, dass er als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird ( 11 Abs. 2 Satz 3 AÜG). Das Risiko eines Irrtums über den rechtlichen Charakter des Fremdper- Geschäftsstelle Hamburg Loogestraße 8 20249 Hamburg Tel.: 040 468656-0 Fax: 040 468656-26 Geschäftsstelle Schleswig-Holstein Ringstraße 54 24103 Kiel Tel.: 0431 53548-0 Fax: 0431 53548-14 E-Mail: info@biv-hh-sh.de Internet: www.biv-hh-sh.de

- 2 - sonaleinsatzes wird mit der bußgeldbewehrten Bezeichnungs- Transparenz für die beteiligten Unternehmer deutlich erhöht. 3. Überlassungshöchstdauer 18 Monate Die bisher unbestimmte vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung darf nun maximal 18 Monate dauern. Tarifvertraglich kann eine Erhöhung auf eine Überlassungshöchstdauer bis 24 Monate erfolgen ( 1 Abs. 1b AÜG). Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden bei der Berechnung der neuen Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt ( 19 Abs. 2 AÜG). Unterbrechungen der Überlassung von mehr als drei Monaten lassen die Frist der Überlassungshöchstdauer erneut beginnen, anderenfalls sind die Zeiträume vollständig anzurechnen ( 1 Abs. 1b Satz 2). Mehr als drei Monate bedeutet in diesem Zusammenhang nach überwiegender Auffassung drei Monate und einen Tag (nicht: und eine juristische Sekunde), weil das Gesetz von mindestens drei Monate(n) spricht (vgl. 188 BGB). Die Überlassungshöchstdauer ist schließlich arbeitnehmerbezogen, nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen. Der Einsatz eines anderen Leiharbeitnehmers auf dem gleichen Arbeitsplatz ist demnach möglich. Exkurs Fristberechnung Derzeit unklar ist die Frage der Berechnung der Überlassungshöchstdauer. Gemäß 186 ff. BGB würde die Überlassungshöchstdauer erstmalig am 1. Oktober 2018 überschritten (Fristbeginn 1. April 2017). Diskutiert wird, ob bei der Fristberechnung auch 191 BGB zur Anwendung kommt und daher der Monat mit 30 Tagen berechnet wird. Dann wäre die Überlassungshöchstdauer erstmals am 23. September 2018 überschritten. Dagegen spricht aber, dass das AÜG grds. von einem zusammenhängenden Überlassungszeitraum ausgeht (vgl. 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG, der von aufeinander folgenden Monaten spricht). Die besseren Argumente sprechen somit gegen die Anwendung von 191 BGB. Sicherheitshalber kann nach jetzigem Stand gleichwohl nur die Annahme der kürzeren Fristen empfohlen werden (zu Sanktionen bei Verstößen siehe 7.). Unsicherheiten bestehen zudem bei der Frage, welche Anforderungen an die Unterbrechungen der Überlassung gestellt werden, um die Drei-Monats-Frist des 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG zu erfüllen, nach deren Ablauf die Überlassungshöchstdauer genullt wird. Folgt man einem materiellen Einsatzbegriff, so ist jede tatsächliche Unterbrechung der Tätigkeit im Entleihbetrieb als Unterbrechung i. S. d. 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG zu werten, unabhängig davon, aus wessen Sphäre der Grund der Unterbrechung

- 3 - resultiert (z. B. Urlaub, Krankheit oder Abzug des Leiharbeitnehmers aus dem Entleihbetrieb durch Verleiher). Legt man hingegen einen formellen Einsatzbegriff zu Grunde, so liegt eine relevante Unterbrechung erst mit der Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages und dem damit verbundenen Abzug des Mitarbeiters bei dem Entleiher vor. Zur Risikominimierung ist bis auf Weiteres anzuraten, im Zweifel vom formellen Einsatzbegriff auszugehen. 4. Gleichstellungsgrundsatz In 8 AÜG werden die bisherigen Regelungen zu equal pay / equal treatment neu verortet. Der Gleichstellungsgrundsatz führt zu einem Vergütungsanspruch des Leiharbeitnehmers in Höhe des für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geschuldeten Arbeitsentgelts ( 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Erhält er das insoweit tariflich geschuldete Entgelt, wird die Beachtung des Gleichstellungsgrundsatzes vermutet ( 8 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Tarifvertraglich kann für die ersten neun Monate vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden ( 8 Abs. 2, Abs. 4 AÜG), allerdings nicht bei vorherigem Ausscheiden des Leiharbeitnehmers aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher oder einem konzernverbundenen Unternehmen in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung ( 8 Abs. 3 AÜG); unter bestimmten Voraussetzungen kann tarifvertraglich bis zu 15 Monate vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden ( 8 Abs. 4 AÜG). Für die Fristberechnung gelten die Ausführungen zur Überlassungshöchstdauer entsprechend. Da für den Bereich des Baugewerbes keine Tarifverträge im oben dargestellten Sinne gelten, muss der allgemeine Gleichstellungsgrundsatz beachtet werden. Demnach hat etwa ein tarifungebundener Baubetrieb, der (unter den Voraussetzungen des 1b AÜG) einen Arbeitnehmer an einen tarifgebundenen Baubetrieb verleiht, den Arbeitnehmer nach den Tarifbedingungen, die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Verleihbetrieb gelten, zu entlohnen. Ein Baubetrieb im Tarifgebiet Ost, der einen Arbeitnehmer an einen Baubetrieb im Tarifgebiet West verleiht, hat folglich die im Tarifgebiet West für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Verleihbetrieb geltenden Tarifbedingungen zu beachten.

- 4-5. Kein Einsatz als Streikbrecher Das im Regierungsentwurf vorgesehene Totalverbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in einem streikbefangenen Betrieb beschränkt sich auf Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, also durch Leiharbeitnehmer (als Streikbrecher ) ersetzt werden sollen. Im Übrigen - für andere zugewiesene Arbeitsaufgaben - bleibt das bisher geltende Leistungsverweigerungsrecht des Leiharbeitnehmers nach der Neuregelung bestehen ( 11 Abs. 5 AÜG). 6. Mitbestimmung Leiharbeitnehmer sind bei der Ermittlung von Schwellenwerten in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung beim Entleihbetrieb zu berücksichtigen ( 14 Abs. 2 Sätze 4, 5 AÜG). Für die Unternehmensmitbestimmung (z. B. MitbestG, DrittelBG) gilt dies jedoch erst, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt ( 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG). Leiharbeitnehmer dürfen an den Gremienwahlen teilnehmen, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden ( 7 BetrVG). Sie sind aber weiterhin nicht wählbar ( 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG). Ihnen stehen ferner die Rechte aus 81, 82 Abs. 1, 84 bis 86 BetrVG zu ( 14 Abs. 2 Satz 3 AÜG). Die Unterrichtungsrechte des Betriebsrats haben im Hinblick auf Arbeitnehmerüberlassungen Konkretisierungen in 80 Abs. 2 und 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfahren. 7. Sanktionen Der Sanktionenkatalog bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG enthält Neuerungen und Verschärfungen: Ein Verstoß gegen das Verbot des Kettenverleihs hat laut Gesetzesbegründung erlaubnisrechtliche Konsequenzen. Allerdings hat der Gesetzgeber eine entsprechende Ergänzung des 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG vergessen (Lembke NZA 2017, 1, 2). Ein verbotener Kettenverleih stellt eine Ordnungswidrigkeit gem. 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG dar, die mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann ( 16 Abs. 2 AÜG). Schließlich führt ein Verstoß zivilrechtlich zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und (letztem) Entleiher ( 10a, 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b, 10 AÜG), wenn der Leiharbeitnehmer keine wirksame Festhaltenserklärung abgibt (siehe unten, Buchst. c). a) Ordnungswidrigkeiten, 16 Abs. 1 AÜG Verstöße gegen das Gleichstellungsgebot oder auch das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher können mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro, Verstöße etwa gegen die Überlassungshöchstdauer, das Verbot des Kettenverleihs oder das Konkretisierungsverbot mit

- 5 - Bußgeldern bis zu 30.000 Euro und insbesondere Verstöße gegen Anzeige- und Auskunftspflichten mit Bußgeldern bis zu 2.500 Euro geahndet werden ( 16 Abs. 2 i. V. m. mit Abs. 1 AÜG). b) Rücknahme der Überlassungserlaubnis Des Weiteren können Verstöße zur Rücknahme der Überlassungserlaubnis führen ( 3 AÜG). c) Unwirksamkeit des Überlassungsvertrages und des Arbeitsvertrages Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher neue Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers 9 und 10 AÜG normieren die Unwirksamkeit von Verträgen zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern. Dies betrifft gem. 9 Abs. 1 AÜG u. a. folgende Fälle: Fehlende Verleiherlaubnis (Nr. 1), Verstoß gegen Konkretisierungs- und Offenlegungsgebot (Nr. 1a), Überschreitung der Überlassungshöchstdauer (Nr. 1b). Tritt die Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen ( 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Der Leiharbeitnehmer kann die Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und die Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher verhindern, wenn er schriftlich gegenüber Verleiher und Entleiher erklärt, an dem Vertrag mit dem Verleiher festhalten zu wollen. Dies muss bis zum Ablauf eines Monats nach Beginn der Überlassung, bis zum Ablauf eines Monats ab Eintritt der Unwirksamkeit oder bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer geschehen. Die weiteren Anforderungen an die Festhaltenserklärung sind in 9 Abs. 2 AÜG normiert und in der Praxis für den Leiharbeitnehmer nur schwer zu erfüllen. So hat er die Festhaltenserklärung persönlich bei der zuständigen Ar-

- 6 - beitsagentur vorzulegen, die die Personalien des Arbeitnehmers prüft und das Vorlagedatum und die Feststellung der Identität auf der Erklärung vermerkt (Abs. 2 Nr. 1 und 2). Sodann hat die Festhaltenserklärung dem Ver- und Entleiher innerhalb von drei Tagen zuzugehen (Abs. 2 Nr. 3). Die Erklärung darf zudem nicht vor Beginn der Frist nach Absatz 1 abgegeben werden ( 9 Abs. 3 AÜG), sodass eine Vorratsfesthaltenserklärung oder gar eine Festhaltenserklärung im Arbeitsvertrag nicht in Betracht kommen. Anlage im Mitgliederbereich unserer Homepage