Schenkung und erbrechtlicher Erwerb in der Zugewinngemeinschaft

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Dr. Rainer Kemper Schenkung und erbrechtlicher Erwerb in der Zugewinngemeinschaft Anfangs- und Endvermögen, Kappungsgrenze, Rückforderungsansprüche, Mithaftung Beschenkter TeleLex, ein Gemeinschaftsunternehmen von DATEV eg und Verlag Dr. Otto Schmidt KG

Dr. Rainer Kemper Schenkung und erbrechtlicher Erwerb in der Zugewinngemeinschaft Anfangs- und Endvermögen, Kappungsgrenze, Rückforderungsansprüche, Mithaftung Beschenkter

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Editorial Probleme aus dem ehelichen Güterrecht beschäftigen den Rechtsanwender in nahezu jedem Scheidungsfall. Wegen der Vielzahl der betroffenen Einzelfragen ist das Gebiet des gesetzlichen Güterstandes unübersichtlich und deswegen haftungsanfällig. Hinzu kommt, dass die Reform des Jahres 2009 nicht in allen Punkten die erhoffte Klarheit gebracht hat, ja dass im Gegenteil einige der Rechtsfragen, die seit Jahrzehnten geklärt schienen, nun wieder unklarer waren als vor der Reform. Nahezu in jeder Ehe kommt es vor, dass Ehegatten Vermögen von Todes wegen oder durch unentgeltliche Zuwendungen erhalten: sei es, dass sie sich gegenseitig Gegenstände von größerem Wert zuwenden, sei es, dass sie den Partner in Geschäft und Unternehmen durch Hilfsleistungen oder die Überlassung von Gegenständen zu Gebrauch unterstützen. Fast ebenso häufig kommen derartige Zuwendungen und Hilfsleistungen aber auch durch Dritte vor, die einen oder beide Partner begünstigen wollen. Die häufigste Fallgruppe bilden insoweit Fälle, in denen Eltern bzw. Schwiegereltern ihr Kind und ihr Schwiegerkind durch die Zurverfügungstellung von Grundstücken, die Zahlung von Zuschüssen, die Übernahme von Handwerkerrechnungen, die Tilgung von Schulden oder ähnliches unterstützen. Für alle diese Fälle fragt es sich, ob beim Scheitern der Ehe diese Zuwendungen zurückverlangt werden können oder ob sie sich wenigstens beim Zugewinnausgleich durch eine besondere Behandlung auszeichnen. Zumindest in Bezug auf das Letztere stellen sich dann ähnliche Fragen wie bei den unentgeltlichen Zuwendungen, denn auch bei Erbschaften hat der andere Ehegatte zum Erwerb nichts beigetragen. Was aber, wenn sich die wirtschaftliche Stellung des Erben durch die Annahme der Erbschaft verschlechtert, weil die Erbschaft überschuldet ist? Auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder Fälle, in denen ein Ehegatte während der Ehe Dritten Vermögen zuwendet, aus freigebigen Motiven, als Hilfe oder als vorweggenommene Erbfolge. Hier stellt sich die Frage, wann und ggf. wie der andere Ehegatte solche Geschäf- 1

te verhindern kann und ob sie wenigstens im Zugewinnausgleich Berücksichtigung finden. Das vorliegende Skript soll den Leser durch eine solide, mit vielen Beispielen angereicherten Besprechung der Besonderheiten unentgeltlicher Zuwendungen und des Erwerbs von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft zu einer sicheren Handhabung und Planung solcher Fälle führen. Lingen, August 2017 Dr. Rainer Kemper 2

Der Inhalt im Überblick 1 Einführung... 7 1.1 Lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen in der Zugewinngemeinschaft...8 1.2 Nachfolge von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft... 10 1.3 Erwerb und Verlust von Vermögen durch vorweggenommene Erbfolge in der Zugewinngemeinschaft...11 2 Die Funktionsweise des gesetzlichen Güterstandes... 13 2.1 Geltungsbereich, Funktionsweise und Rechtscharakter der Zugewinngemeinschaft...13 2.2 Verfügungsbeschränkungen in der Zugewinngemeinschaft... 16 2.2.1 Grundlagen...16 2.2.2 Die von den Verfügungsverboten erfassten Geschäfte...17 2.2.3 Die Erteilung der Zustimmung...21 2.2.4 Die Wirkungen des Fehlens der Zustimmung...22 2.3 Die güterrechtliche Berechnung des Zugewinnausgleichs... 24 2.3.1 Grundlagen...24 2.3.2 Die Berechnung des Anfangsvermögens...25 2.3.3 Die Berechnung des Endvermögens...29 2.3.4 Die Berechnung des Zugewinns...33 2.3.5 Die Ausgleichsforderung...34 2.4 Der verfahrensrechtliche Schutz der Eheleute in der Zugewinngemeinschaft...37 3

3 Lebzeitige Zuwendungen der Eheleute untereinander... 38 3.1 Schenkungen unter Ehegatten...39 3.1.1 Der Begriff der Schenkung...39 3.1.2 Rückforderbarkeit von Schenkungen...43 3.1.3 Die Berücksichtigung von Schenkungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich...56 3.2 Familienbezogene Zuwendungen unter Ehegatten...71 3.2.1 Der Begriff der familienbezogenen Zuwendung...72 3.2.2 Rückforderbarkeit von unbenannten Zuwendungen...75 3.2.3 Die Berücksichtigung von unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich...85 3.3 Hilfsleistungen von Ehegatten für den Partner...90 3.3.1 Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis...91 3.3.2 Ansprüche wegen des Bestehens einer Ehegatteninnengesellschaft...94 3.3.3 Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei einem familienrechtlichen Kooperationsvertrag...100 3.4 Überlassungen von Gegenständen zur Nutzung an den anderen Ehegatten...101 4 Lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen an Eheleute... 102 4.1 Problematik und Rechtsprechungsentwicklung...103 4.2 Vermögenszuwendungen Dritter und ihre Berücksichtigung beim Zugewinnausgleich...105 4.2.1 Einordnung als Schenkungen...105 4.2.2 Der Gegenstand der Zuwendung...107 4

4.2.3 Die Rückforderung der Zuwendung...108 4.2.4 Die Schenkung und deren Rückforderbarkeit im Zugewinnausgleich...119 4.3 Hilfsleistungen von Dritten und ihre Berücksichtigung beim Zugewinnausgleich...121 4.4 Die Überlassung von Gegenständen zur Benutzung und ihr Ausgleich im Zugewinnausgleich...123 5 Unentgeltliche Zuwendungen von Eheleuten an Dritte... 125 5.1 Die Wirksamkeit von unentgeltlichen Verfügungen eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten...126 5.2 Die Relevanz von unentgeltlich weggegebenem Vermögen im Zugewinnausgleich des Schenkers...128 5.2.1 Die Hinzurechnung von Schenkungen zum Endvermögen...128 5.2.2 Die Erweiterung der Kappungsgrenze in Schenkungsfällen...130 5.2.3 Die Mithaftung des Beschenkten für den Zugewinnausgleichsanspruch...133 6 Der Erwerb von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft... 137 7 Die vorweggenommene Erbfolge in der Zugewinngemeinschaft... 141 7.1 Der Erwerb durch vorweggenommene Erbfolge...141 7.2 Die Weggabe von Vermögen durch vorweggenommene Erbfolge...145 5

6

1 Einführung Beim gesetzlichen Güterstand werden grundsätzlich alle Vermögensgegenstände der Eheleute gleichbehandelt und in die Vermögensbilanzen eingestellt, welche für das Anfangs- und das Endvermögen errichtet werden jedenfalls dann, wenn sie an den jeweiligen Stichtagen vorhanden sind. Auf diese Weise soll das in der Ehe erworbene Vermögen zumindest wirtschaftlich (eine direkte dingliche Beteiligung findet ja nicht statt) beiden Ehegatten zugeordnet werden, sodass nach dem Ende des Güterstands beide Ehegatten in gleicher Weise an dem Vermögenserwerb eines jeden von ihnen in der Ehezeit partizipieren. Diese einfache Berechnung muss aber aus Gerechtigkeitserwägungen in mehrfacher Weise korrigiert werden. In Betracht kommen vor allem drei Konstellationen, die jeweils unterschiedliche Wertungen mit sich bringen: der Erwerb oder der Verlust von Vermögen durch unentgeltliche Geschäfte, der Erwerb von Vermögen durch Nachfolge von Todes wegen und der Erwerb oder Verlust von Vermögen durch eine vorweggenommene Erbfolge. Letztere weist gegenüber den beiden anderen Vorgängen die Besonderheit auf, dass für den Erwerb durchaus regelmäßig Gegenleistungen erbracht werden, also in der Regel kein vollkommen unentgeltlicher Erwerb vorliegt. Die vorliegende Abhandlung soll die Besonderheiten herausarbeiten, welche im gesetzlichen Güterstand, der Zugewinngemeinschaft, die seit 2005 auch für Lebenspartner gilt, mit den genannten Geschäften einhergehen. 1 Soweit Instrumente jenseits des Güterrechts behandelt werden, vor allem soweit es um die Ansprüche Dritter geht, sind die Überlegungen aber auch auf andere Güterstände zu übertragen. Dort, wo sich bei der deutsch-französischen Wahlzugewinngemeinschaft 1 Zur generellen Funktionsweise des gesetzlichen Güterstands, Kapitel 2. 7

1 Einführung (vgl. 1519 BGB) 2 Besonderheiten gegenüber der klassischen Zugewinngemeinschaft des deutschen Rechts ergeben, wird besonders darauf hingewiesen. 1.1 Lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen in der Zugewinngemeinschaft Korrekturbedarf für die Berechnung des Zugewinnausgleichs entsteht zunächst immer dann, wenn ein oder beide Ehegatten während der Ehe unentgeltlich Vermögen erworben oder weitergegeben haben. Im ersten Fall, stellt sich die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit dieses Vermögens im Güterrecht des Empfängers ebenso wie für den Zuwendenden die Frage, ob er das Zugewendete wieder zurückverlangen kann, weil die Ehe des Empfängers gescheitert ist. Wurde Vermögen an Dritte weitergegeben, ohne dass es zu einer adäquaten Gegenleistung gekommen ist, fragt es sich, ob der andere Ehegatte diese Zuwendung zurückverlangen kann oder ob der zuwendende Ehegatte sich zumindest so behandeln lassen muss, als sei der weggegebene Gegenstand für die Berechnung seines Endvermögens noch Bestandteil eben dieses Vermögens. 2 Bei der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft handelt es sich um einen normalen Wahlgüterstand des deutschen Rechts, dessen Besonderheit nur darin besteht, dass es diesen Wahlgüterstand im französischen Recht auch gibt, sodass Ehegatten, die diesen Güterstand vereinbart haben, die Gewissheit haben, dass sie trotz abweichender Regeln über das anwendbare Recht in Deutschland und Frankreich in beiden Ländern nach nahezu gleichen Regeln behandelt werden. Zum Text der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft vgl. BGBl. 2012 II 178, zu Erläuterungen Frank, Ausgewählte Rechtsprobleme der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft, 2016; Kemper, Die deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft Anmerkungen aus deutscher Perspektive, in Betzenberger/Gruber/Rohlfing-Dijoux, Die deutsch-französischen Rechtsbeziehungen, Europa und die Welt, Liber amicorum Otmar Seul, 2014, 225 ff. sowie die Kommentierungen in den gängigen Kommentaren zu 1519 BGB. 8

1 Einführung Aufgrund ihrer Interessenlage lassen sich verschiedene Zuwendungskonstellationen unterscheiden, in denen Korrekturbedarf bestehen kann: In Betracht kommen zunächst Fälle, in denen wesentliches Vermögen des einen Ehegatten auf Zuwendungen des anderen Ehegatten beruht. Zu denken ist vor allem an wertvolle Schenkungen aus Anlass von Geburtstagen oder Jubiläen, aber auch an die einseitige Finanzierung einer auf beide Ehegatten eingetragenen Immobilie, an die Tilgung von Schulden des anderen Ehegatten und an die wertschöpfende Mitarbeit im Unternehmen des anderen Ehegatten. In diesen Fällen stellt sich einerseits die Frage, ob derartige Zuwendungen zurückgefordert werden können, wenn die Ehe scheitert und andererseits die Frage, wie diese internen Vermögensverschiebungen güterrechtlich berücksichtigt werden können, um zu gerechten Ergebnissen zu gelangen. 3 Die zweite Gruppe von Fällen enthält diejenigen, in denen einer oder beide Ehegatten während der Ehe Vermögenszuwächse erzielen, die mit der Ehe nichts zu tun haben, weil ihm bzw. ihnen von Dritten Gegenstände von Vermögenswert zugewendet worden sind, ohne dass ein entsprechender Gegenwert geleistet wird. Es kann sich insoweit um Schenkungen von Vermögensgegenständen aller Art oder die freiwillige Tilgung von Schulden handeln. Ähnliche Probleme kommen aber auch in Betracht, wenn den Eheleuten einzeln oder gemeinsam unentgeltlich Dienste geleistet werden oder wenn ihnen Sachen unentgeltlich zum Gebrauch überlassen werden. 4 Eine ganz andere Konstellation besteht, wenn ein im gesetzlichen Güterstand lebender Ehegatte sein Vermögen dadurch verringert, dass er unentgeltlich Gegenstände an Dritte überträgt, ihnen Geldbeträge leistet oder ihre Schulden übernimmt, unentgeltlich Dienste leistet oder unentgeltlich Gegenstände zum Gebrauch überlässt. In derartigen Fällen fragt es sich einmal, ob der andere Ehegatte diese Vorgänge verhindern oder weggegebenes Vermögen zurückholen kann. Zum an- 3 Zu unentgeltlichen Zuwendungen unter Ehegatten, Kapitel 3. 4 Zu unentgeltlichen Zuwendungen durch Dritte an Eheleute, Kapitel 4. 9

1 Einführung deren stellt sich die Frage, ob wenigstens beim Zugewinnausgleich so gerechnet werden muss, dass das weggegebene Vermögen zumindest hypothetisch dem Endvermögen des verfügenden Ehegatten wieder hinzugerechnet wird, damit der andere Ehegatte nicht schlechter gestellt wird als in dem Fall, dass sich das Weggegebene noch im Vermögen des verfügenden Ehegatten befunden hätte. 5 1.2 Nachfolge von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft Bezüglich der Nachfolge von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft sind ebenfalls zwei völlig unterschiedliche Konstellationen zu betrachten: Zum einen geht es um den Zugewinnausgleich beim Tod eines der Ehegatten. Insofern ist das besondere Zusammenspiel zwischen den güterrechtlichen und den erbrechtlichen Regeln zu beachten, zumal der Gesetzgeber insoweit zwei unterschiedliche Verfahrensweisen zum Ausgleich zur Verfügung stellt: die sog. erbrechtliche Lösung, bei welcher der gesetzliche Erbteil (vgl. 1931 BGB) des überlebenden Ehegatten pauschal um ein Viertel erhöht wird (vgl. 1371 Abs. 1 BGB) und die güterrechtliche Lösung, bei welcher der Zugewinn nach den allgemeinen Regeln ausgeglichen wird (vgl. 1378 Abs. 1 BGB), das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen ist (vgl. 1371 Abs. 2 BGB) und dieser den Pflichtteil verlangen kann (vgl. 1371 Abs. 3 BGB). Welche Lösung im Einzelfall für den überlebenden Ehegatten die günstigere ist, ob er einen Gestaltungsspielraum hat, diese Lösung herbeizuführen und was er dabei beachten muss, wirft komplexe Überlegungen auf, die auch steuer- und unterhaltsrechtliche Aspekte berücksichtigen müssen. Diese Konstellation wird im vorliegenden Skript ausgeklammert denn die Rechtsnachfolge im Todesfall und der güterrechtliche Ausgleich nach dem Tod eines Ehegatten sind kein Erwerb in der Zugewinngemeinschaft, sondern betreffen deren Abwicklung nach ihrem Ende. 5 Zu unentgeltlichen Zuwendungen durch Eheleute an Dritte, Kapitel 5. 10

1 Einführung Die andere Konstellation ist diejenige, dass ein im gesetzlichen Güterstand lebender Ehegatte durch Nachfolge von Todes wegen Vermögen erwirbt. In diesen Fällen bestehen viele Parallelen zu den Schenkungsfällen, denn auch hier kommt es zu einem Erwerb, für den nichts gezahlt wird und mit dem der andere Ehegatte grundsätzlich nichts zu tun hat; denn der einzige Ehezeitbezug, der in diesen Fällen besteht, liegt in der Tatsache, dass der Erblasser in der Ehezeit gestorben und deswegen die Zuwendung von Todes wegen in der Ehezeit angefallen ist. Allerdings ist zu beachten, dass anders als bei den Schenkungen bei einer Erbschaft immer auch die Möglichkeit besteht, dass sich durch ihre Annahme die Vermögensverhältnisse des Erben negativ verändern können, wenn der Nachlass überschuldet ist. In dieser Konstellation hat der andere Ehegatte ein schützenswertes Interesse daran, dass sein Anteil an dem gemeinsam in der Ehe Erwirtschafteten durch die Annahme der Erbschaft nicht reduziert wird. 6 1.3 Erwerb und Verlust von Vermögen durch vorweggenommene Erbfolge in der Zugewinngemeinschaft Eine vorweggenommene Erbfolge kann sich in dreierlei Hinsicht auf den Zugewinnausgleich auswirken: Einmal kommt in Betracht, dass ein Ehegatte auf dem Wege einer vorweggenommenen Erbfolge von seinem Partner Vermögen übertragen bekommt, dass die vorweggenommene Erbfolge als solche aber später scheitert, weil die Ehe scheitert. In dieser Konstellation wird der zuwendende Ehegatte regelmäßig ein großes Interesse daran haben, das Geleistete zurückzuerhalten. Die zweite Konstellation ähnelt der Erbrechtskonstellation: Einem Ehegatten wird im Wege vorweggenommener Erbfolge Vermögen übertragen. Mit diesem Erwerb hat der andere Ehegatte im Regelfall selbst 6 Zum Ausgleich bei Anfall von Vermögenswerten von Todes wegen in der Zugewinngemeinschaft, Kapitel 7. 11