Pressekonferenz am 3. Juli 2013 AK: Wohnen muss leistbar sein! Es informieren Sie: AK Präsident Rudi Kaske Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik
Leistbares Wohnen durch mehr Wohnbau und Senkung der Wohnkosten! Wer wenig verdient, bei dem geht rund die Hälfte vom Lohn fürs Leben drauf, also für Essen, Wohnen und Energie. Und da sind noch viele andere Kosten nicht mitgerechnet, die auch zu zahlen sind, sagt AK Präsident Rudi Kaske. Wohnen wird immer mehr zum Luxus. Es gibt einige Probleme, die unter den Nägeln brennen: Es wird zu wenig gebaut, die Städte wachsen und wachsen. So sollen sich alleine in Wien in den nächsten zehn Jahren rund 140.000 Menschen ansiedeln, in Graz rund 18.000 Menschen. Die kürzlich zugesagten zusätzlichen Gelder aus dem Konjunkturprogramm für den Wohnbau sind daher ein wichtiger Impuls, um dem knappen Wohn-Angebot gegenzusteuern. Ganz wichtig ist aber, die Wohnbauförderung und die Rückflüsse wieder auf sichere Beine zu stellen, um den Wohnungsneubau langfristig abzusichern, sagt Kaske. Und auch bei den Mieten muss etwas getan werden. Die Mieten müssen sinken. Es kann nicht sein, dass eine Familie im Schnitt mehr als 700 Euro Nettomiete im Monat für 90 Quadratmeter Altbau in Wien zahlt. Die AK verlangt einen Mix aus Maßnahmen, der Wohnen langfristig leistbar macht: + Mehr neue, vor allem geförderte, Mietwohnungen: Fix sind die Gelder mit dem Konjunkturpaket für mehr neue geförderte Wohnungen für die nächsten zwei Jahre. + Wohnbauförderung und Rückflüsse wieder zweckbinden und an die Teuerung anpassen das muss rasch gesetzlich geregelt werden, damit auch langfristig günstige Wohnungen weiter gebaut werden können. Das muss fix zugesagt werden. + Neues Mietrechtsgesetz mit klaren gesetzlichen Obergrenzen bei privaten Mieten, Zuschläge müssen der Art und Höhe nach ins Gesetz geschrieben werden. Befristungen gehören eingedämmt und Betriebskosten gesenkt. Es ist enttäuschend, dass bei der Mietrechtsreform nichts weitergeht. Viele Maßnahmen liegen schon seit Jahren auf dem Tisch. Warum wird das wieder verschleppt?, fragt Kaske. Seite 2 / 6
Was Wohnen teuer macht 1 Steigende Wohnkosten Hohe Mieten belasten Mieter und Wohnungssuchende extrem, besonders junge Menschen, sagt Kaske. Die Mieten, vor allem die privaten, sind in vergangenen elf Jahren um zwei Drittel mehr gestiegen als die allgemeine Teuerung. So stiegen die Mieten in elf Jahren (2000 2011) um knapp 40 Prozent an, die Inflation hingegen um 25 Prozent. Das zeigt eine AK Studie, die auf Auswertungen des Mikrozensus der Statistik Austria beruht. Eine detaillierte Analyse zeigt sogar: Die privaten Mieten stiegen in fünf Jahren um 28 Prozent an, während die Mieten für Genossenschafts- und Gemeindewohnungen um rund 13 Prozent teurer wurden. Die privaten Mieten steigen also seit 2005 doppelt so stark wie die Einkommen und die allgemeine Teuerung. Richtwertmietsystem greift nicht Die im Mietrechtsgesetz festgelegte Begrenzung durch das sogenannte Richtwertmietensystem bringt keine wirkungsvolle Begrenzung bei den Mieten. Private Mietwohnungen mit einer sogenannten Richtwertmiete sind gleich teuer wie Mieten am freien Markt. Das Problem: Die Richtwerte sind keine klaren Obergrenzen, weil es eine undurchschaubare Zahl von Zuschlägen gibt, die vom Gesetz völlig ungenau beschrieben und in den Mietverträgen in der Regel nicht angegeben werden. Im Endeffekt verlangt der Vermieter einfach, was der Markt hergibt, kritisiert Kaske. Da im Mietvertrag nicht einmal die Zuschläge und Abschläge angegeben werden müssen, haben Mieter kaum eine Chance, die Rechtmäßigkeit des verlangten Mietzinses beurteilen zu können. Das System ist viel zu intransparent. Selbst die Gerichte sind überfordert, sagt Kaske. So zeigt etwa eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes: Für eine 82 Quadratmeter Wohnung der Kategorie A in Wien war zwischen dem Vermieter und dem Mieter bei einem unbefristeten Hauptmietvertrag ein Hauptmietzins in der Höhe von 604,64 Euro vereinbart worden. Das Bezirksgericht stellte den zulässigen Hauptmietzins nach dem Richtwertsystem mit monatlich 459,80 Euro fest. Das Landesgericht errechnete für dieselbe Wohnung einen monatlich zulässigen Hauptmietzins in der Höhe von 547,52 Euro. Der Oberste Gerichtshof erachtete schlussendlich einen Hauptmietzins von 481,09 Euro für gesetzmäßig. Damit kamen drei Gerichte zu drei verschieden hohen gesetzmäßigen Hauptmietzinsen, so Kaske, die sich um immerhin 20 Prozent unterscheiden. Problem: Befristete Mietverträge überwiegen Es gibt immer mehr Befristungen bei den privaten Mietwohnungen. So waren im Jahr 2011 fast zwei Drittel der neu abgeschlossenen privaten Mietverträge befristet. Bei Neuvermietungen von Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen kommen befristete Mietverhältnisse kaum vor. Seite 3 / 6
Eigentlich sollten befristete Wohnungen billiger sein. Aber: Den Abschlag für befristet vergebene Wohnungen von 25 Prozent, so wie das im Mietrechtsgesetz vorgesehen ist, gibt es nicht. Das stellte auch das Wifo im Rahmen einer Studie für die AK Wien fest. 2 Keine Zweckwidmung der Wohnbauförderung Die Mittel des Bundes für die Wohnbauförderung die sogenannten Zweckzuschüsse sind seit 1996 konstant mit knapp 1,8 Milliarden Euro budgetiert. Nach neuesten Zahlen sind die gesamten Wohnbauausgaben zwischen 2010 und 2011 von 2,95 auf 2,66 Milliarden Euro gesunken. Das ist eine Kürzung um 290 Millionen Euro, sagt Kaske. Werden Wohnbauförderungsdarlehen zurückgezahlt, muss dieses Geld die sogenannten Rückflüsse seit 2001 nicht mehr nur in den Wohnbau fließen. Die Darlehen durften sogar verkauft werden, was etwa Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten genutzt haben. Weil die Rückflüsse fehlen, wird freilich auch weniger gefördert gebaut, so Kaske. 2001 wurde ebenfalls festgelegt, dass die jährlichen Zweckzuschüsse des Bundes auch für Infrastruktur- und Umweltausgaben verwendet werden dürfen. Zweckbindung seit 2008 weg 2008 wurde die Zweckbindung für den verbliebenen Betrag (1,78 Mrd. Euro) aufgehoben. Seither können die Bundesländer selbst festlegen, wie viel sie für den Wohnbau ausgeben. Deshalb sind die Zusicherungen der Länder für geförderte Wohnungen seit 2009 stark eingebrochen, was zu Lasten leistbarer Mietwohnungen geht. Der Rückgang der Förderungszusicherungen für Mietwohnungen von 2009 bis 2011 bedeutet: Es wurden um rund 6.500 Mietwohnungen (24.300 auf 17.800) weniger gebaut ein Minus von knapp 27 Prozent. Aufgrund der geringeren Förderzusicherungen für Einfamilienhäuser wurden im selben Zeitraum auch um 2.300 Häuser weniger gebaut das ist ein Minus von 20 Prozent. 3 Grundbuch statt Sparbuch Seit dem Jahr 2000 hat sich auch das Preiskarussell für Wiener Zinshäuser stark gedreht. Finanzinvestoren und Immobilienfonds veranlagen ihr Geldvermögen in Zinshäuser und treiben so die Preise für Grundstücke und Häuser in die Höhe. Die Leidtragenden sind die Mieterinnen und Mieter, betont Kaske. Es kommt zu einer Zinshaus-Mieten-Spirale, die Wohnen empfindlich teurer macht. Aufgrund der nicht funktionierenden Mietenbegrenzungen und der starken Wohnungsnachfrage können sie auch die hohen Mieten verlangen. Außerdem treibt das auch alle anderen Mieten im privaten Wohnungsmarkt in die Höhe. Seite 4 / 6
Es zeigt sich, dass die neuen Mieter mit den erhöhten Mieten die Spekulationspreise der Verkäufer finanzieren sollen, nicht aber Investitionen. Wohnen muss leistbar sein Was Wohnen billiger macht, ist ein Mix aus Maßnahmen. Das heißt mehr leistbare Wohnungen und eine Senkung der Wohnkosten, sagt Kaske. Die AK verlangt: 1 Mietrechtsgesetz reformieren Es ist unverständlich, warum eine Mietrechtsreform auf 2014 verschoben und wieder eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll, sagt Kaske. Immerhin liegen die Vorschläge der AK seit Jahren auf dem Tisch. + Klare Mietobergrenzen bei den privaten Mieten Es muss einen klaren Zu- und Abschlagskatalog im Mietrechtsgesetz geben. Der undurchschaubare Dschungel an Zu- und Abschlägen im Richtwertmietzinssystem muss beseitigt werden. Die Zuschläge zum Richtwert müssen generell mit höchstens 20 Prozent des Richtwertes begrenzt werden (Richtwert in Wien derzeit 5,16 Euro pro Quadratmeter, ist je nach Bundesland unterschiedlich). Die Angabe der Zu- und Abschläge muss im Mietvertrag verpflichtend werden. Nur ein Beispiel: Derzeit zahlt eine Familie für eine unbefristete Altbauwohnung mit 90 Quadratmeter im Durchschnitt 726 Euro netto. Würden das Richtwertmietsystem funktionieren, wären 550 Euro zulässig eine Ersparnis für die Familie von rund 176 Euro im Monat oder mehr als einem Monatseinkommen pro Jahr! + Grundsteuer nicht MieterInnen anlasten Aus den Betriebskosten sollen Kosten gestrichen werden, die keine Betriebskosten im eigentlichen Sinn sind. Damit die Wohnkosten sinken, soll verboten werden, Grundsteuer, Verwaltungs- und Versicherungskosten über die Betriebskosten an die MieterInnen weiter zu verrechnen. Als Betriebskosten sollen nur jene gelten, die die MieterInnen unmittelbar verursachen, etwa für die Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung. Das Streichen von Grundsteuer & Co heißt etwa für einen durchschnittlichen Mieterhaushalt in einer privaten Altbauwohnung 718 Euro im Jahr sparen, hat die AK berechnet. + Befristungsmöglichkeiten eindämmen Befristete Wohnungen bedeuten für die MieterInnen Unsicherheit und Kosten, etwa für Übersiedlungen. Befristungen sollen nur zulässig sein, wenn es einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt, etwa Eigenbedarf des Vermieters. 2 Wohnbauförderung und Rückflüsse wieder fürs Wohnen einsetzen und an die Teuerung anpassen Die Bundesländer müssen wieder verpflichtet werden, die vom Bund überwiesenen Wohnbauförderungsgelder zur Gänze für den Wohnbau zu verwenden. Wichtig ist, Seite 5 / 6
dass auch die Rückflüsse aus den Wohnbauförderungsdarlehen wieder für den Wohnbau eingesetzt werden. Viele Bundesländer wie Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark oder Kärnten haben ihre Wohnbauförderdarlehen verkauft und dadurch wurde dem Wohnbau rund 10 Milliarden Euro entzogen. Außerdem muss die Wohnbauförderung an die Inflation angepasst werden. Das muss die Regierung rasch im Finanzausgleich regeln. Nur mit einer klaren gesetzlichen Regelung ist langfristig eine solide Finanzierungsbasis gesichert, um günstige neue Wohnungen zu bauen. 3 Mehr Platz fürs Wohnen Investitionen gerade für leistbares Wohnen sind angesichts der wachsenden Ballungszentren vor allem Wien, Graz oder Salzburg unabdingbar. Die Städte wachsen und wachsen. So wird für Wien für die nächsten zehn Jahre ein Zuzug von 140.000 Menschen prognostiziert, für Graz von 18.000 Menschen. Das Konjunkturprogramm fürs Wohnen ist eine gute Anstoßfinanzierung. Der Bund wird zur Förderung des öffentlichen Wohnbaus zusätzlich 276 Millionen Euro flüssig machen. Das Geld kommt aus den zu erwartenden Erträgen der Frequenzversteigerung. Den Startschuss muss die Regierung geben, indem sie rasch das Zweckzuschussgesetz 2013 beschließt. Die Bundesländer können die Mittel 2015 abrufen, wenn sie 2013 und 2014 jährlich mehr Wohnungen bauen als im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2011. Mit dieser zusätzlichen Finanzierung können fast 14.000 geförderte Wohnungen mehr errichtet werden. Die Bundesländer müssen wirklich die Wohnungen bauen. Das hilft den Menschen direkt und schafft Arbeitsplätze, sagt Kaske. Insgesamt brauchen wir in den nächsten zehn Jahren 50.000 neue Wohnungen pro Jahr in ganz Österreich, davon rund 35.000 geförderte. 4 Maklerprovisionen soll Vermieter zahlen Makler arbeiten für und zum Vorteil der Vermieter, kassieren aber von den Mietern. Im Maklergesetz soll geregelt werden, dass nur der Erstauftraggeber das ist eben meistens der Vermieter gegenüber dem Makler provisionspflichtig ist. 5 Neue Widmungskategorie Die Bundesländer sollten bei der Flächenwidmung und Raumplanung eine eigene Widmungskategorie für den geförderten Wohnbau schaffen. Einerseits sollen damit Grund und Boden billiger werden. Andererseits soll damit bewirkt werden, dass innerhalb einer bestimmten Frist gebaut wird, zum Beispiel innerhalb von drei Jahren. Andernfalls soll es wirksame Sanktionen geben, etwa die Zahlung einer Abgabe. Seite 6 / 6