Certified Compliance Officer



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Transkript:

Fachgebiet: Grundlagen Compliance Lehrbrief 1 Definition und Abgrenzung Compliance Grundlagen Mittelstand Rechtliche Grundlagen zu Compliance Organisatorische Grundlagen Corporate Governance und Compliance Implementierung eines Compliance Managements Verfasser: Dipl.-Kfm. Dr. Silke Peemöller, Steuerberaterin Prof. Dr. Volker H. Peemöller 2015 WIRTSCHAFTScampus Dr. Peemöller GmbH Hauptstraße 50 97299 Zell Alle Rechte vorbehalten. Die Schulungsunterlagen der WIRTSCHAFTScampus Dr. Peemöller GmbH sind ausschließlich für Teilnehmer zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der WIRT- SCHAFTScampus Dr. Peemöller GmbH ist jede Reproduktion/Digitalisierung/Vervielfältigung/Verbreitung von Schulungsunterlagen auch auszugsweise in jedweder Form sowie die Weitergabe an Dritte unzulässig und berechtigt zum Schadensersatz. Dasselbe gilt für das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Certified Compliance Officer Stand: 2015 Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus

Lernziel: Inhalt dieses Lehrbriefs sind die wesentlichen Grundlagen von Compliance. Sie werden deshalb mit den verschiedenen Definitionsansätzen vertraut gemacht und lernen die angrenzenden Begriffe wie Corporate Citizenship (CC) oder Corporate Social Responsibility (CSR) kennen. Da die finanziellen und personellen Ressourcen im Mittelbetrieb begrenzt sind, die für Compliance zur Verfügung stehen, wird zunächst eine Abgrenzung des Mittelstands vorgenommen. In den weiteren Ausführungen wird dann jeweils darauf hingewiesen, welche speziellen Möglichkeiten der Ausgestaltung für KMU infrage kommen. Im Rahmen des Grundlagenteils wird Ihnen nur eine Übersicht der rechtlichen Vorschriften gegeben und darauf hingewiesen, in welchen betrieblichen Tätigkeiten diese Vorschriften zu beachten sind. Eine umfassende Abhandlung der rechtlichen Vorgaben findet sich im Teil über den Chief Compliance Officer. Einen Überblick, welche Inhalte sich hinter Compliance verbergen, werden Sie im anschließenden Kapitel erhalten. Ausführlich werden die organisatorischen Fragen zur Compliance behandelt. Dazu wird die Frage diskutiert, wie die Funktion Compliance im Unternehmen zugeordnet werden kann, welche Unterstellungsmöglichkeiten infrage kommen, und welche Anforderungen an den Compliance Officer gestellt werden. Im Abschnitt über Corporate Governance und Compliance wird eine kurze Standortbestimmung der Begriffe vorgenommen und gezeigt, dass Corporate Governance die Regeln vorgibt und Compliance dafür sorgen soll, dass die Regelungen eingehalten werden. Ausführlich wird dann die Implementierung eines Compliance Managements in 10 Schritten gewürdigt. Alle Abschnitte enthalten Kontrollfragen, um Sie mit der Thematik vertraut zu machen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Bearbeitung! Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus

1. Einführung... 1 2. Definition Compliance und Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen... 2 2.1 Definition Compliance... 2 2.2 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen... 4 2.2.1 Corporate Citizenship... 4 2.2.2 Corporate Social Responsibility (CSR)... 4 3. Grundlagen Mittelstand... 7 3.1 Qualitative Kriterien... 7 3.2. Quantitative Kriterien... 7 3.3 Kennzeichnung von Familienunternehmen... 8 4. Rechtliche Grundlagen zu Compliance... 11 5. Organisatorische Grundlagen zu Compliance... 15 5.1 Compliance im Sinne des IDW PS 980... 15 5.1.1 Compliance-Kultur... 15 5.1.2 Compliance-Ziele... 15 5.1.3 Compliance-Risiken... 16 5.1.4 Compliance-Programm... 16 5.1.5 Compliance-Organisation... 16 5.1.6 Compliance-Kommunikation... 17 5.1.7 Compliance-Überwachung und Verbesserung... 17 5.2 Entwicklung einer Compliance-Organisation... 17 5.2.1 Übertragung der Compliance-Funktion an eine etablierte Institution... 17 5.2.2 Bildung eines Compliance-Komitees... 19 5.2.3 Autonome Compliance-Organisation... 21 5.3 Compliance-Organisation in KMUs... 22 5.4 Unterstellung des Compliance Officers... 23 5.4.1 Bericht an Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsausschuss... 23 5.4.2 Eigener Sitz im Vorstand oder in der Geschäftsleitung... 24 5.4.3 Bericht an den Vorsitzenden bzw. Sprecher des Vorstands oder der Geschäftsführung... 24 5.4.4 Berichterstattung an sonstiges Mitglied von Vorstand oder Geschäftsführung, wie z.b. Finanzen oder Personal... 24 5.4.5 Berichterstattung an andere Funktionen, wie Recht, Personal oder Interne Revision... 24 Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus

5.5 Compliance Organisation im Konzern... 25 5.5.1 Zentralfunktion bei der Muttergesellschaft... 25 5.5.2 Dezentrale Funktion in den Tochtergesellschaften... 25 5.5.3 Kombination zwischen zentraler und dezentraler Funktionsausübung... 25 5.6 Organisation des Compliance Officers... 26 5.6.1 Fachliche und persönliche Anforderungen an den Compliance Officer... 26 5.6.2 Budget für die Compliance-Organisation... 27 5.6.3 Einbindung in die operative Geschäftstätigkeit... 27 5.6.4 Berichtswege zur Geschäftsleitung... 27 5.6.5 Zugang zu den Prozessen, Personen und Systemen... 27 5.6.6 Vorstandsvorgaben zur Compliance... 27 6. Corporate Governance und Compliance... 29 7. Implementierung eines Compliance-Managements... 31 7.1 Compliance ist Chefsache... 31 7.2 Einrichtung einer Compliance Organisation... 31 7.3 Erstellen eines Ethik-Kodexes... 31 7.4. Transparenz... 31 7.5 Gelebte Führungs- und Unternehmenskultur... 32 7.6 Kommunikation... 32 7.7 Training... 33 7.8 Compliance im Personalmanagement... 33 7.9 Compliance-Organisation... 34 7.10 Monitoring... 35 Lösungen zu den Kontrollfragen... 37 Anlagen: Anlage 1 - Bußgeldbescheid Siemens AG Anlage 2 - Auszüge aus WpHG, OWiG, AktG, GmbHG Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus

Grundlagen Compliance 1. Einführung Vor zehn Jahren war Compliance in Deutschland noch gänzlich unbekannt. Heute ist der Begriff massiv in das Interesse der Unternehmen gerückt. Beiträge in der Wirtschaftspresse; spektakuläre Fälle von Korruptionshandlungen bekannter deutscher Unternehmen, wie Siemens, Ferrostahl und erst kürzlich Thyssen-Krupp, haben zur weiten Verbreitung des Begriffs beigetragen. 2. Definition Compliance und Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen 2.1 Definition Compliance Sie haben schon die übliche Definition von Compliance kennen gelernt: Einhaltung von Gesetzen, Vorschriften, Regeln und Plänen. Die von den Unternehmen einzuhaltenden Regelungen sind unzählig und reichen von A wie Arbeitssicherheit bis Z wie Zoll. Zum Teil werden deshalb nur spezielle Themen unter dem Begriff Compliance behandelt. Zu diesen speziell rechtlichen Themen zählen Geschäftspartnerprüfung, Geldwäsche, Korruption und Kartellrecht, Qualitätssicherung, Rückrufaktionen und Bilanzierung. Diese Fragen wurden im Unternehmen bereits weitgehend organisiert und durch verschiedene Bereiche erledigt. Buchhaltung: Bilanzierung und GoB Steuerabteilung: Steuern und Zölle Rechtsabteilung: Kartellrecht und Korruption Personalabteilung: Arbeitssicherheit, AGG, Sozialabgaben u.s.w. Datenschutzbeauftragter: Schutz personenbezogener Daten Investor Relations: Publizität Interne Revision: Prüfung des innerbetrieblichen Kontrollsystems und des Risikomanagementsystems. Es ist deshalb zu entscheiden, welcher Compliance-Ansatz gewählt werden soll. Ein sehr enger Ansatz stellt die rechtlichen Fragen in den Vordergrund. Die Themen werden wie bisher von den entsprechenden Stellen im Unternehmen bearbeitet und unter Compliance zusammengefasst. Wesentliche Sachverhalte sind dann: Verhinderung strafbaren Verhaltens Verhinderung von Regelverstößen von Mitarbeitern Einhaltung von Regeln, deren Verletzung zu schwerwiegenden Nachteilen führt (Strafen, Verfall, Bußgelder, Reputationsverluste) Definition Compliance AGG enger Ansatz Daraus ergibt sich eine sehr enge Definition von Compliance, die hier nicht weiter verfolgt werden soll. Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus 1

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält ebenfalls eine Definition zum Compliance: Definition nach DCGK Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance). DCGK 4.1.3 Diese Definition nimmt eine Erweiterung um die unternehmensinternen Richtlinien vor. Es wird nicht nur an den Sanktionen angesetzt, sondern an der Beachtung der Vorgaben. Wie diese Beachtung erreicht wird, ob durch Sanktionen oder durch Integration der Mitarbeiter, bleibt dem Unternehmen vorbehalten. Eine ähnliche Auffassung wird vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) vertreten: Unter Compliance ist die Einhaltung von Regeln zu verstehen (gesetzliche Bestimmungen und unternehmensinterne Richtlinien). IDW Prüfungsstandard: Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen (IDW PS 980). Dazu wird unter der Textziffer (Tz.) A4 weiter ausgeführt: Interne Richtlinien des Unternehmens können auch von Dritten entwickelte Prinzipien oder Konventionen sein, zu deren Einhaltung sich das Unternehmen selbst verpflichtet hat. Daraus leiten wir folgende Definition für Compliance ab: Der Begriff Compliance umfasst die Gesamtheit aller Maßnahmen, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens, seiner Leitungs- und Überwachungsorgane sowie seiner Mitarbeiter im Hinblick auf die gesetzlichen Ge- und Verbote sowie die internen Richtlinien begründen. Wir verstehen Compliance als Bestandteil der Corporate Governance (ordnungsgemäßer Unternehmensführung). Maßnahmen zu entwickeln ist eine betriebswirtschaftliche Aufgabe, da eine Reihe von Wahlmöglichkeiten existiert, wie die Einhaltung der Vorgaben im Unternehmen erreicht werden kann. In der Realität ist von unüberschaubaren Regelungen auszugehen; von unscharfen Abgrenzungen zwischen den beteiligten Personen und Institutionen und unterschiedlichen organisatorischen und strukturellen Regelungen. Die Entwicklung von Maßnahmen ist damit ein zeitaufwändiges und komplexes Unterfangen. Regelkonformes Verhalten setzt Normen voraus, die den Personen bekannt und verständlich sind. Dazu gehören auch Regeln der Sanktionen, die bei Nicht- Einhaltung ergriffen werden. Damit gewinnen die Entwicklung, Kommunikation und Schulung bezüglich der Regelungen besonderes Gewicht. Gesetzliche Ge- und Verbote sowie interne Richtlinien umfassen die sozialen Normen, denen sich ein Unternehmen stellen muss. Für die Organisationsmitglieder muss klar sein, welche Regelungen für den einzelnen gelten, und mit welchen Folgen die Nicht-Beachtung verbunden ist. Auffassung des IDW Definition für Compliance Maßnahmen regelkonformes Verhalten gesetzliche Ge- und Verbote Selbstverpflichtung zur Compliance stellt einen Grundpfeiler dar. Die Unternehmensführung muss das Verhalten in der Organisation über ein Organisations- und Führungssystem steuern. Damit ist einmal zu erfassen, welche Möglichkeiten der Integration der Mitarbeiter bestehen, und in welchem Umfang ethische Ziele beachtet werden. Demgegenüber stehen der Umfang von Kontrollkosten und die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung von Regelverstößen. Zielsetzung ist es, unzulässige Handlungsweisen zu verhindern und Konformität mit vorgegebenen Verhaltensstandards herzustellen. Dies kann einmal durch Überwachung, Fremdkontrolle und Sanktionsmaßnahmen erfolgen. Es kann aber auch durch selbst be- Selbstverpflichtung Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus 2

stimmte ethische Prinzipien ein eigenverantwortliches Handeln ermöglicht werden. Zwischen diesen beiden Ansätzen ist ein Ausgleich herzustellen. 2.2 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen 2.2.1 Corporate Citizenship Der Begriff Corporate Citizenship wird in Deutschland mit unternehmerischem Bürgerengagement übersetzt und bezeichnet das freiwillige gesellschaftliche Engagement von Unternehmen über politische und rechtliche Vorgaben hinaus. Bei den Handlungen handelt es sich meist um lokales Sponsoring in Form von Geldund Sachspenden sowie unentgeltliche Dienstleistungen. Dies kann zum einen über gemeinnützige Unternehmensstiftungen erfolgen, zum anderen werden aber auch Mitarbeiter für ehrenamtliche soziale Tätigkeiten freigestellt. Begriff Corporate Citizenship Das freiwillige Engagement der Unternehmen dient dazu, sich als guter Bürger und somit als Teil der Gesellschaft zu präsentieren, wird aber nicht in die Unternehmenstätigkeit implementiert. Insofern bezieht sich Corporate Citizenship nicht auf die eigentliche Geschäftstätigkeit entlang der Wertschöpfungskette, sondern auf das darüber hinausgehende, nach außen gerichtete bürgerschaftliche Engagement zur Lösung gesellschaftlicher Probleme im Umfeld des Unternehmens. Grundgedanke ist, dass ein Unternehmen nicht abgekoppelt, sondern integrierter Teil der Gesellschaft ist. Es beansprucht deren Leistungen und Produkte und erbringt deshalb selbst Gegenleistungen. Insofern werden Leistungen wieder an die Gesellschaft zurückgegeben. 2.2.2 Corporate Social Responsibility (CSR) Dieser Begriff wird mit sozialer Verantwortung von Unternehmen übersetzt. Im Rahmen von Umwelt- und des Klimaschutz sowie schwindendem Marktvertrauen hat es in der Nachhaltigkeitsdebatte neuen Auftrieb gegeben und zu der Erkenntnis geführt, dass Unternehmen ein Teil der Gesellschaft sind und damit einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme erbringen müssen. Die Unternehmenstätigkeiten vollziehen sich entlang der Wertschöpfungskette und bergen potenzielle Gefahren für Gesundheit und Umwelt, die zu Unfällen und Störungen führen können. Die besonders spektakulären Fälle waren beispielsweise die Naturkatastrophen durch die Ölunfälle. Aus der Gefährdung der Umwelt ergibt sich eine besondere Verantwortung dieser Unternehmen. Die Begriffsabgrenzung von CSR erfolgt häufig über die Auslegung der Europäischen Kommission. Die neue Abgrenzung stammt von 2011 und lautet: CSR ist die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Bislang war der Begriff wesentlich weiter gefasst und enthielt vor allem den Passus der Freiwilligkeit. Nur wenn die geltenden Rechtsvorschriften und die zwischen den Sozialpartnern bestehenden Tarifverträge eingehalten werden, kann diese Verantwortung wahrgenommen werden. Unternehmen sollen auf Verfahren zurückgreifen können, mit denen sie soziale, ökologische, ethische Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategien integrieren können. Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) Auslegung der Europäischen Kommission Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus 3

Kontrollfragen 1: 1. Es hat schon immer Stellen im Unternehmen gegeben, die sich mit der Einhaltung von Vorgaben beschäftigt haben. Was ist das Neue an Compliance? 2. Was ist das Besondere an Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship? 3. Wie kann das Verhältnis dieser Sachverhalte CC, CSR und CG erklärt werden? Lösung: zu 1.: zu 2.: zu 3.: Lehrbrief 1 / Compliance Officer wirtschaftscampus 4