Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 1 Ablauf der Veranstaltung 1. Teil: Einführung in das deutsche Strafrecht 2. Teil: Neuere Entwicklungen im deutschen Strafrecht 3. Teil: Europa und das Strafrecht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 2 1. Teil: Einführung in das deutsche Strafrecht 1. Leitfall 2. Gesetzliche Grundlagen 3. Die ersten Stationen im Strafverfahren 4. Überblick über das Sanktionenrecht 5. Die Verfahrensbeteiligten 6. Das Urteil und die Rechtsmittel dagegen
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 3 Das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip, Art. 103 Abs. 2 GG (= 1 StGB) Art. 103 Abs. 2 GG Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich Die wichtigsten strafrechtlichen Gesetze: bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. StGB StPO GVG = Strafgesetzbuch = Strafprozessordnung = Gerichtsverfassungsgesetz StVollzG = Strafvollzugsgesetz
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 4 Das System des Strafrechts Strafrecht materielles Strafrecht formelles Strafrecht Strafgesetzbuch* strafrechtliches Gerichtsverfassungsrecht Gerichtsverfassungsgesetz* Strafprozessrecht Strafprozessordnung* Strafvollstreckungsund Strafvollzugsrecht Strafvollzugsgesetz* * gesetzliche Regelung der Kernmaterie
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 5 Materielles Strafrecht StGB Hauptstrafrecht Vorschriften im GG (z. B. Art. 101, 103 Abs. 2) und in der EMRK (z. B. Art. 2, 3) z. B. Nebenstrafrecht 29 ff. BtMG (Betäubungsmittelgesetz) 21 ff. StVG (Straßenverkehrsgesetz) 52a f. WaffG
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 Systeme des Besonderen Teils (1) Äußeres System des StGB (Abfolge der Vorschriften) Delikte gegen den Staat Delikte gegen die Gesellschaft Delikte gegen den Einzelnen (2) Inneres System des StGB (Schwere der angedrohten Strafe) Tötungsdelikte Politische Delikte Raubdelikte... Beleidigung, Sachbeschädigung... (3) Lehrsystem Delikte gegen die Person Delikte gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit Delikte gegen Eigentum und Vermögen
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 7 Das Verhältnis des Allgemeinen Teils des StGB zum Allgemeinen Teil des Strafrechts Allgemeiner Teil des Strafrechts Allgemeiner Teil des StGB
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 8 Strafverfahren und strafjuristische Berufe Verfahren Zuständige Organe Ermittlungsverfahren Anzeige (Privatperson, Polizei) Anklage (StA) StA, Polizei Zwischenverfahren Hauptverfahren Eröffnungsbeschluss (Gericht) Gericht Gericht Verteidigung Urteil (Gericht) Vollstreckungsverfahren Abschluss des Verfahrens StA/Gericht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 9 Ablauf des Strafverfahrens Erkenntnisverfahren Ermittlungsverfahren Zwischenverfahren Hauptverfahren (einschließlich des Rechtsmittelverfahrens) Vollstreckungsverfahren Verwirklichung der rechtskräftig verhängten Rechtsfolgen
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 10 Der Anklagegrundsatz (Akkusationsprinzip), 151 StPO Staatsanwaltschaft Gericht Erforschung des Sachverhalts Untersuchung der angeklagten Tat und Entscheidung Anklage: Festlegung des Prozessstoffes
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 11 Verdachtsgrade im Strafverfahren Anfangsverdacht Möglichkeit der Tatbegehung und Verurteilung Beginn des Ermittlungsverfahrens Hinreichender Tatverdacht Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung und Verurteilung Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens Dringender Tatverdacht hohe Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung und Verurteilung Zwangsmaßnahmen, z. B. 112 StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 12 Der Legalitätsgrundsatz, 152 Abs. 2, 160 Abs. 1, 170 Abs. 1 StPO Legalitätsgrundsatz Materiellrechtliche Absicherung durch 258a und 344 StGB Gesetzlicher Regelfall: = Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung jeder Straftat Verfahrensrechtliche Absicherung durch das Klageerzwingungsverfahren, 172 ff. StPO Ausnahme: Opportunitätsgrundsatz = Absehen von der Verfolgung an sich verfolgbarer Straftaten z. B. 153-154e StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 13 Die Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft: Formelle Alternativen Öffentliche Klage Einstellung des Verfahrens - Anklageschrift, 170 Abs. 1, 200 StPO - Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, 407 Abs. 1 StPO - Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren, 417 StPO - mangels hinreichenden Tatverdachts, 170 Abs. 2 StPO - aus Opportunitätsgründen, insbes. 153, 153 a StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 14 Eingangsgerichte in Strafsachen politische Delikte Oberlandesgericht Senat Tötungsdelikte schwere Delikte Landgericht Strafkammer als Schwurgericht Strafkammer leichte bis mittlere Delikte Amtsgericht erweitertes Schöffengericht Schöffengericht Strafrichter
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 15 Sachliche Zuständigkeit Vergehen zw. 2 und max. 4 J. sowie Verbrechen bis max. 4 J. erwartete Freiheitsstrafe AG Strafrichter Vergehen bis 2 J. erwartete Freiheitsstrafe (max. jedoch 4 J., 24 Abs. 2 GVG); Vergehen im Privatklageverfahren Schöffengericht Erwartete Freiheitsstrafe über 4. J. (Vergehen und Verbrechen) sowie Fälle des 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG LG gr. Strafkammer Staatsschutzdelikte OLG Senat
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 16 Das Rechtsfolgensystem Hauptstrafen Freiheitsstrafe Geldstrafe Fahrverbot Strafen Nebenstrafen Nebenfolgen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts Maßregeln der Besserung und Sicherung Zum Beispiel: Maßnahmen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung Entziehung der Fahrerlaubnis Eigentumssanktionen Verfall und Einziehung
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 17 Strafen und Maßregeln: Sanktionierungsperspektiven tatbezogene Schuld Strafe Maßregel künftige Gefährlichkeit des Täters
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 18 Das System der Straftheorien Straftheorien absolute relative Generalprävention Spezialprävention positiv: Integration negativ: Abschreckung positiv: Besserung negativ: Sicherung Vereinigungstheorie
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 19 Strafverteidigung: Verteidigerstatus Doppelfunktion (h. M.) als Beistand (nicht Vertreter!) des Beschuldigten, 137 StPO als unabhängiges Organ der Rechtspflege, 1 BRAO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 20 Der Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, 16 Satz 2 GVG Grundrechtsähnlicher Anspruch darauf, dass der Staat durch das Strafverfahrens- und Gerichtsorganisationsrecht imvorhinein für jeden denkbaren Rechtsfall abstrakt regelt, welches Gericht in der Sache zu befinden hat. Für alle abstrakten Rechtsfälle Konkreter Rechtsfall Wer entscheidet im konkreten Fall? Zuständigkeitsregelungen der Gerichte Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Gerichts Geschäftsverteilungsplan innerhalb der Spruchkörper Zuständiges Gericht Zuständiger Spruchkörper Beteiligte Richter
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 21 Ausschließung von Verfahrensbeteiligten Richter Staatsanwälte Verteidiger Ausschließung von Gesetzes wegen gem. 22, 23 StPO Ablehnung wegen eines Ausschliessungsgrundes oder wegen Besorgnis der Befangenheit gem. 24 StPO Analoge Anwendung der Gründe in 22-24 StPO; Möglichkeit der Ersetzung nach 145 Abs. 1 GVG, aber: kein Eingriffsrecht des Gerichts ( 150 GVG) kein Ablehnungsrecht des Angeklagten; Beanstandung nur im Wege der Revision möglich Ausschließung des Verteidigers durch gesondertes Verfahren vor dem OLG gem. 138 a ff. StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 22 Strafrechtliche Relevanz von Blutalkoholwerten 3,0 Beginn des Bereichs der Schuldunfähigkeit gem. 20 StGB (Prüfungsanlass für actio libera in causa und Vollrausch gem. 323 a StGB) 2,0 Beginn des Bereichs der verminderten Schuldfähigkeit gem. 21 StGB Asbach Weinbrand Uralt 1,1 Beginn des Bereichs der absoluten Fahruntüchtigkeit beim Führen von Kfz 0,5 Beginn des Bereichs der Ordnungswidrigkeit nach 24 a StVG 0,3 Beginn des Bereichs der relativen Fahruntüchtigkeit beim Führen von Kfz
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 23 Die Rechtsmittel der Berufung und der Revision Berufung Revision Rechtsmittelfunktion Devolutiveffekt: Verlagerung des Verfahrens in eine höhere Instanz Suspensiveffekt: Hemmung der Rechtskraft Gegenstand erstinstanzliche Urteile erst- und zweitinstanzliche Urteile Umfang der Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nur in rechtlicher Hinsicht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 24 Instanzenzüge in Strafsachen Berufung Landgericht kleine Strafkammer Revision Amtsgericht Oberlandesgericht Sprungrevision Landgericht große Strafkammer Revision Bundesgerichtshof Oberlandesgericht Revision
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 25 Rechtskraft Durchbrechung der Rechtskraft Wiederaufnahme des Verfahrens gem. 359 ff. StPO Urteilsaufhebung durch das BVerfG gem. 95 Abs. 2 BVerfGG
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 26 Gerichtshierarchie Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäischer Gerichtshof Bundesverfassungsgericht Bundesgerichtshof Oberlandesgericht Landgericht Amtsgericht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 27 Teil 2: Neuere Entwicklungen im deutschen Strafrecht 1. Materielles Strafrecht a) Veränderungen im Bereich der Sanktionen b) Verfassungsrechtliche Durchformung 2. Strafverfahrensrecht a) Einstellung aus Opportunitätsgründen b) Absprachen
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 28 Gerichtshierarchie Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäischer Gerichtshof Bundesverfassungsgericht Bundesgerichtshof Oberlandesgericht Landgericht Amtsgericht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 29 Verfassungsgerichtliche Gesetzeskontrolle durch das BVerfG: Das Normenkontrollverfahren Konkrete Normenkontrolle Art. 100 Abs. 1 GG Ein anderes Gericht...... hält im konkreten Fall ein Gesetz für verfassungswidrig und will es nicht anwenden; die Sache muss dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden. Abstrakte Normenkontrolle Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG Die Bundesregierung, eine Landesregierung oder 1/3 der Mitglieder des Bundestages... beantragt - unabhängig von einem konkreten Fall -, die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm zu überprüfen.
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 30 Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG in einem Strafverfahren Verfahren vor dem BVerfG gem. 81 ff. BVerfGG Entscheidung über die Rechtsfrage (Nichtigerklärung des Gesetzes oder Feststellung der Verfassungsmäßigkeit) Strafverfahren Fortführung des Strafverfahrens Aussetzung; Vorlagebeschluss des Gerichts gem. Art. 100 Abs. 1 GG, 80 BVerfGG
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 31 Zulässigkeit einer Gesetzeskorrektur durch verfassungskonforme Rechtsanwendung? Mord gem. 211 StGB Struktur der Vorschrift: Wenn ein Mordmerkmal erfüllt ist, dann muss eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. absolute Strafe BGHSt 30, 105 Wegen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann davon in außergewöhnlichen Fällen geminderter Schuld abgewichen werden. Relativierung der Mordstrafe
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 32 Einschränkung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord Strafbarkeit I. Tatbestandsmäßigkeit II. Rechtswidrigkeit Restriktive Auslegung, insbes. Heimtücke,Verdeckungsabsicht negative Typenkorrektur (str.) III. Schuld Strafzumessung Strafzumessung Strafvollstreckung sorgfältige Prüfung der Schuldfähigkeit Rechtsfolgenlösung: analoge Anwendung von 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB in außergewöhnlichen Fällen geminderter Schuld Aussetzung des Strafrestes gem. 57 a StGB
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 33 Entwicklung des Gewaltbegriffs RGSt 56, 87 Täter körperliche Kraftentfaltung Opfer körperliche Zwangswirkung BGHSt 1, 145 kein Kraftaufwand körperliche Zwangswirkung BGHSt 23, 46 kein Kraftaufwand auch: psychische Zwangswirkung BVerfGE 92,1 Forderung nach Eingrenzung des vergeistigten Gewaltbegriffs
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 34 Auslegungsmethoden und Auslegungskontrolle grammatisch systematisch historisch (subjektiv) teleologisch (objektiv) Auslegungsmethoden Auslegungskontrolle verfassungskonforme Auslegung unionsrechtskonforme Auslegung
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 35 Grobübersicht über die polizeilich registrierten Straftaten (ohne Straßenverkehrsstraftaten) sonstige Straftaten ca. 30 % schwerer Diebstahl ca. 25 % Sachbeschädigung ca. 10 % Betrug ca. 10 % Straftaten gegen Vermögenswerte ca. 70 % einfacher Diebstahl ca. 25 %
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 36 Trichtermodell der Strafrechtspflege Hell- und Dunkelfeld (Gesamtheit der Straftaten) registrierte Taten ermittelte Tatverdächtige Abgeurteilte Verurteilte Strafgefangene
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 37 Der Legalitätsgrundsatz, 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO Materiellrechtliche Absicherung durch 258a und 344 StGB Gesetzlicher Regelfall: Legalitätsgrundsatz = Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung jeder Straftat Verfahrensrechtliche Absicherung durch das Klageerzwingungsverfahren, 172 ff. StPO Ausnahme: Opportunitätsgrundsatz = Absehen von der Verfolgung an sich verfolgbarer Straftaten z. B. 153-154e StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 38 Strafrechtliche Behandlung von Bagatelltaten Materiellrechtliche Lösung (Polen) Prozessrechtliche Lösung (Deutschland) Kriterium geringfügige Sozialschädlichkeit geringe Schuld und fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung Folge Einstellung im Ermittlungsverfahren / nach Anklageerhebung Freispruch Einstellung des Verfahrens
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 39 Teil 2: Neuere Entwicklungen im deutschen Strafrecht 1. Materielles Strafrecht a) Veränderungen im Bereich der Sanktionen b) Verfassungsrechtliche Durchformung 2. Strafverfahrensrecht a) Einstellung aus Opportunitätsgründen b) Absprachen
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 40 Das Rechtsfolgensystem Hauptstrafen Freiheitsstrafe Geldstrafe Fahrverbot Strafen Nebenstrafen Nebenfolgen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts Maßregeln der Besserung und Sicherung Zum Beispiel: Maßnahmen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung Entziehung der Fahrerlaubnis Eigentumssanktionen Verfall und Einziehung
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 41 Strafen und Maßregeln: Sanktionierungsperspektiven tatbezogene Schuld Strafe Maßregel künftige Gefährlichkeit des Täters
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 42 Gerichtshierarchie Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäischer Gerichtshof Bundesverfassungsgericht Bundesgerichtshof Oberlandesgericht Landgericht Amtsgericht
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 43 Verfassungsgerichtliche Gesetzeskontrolle durch das BVerfG: Das Normenkontrollverfahren Konkrete Normenkontrolle Art. 100 Abs. 1 GG Ein anderes Gericht...... hält im konkreten Fall ein Gesetz für verfassungswidrig und will es nicht anwenden; die Sache muss dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden. Abstrakte Normenkontrolle Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG Die Bundesregierung, eine Landesregierung oder 1/3 der Mitglieder des Bundestages... beantragt - unabhängig von einem konkreten Fall -, die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm zu überprüfen.
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 44 Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG in einem Strafverfahren Verfahren vor dem BVerfG gem. 81 ff. BVerfGG Entscheidung über die Rechtsfrage (Nichtigerklärung des Gesetzes oder Feststellung der Verfassungsmäßigkeit) Strafverfahren Fortführung des Strafverfahrens Aussetzung; Vorlagebeschluss des Gerichts gem. Art. 100 Abs. 1 GG, 80 BVerfGG
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 45 Zulässigkeit einer Gesetzeskorrektur durch verfassungskonforme Rechtsanwendung? Mord gem. 211 StGB Struktur der Vorschrift: Wenn ein Mordmerkmal erfüllt ist, dann muss eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. absolute Strafe BGHSt 30, 105 Wegen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann davon in außergewöhnlichen Fällen geminderter Schuld abgewichen werden. Relativierung der Mordstrafe
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 46 Einschränkung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord Strafbarkeit I. Tatbestandsmäßigkeit II. Rechtswidrigkeit Restriktive Auslegung, insbes. Heimtücke,Verdeckungsabsicht negative Typenkorrektur (str.) III. Schuld Strafzumessung Strafzumessung Strafvollstreckung sorgfältige Prüfung der Schuldfähigkeit Rechtsfolgenlösung: analoge Anwendung von 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB in außergewöhnlichen Fällen geminderter Schuld Aussetzung des Strafrestes gem. 57 a StGB
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 47 Entwicklung des Gewaltbegriffs RGSt 56, 87 Täter körperliche Kraftentfaltung Opfer körperliche Zwangswirkung BGHSt 1, 145 kein Kraftaufwand körperliche Zwangswirkung BGHSt 23, 46 kein Kraftaufwand auch: psychische Zwangswirkung BVerfGE 92,1 Forderung nach Eingrenzung des vergeistigten Gewaltbegriffs
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 48 Auslegungsmethoden und Auslegungskontrolle grammatisch systematisch historisch (subjektiv) teleologisch (objektiv) Auslegungsmethoden Auslegungskontrolle verfassungskonforme Auslegung unionsrechtskonforme Auslegung
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 49 Grobübersicht über die polizeilich registrierten Straftaten (ohne Straßenverkehrsstraftaten) sonstige Straftaten ca. 30 % schwerer Diebstahl ca. 25 % Sachbeschädigung ca. 10 % Betrug ca. 10 % Straftaten gegen Vermögenswerte ca. 70 % einfacher Diebstahl ca. 25 %
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 50 Trichtermodell der Strafrechtspflege Hell- und Dunkelfeld (Gesamtheit der Straftaten) registrierte Taten ermittelte Tatverdächtige Abgeurteilte Verurteilte Strafgefangene
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 51 Der Legalitätsgrundsatz, 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO Materiellrechtliche Absicherung durch 258a und 344 StGB Gesetzlicher Regelfall: Legalitätsgrundsatz = Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung jeder Straftat Verfahrensrechtliche Absicherung durch das Klageerzwingungsverfahren, 172 ff. StPO Ausnahme: Opportunitätsgrundsatz = Absehen von der Verfolgung an sich verfolgbarer Straftaten z. B. 153-154e StPO
Vorlesung Bialystok 2014 Teil 1 52 Strafrechtliche Behandlung von Bagatelltaten Materiellrechtliche Lösung (Polen) Prozessrechtliche Lösung (Deutschland) Kriterium geringfügige Sozialschädlichkeit geringe Schuld und fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung Folge Einstellung im Ermittlungsverfahren / nach Anklageerhebung Freispruch Einstellung des Verfahrens