Neuronale Codierung und Mustererkennung

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Transkript:

Neuronale Codierung und Mustererkennung Frühe vs. späte Stadien der neuronalen Objekterkennung Bottom-up (stimulusgesteuerte) vs. Top-down (konzeptuell beeinflusste) Prozesse Ein Beispiel für Top-down Prozesse in der Wahrnehmung

Laterale Hemmung (Inhibition) Hartline & Ratcliff (1957), Studien am Pfeilschwanzkrebs (Limulus) Keidel (1971) und Goldstein (1996), Studien am Säugetierauge Wichtiger Mechanismus neuronaler Informationsverarbeitung Verantwortlich z.b. für Kontrastverschärfung

Kontrastverschärfung im Limulus-Auge

hell dunkel Vertikale erregende Verschaltung Laterale hemmende Verschaltung

Laterale Hemmung (Inhibition) Divergenzprinzip: Jede Rezeptorzelle ist mit mehreren Neuronen der nächsthöheren Neuronenschicht verbunden Konvergenzprinzip: Jede Zelle der nächsthöheren Neuronenschicht erhält andererseits Afferenzen von vielen Rezeptoren (im menschl. Auge: ~130 Mio Rezeptoren à ~ 1 Mio Ganglienzellen)

Grundlage der hypothetischen! Zahlenwerte: Reizintensität: Hoch = 80, Niedrig = 20 Laterale Hemmung sei 10% der Reizintensität

Ein Beispiel für laterale Hemmung: Mach sche Bänder

Rezeptive Felder Jedem Neuron im visuellen System ist ein bestimmter Bereich retinaler Rezeptorzellen zugeordnet, deren Reizung die Reizantwort dieses Neurons verändern kann. Dieser Bereich der Retina (bzw. des Sehfeldes) ist das rezeptive Feld des Neurons. Welche Reizantwort eine retinale Ganglienzelle zeigt, hängt davon ab ob der Lichtreiz auf den zentralen oder den peripheren Bereich des rezeptiven Feldes trifft (Kuffler, 1953); Hubel & Wiesel (1960er Jahre).

Rezeptive Felder im visuellen Cortex: Die Studien von Hubel & Wiesel (1959, 1962, 1965, 1970, 1979)

Rezeptives Feld eines visuellen Neurons

Quelle: Bruce et al. (1996). Visual perception. Hove: Psychology Press.

Quelle: Gross, C.G. (1998). Brain. Vision. Memory. Tales in the History of Neuroscience. Cambridge: MIT Press.

Verarbeitung im visuellen Cortex Man unterscheidet drei Hauptneuronentypen im visuellen Cortex 1. Einfache Zellen ( Detektorzellen besitzen meist balkenförmig orientierte rezeptive Felder 2. Komplexe Zellen reagieren mit optimaler Reaktion auf Kombinationen, z.b. von Form und Bewegungsrichtung (wie etwa ein Lichtbalken in bestimmter Orientierung und mit bestimmter Bewegungsrichtung) 3. Hyperkomplexe Zellen reagieren auf noch komplexere Merkmalskombinationen und werden daher auch als Merkmalsdetektoren bezeichnet.

Quelle: Bruce et al. (1996). Visual perception. Hove: Psychology Press.

Quelle: Gazzaniga et al. (2002). Cognitive Neuroscience. New York: Norton.

Quelle: Gazzaniga et al. (2002). Cognitive Neuroscience. New York: Norton.

Grossmutterzellen und Ensemble-Kodierung Neuronen im inferioren temporalen Cortex und im superioren temporalen Sulcus ( Grossmutterzellen ) reagieren oft auf enorm spezifische Objekte (z.b. individuelle Gesichter) Ist das Erkennen eine Funktion weniger Neuronen oder eine Charakteristik eines grossen Ensembles von Neuronen?

1. Was versteht man unter lateraler Hemmung, was unter rezeptiven Feldern eines Neurons? 2. Wie läßt sich mit diesen Konzepten die Wahrnehmung von Simultankontrast im Hering schen Gitter erklären? 3. Diskutieren Sie kurz, inwieweit die sog. Mach schen Bänder das Phänomen der Kontrastverschärfung durch laterale Hemmung illustrieren. 4. Was unterscheidet ein On-center Neuron von einem Off-center Neuron? 5. Beschreiben Sie Unterschiede zwischen einfachen Zellen, komplexen Zellen, und hyperkomplexen Zellen im visuellen Cortex. 6. Erklären Sie skizzenhaft, wie durch eine kombinierte Verschaltung von einfachen Zellen in mehreren Ebenen der Hierarchie zunehmend komplexere visuelle Objekte neuronal kodiert werden können. 7. Was versteht man unter Großmutterzellen? Diskutieren Sie dieses Konzept kritisch als Alternative zu einer sog. Ensemble-Kodierung im Hinblick auf die visuelle Objekterkennung. 8. Was sind konnektionistische Netzwerke? Kontrollfragen