Rahmenbedingungen der Direktvermarktung in Deutschland 1. Einführung Landwirtschaftliche Direktvermarktung bezeichnet den direkten Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten vom Erzeuger an den Endverbraucher. Sie ist eine mögliche Maßnahme des Agrarmarketings. Die Direktvermarktung bietet damit vor allem kleineren landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit, neue Absatzwege zu erschließen und damit den aus dem landwirtschaftlichen Strukturwandel hervorgehenden ökonomischen Zwängen zu begegnen. Aus einer erfolgreichen Direktvermarktung gehen für den landwirtschaftlichen Betrieb entscheidende Vorteile hervor. Da zusätzliche Handelsstufen ausfallen, wächst zunächst die Gewinnspanne, die der Landwirt mit den erzeugten Produkten erzielen kann. Weiterhin lösen sich Abhängigkeiten auf, die in Verbindung mit konventionellen Marktstrukturen bestehen: Dies betrifft beispielsweise die schwankenden Marktpreise sowie qualitätsirrelevante Normvorgaben, die eine Weitervermarktung verhindern. Direktvermarktung kann damit eine Option für den landwirtschaftlichen Betrieb darstellen, um eine höhere Einkommenssicherheit zu realisieren. Formen der landwirtschaftlichen Direktvermarktung können sein: - Ab-Hof-Verkauf durch einen Hofladen - Wochen-/Bauernmarkt - Abo-Kisten-Vermarktung und Lieferservice - Versandhandel - Kooperation zwischen mehreren Erzeugern (Erzeugergemeinschaften etc.) - Verkaufsautomaten. Direktvermarktung erfordert im Allgemeinen ein vielfältiges Sortiment, welches entweder - direkt über eine große Vielfalt der Anbaustrukturen oder - bei spezialisierten Betrieben über eine Weiterverarbeitung der erzeugten Rohstoffe oder
- über den Zukauf von Produkten von anderen landwirtschaftlichen Erzeugern oder dem Großhandel realisiert werden kann. Zunehmend setzen wie bereits beschrieben - Landwirte bei der Direktvermarktung auf alternative Vertriebswege. Bei der Wahl des geeigneten Direktvermarktungswegs sollte der Landwirt Vor- und Nachteile abwägen (s. Punkt Vor- und Nachteile der Vermarktungsformen). 2. Arten und Strukturen der Direktvermarktung Nachfolgend soll beispielhaft auf einige Arten der Direktvermarkung näher eingegangen werden, die derzeit eine größere Bedeutung für die Landwirtschaft haben. a) Hofladen / punktueller Hofverkauf Immer mehr Verbraucher fragen Lebensmittel direkt vom Bauernhof nach. Das ist vor allem auf die gestiegenen Ansprüche an die Qualität und Herkunft der Produkte zurückzuführen. Die Zahl der Landwirte, die ihre Produkte auf kurzem Wege an die Kunden liefern, ist stetig gestiegen. Ihre Anzahl wird auf 30.000 bis 40.000 (April 2013) geschätzt. Das entspricht rund sechs bis acht Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland. Viele dieser Bauernhöfe haben zusätzlich eine hofeigene Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie etwa zu Wurstspezialitäten, aufgebaut. Mit der Verarbeitung und dem direkten Absatz ihrer Produkte können sie ihre Einkommenssituation verbessern. Auch haben sich viele Direktvermarkter der Fördergemeinschaft Einkaufen auf dem Bauernhof 1 angeschlossen, um dort für die Einkaufsstätte Bauernhof und für ihre Produkte zu werben. Die Fördergemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Landwirtschaftskammern und regionalen Bauernverbänden. Im Internet bietet die Fördergemeinschaft eine Liste dieser Anbieter sortiert nach Bundesländern und Regionen an. Direktvermarktung leistet somit einen wichtigen Beitrag für die Existenzsicherung der Betriebe und für die Bewahrung eines lebendigen ländlichen Raumes. 1 http://www.einkaufen-auf-dem-bauernhof.com/home.html
Die Gründe für den Direkteinkauf aus Sicht der Verbraucher bestehen in: - Nachvollziehbare Herkunft und Frische der Produkte - Direkte Informationen über die Erzeugungsbedingungen - Persönlicher Kontakt zum Landwirt - Das besondere Einkaufserlebnis - Unterstützung der Landwirtschaft in der eigenen Region 2 Die Vor- und Nachteile einer Direktvermarktung über einen Hofladen für die Landwirte sind in nachfolgender Aufstellung zusammengestellt: Vor- und Nachteile der Direktvermarktung über einen Hofladen Vorteil - Handelsspanne verbleibt im Betrieb; - verbesserte Liquidität; - kurzer, überschaubarer Weg der Erzeugnisse zum Endverbraucher; - keine Qualitätsminderung empfindlicher Produkte durch Transport und Lagerung; - der Informationsfluss zwischen Produzent und Konsument ist gewährleistet; - Veränderungen der Produktqualität können im Gespräch mit dem Verbraucher persönlich erklärt werden; Nachteil - sehr arbeitsintensiv - ständige Kundenpräsenz und das Stehen in der Öffentlichkeit kann eine Belastung sein - breites Sortiment erforderlich - die Nähe des Betriebes zu Ballungsgebieten ist oft nicht gegeben - es ist viel Engagement und Verkaufstalent notwendig - der Hof muss ständig sauber und einladend präsentiert werden - Kontinuierliche Anwesenheit erforderlich - hoher Werbeaufwand 2 http://www.bmel.de/de/laendliche-raeume/06_raus-aufsland/_texte/einkaufenbauernhof.html;jsessionid=037f22a904ef8e3fe8c4304e3f67e031.1_cid288
- Vertrauensbasis, Fachkompetenz und eigene Überzeugungskraft können zur direkten Verkaufsförderung beitragen; - starke Kundenbindung und geringe Austauschbarkeit der Produkte. - schwierige Neukundenwerbung - Lagereinrichtungen nötig - Zusätzlicher Verkehr auf dem Hof b) Versandhandel über Internet Die Direktvermarktung über das Internet ist ein neuer Marktplatz für Landwirte und Verbraucher. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Unternehmen mit einer Internetpräsenz. Anfangs geht es um die Schaffung eines erhöhten Bekanntheitsgrades und meist erst in einem zweiten Schritt um die Vermarktung von Produkten über das Internet. Dabei hat auch der Versandhandel nicht nur Vorteile für den Landwirt, wie nachfolgende Zusammenfassung zeigt. Der Verbraucher hat natürlich mit dem Einkauf über das Internet die Möglichkeit n allen Tagen der Woche, rund um die Uhr, einkaufen zu können. Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass mit dem Versandhandel der originäre Gedanke des Einkaufserlebnisses auf dem Bauernhof nicht zwingend zum Tragen kommt. Weiterhin ist der Internethandel mit jedoch auch mit Kosten für die Erstellung und Pflege der Internetseiten verbunden. Vielfach wird dies durch entsprechende Firmen übernommen, da den Direktvermarktern hier oftmals die Zeit und auch die entsprechenden Kenntnisse fehlen. Vor- und Nachteile des Internethandels für den Direktvermarkter Vorteil - Kontakt zu neuen Kundengruppen - Weltweite Präsenz /ständige Werbung - Hoher Grad an Aktualität - Großer potenzieller Markt Nachteil - Aufwändige Vorbereitung und Ausführung - Kosten für Erstellung und Pflege der Internetseiten - Geringe räumliche Nähe/fehlender
- Leichtere Erweiterung der Produktpalette - Kundenerreichbarkeit höher - keine Dauerbelastung durch Unabhängigkeit von Öffnungszeiten persönlicher Kontakt zum Kunden - Verwaltungsaufwand - Lagereinrichtungen nötig, Logistikkosten - Erlebnischarakter Bauernhof fehlt - Sensible Produkte (frisches Obst, Gemüse etc.) nur über direkten Lieferservice Des Weiteren sind für die Vermarktung von Produkten über das Internet verschiedene Rechtsgrundlagen zu beachten: - Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG 3 ) - Domainrecht - Urheberrecht 4 bei der Gestaltung der Internetseite - Wettbewerb 5 und Marken- (Kennzeichen-)recht 6 c) Direktvermarktung mittels Automaten Die Direktvermarktung mittels Automaten ist sehr vielfältig. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen von den traditionellen Vermarktungsformen durch den Verzicht auf Verkaufspersonal. Die Produktpalette des Automatenangebotes reicht von Milch und Milchprodukte, Eiern, Nudeln, Wurst, Fleisch, Blumen bis hin zu Gemüse und Obst. Die Automaten stehen i.d.r. am landwirtschaftlichen Betrieb. N der letzten Zeit kommt es vermehrt auch zum Aufstellen von Automaten in der Nähe oder in einem Lebensmittelgeschäft. 3 https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5b@attr_id=%27bgbl197s1870.pdf%27%5d# bgbl %2F %2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl197s1870.pdf%27%5D 1498844075912 4 https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/urhg.pdf 5 https://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/uwg.pdf 6 https://www.gesetze-im-internet.de/markeng/markeng.pdf
Der Erfolg der Vermarktung mittels Automaten hängt sehr stark vom Standort ab. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Aufstellung in der Nähe eines Geschäftes oder eines Gasthofes zu zahlreichen Kunden führt, da die Kunden i.d.r. gern an einem Ort oder auf seinem üblichen (Heim-) Weg einkauft, um Zeit zu sparen. Bewährt hat sich hier auch, wenn Parkplätze in der Nähe sind, um die Automaten gut erreichen zu können. Für den Einsatz von Automaten in der Direktvermarktung bieten die Automatenhersteller spezielle Lösungen an. So wird z.b. die Technik des Kauf- und Bezahlvorgangs (Münzsysteme oder bargeldlos) optimiert oder es werden witterungsfeste, eingehauste Automaten für das Aufstellen im Freien angeboten. Bei der Auswahl der Automaten sollten folgende Vorüberlegungen getroffen werden: - Welche Produkte sollen verkauft werden? - Wo wird der Automat aufgestellt? - Welche Sonderausstattungen sind für die Kunden, aber auch für die Arbeitserleichterung erforderlich? Folgende rechtliche Grundlagen sind u.a. vorab zu prüfen: - Bei der Vermarktung von Lebensmitteln ist eine Registrierung als Lebensmittelunternehmer erforderlich. 7 Entsprechend sind die Vorgaben der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV 8 ) und der Tierischen Lebensmittelhygiene- Verordnung (Tier-LMHV 9 ) einzuhalten. - In Abhängigkeit von den Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes und der Art des Automaten ist ggf. eine Baugenehmigung einzuholen. - Bei der Vermarktung von bspw. Milch muss das Mess- und Eichgesetz (MessEG 10 ) sowie die Mess- und Eichverordnung (MessEV 11 ) eingehalten werden. - Einhaltung des Markengesetzes 12, wenn eine eigene Marke verwendet wird. 7 http://www.bvl.bund.de/shareddocs/downloads/01_lebensmittel/internethandel/faq_registrierung_lebensmi ttelunternehmen.html?nn=5576904 8 http://www.gesetze-im-internet.de/lmhv_2007/lmhv.pdf 9 https://www.gesetze-im-internet.de/tier-lmhv/tier-lmhv.pdf 10 https://www.gesetze-im-internet.de/messeg/messeg.pdf 11 https://www.gesetze-im-internet.de/messev/messev.pdf 12 https://www.gesetze-im-internet.de/markeng/markeng.pdf
- Die eigen erzeugten oder zugekauften Waren müssen gekennzeichnet werden. Dabei müssen die Etiketten den Vorgaben der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV 13 ) erfüllen. - Das Aufstellen der Automaten muss entsprechend 14 Abs. 3 der Gewerbeordnung (GewO 14 ) bei der zuständigen Gemeinde angemeldet werden. Bei den aufgeführten Rechtsgrundlagen handelt es sich um eine Auswahl der wichtigsten Regelungen. Vor- und Nachteile von Verkaufsautomaten Vorteil - Kontakt zum Kunden möglich - Großer potenzieller Markt - hoher Verkaufspreis möglich - verbesserte Liquidität Nachteil - Aufwändige Vorbereitung und Ausführung - Verwaltungsaufwand - Lagereinrichtungen nötig - Suche nach geeignetem Standort - Investitionskosten und tägliche Betriebskosten 3. Zusammenfassung Die Direktvermarktung erlebt derzeit in Deutschland aufgrund des Preisverfalls landwirtschaftlicher Produkte einen großen Aufschwung. Vermehrt suchen Landwirte nach Möglichkeiten, die eigenen Produkte direkt an den Endverbraucher oder Wiederverkäufer (z.b. Einzelhandel) zu vermarkten. Andererseits steigt auch die Nachfrage nach regionalen Produkten durch die Verbraucher. 13 http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2011:304:0018:0063:de:pdf 14 https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/gewo.pdf
Diese Entwicklung wird zusätzlich durch den Rückzug von Lebensmitteleinzelhandel und Ernährungshandwerk aus strukturschwachen Regionen begünstigt. Die Direktvermarktung bietet somit eine Möglichkeit der Einkommenssteigerung landwirtschaftlicher Betriebe, andererseits bietet sie den Kunden (v.a. durch Automaten) flexible Einkaufsmöglichkeiten und sorgt zudem für den Erhalt der Nahversorgung in ländlichen Regionen. Juli 2017