Ländliche Finanzmärkte in Entwicklungsländern

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Transkript:

Ländliche Finanzmärkte in Entwicklungsländern Prof. Dr. Awudu Abdulai Institut für Ernährungswirtschaft und Verbrauchslehre Wintersemester

Ländliche Finanzmärkte - Ansatz in den 50er Jahren Umfangreiche Finanzmittel an staatseigenen Kreditinstitutionen zur Zinsverbilligung von Agrarkrediten, um die Modernisierung und das Wachstum in der Landwirtschaft zu fördern. Das Ziel war, die fehlenden Kreditmöglichkeiten zu verbessern, um die Armut in ländlichen Gebieten zu reduzieren. Credit programs became the all-purpose antibiotic for treating development ills (Adams, 1992) Dieser Ansatz ist fehlgeschlagen; er hat die Entwicklung von ländlichen Finanzmärkten behindert und nur ein kleiner Prozentsatz der ländlichen Bevölkerung konnte davon profitieren. 2

Ländliche Finanzmärkte - Neuer Ansatz (80er Jahren) Ziel war, die Politik und den rechtlichen Rahmen für die Finanzmärkte zu reformieren und die Planungen für ländliche Hilfsprogramme und Finanzinstitute zu verbessern. Dieser neue Ansatz hat sich als weit wirksamer erwiesen als staatliche Intervention in Form konzessionierter Kredite. 3

Ursache für ineffiziente Finanzmärkte in Entwicklungsländern Instabiles makroökonomisches Umfeld Finanzmarktrigiditäten: z.b. Mindestreservenforderungen Begrenzte Möglichkeiten für eine Risikodiversifizierung wegen Armut, geringer Bevölkerungsdichte, Isolation in ländlichen Gebieten. Diese Schwierigkeiten, verbunden mit hohen Transaktionskosten wegen der zumeist kleinen Darlehen, halten gewinnorientierte Finanzinstitute davon ab, sich in ländlichen Gebieten niederzulassen. 4

Staatliche Eingriffe I 1. Wann soll die Maßnahme erfolgen? Direkte Eingriffe haben nur dann Erfolg, wenn sie auf ein bestimmtes Marktversagen ausgerichtet sind. 2. Wie kann man eingreifen? Arten von Interventionen: z.b. die Bereitstellung von Existenzgründungsdarlehen. Gezielte Subventionen, um Hemmnisse auf den Finanzmärkten zu überwinden und die Entwicklung von Finanzinstitutionen zu beschleunigen. Die Unterstützung für Pilot- und Ausbildungsprogramme Er kann auch seine Mittel über eine Reihe von Institutionen wie Geschäftsbanken, staatseigene Finanzintermediäre und Genossenschaftsbanken leiten. 5

Der Aufbau erfolgreicher ländlicher Finanzintermediäre I Eindeutig definierte unternehmerische Strategien und Ziele Sowohl ökonomische als auch nicht-ökonomische Ziele Motiviertes Fachpersonal Innovatives, kostengünstiges Angebot an finanziellen Dienstleistungen Positive reale Zinssätze sowohl bei Darlehen als auch bei Einlagen 6

Der Aufbau erfolgreicher Ländlicher Finanzintermediäre II Sorgfältige Überwachung der Portfolioqualität, Anreize für rechtzeitige und volle Darlehensrückzahlungen und aktive Verfolgung krimineller Handlungen Verringerung von Risiken durch Diversifikation und Integration in das allgemeine Finanz- und Bankensystem 7

Zinssätze und Rendite der Banken Welt mit perfekten und freiverfügbaren Informationen Banken können alle möglichen Handlungen der Kreditnehmer genau bestimmen Beeinflusst möglicherweise die Kreditrückzahlung Bank nicht in der Lage, alle Aktionen der Kreditnehmer zu kontrollieren (Imperfekte Information) Formuliert Vertragsbedingungen für Kredite Kreditnehmer sollen so handeln, dass es in dem Interesse der Bank liegt Gewinnung von risikoaversen Kreditnehmern Erwartete Rendite der Bank sinkt oder steigt weniger schnell als der Zinssatz 8

Optimaler Zinssatz für die Bank Erwartete Rendite der Bank r* Zinssatz r* ist der optimale Zinssatz für die Bank Maximiert die zu erwartende Rendite der Bank 9

Neue Institutionenökonomik und ländliche Finanzmärkte Der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik wird in der Regel verwendet, um die Probleme der Ländlichen Finanzmärkte zu untersuchen. Diesem Ansatz lassen sich die Theorie der Verfügungsrechte (Eigentumsrechte), die Agency-Theorie (Prinzipal-Agent) und der Transaktionskostenansatz zuordnen. Sie alle untersuchen ökonomische Interaktionen unter der Annahme asymmetrischer Informationsverteilung, eingeschränkte Rationalität und unsicherer Erwartungen. 10

Neue Institutionenökonomik II Im Gegensatz zur Neuen Institutionenökonomik, geht die neoklassische Theorie von symmetrischer Informationsverteilung, perfekter Rationalität der Akteure und der sicheren Erwartungen über den Eintritt zukünftiger Ereignisse aus. Von der Neuen Institutionenökonomik gehen wichtige Impulse für die Erklärung der Funktionsweise von ländlichen Finanzmärkten in Entwicklungsländern aus. 11

Principal-Agent-Modelle I Es werden die ökonomischen Kooperationsbeziehungen zwischen "gut informierten" (agents) und "schlecht(er) informierten" (principals) untersucht. Zwei Charakteristika prägen diese Beziehung: (a) Der Agent verfügt über Entscheidungsfreiheit, wobei seine Handlungen mit dem Wohlbefinden des Principals verknüpft sind. (b) Es existiert ein Zielkonflikt zwischen Interessen von Agent und Principal bezüglich Informationstransparenz über die Aktivitäten des Agenten. Verbindendes Glied von Transaktionskostentheorie und P-A-Modellen: Die Analyse der Informationsverteilung im Markt-Hierarchie-Paradigma. 12

Principal-Agent-Modelle II Unterschied zwischen den Ansätzen: Die Transaktionskostentheorie untersucht schwerpunktmäßig die Kostenfrage. Solche Kosten, die aufgewendet werden müssen, um Markttransaktionen vorzunehmen. P-A-Theorien fokussieren die (vertraglichen) Beziehungen zwischen unterschiedlich informierten und ökonomisch miteinander in Verbindung stehenden Wirtschaftssubjekten und daraus abgeleitet, die Wirkung dieser Beziehung auf die Marktgleichgewichte. 13

Anwendung der Principal-Agent-Modelle Die Anwendung ist grundsätzlich überall dort angebracht, wo P-A-Beziehungen zu beobachten sind und die Koordination und Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten durch Informationsasymmetrien gekennzeichnet sind. P-A-Beziehungen wurden vor allem auf Arbeits-, Boden-, Kredit- und Versicherungsmärkten untersucht. 14

Beispiel des Kreditmarktes in Entwicklungsländern Transaktionen auf Finanzmärkten sind durch Verträge gekennzeichnet, die letztlich den Tausch von Kapital/Geld gegen künftige Rückzahlungsverpflichtungen beinhalten und einen intertemporalen Charakter haben. Principal sei der Finanzintermediär und Agent der Kreditnehmer. Informationsbeschaffungskosten sind höher in ländlichen Räumen als städtischen Gebieten. Die landwirtschaftlichen Produktion ist hohen Risiken ausgesetzt und verlangt größer Kenntnisse zur Beurteilung. 15

Kreditrationierung In der Literatur wird das Phänomen der Kreditrationierung auf unterschiedliche Weise definiert. Nach Jaffe/Stigltz (1990) ist Kreditrationierung allgemein als überschussnachfrage nach Krediten aufgrund eines Kreditzinssatzes, der sich unter dem markträumendem Gleichgewichtszinssatz befindet, zu verstehen. Nach Stiglitz und Weiss (1981) liegt Kreditrationierung vor, wenn unter identischen Kreditantragsstellern einige Kredit erhalten und andere nicht, wobei die abgelehnten Antragsteller bereit sind, auch einen höheren Zinssatz zu zahlen. 16

Asymmetrie und Moral Hazard auf Kreditmärkten Moral Hazard auf Kreditmärkten wird zum Allokationsproblem, wenn zwei Konstellationen vorliegen: (1) Die Informationsasymmetrie eröffnet dem Kreditnehmer (Agent) einen opportunistischen Handlungsspielraum. (2) Der Principal hat kaum oder nur unter hohem Informationsbeschaffungsaufwand die Möglichkeit, den tatsächlich genutzten (künftigen) Handlungsspielraum des Agenten zu bewerten. Mit anderen Worten: Der Principal kann nicht zwischen so genannten guten und schlechten Risiken unterscheiden. 17

Das Moral Hazard Problem des unvollkommenen Kredit-Marktes (nach Stiglitz und Weiss, 1981) Zinssatz S I 2 I 1 D 0 D 1 0 x 1 x 2 Kreditmenge 18

Asymmetry und moral hazard Das Kreditangebot des Principal sei durch die Angebotskurve S charakterisiert. Hypothetisch werden nun zwei Konstellationen der Kreditnachfrage verglichen. D 0 sei die Nachfrage bei vollständiger Informationssymmetrie. Es wird die Kreditmasse x 1 zum Zinssatz i 1 umgesetzt. Die Kurve D 1 beschreibe eine Nachfragesituation, bei der vollständige Informationsasymmetrie den Kreditmarkt charakterisiert. Es wird unterstellt, dass Kredite um den Betrag 0 X2 0 X1 zusätzlich nachgefragt werden, weil die Möglichkeit, opportunistisches Verhalten zu nutzen, einen zusätzlichen Anreiz zur Kreditaufnahme darstellt. Der Principal kann nicht zwischen guten und schlechten Risiken trennen. Beide sind in der Nachfragekurve D 1 aggregiert und nicht evaluierbar. 19

Das Adverse Selektion-Problem I Aspekte der Adverse Selektion bei den Zinssätzen Kreditnehmer zahlen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten ihren Kredit zurück Zu erwartende Rendite der Bank von der Rückzahlungswahrscheinlichkeit abhängig Banken sind bestrebt, Kreditnehmer mit höherer Wahrscheinlichkeit Kredite zurückzuzahlen, zu identifizieren. Schwer gute Kreditnehmer zu identifizieren Bank benötigt eine Vielfalt an Untersuchungsindikatoren Ein Indikator könnte z. B. der Zinssatz sein, den die Individuen bereit sind zu bezahlen. 20

Das Adverse Selektion-Problem II Der Principal wird bei Informationsasymmetrie alle potentiellen Kreditnehmer als gleich gut (oder schlecht) einstufen und die Kredite folglich zu Standardbedingungen anbieten. Da eine steigende Nachfrage unter Asymmetrie mit höheren Zinssätzen verbunden ist, muss in der Realität allerdings davon ausgegangen werden, dass die Nachfrage der guten Risiken absolut zurückgeht. Es ist darum anzunehmen, dass die Qualität des Kreditnehmerpools mit steigendem Zinssatz überproportional sinkt. Dieser Prozess wird in der Literatur 'adverse selektion' genannt. 21

Das Adverse Selektion-Problem III Der Kreditgeber als Principal steht somit vor einem Konflikt: Mit steigender Informationsasymmetrie ist er auf höhere Zinsen zur Deckung größerer Risiken und allenfalls höhere Informationsbeschaffungskosten angewiesen. Gleichzeitig sinkt aber die Qualität des Kreditnehmerpools mit steigenden Zinssätzen. Bei Informationsasymmetrie mit Moral Hazard auf der einen und adverse selection auf der anderen Seite, kommt es zur Rationierung der Kreditmenge. 22

Adverse Selection (in Anlehnung an Stiglitz und Weiss, 1981) Der Adverse Selektions-Effekt resultiert aus dem Versagen der Zinssätze als Auslesefilter zu fungieren Zinssatz I 1 B I 2 A x 1 x 2 x 3 Kreditmenge 23

Kreditrationierung und Adverse Selektion Die Angebotskurve der Banken hat im unteren Kurvenverlauf die erwartete positive Steigung und krümmt sich ab einem bestimmten Zinsniveau, bei dem die Bank ihren erwarteten Gewinn maximiert, nach hinten. Zum Zinssatz i 2 wird das Kreditvolumen X 2 angeboten (Punkt A). In diesem Punkt sei der Gewinn der Bank nach Abzug der Einlagenzinsen maximal. Der Principal wird also nicht x 1 anbieten (im faktischen Gleichgewichtspunkt B), weil gilt: (x 1 *i 1 ) < (x 2 *i 2 ). 24

Kreditrationierung und Adverse Selektion Im Gleichgewicht existiert ein Nachfrageüberhang X 3 X 2, und die Kreditnachfrager sind bereit, einen weitaus höheren Kreditzins I 1 zu bezahlen, während die Banken auf dem niedrigen Zinsniveau I 2 bestehen, um nicht durch Adverse Selektion ihr Kreditportfolio zu verschlechtern. Somit wird auf dem Kreditmarkt kein Walras- Gleichgewicht erreicht, es herrscht ein Nachfrageüberhang vor und Kredite werden rationiert. 25

Grameen Bank: Gegründet im Jahr 1976 Beispiel eines erfolgreichen Ländlichen Finanzsystems Im März 2011 wurde Muhammad Yunus als Geschäftsführer der Grameen Bank aus Altersgründen entlassen. Nobelpreis 2006 26

Ziele des Grameen Bank Projekts Erleichterter Zugang zu Bankkrediten für arme Männer und Frauen Beseitigung der Ausbeutung der Armen durch Geldverleiher Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für die enorme Menge arbeitsloser Menschen in den ländlichen Gebieten von Bangladesh Ausbildung der Benachteiligten, insbesondere der Frauen der ärmsten Haushalte, damit sie sich selber helfen und organisieren können Teufelskreise von niedrigen Einkommen, tiefen Ersparnissen und Investitionen soll durchbrochen werden und sich zu einem positiven System entwickeln: Einspritzung von Krediten, mehr Ersparnisse, mehr Investitionen, mehr Einkommen 27

Das Kreditvergabe System Der Fokus ist grundsätzlich auf die Ärmsten unter den Armen ausgerichtet. Kreditnehmer werden in kleinen homogenen Gruppen organisiert. Spezifische Anleihe-Modalitäten, welche gezielt auf die Armen zugeschnitten sind Ein soziales Entwicklungsprogramm wird lanciert, welches an die Grundbedürfnisse der Armen gerichtet sind. Gestaltung und Entwicklung von Organisations- und Managementsystemen, welche den Bedürfnissen der Kunden entsprechen Ausdehnung des Anleihe-Portfolios, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Armen Rechnung zu tragen 28

Mittels Mikrokrediten den Teufelskreis der Armut durchbrechen I Basiert auf einer freiwilligen Struktur von vielen kleinen Fünfer-Gruppen. Die gemeinsame moralische Bindung innerhalb der Gruppe steht an Stelle der verlangten Sicherheit bei Kreditvergaben konventioneller Banken. Zuerst werden nur zwei Gruppenmitglieder für Kredite zugelassen. Je nach ihren Rückzahlungsanstrengungen werden dann die zwei nächsten und schließlich noch der fünfte zugelassen. 29

Mittels Mikrokrediten den Teufelskreis der Armut durchbrechen II Intensive Disziplin, gute Beobachtungen und vorbildlicher Service charakterisieren die Tätigkeiten der Grameen Bank. Die rigorose Auslese von Kreditnehmern und ihrer Projekte durch die Bankangestellten, der starke Gruppendruck und das strenge Rückzahlungsschema garantieren die operationale Überlebensfähigkeit dieses Gelddienstleistungssystems für die arme Landbevölkerung. 30

Erfolgreiche Tätigkeiten I Im Oktober 2007 hatte die Bank nach eigenen Angaben 7,34 Millionen Kreditnehmer, davon 97% Frauen. Die Gesamtsumme des bisher verliehenen Geldes beläuft sich auf 6,55 Milliarden Dollar. Die Bank unterhält 2.468 Zweigstellen mit 24.703 Mitarbeitern, die über 70 % (80.257) der Dörfer in Bangladesch betreuen. 98,35 % der vergebenen Kredite werden wieder zurückgezahlt. 31

Erfolgreiche Tätigkeiten II Die Bank befindet sich zu 94% im Besitz der Kunden, zu 6% im Besitz des Staates. Im Lauf der Zeit entwickelte die Bank auch eigene Programme, bei denen Darlehen zu besonderen Bedingungen z. B. Hausbaudarlehen für Familien vergeben werden. 32

Erfolgreiche Tätigkeiten III Es fand auch eine Verschiebung von agrarisch erwirtschafteten Löhnen zu selbständigem Kleinhandel statt. Frauen werden nicht einfach nur als gewöhnliche Kreditnehmer gesehen, sondern als schlaue Unternehmerinnen betrachtet. Dadurch konnten sie ihren Status verbessern und sich ihrer Abhängigkeit vom Ehemann entledigen und steigerten ihre Lebens- und Ernährungsstandards für ihre Kinder. 33

Modul: Welternähr ungswirtsch aft, Prof. Dr. Awudu Abdulai