Kreditrationierung. Andrea Kubista Rainer Bromann. rbdeit BBa. Verfasst im Rahmen des. KS Informationsökonomik WS 2009/2010



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Transkript:

Kreditrationierung rbdeit BBa Verfasst im Rahmen des KS Informationsökonomik WS 2009/2010 Andrea Kubista Rainer Bromann bei Dr. Stefan Schleicher, O. Univ.-Prof.

2 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung... 2 II. Kreditmärkte in Entwicklungsländern... 3 a. Kreditnachfrage... 3 b. Kreditangebot... 4 c. Eigenschaften von Kreditmärkten in ländlichen Regionen... 4 III. Kreditrationierung... 6 a. Risiko eines Zahlungsausfalls... 6 b. Asymmetrische Informationen... 9 c. Zahlungsausfall und Durchsetzung... 12 Zusammenfassung... 14 Literaturverzeichnis... 15

Abstract Dieses Paper befasst sich mit Kreditrationierung als Resultat asymmetrischer Informationsverhältnisse, mit besonderem Fokus auf Kreditmärkte in Entwicklungsländern. Dabei wird zuerst das Wirken von Angebot und Nachfrage auf Kreditmärkten in Entwicklungsländern erklärt, und die Charakteristika von ländlichen Kreditmärkten sollen aufgezeigt werden. Zur Klärung der Gründe für Kreditrationierung wird insbesondere auf die Problematik von moral hazard und adverse selection aufgrund von Schwierigkeiten bei monitoring- und screening-prozessen der potentiellen Kreditnehmer eingegangen. Abschließend werden mögliche Strategien zur Verhinderung von Zahlungsausfällen beschrieben.

2 Einleitung Kreditmärkte sind mit Marktunvollkommenheiten konfrontiert. Im Zusammenhang der Kreditvergabe treten Adverse selection- und moral hazard- Probleme in verschiedenen Variationen auf. Kreditrationierung zielt darauf ab, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Kreditrationierung hilft demnach einen stabilen Kreditmarkt zu gewährleisten. Stabile Märkte sichern wirtschaftliche Entwicklung und materielle Prosperität. Besondere Bedeutung hat dies für noch wenig entwickelte Länder, deren Bürger nach materiellem Wohlstand streben. Mit Kreditrationierung bezeichnet man den Umstand, dass der Kreditnehmer bei gegebenem Zinssatz bereit ist, einen höheren Kreditbetrag aufzunehmen, der Kreditgeber aber über keine Anreize verfügt dies zu tun. Generell werden Kredite rationiert, weil der Kreditgeber nicht über vollkommenes Wissen über die Kreditwürdigkeit potenzieller Kreditnehmer verfügt. Ein Anheben des Zinssatzes durch den Gläubiger kann unter Umständen zu einem crowding out der good risk Kreditnehmer führen. Kreditrationierung lässt sich aber auch aufgrund des Risikos eines Zahlungsausfalls beschreiben. Diese Erklärung ist jedoch nur auf Länder mit einem schwachen Rechtssystem anwendbar, die im Falle eines Zahlungsausfalles für den Schuldner keine schwerwiegenden Konsequenzen nach sich ziehen; das trifft durchaus auf einige Entwicklungsländer zu. Um die Bedeutung der Kreditrationierung für einen funktionierenden Kreditmarkt und damit für bessere wirtschaftliche Entwicklung zu verstehen widmen wir uns im II. Kapitel speziell den Kreditmärkten in Entwicklungsländern und deren Spezifika. Das III. Kapitel befasst sich ausführlich mit den im Falle eines Zahlungsausfalles und den Vermeidungsstrategien Verringerung des Risikos eines Zahlungsausfalls und besseres Wissen über die Eigenschaften der Kreditnehmer von Kreditrationierung.

3 I. Kreditmärkte in Entwicklungsländern Viele ökonomische Aktivitäten erstrecken sich über einen längeren Zeitraum. Investitionen in Kapital bzw. Technologien werden heute durchgeführt, Geld fließt aber erst in darauffolgenden Perioden zurück. Zudem können Einkommen variieren; zb.: Ernteausfall. Ohne die Überbrückung von solchen Einkommensschwankungen mittels Krediten wirken sich diese auf den Konsum aus. Kreditvergabe ist ein mit Risiko behaftetes Unternehmen. Der Kreditgeber hat immer mit einem Zahlungsausfall des Schuldners zu rechnen. Zum einen ist der Ertrag einer Investition unsicher. Zum anderen treten Probleme beim monitoring -Kontrolle des Kreditnehmers- auf. So hat ein Gläubiger Schwierigkeiten die Absichten des Schuldners zu erkennen. Beispielsweise ist dem Gläubiger nicht immer klar, ob der Schuldner den Kredit für Produktions- oder andere Zwecke -Konsum- verwendet. Je weniger der Kreditnehmer des erhaltenen Kredits für produktive Zwecke verwendet, desto eher droht dem Geldgeber ein Zahlungsausfall; man spricht von unfreiwilligen Zahlungsausfall. Die Zahlungseinstellung eines Kredits kann aber auch freiwillig bzw. aus strategischen Gründen vom Schuldner gewählt werden. In diesem Fall wäre der Schuldner eigentlich in der Lage seine Verbindlichkeiten zu begleichen, hat aber nicht genügend Anreize, um dies auch zu tun. In Industrieländern ist das Problem eines strategischen Zahlungsausfalls vernachlässigbar, da strenge rechtliche Rückzahlungsverpflichtungen dies unrentabel machen. In Bereichen in denen kreditrechtliche Gesetze entweder unzulänglich ausgeprägt und/oder lückenhaft durchgesetzt werden, stellt dies aber sehr wohl eine Schwierigkeit dar. Zwei Bereiche, in denen das System der Kreditvollstreckung schwach ausgeprägt ist, betreffen die internationale Kreditvergabe und Entwicklungsländer. Spezielle Eigenschaften der Kreditmärkte in Entwicklungsländern werden nachfolgend erörtert. (Ray, 1998, S. 529ff) a. Kreditnachfrage Die Nachfrage nach Krediten setzt sich im Allgemeinen aus drei Teilen zusammen; Nachfrage nach Fix-, Arbeits- und Konsumkapital. Ein Ursprung der Nachfrage nach Krediten ist die Finanzierung der Inbetriebnahme oder der Ausbau eines Unternehmens. Andererseits benötigen Produzenten ebenso Kredite für die Finanzierung der laufenden Produktion, die erst zeitversetzt einen Ertrag erbringt. Am Ende sind Kredite noch wichtig für den Konsum. Oftmals werden solche Kredite von Armen aufgenommen, die aus den verschiedensten Gründen dringend Geld benötigen; Ernteausfall, Krankheit, Tod von Angehörigen, Feiern etc.. Während Kredite für Fixkapital wichtig sind, zeigt die Zugänglichkeit von Krediten für Arbeits- und Konsumkapital auf, wie eine Gesellschaft mit ihren Benachteiligten und Armen umgeht. Dies trifft in besonderem Maße in Entwicklungsländern auf den landwirtschaftlichen Sektor zu. 1 Landwirte sind auf den Erntezyklus angewiesen und benötigen Kredite für Vorschüsse in Form Saatgut, Dünger und Pestiziden. Die Saisonab- 1 Laut World Development Report 2008 leben 3 von 4 armen Menschen in Entwicklungsländern im ländlichen Bereich - 2.1 Mrd. Menschen leben von weniger als 2$/Tag und 880 Millionen von weniger als 1$/Tag- und die meisten davon verdienen ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft.

4 hängigkeit und das einhergehende Risiko eines Ernteausfalls zeigen die Wichtigkeit von Konsumkrediten auf. Die Einkommen von Bauern sind niedrig in der Anbauzeit und höher in der Zeit der Ernte. Ein funktionierendes Kreditwesen trägt zur Konsumglättung bei und kann so die Lebensumstände einer beträchtlichen Anzahl von Menschen verbessern. (Ray 1998, S. 531.f) b. Kreditangebot Die Quellen des Kreditangebots lassen sich in formalen und informellen Sektor unterteilen. Geschäfts-, Regierungsbanken und Kreditbüros formen den formalen Sektor. Verwandte, Freunde, Kreditgenossenschaften, Grundbesitzer und Abnehmer bilden das Angebot am informellen Kreditmarkt. Institutionellen Kreditgebern, wie Banken, bereitet primär das monitoring im ländlichen Bereich Probleme. Der persönliche Bezug zu den Kunden fehlt großen Institutionen. Damit stehen hohe Informationskosten, zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit, meist nur geringen Kreditsummen entgegen. Außerdem erhöht eine geringe Haftbarkeit in schlecht ausgebildeten Rechtssystemen das Risiko eines Zahlungsausfalls. Es ist also nur verständlich, wenn Banken im Vorhinein für die Gewährung eines Kredits Sicherheiten verlangen. Oft haben Sicherheiten, die Bauern anbieten -Hypothek auf ein Stück Land, Arbeitskraft-, für eine institutionellen Geldgeber praktisch keinen Wert. Und so werden Arme durch ihre Unfähigkeit mögliche Verluste zurückzuzahlen von formalen Kreditgebern diskriminiert. Der informelle Kreditsektor kann indessen die Sicherheiten, die von armen Landwirten angeboten werden, besser verwerten und besitzt zudem mehr Informationen über die Tätigkeiten seiner Schuldner. Etwa ist ein Großgrundbesitzer, dessen Grund an die kleine Parzelle eines Bauern grenzt, gewillt einem Landwirt einen Kredit zu gewähren, da die kleine Parzelle für den Großgrundbesitz eine Möglichkeit wäre sein Grundstück zu vergrößern. Ebenso ist ein Arbeitgeber bereitwillig die Arbeitskraft eines Angestellten als Pfand zu akzeptieren, sollte es zu einem Zahlungsausfall kommen. Hinzukommend gibt es zwischen den Geldgebern des informellen Sektors und deren Klientel deutlich weniger asymmetrische Informationen. Arbeitgeber, Grundbesitzer, Abnehmer von Waren und Dienstleistungen begegnen regelmäßig den Leuten, an die sie Kredite vergeben und wissen sowohl über deren Charaktereigenschaften, als auch über ihre Anstrengungen ihren Rückzahlungsverpflichtungen nachzukommen bestens Bescheid. (Ray 1998, S. 532 ff) c. Eigenschaften von Kreditmärkten in ländlichen Regionen Versucht man die optimale Menge und den dazugehörigen Preis eines Kredites durch ein Gleichgewicht am kompetitiven Markt zu begründen, ergeben sich einige Schwierigkeiten. Es gibt einige Ursachen, warum besonders auf Kreditmärkten in Entwicklungsländern die Kräfte von Angebot und Nachfrage außer Kraft gesetzt sind: (Ray, 1998 S. 540ff) Asymmetrische Informationen Wie in vorigen Absätzen schon erwähnt herrscht vielfach unvollständiges Wissen über die Absicht der Rückzahlung und die Bestrebungen, die unternommen werden, um seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Hierzu zählt ebenso fehlende Kenntnis über die

5 Charaktereigenschaften der Vertragspartner, die unter anderem auch das Risiko eines Zahlungsausfalls mitbestimmen. Segmentierung Ein weiteres Spezifikum von ländlichen Kreditmärkten ist die Tendenz zur Segmentierung. Kredittransaktionen setzen gegenseitiges Vertrauen voraus. Der Aufbau von Vertrauen benötigt Zeit. Geldgeber in Entwicklungsländern handeln deswegen vorwiegend mit einem festen Kundenstamm; es ist zeit-/kostenaufwendig diesem Stamm anzugehören und sehr leicht, wieder von diesem ausgeschlossen zu werden. Kreditgeber leihen meist nur an Leute aus ihrer unmittelbaren Umgebung Dorf, Region. Verflechtungen Viele Kreditoren in ländlichen Regionen bestreiten ihren Lebensunterhalt nicht nur mit der Vergabe von Krediten. Der Großteil der Kreditgeber sind Großgrundbesitzer, Händler oder Verkäufer. Sie stehen in einem geschäftlichen Verhältnis zu ihren Schuldnern und die Kreditvergabe geschieht komplementär zu den alltäglichen Geschäftsbeziehungen. Zinssatz Mit der Segmentierung hängt auch die zum teils enorme Variation der Zinssätze für gewährte Darlehen zusammen. Der Zinssatz hängt von der geografischen Lage, dem Kreditgeber und den Eigenschaften des Schuldners ab. Während der Zinssatz, den Geschäftsbanken verrechnen, bei 12 % liegt, treten im informellen Sektor Variationen von 15-200% auf. In gewissen Regionen zb. Nigeria werden Kredite auch zu sehr geringen oder gar keinen Zins vergeben. In solchen Fällen enthalten aber andere Bestandteile des Kreditvertrages einen impliziten Zinssatz; spezieller Verkaufspreis der produzierten Ware für den Kreditor usw. Rationierung Auf Kreditmärkten in Entwicklungsländern werden zudem Kredite stark rationiert; sprich der Kreditgeber ist nicht bereit jedweden Geldbetrag einem Kreditnehmer zu leihen. Im nächsten Abschnitt wird detailliert auf die Ursachen von Kreditrationierung eingegangen.

6 II. Kreditrationierung Kreditrationierung kann als Erweiterung der Segmentierung verstanden werden. Unter Segmentierung versteht man die selektive Vergabe von Krediten an Kreditnehmer. Kreditrationierung geht hier noch einen Schritt weiter: Bei gegebenen Zinssatz möchte der Kreditnehmer einen höheren Kreditbetrag aufnehmen, bekommt diesen aber nicht vom Kreditnehmer erteilt. Kreditrationierung scheint auf den ersten Blick nicht verständlich zu sein. Eine Überschussnachfrage nach Krediten führt normalerweise zu einem Anstieg des Preises des Zinssatzes; warum nicht auch in diesem Fall? Gewinnmaximierende Kreditgeber erhöhen den Zinssatz ein wenig, um ihren Mehrwert zu erhöhen, wenn der Kreditnehmer bereit ist, einen höheren Kredit aufzunehmen; was hindert den Geldgeber, dies zu tun? (Vlg. Ray 1998, S. 542) In weiterer Folge werden zwei Erklärungen für Kreditrationierung angeführt. Zuerst zeigen wir, wie das Risiko eines Zahlungsfalls und später, wie asymmetrische Informationen Kreditrationierung erklären können. a. Risiko eines Zahlungsausfalls Kreditrationierung ist eng verbunden mit der Möglichkeit eines Zahlungsausfalls von Krediten. Das nachfolgende Modell soll dies veranschaulichen: (Ray, 1998, S. 548ff) Ein Grundbesitzer besitzt liquide Mittel, die er in Form von Krediten anlegen möchte. Er versucht dabei seine erwartete Gewinnrate zu maximieren. Es gibt viele um präzise zu sein: unendlich viele Bauern in der Region, die daran interessiert sind, einen Kredit aufzunehmen. Die Landwirte haben vor, mit der aufgenommen Geldsumme Produktionsfaktoren zu kaufen und mithilfe dieser ein Produkt herzustellen. Der Bauern erzeugt seine Waren anhand einer typisch neoklassischen Produktionsfunktion ; abnehmende Grenzproduktivität. Die Gesamtkosten, die einem Landwirt durch die Aufnahme des Kreditbetrages L entstehen entsprechen: wobei für den Zinssatz steht, der für den Kredit verrechnet wird. Der Kreditgeber ist bestrebt, den höchstmöglichen Zinssatz zu verrechnen, er muss aber beachten, dass der Kreditnehmer auch andere Möglichkeiten hat, um sich liquide Mittel zu beschaffen. Für den Schuldner gibt es noch andere Wege, um mit seiner Produktion einen Nettogewinn in der Höhe von zu erwirtschaften.

7 Output, Kosten, Profite } A f(l) L(1+i*) L* Kredithöhe Grafik 1: Kreditzinssatzmaximierung (nach Ray, 1998, S. 549) Damit ein Landwirt einem Kreditvertrag zustimmt, muss sein Nettoprofit zumindest dem alternativen Nettogewinn entsprechen: (1). Unter den getroffenen Annahmen entspricht die optimale Kredithöhe. Der Zinssatz wird derart gewählt, dass der Surplus des Bauern nicht unterschreitet; das Grenzprodukt entspricht den Grenzkosten. Im obigen Beispiel kann der Zinssatz hoch oder niedrig sein. Kreditrationierung liegt aber nicht vor, denn zum gegebenen Zinssatz möchte der Kreditnehmer keinen höheren Kredit aufnehmen. Im nächsten Schritt führen wir die Möglichkeit eines strategischen Zahlungsausfalls seitens des Kreditnehmers ein. Der Schuldner kann also aus strategischen Gründen sich dazu entscheiden seinen Kredit nicht zurückzuzahlen. Er muss in diesem Fall jedoch in Kauf nehmen, von diesem Kreditgeber keine weiteren Kredite zu erhalten. Um den Sachverhalt von zukünftigen Gewinn und Verlust in das Modell mit einzubeziehen bezeichnen wir den mentalen Zeithorizont des Kreditnehmers mit. Ob ein Kreditnehmer sich für die Rückzahlung oder die Einstellung des Kredits entscheidet hängt zum einen von seinem über N Perioden angehäuften Nettogewinn - -ab, sollte er sich für die Einhaltung des Kreditvertrages entscheiden. Zum anderen berücksichtigt der Kreditnehmer den Profit den er bei Nichteinhaltung des Vertrages erzielen würde; den Bruttogewinn der Produktion für die erste Periode, einschließlich des alternativen Nettogewinns über Perioden -. Der Bauer entscheidet sich den Kredit zurückzuzahlen, wenn folgendes gilt: (2) Formt man Gleichung (2) um, erhält man: (3)

8 So erkennt man, dass das Risiko eines Zahlungsausfalls mit der Länge des mentalen Zeithorizonts des Kreditnehmers sinkt. Uns interessieren jene Lösungen, die weder über ein sehr niedriges, noch ein sehr hohes N verfügen. 2 Gleichung (3) entspricht der Beschränkung an die sich der Geldgeber nunmehr hält, um seinen erwarteten Gewinn zu maximieren. Der erwartete Profit des Gläubigers entspricht nun. Der Geldgeber wählt zur Lösung seines Optimierungskalküls und so, dass sein erwarteter Gewinn dem Grenzprodukt des Bauern entspricht. In Grafik (2) wird dies grafisch illustriert. Output, Kosten, Profite A{ f(l) N/(N-1) L (1+i**) L(1+i**) L** ^ L Kredithöhe Grafik 2: Abschluss eines Kreditvertrages bei Risiko eines Zahlungsausfalls (nach Ray 1998, S. 552) Achtet man nun auf den Umstand, dass der Gläubiger seinen erwarteten Gewinn, der nicht den Kosten entspricht, denen sich der Kreditnehmer gegenübergestellt sieht, maximiert, stellt man fest, dass es sich hier um einen Fall von Kreditrationierung handelt. Zum gegebenen Zinssatz ist der Kreditnehmer bereit einen höheren Kredit aufzunehmen, erhält diesen jedoch nicht vom Kreditgeber. Der Gläubiger erteilt keinen höheren Kredit zu einem höheren Zinssatz, da sowohl eine höhere Kreditsumme, als auch ein höherer Zinssatz den Ertrag bei einem Zahlungsausfall für den Kreditnehmer erhöhen würde. Die eben präsentierte Erklärung für Kreditrationierung ist in erster Linie auf Entwicklungsländern anwendbar. Nur in einem schwach ausgeprägten Rechtssystem ist es für einen Kreditnehmer möglich abgeschlossene Verträge nicht einzuhalten ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Eine weitere, und breiter anwendbare, Rechtfertigung für Kreditrationierung bietet die Existenz von asymmetrischen Informationen. 2 Sei N beispielsweise 1 würde der Kreditnehmer zu jeglichen Konditionen vertragsbrüchig werden; vorausgesetzt er erhielte den Kredit. Sei N eine hohe Zahl entspräche der Quotient knapp 1 und Gleichung (3) entspräche mehr oder weniger Gleichung (2). Beide Fälle sind für die Erklärung von Kreditrationierung von geringer Bedeutung.

9 b. Asymmetrische Informationen Die Risiken, mit denen Kreditgeber auf Kreditmärkten mit asymmetrischen Informationsverhältnissen konfrontiert sind, sind vor allem mit den individuellen Qualitätseigenschaften der potentiellen Kreditnehmer verbunden. Die potentiellen Kreditnehmer weisen jeweils unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten auf, die in Anspruch genommenen Kredite auch wirklich abzubezahlen. Da die Erträge des Kreditgebers demnach von der Rückzahlungswahrscheinlichkeit abhängen, ist es für den Kreditgeber von Vorteil, Schuldner mit einer höheren Rückzahlungswahrscheinlichkeit identifizieren zu können. 3 Ein Kreditgeber, dem die Kreditwürdigkeit seiner potentiellen Schuldner bekannt ist, kann die Zinsen für Schuldner mit hohem Risiko erhöhen. Wenn das Risikoniveau der Kreditnehmers für den Kreditgeber ex ante aufgrund von sogenannten screening Problemen allerdings nicht ersichtlich ist 4, beeinflusst der Zinssatz den Risikomix und das durchschnittliche Ausfallsrisiko der potentiellen Kreditnehmer. 5 Der Zinssatz kann dabei nicht nur das Risiko des pools an potentiellen Kreditnehmern beeinflussen, und dadurch adverse selection Probleme hervorrufen, sondern auch Anreiz-Effekte schaffen. 6 Theoretische Grundlage Zwei risikoneutrale Kreditnehmer, von denen einer risky und der andere safe ist, wollen jeweils ein Projekt in Angriff nehmen. Beide Projekte weisen den gleichen erwarteten Ertrag m auf, jedoch ist der niedrigere Ertrag R des Projektes des safe borrowers durch eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit gekennzeichnet. s Safe borrower r Risky borrower X Ertrag, Xϵ[R, 0] p Wahrscheinlichkeit, dass X=R α Gesamtmenge an verfügbarem Kapital des Kreditgebers β Anteil an safe borrowers 1- β Anteil an risky borrowers D s,r Rückzahlungsbetrag α<1 α>max{ β, 1- β } i.e. es kann zu keinem vollständigen crowding out eines Typs von Kreditnehmern kommen p s,r R s,r =m, m>1 p s >p r R s <R r 3 Vgl. Stiglitz, 393. 4 Vgl. ebda, 393. 5 Vgl. Ray, 553-555. 6 Vgl. Stiglitz, 393.

10 Nur wenn D s,r R s,r, zahlt es sich aus, einen Kredit aufzunehmen, i.e. D s,r R s,r stellt die individuelle incentive constraint der Kreditnehmer dar. Wenn D>R s, werden nur risky borrowers einen Kredit aufnehmen wollen. In diesem Fall maximiert der Kreditgeber seinen Ertrag, indem er D=R r setzt. Sein Profit ist dann gleich (1- β)(1-m) Für den Kreditgeber ist es daher von Vorteil, wenn D=R s, damit die safe borrowers nicht vom Kreditmarkt vertrieben werden. Der Ertrag für den Kreditgeber ist dann α [β(m-1)+(1- β)(p r R s -1)] mit p r R s <m. Der Ertrag des Kreditgebers von den risky borrowers ist in diesem Fall also geringer als sein Ertrag von den safe borrowers, da der risky borrower lediglich den kleineren Betrag R s mit einer geringen Wahrscheinlichkeit p r zurückzahlt. In diesem Fall kann es zu Kreditrationierung kommen, da einige risky borrowers keinen Kredit bekommen, obwohl sie ein höheres D akzeptieren würden. Der Kreditgeber will D aber nicht erhöhen, um ein crowding out der safe borrowers zu vermeiden. Im Folgenden soll ein kleines numerisches Beispiel die Situation auf einem Kreditmarkt illustrieren, der durch asymmetrische Information gekennzeichnet ist. 7 Kreditmarkt unter Sicherheit i Zinssatz S Schuldner/Kreditnehmer G Gläubiger/Kreditgeber EW Erwarteter Bruttoertrag GR Gewinnrate i 10 % Startkapital je 100.000 Projekt A GR EW Projekt B GR EW 15% 115.000 20% 120.000 In einer Welt ohne Unsicherheit, wird S das Projekt mit dem höheren erwarteten Bruttoertrag wählen, also Projekt B, das eine Gewinnrate von 20% aufweist. In diesem Fall kommt es zu keinem Interessenskonflikt. Die Wahl des Projektes ist für den Kreditgeber G irrelevant, da für ihn lediglich die Rückzahlung von Kredit und Zinsaufwand von Bedeutung ist. 7 Vgl. Bolton, 57-58.

11 Kreditmarkt unter Unsicherheit Betrachten wir nun analog eine Situation mit Unsicherheit, in der der Kreditgeber G aufgrund von asymmetrischer Information ex ante nicht zwischen dem unsicheren, i.e. risikoreicherem Projekt A, und dem sicheren Projekt B unterscheiden kann. Projekt A wirft im Falle eines positiven Ausgangs einen Bruttoertrag von 230.000 ab, während der Ertrag im Falle einer negativen Entwicklung null beträgt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden möglichen Ausgänge beträgt je 50%. i 10 % Startkapital je 100.000 Projekt A GR EW Projekt B GR EW 15% 0,5(230.000)+0,5(0)= 115.000 20% 120.000 Die erwarteten Bruttoerträge für beide Projekte verändern sich nicht, allerdings besteht bei Wahl des Projektes A das Risiko, dass S im Falle eines negativen Ausgangs weder Kredit, noch Zinsen zurückzahlen kann. Unter der Annahme, dass sowohl G, als auch S, risikoneutral sind, wird G allenfalls Projekt A favorisieren, da für ihn lediglich eine sichere Rückzahlung des Kredites und der anfallenden Zinsen von Bedeutung ist. S wird sich trotzdem für das risikoreichere Projekt A entscheiden, da der erwartete Gewinn von 60.000 deutlich über dem erwarteten Gewinn vom sicheren Projekt B, i.e. 10.000, liegt. Adverse Selection Legt man dieses kleine Beispiel auf eine Situation um, in der der Kreditnehmer G mit zwei potentiellen Kreditnehmern A und B konfrontiert ist, von denen Ersterer ein höheres Ausfallsrisiko aufweist, als der zweite, und unter der Annahme, dass eine ex ante Identifizierung der beiden Risikotypen nicht möglich ist, kann G versuchen durch Variation des Zinssatzes eine Unterscheidung zwischen A und B zu ermöglichen. Erhöht G in einer solchen Situation den Zinssatz, kann dies den Mix der potentiellen Kreditnehmer verändern. Ist der Kreditnehmer im Fall von Zahlungsausfällen vor Rückzahlungen geschützt, und weist demnach limited liability auf, kann ein höherer Zinssatz allerdings dazu führen, dass der sichere Kreditnehmer B vom Kreditmarkt vertrieben wird und es zu adverse selection kommt. 8 Da der erwartete Gewinn für den riskanteren Kreditnehmer A höher ist, als für B, kann es für ihn interessant sein, den Kredit trotz eines hohen Zinssatzes in Anspruch zu neh- 8 Vgl. Ray, 532-535.

12 men, da seine Rückzahlungswahrscheinlichkeit niedriger ist. Mit steigendem Zinssatz steigt somit auch das durchschnittliche Ausfallsrisiko der Kreditnehmer und die Profite des Kreditgebers G sinken, wie in Grafik 3 dargestellt. Das Profitmaximum für den Kreditgeber liegt beim optimalen Zinssatz i*. 9 Erwarteter Ertrag des Kreditgebers i* Zinssatz i Grafik 3: Optimale Kreditzinssatz aus Sicht des Kreditgebers bei asymmetrischen Informationen (nach Stiglitz/Weiss 1981, S. 394) Wie Birchler beschreibt: Higher interest rates charged by a bank crowd out the best borrowers. This adverse selection effect leads banks to limit the amount of credit and to keep interest rates moderate. 10 Im Beispiel der zwei Kreditnehmer A und B bleibt nur mehr der riskante Kreditnehmer A auf dem Kreditmarkt übrig. Für G ist es demnach vorteilhafter, den Zinssatz so zu wählen, dass die Wahrscheinlichkeit, den Schuldner mit höherem oder niedrigerem Risiko zu wählen, jeweils 50% beträgt. Da bei einem Zinssatz von i* Kreditnachfrage nicht gleich Kreditangebot ist, wird einer der beiden potentiellen Kreditnehmer nun mit Kreditrationierung konfrontiert sein 11, da er beim herrschenden Zinssatz zwar einen Kredit aufnehmen möchte, allerdings keinen bekommen kann. c. Zahlungsausfall und Durchsetzung In Unterpunkt a) nahmen wir an, dass der Kreditnehmer die Möglichkeit besitzt Geld auch von anderen Kreditoren zu beziehen. Die Möglichkeit eines alternativen Nettogewinn A zwang den Geldgeber den Kreditnehmer einen Mehrwert anzubieten, damit er nicht von anderen einen Kredit annimmt. Gleichzeitig eröffnete das alternative Kreditangebot auch die Rentabilität eines Zahlungsausfalls. Mit welchen Maßnahmen kann sich ein Geldgeber vor Zahlungsfällen schützen? Nachfolgend einige Verhinderungsstrategien: (Vgl. Ray, 1998, S. 555f) 9 Vgl. Stiglitz, 393. 10 Vgl. Birchler, 389. 11 Vgl. Stiglitz, 394.

13 Zum Einen versuchen sich Kreditgeber mithilfe von anreizkompatiblen Kreditverträgen vor Zahlungsausfällen zu schützen. Ein Kreditor kann solche Anreize im Kreditkontrakt einfügen, indem er Sicherheiten verlangt, die für den Kreditnehmer einen hohen finanziellen, als auch sentimentalen Wert besitzen. Es spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, ob die Sicherheiten, die verlangt werden, auch für den Kreditgeber einen hohen Wert haben. In erster Linie soll der Pfand dazu dienen, den Kreditgeber dazu anregen seinen Rückzahlungsverpflichtungen nachzukommen. 12 Eine weitere Methode zur Schaffung von Anreizen stellt die Erstellung eines Reputationssystems dar. In einem derartigen System ist ein Kreditnehmer darum bemüht seinen Ruf, als safe type-schuldner am Markt, zu bewahren, da er sonst bei zukünftigen Kreditverhandlungen Probleme bekäme. Es ist im Interesse eines jeden Kreditgebers die Zahlungseinstellung eines Kunden in der ganzen Gemeinde publik zu machen und den Kreditnehmer vor Abschluss des Vertrages davon in Kenntnis zu setzten. Eine Voraussetzung für den Erfolg eines Reputationssystems ist die schnelle Verbreitung von Informationen am Markt. In Industrieländer ist dies durchaus gegeben. Banken ziehen eine beträchtliche Menge an Daten heran, um etwas über die Kreditwürdigkeit eines Kunden zu erfahren; dies funktioniert meist schnell und effizient. In Entwicklungsländern erfüllen traditionelle Dorfgemeinschaften denselben Zweck. In einem kleinen Ort weiß jeder über jeden Bescheid; Tratsch und Klatsch ersetzen moderne Dienstleistungen von Kreditbüros. Eine Verfehlung eines Vertrages schadet dem Ansehen und verschlechtert die Verhandlungsposition für nachfolgende Geschäfte. Probleme ergeben sich erst, wenn sich ein Land wirtschaftlich entwickelt und das traditionelle soziale Gefüge anfängt sich aufzulösen und durch Modernere ersetzt wird. Viele Schwellenländer sehen sich genau diesen Problemen gegenübergestellt. In solchen Fällen kann es für Kreditgeber sehr kostspielig sein, sich Informationen über die Kreditwürdigkeit seiner Kunden zu beschaffen und Kreditnehmer haben starke Anreize der Rückzahlung von Krediten nicht nachzukommen. Unter diesen Umständen kann es auch zu einem Zusammenbruch des Kreditmarktes kommen. Alleine ein screening die Annahme, dass es einige risky type-schuldner gibt hält das Funktionieren des Kreditmarktes aufrecht, weil durch einen Zahlungsausfall sich die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers verringern würde. 12 Andererseits könnte man beispielsweise auch an Fälle denken bei denen ein Grundbesitzer mehr an der Parzelle eines Bauern interessiert ist, als an der Rückzahlung seines Kredites und den Schuldner vorsätzlich in den Zahlungsausfall treibt. Dies wäre auch ein Erklärungsansatz für die teils hohen Ungleichheiten im Landbesitz in vielen Entwicklungsländern. (Vgl. Ray 1998, S. 548)

14 Zusammenfassung Kreditvergabe ist für den Kreditgeber immer mit Risiken verbunden. Asymmetrische Informationsverhältnisse können zu screening Problemen vor Kreditvergabe und zu monitoring Problemen nach Kreditvergabe führen. Bei sogenannten screening Problemen, sind für den Kreditgeber weder Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers, noch Kreditverwendung und die damit verbundenen Risiken a priori klar ersichtlich es kann zu adverse selection kommen. Monitoring Schwierigkeiten sind mit moral hazard Verhalten seitens des Kreditnehmers verknüpft, i.e. das Verhaltens des Kreditnehmers nach Kreditaufnahme ist für den Kreditgeber nicht beobachtbar. Letzteres stellt vor allem in Entwicklungsländern, in denen Kreditvollstreckung schwach ausgeprägt ist, ein Problem dar und kann zu einem Versagen der Kräfte von Angebot und Nachfrage führen. Kreditrationierung als wichtiges Vorkommnis auf Kreditmärkten in Entwicklungsländern beschreibt eine Situation, in der ein Kreditnehmer bei gegebenem Zinssatz zwar einen Kredit aufnehmen möchte, der Kreditgeber ihm allerdings keinen Kredit gewährt. Kreditrationierung kann auch auftreten, wenn das Risiko von strategischen Zahlungsausfällen seitens des Kreditnehmers hoch ist, und das herrschende Rechtssystem die Rechte des Gläubigers nicht hinreichend absichert. Im Gegensatz dazu kann asymmetrische Information dazu führen, dass ein Kreditgeber nicht zwischen einem risikoreichem und einem sicheren Kreditnehmer unterscheiden kann. In diesem Fall kann eine Erhöhung des Zinssatzes zu einem crowding out des sicheren Kreditnehmers vom Kreditmarkt führen. Während in Industrieländern moderne technische Verfahren verwendet werden, um die Kreditwürdigkeit von potenziellen Kreditnehmern zu ermitteln, erfüllen in Entwicklungsländern traditionelle Dorfgemeinschaften diesen Zweck. Schwellenländer, deren Wirtschaft sich in einer Transformation von traditioneller zu moderner Gesellschaft befindet, sind noch mehr auf screening Methoden angewiesen, um einen Zusammenbruch des Kreditmarktes zu verhindern. Mehr screening Methoden sind jedoch mit höheren Kosten für den Kreditgeber verbunden. Dies kann zum einen zu vermehrter Kreditrationierung führen und verringert dadurch die Möglichkeit mithilfe von Finanzmitteln produktive Tätigkeiten durchzuführen, die die Handlungsmöglichkeiten der Menschen vergrößern. Eine andere Möglichkeit wäre, dass trotz großer asymmetrischer Informationen weiterhin Kredite vergeben werden, sich der riskpool vergrößert und dadurch die Stabilität des Kreditmarktes und der Wirtschaft gefährdet werden. Beide Fälle wirken sich negativ auf die Entwicklung eines Landes aus und können unter anderen auch für die Erklärung von Unterentwicklungsfallen 13 herangezogen werden. 13 Hirschmann 1988, S. 69

15 Literaturverzeichnis Birchler, Urs / Bütler, Monika (2007), Information Economics Routledge Bolton, Patrick / Dewatripont, Mathias (2005), Contract Theory, MIT Press Hirschman, Albert O. (1988), The Strategy of Economic Development Westview Ray, Debraj (1998), Development Economics Princeton University Press Stiglitz, Joseph E. / Weiss, Andrew (1981), Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, American Economic Review, Bd. 71, Nr. 3, S. 393-410 World Bank (2007), World Development Report 2008 Quebecor World