Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern z.hd. AGR Münstergasse 2 3011 Bern Bern, 22. September 2014 Vernehmlassung Teilrevision Baugesetzgebung Sehr geehrte Damen und Herren Wir bedanken uns für die Möglichkeit der Stellungnahme, von der wir gerne Gebrauch machen. Grundsätzlich begrüssen wir die Stossrichtung der Revision, die auf einen verstärkt haushälterischen Umgang mit dem Boden abzielt. Wir wünschen uns aber einige Präzisierungen und Ergänzungen, welche im Folgenden vorgestellt werden. Zusatzfragen: 1) Wir begrüssen eine Diskussion der Frage der Planungskompetenz. 2) Wir befürworten eine Verlagerung von Planungskompetenzen von den Gemeinden zum Kanton und den Regionen. Die kleinräumige Planung von Nutzungszonen, häufig auch in Konkurrenz zu Nachbargemeinden, ist nicht mehr zeitgemäss und einer sinnvollen Raumplanung abträglich. Dennoch müssten die Lokalkenntnisse der Gemeinden, welche für eine sinnvolle Planung nötig sind, auf geeignete Weise einbezogen werden. Eine Verschiebung der Planungskompetenz von den Stimmberechtigten zum Gemeinderat erachten wir nicht als zielführend. Wir bevorzugen daher Modell A. 3) Wir unterstützen die Variante mit einer hälftigen Aufteilung der Erträge der Mehrwertabschöpfung für Um- und Aufzonungen und Zuweisungen zu Abbau-/ Deponiezonen zwischen Kanton und Gemeinden.
Baugesetz Art. 5a Wir begrüssen die neue Bestimmung zum Schutz der Fruchtfolgeflächen, welche eine Verbesserung gegenüber den bisher zahnlosen Vorschriften bewirken sollte. Die Bestimmung sollte jedoch konsequenterweise auf die übrige LN ausgedehnt werden, damit keine Verdrängung der Bautätigkeit auf die ökologisch i.d.r. wertvolleren Nicht-FFF erfolgt, sondern generell eine bodenschonendere Bautätigkeit erfolgt. Abs. 1 und 2: Fruchtfolgeflächen ersetzen durch landwirtschaftliche Nutzflächen. Es muss im Weiteren klar zum Ausdruck kommen, dass auf Bundesvorschriften beruhende Vorhaben, wie die Ausscheidung des Gewässerraums oder Naturschutzmassnahmen, sowie für Ersatzmassnahmen, wie sie auch bei Bauprojekten nötig werden können, bei der Möglichkeit zur Bodenbeanspruchung eingeschlossen sind. Art. 5a Abs. 2a ist wie folgt zu ergänzen: ein aus Sicht des Kantons oder des Bundes wichtiges Ziel und ein neuer Absatz zu schaffen: Für Massnahmen zur Umsetzung von bundesrechtlichen Vorschriften sowie für ökologische Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ist die Inanspruchnahme von Fruchtfolgeflächen ohne Ausgleich zulässig. Art. 5b Die Wiederverwendung von Humus aus Aushüben ist grundsätzlich sinnvoll. Die Bodenaufwertung darf jedoch nicht auf ökologisch wertvollen Böden erfolgen. Damit würden andere verfassungsrechtliche und gesetzliche Ziele verletzt. Auch wenn der Vortrag den Begriff sinnvoll entsprechend definiert, so ist dies doch hier zu ergänzen und zu präzisieren: Abs. 2: Unverschmutzter Bodenaushub ist für die Aufwertung und Rekultivierung von fruchtbaren Böden zu verwenden, wenn dies sinnvoll, natur- und landschaftsverträglich, technisch möglich und wirtschaftlich verhältnismässig ist. Art. 10d Wir bedauern, dass der politische Wille zur Schaffung eines Inventars der besonders schönen Landschaften fehlt. Unter den gegeben Umständen begrüssen wir die Absicht, die besonders schönen Landschaften im Richtplan zu bezeichnen und eine nachfolgende Berücksichtigung in regionalen und kommunalen Planungen vorzusehen. Art. 14 Siedlungsflächen haben in der intensiv genutzten Schweiz einen wichtigen Stellenwert für die Biodiversität. Die Biodiversitätsstrategie des Bundes verlangt explizit eine Förde-
rung der Biodiversität im Siedlungsraum. Es ist deshalb angezeigt, eine entsprechende Bestimmung ins Baugesetz aufzunehmen. Art. 14, Abs. 2: Sie können insbesondere d (neu) Vorschriften zur Biodiversität im Siedlungsraum erlassen, insbesondere zur Förderung der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt und zur Erhaltung ihrer Lebensräume. Art. 19 Zu den besonderen Bauten und Anlagen gehören auch Objekte wie Einkaufsläden und Fachmärkte, die häufig durch eine verschwenderische Bodennutzung auffallen, indem sie eingeschossig gebaut sind, einschliesslich der Parkplätze. Daher fordern wir folgende Ergänzung von Artikel 19: Neue Absätze 3 und 4: 3 Besondere Bauten und Anlagen sind mehrgeschossig auszuführen. 4 Parkplätze sind ins Gebäude zu integrieren oder mehrgeschossig zu bauen. Art. 25 Materialabbaustellen gehören für gewisse Artengruppen, namentlich für die Amphibien, zu den bedeutendsten Lebensräumen bzw. Laichgebieten. Für ihr Überleben ist es deshalb von eminenter Bedeutung, dass die Abbaustellen amphibienfreundlich betrieben werden und in gewissen Fällen nach Abbauende (teilweise) offen bleiben. Diese Option muss daher im Gesetz explizit erwähnt werden. Im Übrigen können Abbaustellen auch Ausbreitungszentren sein für Neophyten. Deren Bekämpfung sollte deshalb ebenfalls verankert werden: Abs. 2: Sie sind, sofern nicht öffentliche Interessen dagegen sprechen, möglichst fortlaufend der natürlichen Umgebung anzugleichen und spätestens ein Jahr nach Beendigung der Auffüllung zu rekultivieren. Ökologisch wertvolle Flächen können von der Pflicht zur Auffüllung und Rekultivierung ausgenommen werden. Die Ausbreitung von Neobiota ist durch die Betreiber zu bekämpfen. Abs. 3: Wir begrüssen diesen Absatz ausdrücklich. Er ist von grosser Bedeutung, um die Vielzahl von unerwünschten, für Natur und Landschaft schädlichen Kleindeponien, meist getarnt als Geländekorrekturen zur Bodenverbesserung, zu reduzieren. Art. 54, 64 Die innere Verdichtung ist ein wichtiges Mittel, um die Zersiedelung zu bremsen und den Bodenverbrauch zu reduzieren. In der Gesetzesvorlage fehlen aber klare Aufträge und Rahmenbedingungen dazu.
Ergänzung Art. 54, Abs. 2: Sie sollen insbesondere l (neu) geeignete Massnahmen zur Förderung der inneren Verdichtung der Siedlungen unter Wahrung einer hohen Siedlungsqualität treffen. Ergänzung Art. 64, Abs. 2: f (neu) die Bezeichnung derjenigen Teile der Bauzone, die sich für eine innere Verdichtung unter Wahrung hoher Siedlungsqualität eignen. Art. 71a Die Steuerung von Zweitwohnungen kann nicht alleine den Gemeinden überlassen werden. Die Massnahmen in Art. 71a Abs. 2 BauG unterstützen wir. Der Kanton soll jedoch Grundsätze, Mindestvorgaben und allenfalls weitere Rahmenbedingen festlegen. Er soll Massnahmen an Stelle einer Gemeinde rasch ergreifen können, wenn diese untätig bleibt (Ersatzvornahme). Nur so kann dem uferlosen Bau von Zweitwohnungen rasch ein Riegel geschoben werden. Entsprechend fordern wir eine Präzisierung und Ergänzung von Art. 71. Abs. 1: Ergänzung: Kanton und Gemeinden ergreifen geeignete Massnahmen zur Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Erst- und Zweitwohnungen, zur Begrenzung und Steuerung des Zweitwohnungsbestandes, zur möglichst hohen Auslastung von Zweitwohnungen und zur Förderung der Hotellerie. Der Kanton formuliert Grundsätze und legt Mindestvorgaben fest. Abs. 3: Das Amt für Gemeinde und Raumordnung ist Aufsichtsbehörde im Sinn der Bundesgesetzgebung über Zweitwohnungen. Neuer Absatz 4: Der Kanton legt die erforderlichen Massnahmen nach Abs. 1 fest, wenn eine Gemeinde nach erfolgloser Mahnung untätig bleibt. Art. 84a Wir begrüssen diesen Artikel, welcher dazu beitragen kann, dass nicht mehr benötigte Bauten entfernt werden, statt wie bisher üblich, in irgendeiner Form umgenutzt zu werden. Allerdings ist dazu die Formulierung zu verstärken, weil die Bestimmung sonst kaum in die Bewilligungen aufgenommen würde: Abs. 1: Bau- und Ausnahmebewilligungen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone oder in einer ausserhalb der Bauzone gelegenen Spezialzone können werden mit der Nebenbestimmung versehen, dass Art. 98 Ein potenziell wichtiges Mittel zur Begrenzung der Zersiedelung sind Siedlungsbegrenzungslinien. Wir beantragen deshalb, Art. 98 mit einem neuen Absatz zu ergänzen, um dieses Instrument konsequent anzuwenden.
Neuer Abs. 4: Sie legen in einem Richtplan das Siedlungsgebiet mittels Siedlungsbegrenzungslinien, abgestimmt mit den benachbarten Regionen, fest. Sie tragen dabei den Planungsgrundsätzen gemäss Art. 54 Abs. 2 BauG umfassend Rechnung. Art. 142a Die Mehrwertabschöpfung ist ein wichtiges Instrument, um Mittel zur Entschädigung von Auszonungen und anderen raumplanerischen Massnahmen zu generieren. Die Höhe ist angesichts der ohne Leistung erzielten Planungsgewinne höher anzusetzen: Abs. 3: Die Höhe der Mehrwertabgabe beträgt: a bei Einzonungen: während der ersten fünf Jahre ab Rechtskraft der Einzonung 50 Prozent des Mehrwerts, ab dem sechsten Jahr bis zehn Jahre ab Rechtskraft der Einzonung 55 Prozent des Mehrwerts und ab dem elften Jahr 60 Prozent des Mehrwerts; b bei der Zuweisung von Land in eine Materialabbau- oder Deponiezone: 50 Prozent. Neuer Art. xx Namentlich im Berner Jura ist die Verwendung von Rotorsteinbrechern (Girobroyeur) zur Ausebnung von landwirtschaftlich genutzten Flächen aus der Sicht von Natur- und Landschaftsschutz ein grosses Problem. Dem teilweise grossflächigen Einsatz fallen regelmässig ökologisch wertvolle Flächen und Strukturen zum Opfer. In den Nachbarkantonen Neuenburg und Jura ist der Einsatz dieser Maschinen verboten bzw. stark eingeschränkt. Im Kanton Bern besteht seit 2009 immerhin eine Baubewilligungspflicht, allerdings wird diese häufig missachtet, es werden grosszügig Bewilligungen erteilt oder keine Ersatzmassnahmen verfügt. Um dem natur- und landschaftsschädlichen Treiben Einhalt zu gebieten, ist eine gesetzliche Regelung mit entsprechenden Einschränkungen dringend notwendig. Neuer Artikel 1 Der Einsatz von Rotorsteinbrechern und ähnlichen Maschinen mit dem Ziel, Bodenund Strukturelemente zu zerkleinern, ist auf folgenden Flächen untersagt: a auf Wytweiden, b auf Weiden in der Bergzone und im Sömmerungsgebiet, c in schutzwürdigen Biotopen wie Feuchtgebieten und Trockenstandorten, d bei Vorkommen besonderer geologischer Formationen, e in Objekten von Bundesinventaren, f in kommunalen Natur- und Landschaftsschutzgebieten. 2 Das Amt für Landwirtschaft und Natur kann in begründeten Fällen, die nicht im Widerspruch zu öffentlichen Interessen stehen, Ausnahmen gewähren. Baubewilligungsdekret Wir beantragen folgende Ergänzung:
Art. 22a, Abs. 1 c einem Ortsbild- oder Landschaftsschutzgebiet im Sinn von Artikel 86 BauG oder d einer besonders schönen Landschaft gemäss Richtplan Neuer Absatz: 3 Die Kommission wird beigezogen bei Ablagerungen von unverschmutztem Bodenaushub für die Rekultivierung von fruchtbaren Böden im Umfang von mehr als 1000 m 3. Wir bitten um Kenntnisnahme und hoffen auf eine Berücksichtigung unserer Forderungen. Freundliche Grüsse Pro Natura Bern Die Präsidentin Der Geschäftsführer Verena Wagner Dr. Jan Ryser