Ambulante Nachsorge für bedingt entlassene Straftäter zu strafbewährten Weisungen und die Notwendigkeit der unbegrenzten Dauer der Führungsaufsicht

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Transkript:

Johannes Leygraf Oberlandesgericht Hamm Ambulante Nachsorge für bedingt entlassene Straftäter zu strafbewährten Weisungen und die Notwendigkeit der unbegrenzten Dauer der Führungsaufsicht Notwendigkeit der ambulanten Nachsorge: Die in den letzten Jahren deutlich forcierte Diskussion über Verbessung der ambulanten Nachsorge für Patienten des Maßregelvollzuges ist sicher auch bedingt durch den erheblichen Anstieg der Unterbringungszahlen und die Verlängerung der Verweildauer. Von 1992 bis 2004 also innerhalb von 12 Jahren stieg die Zahl der nach 64 untergebrachten suchtkranken Rechtsbrecher von 1294 um ca. 90% auf 2412 und die nach 63 untergebrachten psychisch kranken Rechtsbrecher hat sich mit einem Anstieg von 2657 auf 5390 sogar mehr als verdoppelt. In der gleichen Zeit stieg die Zahl der Strafgefangenen (nur) um ca. 61 % von 39 299 auf 63 375. Gleichzeitig stieg die durchschnittliche Verweildauer in der Unterbringung gem. 63 um etwa ein Jahr von 5 auf 6 Jahre. Die Kosten der Unterbringung in den Anstalten sind enorm. Der Tagessatz lag 2002 bei etwa 230. Heute wird er sicher noch höher liegen. Die Investitionskosten pro Therapieplatz sollen nach Angaben des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Herrn Dönisch-Seidel etwa 255 000 betragen. Dass in Zeiten knapper Kassen daran gedacht wird, diese Kosten zu senken ist klar. Eine ambulante Betreuung und Versorgung eines Maßregelpatienten ist natürlich erheblich billiger als seine stationäre Unterbringung. Teilweise werden Zahlen errechnet, wonach ein ambulant betreuter Patient nur 4,7% der Kosten verursacht, die für eine Unterbringung im stationären Bereich des Maßregelvollzuges aufzuwenden wären. Dönisch-Seidel ging 2003 von einem möglichen Tagessatz von 10,00 aus, was ja etwa diesem Prozentsatz entspricht. Diese Rechnungen sind allerdings sehr vereinfacht. Wie wir alle aus der täglichen Praxis wissen, werden im Regelfall die Patienten nicht in eine eigenständige Wohnform entlassen, sondern meist in eine Einrichtung des betreuten Wohnens oder ähnlicher Wohneinrichtungen. Nach einer Untersuchung von Herrn Dr. Seifert aus Institut für forensische Psychiatrie in Essen soll dies bei immerhin 70 % der Patienten der Fall sein. Je nach dem Intensitätsgrad der Betreuung kann dies ebenfalls durchaus kostenintensiv sein. In der Regel wird es sich bei dem Klientel nicht um Selbstzahler handeln. Wir sollten daher die Frage der Nachsorge nicht allein aus dem Blickwinkel des Kosteninteresses sehen. Vielmehr sollten wir dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten in den Vordergrund stellen. Ziel einer vernünftig verstandenen Nachsorge sollte daher sein, sowohl die Möglichkeit für den Untergebrachten zu schaffen, entlassen zu werden, was häufig nur bei engmaschiger Nachbetreuung möglich ist, als auch Rückfälle zu vermeiden. Untersuchungen aus den letzten Jahren, so schwierig diese auch sind, haben gezeigt, dass eine engmaschige Betreuung das Rückfallrisiko er-

heblich verringern kann. Auch lässt sich feststellen, dass die Berührungsängste komplementärer Einrichtungen der Nachsorge gegenüber den Maßregelpatienten vor allen den kaum noch zu vermittelnden psychisch kranken Sexualtätern und problematischen Persönlichkeitsgestörten abgebaut werden kann, wenn ihnen durch eine forensische Fachambulanz umfassende Information und Hilfe geboten wird. Hiervon ist auch der Landesgesetzgeber ausgegangen, der bei den Novellierungen des Maßregelvollzuggesetzes 1999 und 2002, die ambulante Nachbetreuung zur Pflichtaufgabe der Maßregelvollzugskliniken gemacht hat, 1 III Maßregelvollzugsgesetz. Nun zur Frage der Dauer der Erforderlichkeit der fachspezifischen Nachsorge und der damit verbundenen Führungsaufsicht. Reicht hier die bislang im Gesetz vorgesehene Höchstdauer von 5 Jahren, 68 c I StGB, aus? Ich meine nein. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es sich bei dem Klientel um psychisch Kranke handelt. Die Maßregelvollzugsklinik ist kein Ort, in den kranke Rechtsbrecher hinein gehen, um sie nach einer mehr oder minder kurzen Zeit als dauerhaft geheilt zu verlassen. Die meisten psychiatrischen Erkrankungen haben einen chronischen Verlauf oder bergen zumindest über weite Lebensphasen hinweg ein bleibendes Rezidivrisiko. Mit diesem Risiko umzugehen, ist Aufgabe einer zumeist langfristigen ambulanten Betreuung der Patienten und zuweilen auch seiner Angehörigen. So bedeutet ambulante Nachsorge in der allgemeinen Psychiatrie oft eine Betreuung über viele Jahre, nicht selten ist sie lebensbegleitend. Dies muss für die ambulante Nachbetreuung psychisch kranker Rechtsbrecher umso mehr gelten. Ich halte dies auch nicht für unverhältnismäßig. Denn man muss bedenken, dass die Unterbringung gem. 63 StGB grundsätzlich auf unbestimmte Dauer angelegt ist und, wenn die Gefährlichkeit fortbesteht, ein Leben lang vollzogen werden kann. Warum soll dann nicht, wenn die Gefährlichkeit des Täters durch ambulante Maßnahmen ausgeräumt werden kann, die zur Absicherung dieser Maßnahmen angeordnete Führungsaufsicht nicht auch solange andauern, wie eine Gefährlichkeit ohne die begleitenden Maßnahmen fortbesteht. In Ausnahmefällen, wenn der Verurteilte während der laufenden Führungsaufsicht Behandlungsanweisungen nicht nachkommt, sieht das Gesetz jetzt bereits in 68c II eine unbefristete Führungsaufsicht vor. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn er sich während der Dauer der Führungsaufsicht weisungskonform verhält, gleichwohl vorauszusehen ist etwa, weil er dies ankündigt -, dass er nach deren Ablauf eine Medikation absetzen wird. Daher halte ich die im Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht vom 4. Juli 2005 vorgesehene Neuregelung in 68c III für sehr vernünftig. Danach wäre schon bei begründeter Annahme, der Patient könnte nach Beendigung der Führungsaufsicht eine zur Rezidivprophylaxe erforderliche Medikation absetzen und wiedererkranken, ein begründeter Anlass, die Führungsaufsicht auch langfristig aufrecht zu erhalten. Dies könnte Gutachtern wie Gerichten die Entscheidung über die Entlassung grader schizophrener Patienten aus dem Maßregelvollzug erleichtern. Diese stellen einen nicht unbeträchtlichen Anteil der Untergebrachten dar. In Eickelborn sind es beispielsweise 20 %. Hierbei handelt es sich um ein Klientel, was einerseits in der Regel gut behandelbar ist, wie die im Vergleich zu den anderen Patienten kürzeren durchschnittlichen Un-

terbringungszeiten zeigen. Andererseits ist zur Rezidivverhinderung oft eine lebenslange Medikation zumindest eine eingehende Beobachtung erforderlich. Kommt es zum Rückfall, drohen häufig gravierende Straftaten. 10% der Tötungsdelikte in Deutschland werden durch eine Schizophrenen begangen. Das Risiko, eine solche schwere Straftat zu begehen, ist bei diesen Kranken zehnmal höher als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Bedenkt man, dass ein Psychosekranker, der mit 25 Jahren ein wahnhaft motiviertes Gewaltdelikt begeht und mit 30 Jahren aus dem Maßregelvollzug entlassen wird, durchaus wieder akutpsychotisch und entsprechend gefährlich werden kann, wenn er mit 35 Jahren nach Ablauf der Führungsaufsicht und Fortfall der entsprechenden Weisungen die medikamentöse Rezidivprophylaxe beendet, zeigt sich das Risiko der Entlassung eines solchen Patienten. Eine Strafvollstreckungskammer im Bezirk hat sich in Kenntnis dieser Schwierigkeiten bislang damit beholfen, dass es in solchen Fällen kurz vor Ablauf der Führungsaufsicht aus mehr oder weniger nichtigem Anlass die Aussetzung der Maßregel widerrufen und diese dann alsbald erneut ausgesetzt hat, wobei ein neue Fünfjahresfrist lief. Ein m. E. eher zweifelhafter Weg. Vielleicht heiligt auch hier der Zweck die Mittel, wenn man überlegt, dass ansonsten möglicherweise überhaupt keine Entlassung in Betracht kommt. Nun noch kurz zur Frage über die mögliche Dauer der fachspezifischen Nachsorge während der Führungsaufsicht. Teilweise wird vertreten, es reiche insoweit ein Zeitraum von 1 bis 2 Jahren nach der Entlassung aus, die weitere Betreuung könne dann durch die psychosoziale gemeindenahe Versorgung erfolgen. Dies wird damit begründet, dass die meisten Widerrufe im Zeitraum von 1 1/2 Jahren nach der Entlassung erfolgen. Dass ist m. E. jedoch zu kurzsichtig betrachtet. Das relativ viele Straftäter, ob psychisch krank oder nicht, schon kurze Zeit nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug wieder straffällig werden, liegt nur zu einem geringen Teil daran, dass die kriminogene Wirkung der Freiheit in den ersten Monaten nach einer Entlassung am intensivsten wäre. Die Häufung erklärt sich vielmehr daraus, dass Menschen mit hohem Rückfallrisiko im Mittel natürlich schneller rückfällig werden als andere. Wenn man also diese Risikogruppe mit Hilfe von Nachsorgemaßnahmen über die ersten ein bis zwei Jahre ohne Rückfall hinüber rettet, dann bedeutet das keinesfalls, dass die Betroffenen nun, ohne weiter Nachsorge, nicht weiter rückfallgefährdet wären. Dass gerade bei psychisch kranken Rechtsbrechern eine fachspezifische Betreuung über längere Zeit erforderlich ist zeigt m. E. auch folgendes Fallbeispiel: Der Patient war gemäß 63 in den Maßregelvollzug eingewiesen worden, nachdem er im Rahmen eines schizophrenen Eifersuchtswahn seine Ehefrau mit einem Messer bedroht und verletzt hatte. In der Unterbringung zeigte der Patient unter einer neuroleptischen Depotmedikation über fünf Jahre einen stabilen Gesundheitszustand. Bei der Entlassung wurde ihm die Weisung erteilt, die ärztlich verordneten Medikamente weiterhin einzunehmen und sich regelmäßig sowohl beim Gesundheitsamt als auch beim Bewährungshelfer vorzustellen. Ein Jahr nach der Entlassung setzte der Patient die Medikamente jedoch wegen von ihm befürchteter Nebenwirkungen wieder ab. Hierüber war zwar der Hausarzt, nicht aber der Arzt des Gesundheitsamtes oder der Bewährungshelfer informiert. Nach einem weiteren Jahr wurden erstmals wieder Eifersuchtsideen nach außen hin deutlich. In den folgenden Monaten sprach der Patient sowohl mit dem Arzt des Gesundheitsamtes als auch mit dem Bewährungshelfer mehrfach darüber, dass er sich nun

der Untreue seiner Frau absolut sicher sei und diese wieder Anti-Sex-Mittel seinem Essen beifüge. Arzt und Bewährungshelfer registrierten zwar die auffälligen Veränderungen des Patienten und vermerkten ihre Beobachtungen auch gewissenhaft in ihren Unterlagen, es erfolgte jedoch keine entsprechende Reaktion. Insgesamt 2 ½ Jahre nach der Bewährungsentlassung tötete der Patient schließlich seine Ehefrau im Rahmen einer akuten Auseinandersetzung, als diese ihr Treiben auch weiterhin nicht zugeben wollte. Nun zu den strafbewährten Weisungen im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung von Maßregelpatienten. Diese sind im 68b I abschließend aufgelistet. Zwar sieht 68b II die Möglichkeit der Erteilung weiterer Weisungen vor. Jedoch kann nur ein Verstoß gegen die Weisungen aus Absatz 1 zu einer Bestrafung aus 145a führen. Zunächst stellt sich einmal die Frage, ob es im Rahmen der Führungsaufsicht bei der bedingten Entlassung aus dem Maßregelvollzug strafbewehrter Weisungen bedarf. Dabei will ich die Diskussion in der Literatur über die Verfassungsmäßigkeit des 145a ganz außen vorlassen. Zweifel ergeben sich aus der besonderen Ausgestaltung der Führungsaufsicht bei der Aussetzung der Maßregel. Grundsätzliches Ziel des 145a ist die Sicherstellung der Führungsaufsicht in den Fällen nach Vollverbüßung der Strafe in denen der Widerruf einer Strafaussetzung nicht mehr in Frage kommt. Diese Situation besteht bei der Maßregelaussetzung gerade nicht. Denn diese ist gem. 67g I Nr. 2 zu widerrufen, wenn der Verurteilte gegen Weisungen und zwar nicht nur diejenigen des Absatzes 1 verstößt, und sich daraus ergibt, dass der Zweck der Maßregel seine Unterbringung erfordert. Daraus könnte man schließen, dass es im Zusammenhang mit der Maßregelaussetzung einer Strafbewehrung nicht bedarf. Dies ist vielleicht jedoch zu kurz gedacht. Denkbar und möglicherweise sinnvoll ist es, auf diese Norm dann auszuweichen, wenn die Möglichkeit besteht, durch die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion so auf den Probanden einzuwirken, dass er sich in Zukunft weisungskonform verhalten wird, und so der ihn erheblich schärfer treffenden Widerruf vermieden werden kann. Zu bedenken ist ferner, dass die Führungsaufsicht nicht nur in den Fällen bedingter Entlassung aus dem Maßregelvollzug eintritt, sondern auch dann, wenn die Maßregel aus anderen Gründen beendet wird, so nach 67 V 2 bei Erledigung der 64er Unterbringung wegen Aussichtslosigkeit der Behandlung und nach dem neueingeführten 67d VI 2 bei der Erledigungserklärung aufgrund einer Fehleinweisung oder wegen fehlender Verhältnismäßigkeit. In all diesen Fällen dürfte es durchaus Sinn machen, einen Weisungsverstoß zu sanktionieren. In der Vergangenheit ist dies jedoch kaum geschehen. Die Führungsaufsichtsstellen haben in den seltensten Fällen von ihrem Antragsrecht Gebrauch gemacht. Mir ist in meiner gesamten Laufbahn noch keine Verurteilung gem. 145a untergekommen; in keinem Strafregister habe ich sie bislang gesehen. Ältere Erhebungen aus den 80er Jahren gehen von einer jährlichen Verurteilungsquote von 20 Fällen aus. Bleibt zu hoffen, dass dies den jeweiligen Probanden nicht bekannt ist, so dass die Norm wenigstens durch ihre Existenz eine gewisse Funktion ausüben kann.

Nun noch kurz zu den einzelnen Weisungen und ihre Relevanz für das Maßregelklientel. Nr. 1 : Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen. Diese Norm dient dazu, eine planmäßige Überwachung zu ermöglichen. Die Bereichsgrenzen dürfen jedoch nicht zu eng gezogen werden. Keinesfalls kann auf diese Norm die Anordnung gestützt werden, den Probanden zum Verbleib auf einer offenen Station eines Krankenhauses zu verpflichten. Das OLG Düsseldorf hat dies zwar in einer Entscheidung aus 1990 so angenommen (MDR 1990, 743). Die Norm deckt nicht die Begrenzung auf eine bestimmte Unterkunft und deren Zuweisung. Dies folgt zudem aus 68b II, 56c III Nr. 2, wonach die Weisung, in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden kann. Nr. 2 gibt dem Gericht die Möglichkeit, dem Verurteilten zu untersagen, sich an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten. Dies ist sicher eine sehr wichtige Norm grade für Sexualstraftäter und Rauschmittelabhängige. In Betracht kommt etwa das Verbot, sich auf Kinderspielplätze, an Orten, wo Drogen konsumiert oder angeboten werden, oder in Lokalen bestimmter Art aufzuhalten oder zur Nachtzeit in bestimmten öffentlichen Anlagen zu verweilen. Bei einem Pädophilen, der in der Vergangenheit sich Kindern in Badeanstalten genähert hat, könnte der Aufenthalt in öffentlichen Bädern untersagt werden. Auf die weiteren Regelungen, die im Wesentlichen die Überwachung des Betroffenen erleichtern sollen will ich hier nicht eingehen. Sie können im Gesetz nachgelesen werden.