Technische Universität Berlin Wintersemester 03/04 Fakultät II, Institut für Mathematik Prof. Dr. Ulrich Kortenkamp Sekretariat MA6-2 Andreas Fest Semesterklausur zur Elementargeometrie (L) 06.02.2004 Name, Vorname Matrikelnummer Studiengang bearbeitete Aufgaben von 6 erreichte Punktzahl von 60 Punkten bestanden Korrektor Aufgabe 1 2 3 4 5 6 maximal 10 10 10 10 10 10 erreicht Korrektor Abzugeben sind die Lösungen in Reinschrift mit blauer oder schwarzer Tinte auf DIN A4- Blättern. Mit Bleistift oder mit roter Tinte geschriebene Lösungen werden nicht gewertet. Zirkel und Lineal sind als Hilfsmittel zugelassen. Die Klausur gilt als bestanden, wenn in einer Bearbeitungszeit von 2 Stunden insgesamt mindestens 2 Aufgaben überwiegend vollständig und entweder eine weitere Aufgabe überwiegend vollständig oder zwei weitere Aufgaben mindestens zur Hälfte gelöst wurden. Eine Aufgabe zählt als überwiegend vollständig gelöst, wenn in ihr 8 von 10 Punkten erreicht wurden, und als zur Hälfte gelöst, wenn in ihr mindestens 5 Punkte erreicht wurden. Wichtig: Schreiben Sie bitte auf jedes Blatt Ihren Namen! Wir wünschen viel Erfolg. Wer die Geometrie begreift, vermag in dieser Welt alles zu verstehen. Galileo Galilei, 1564-1642
Die Axiome (I) bis (IX) der Euklidischen Geometrie der Ebene Axiom (I) (1. Verknüpfungsaxiom) Jeder Geraden g G gehören mindestens zwei (voneinander verschiedene) Punkte P, Q E an. Axiom (II) (2. Verknüpfungsaxiom) Durch je zwei (voneinander verschiedene) Punkte P,Q E geht genau eine Gerade g G. Axiom (III) (3. Verknüpfungsaxiom) Es gibt (mindestens) drei nicht auf ein- und derselben Geraden gelegene (d.h. nichtkollineare) Punkte P,Q,R E. Axiom (IV) (Anordnungsaxiom) Auf jeder Geraden g G existiert eine streng lineare Ordnungsrelation g ; d.h. g erfüllt folgende Bedingungen: (1) Für alle Punkte P,Q g gilt entweder P g Q oder Q g P oder P = Q. (2) Für alle Punkte P,Q,R g gilt: P g Q Q g R P g R. Axiom (V) (Streckenmaßaxiom) Es gibt eine Funktion d : E E + 0 mit folgenden Eigenschaften: (1) Für alle Punkte P,Q E gilt: d(p,q) = d(q,p) (Symmetrie) (2) Für alle Punkte P,Q,R E mit Q PR gilt: d(p,q) + d(q,r) = d(p,r) (Additivität) (3) Auf jeder Halbgeraden PQ E und zu jeder Zahl a + 0 existiert genau ein Punkt R E mit R PQ und d(p,r) = a (eindeutige Abtragbarkeit) Axiom (VI) (Halbebenenaxiom) Zu jeder Geraden g G gibt es genau zwei nicht leere Untermengen (Halbebenen) H 1, H 2 E mit folgenden Eigenschaften: (1) H 1 und H 2 sind konvex. (2) H 1 H 2 = E \ g und H 1 H 2 = (3) Für alle Punkte P H 1 und Q H 2 gilt: PQ g. Axiom (VII) (Winkelmaßaxiom) Zu Ω := {W W ist Winkelfeld in E} gibt es eine Funktion ω : Ω [0, 180] mit folgenden Eigenschaften: (1) Ist W = W 1 W 2 eine Zerlegung von W, so gilt: ω(w) = ω(w 1 )+ω(w 2 ) (Additivität) (2) Zu jeder Halbgeraden h 1 auf einer Trägergeraden h mit zugehöriger abgeschlossener Halbebene H h und zu jeder Zahl α [0,180] gibt es genau ein Winkelfeld W Ω mit Schenkel h 1, W H h und ω(w) = α (eindeutige Abtragbarkeit des Winkelfeldes) Axiom (VIII) (Spiegelungsaxiom) Zu jeder Geraden g G gibt es genau eine Achsenspiegelung γ g : E E mit g als Achse. Axiom (IX) (Streckungsaxiom) Jede Streckung σ : E E ist eine Ähnlichkeitsabbildung. Seite 2 von 18
1. Aufgabe (10 Punkte) Das System (E, G) mit E und G P(E) heißt Projektive Geometrie, wenn es folgende Axiome erfüllt: (P1) Jede Gerade in G enthält mindestens drei verschiedene Punkte. (P2) Durch je zwei verschiedene Punkte geht genau eine Gerade aus G. (P3) Außerhalb jeder Geraden aus G liegt mindestens ein Punkt der Ebene. Zeigen Sie: a) Jedes Modell der Projektiven Geometrie hat mindestens sieben Punkte. b) Es gibt ein Modell der Projektiven Geometrie mit genau 7 Punkten. Wieviele Geraden enthält dieses Modell? Skizzieren Sie das Modell. Seite 3 von 18
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2. Aufgabe (10 Punkte) Gegebenen seien zwei beliebige Geraden g, h G mit gemeinsamem Schnittpunkt S sowie die beiden Winkelhalbierenden v, w der durch g und h aufgespannten Winkelfelder. Zeigen Sie: v w. h w S g v Seite 5 von 18
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3. Aufgabe (10 Punkte) a) Formulieren Sie den Drei-Spiegelungs-Satz. b) Sei Z E ein beliebiger Punkt und D Z die Menge aller Drehungen um Z sowie S Z die Menge der Geradenspiegelungen, deren Spiegelachsen durch Z gehen. Zeigen Sie, dass (D Z S Z, ) eine Gruppe ist, wobei die übliche Verkettung von Abbildungen in der Ebene ist. Ist diese Gruppe kommutativ? Hinweis: Man darf voraussetzen, dass (D Z, ) eine kommutative Gruppe ist. Seite 7 von 18
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4. Aufgabe (10 Punkte) a) Beweisen Sie, dass sich die drei Innenwinkelhalbierenden eines Dreiecks in einem Punkt schneiden. Begründen Sie kurz, warum dieser Schnittpunkt im Inneren des Dreiecks liegt. b) Zeigen Sie: Der Schnittpunkt der drei Innenwinkelhalbierenden ist Mittelpunkt eines Kreises, der die drei Seiten des Dreiecks berührt. Hinweis: Fällen Sie vom Schnittpunkt der Winkelhalbierenden die Lote auf die drei Dreiecksseiten. C w a b W a A w c c B w b Seite 9 von 18
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5. Aufgabe Einem Kreis vom Radius 1 sei ein regelmäßiges 10-Eck einbeschrieben. Durch Verbindung des Kreismittelpunktes mit den Ecken des 10-Ecks entstehen 10 gleichschenklige Dreiecke. Die Skizze zeigt eins davon. (10 Punkte) M a) Zeigen Sie, dass die Winkelhalbierende des Winkelfelds bei A die gegenüberliegende Seite im Verhältnis des Goldenen Schnitts teilt, dass also d(d, B) d(d, M) = d(d, M) d(b, M) gilt. b) Wie lang ist die Seite AB? A 1 D B Seite 11 von 18
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6. Aufgabe (10 Punkte) a) Beweisen Sie den Satz des Thales: Sei AB Durchmesser eines Kreises k mit Mittelpunkt M und liege C auf k. Dann hat das Dreieck {A, B, C} in C einen rechten Winkel. C Hinweis: Zerlegen Sie das Dreieck in zwei gleichschenklige Dreiecke. A M B b) Sei k = {R E d(r, M) = r} ein euklidischer Kreis mit Mittelpunkt M E und Radius r > 0. Sei P E ein Punkt mit d(p, M) > r. Weiterhin sei P E der Bildpunkt von P unter der Kreisinversion, d.h. P ergibt sich durch folgende Konstruktion: Sei k der Kreis mit MP als Durchmesser. Ist S ein Schnittpunkt von k und k, so ergibt sich P als Fußpunkt des Lots durch S auf MP. Beweisen Sie: d(m, P) d(m, P ) = r 2 k k S P M P Seite 13 von 18
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