KOMMENTAR ZU WIRTSCHAFT UND POLITIK 21/7/2017. No Way out? Really? Oder gibt es doch einen Weg zurück zur Normalität? von NORBERT F.

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Transkript:

KOMMENTAR ZU WIRTSCHAFT UND POLITIK 21/7/2017 No Way out? Really? Oder gibt es doch einen Weg zurück zur Normalität? von NORBERT F. TOFALL Paul Volcker erhöhte als US-Fed-Chef Ende der 1970er die Leitzinsen auf zeitweise über 20 Prozent, wodurch Volcker eine bereinigende Rezession auslöste. Heute meinen Zentralbanker, daß Zinsen nur erhöht werden können, wenn die notwendigen Bereinigungen schon umgesetzt worden sind. Die Fed hat sich durch ihren Anspruch, wirtschaftliche Einbrüche verhindern zu müssen, in die Gefangenschaft von EZB und BoJ begeben. Da Volatilität, ökonomische Anpassungen und schöpferische Zerstörung künstlich unterdrückt werden, wird Stabilität sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik zur Zeitbombe. Nach dem Ersten Weltkrieg verfolgte der 29. Präsident der USA Warren G. Harding eine Politik des Zurück zur Normalität und der Nichteinmischung in Wirtschaft und Gesellschaft. Dementsprechend intervenierte er nicht in die amerikanische Rezession von 1920/21. Diese Rezession wurde schnell überwunden und dezentral selbststeuernd bereinigt. Harding hatte getreu dem Motto Laissez faire, laissez passer Volatilität, ökonomische Anpassungen und schöpferische Zerstörungen zugelassen, was dann schnell zum Aufschwung der Roaring Twenties führte. Sowohl der spätere republikanische Präsident Herbert Hoover als auch der spätere demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt hielten jedoch nichts von der Politik von Warren G. Harding und vom ihres Erachtens altmodischen Laissez faire, laissez passer. 1 1 Siehe MURRAY N. ROTHBARD: America s Great Depression, Fifth Edition, Auburn/Alabama (Mises Institute) 2000, insbesondere das Kapitel Prelude to Depression: Mr. Hoover and Laissez-Faire und auf S. 189: We have seen Entsprechend reagierten Hoover und Roosevelt auf die Finanzkrise von 1929 entschieden anders als Harding, nämlich entschieden interventionistisch. Noch heute dient insbesondere Franklin D. Roosevelts New Deal vielen Politikern und Ökonomen als leuchtendes Vorbild für die Bewältigung der Finanzkrise von 2008, obwohl gerade die Politik des New Deal von Roosevelt die wirtschaftliche Depression in den USA bis zum Zweiten Weltkrieg verlängert hatte. that the government pursued a largely laissez-faire policy in the depression of 1920-1921, but this was not the doing of Herbert Hoover, der auf Druck des linken Flügels der Republikaner im März 1921 von Präsident Harding zum Secretary of Commerce ernannt wurde. Das interventionistische Denken hatte sich zu dieser Zeit bereits auch in der Republikanischen Partei eingenistet und wurde nicht nur von führenden Demokraten wie Franklin D. Roosevelt vertreten. Der spätere Präsident Hoover continued to expound interventionism in many areas during 1920. Das große Verdienst von Präsident Warren Harding besteht darin, sich diesem auf Anmaßung von Wissen basierendem interventionistischen Denken verweigert zu haben.

Der Frankfurter Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe hat darauf hingewiesen, daß trotz Unterschieden zwischen den Krisenjahren 1929 und 2008 immer größere Parallelen hinsichtlich der Aspekte nationale und internationale Verschuldung, Anfälligkeit des Währungssystems und dem Dilemma von internationaler Ordnung und nationalem Interesse erkennbar werden, wenn der mehrjährige Verlauf der beiden Krisen betrachtet wird. Anders als 1929 hätten 2008 zwar automatische Stabilisatoren wirken können, darüber hinaus sei die prekäre Situation von 2008 aber nicht bereinigt worden. Die Therapiemaßnahmen in der Folge von 2008 hätten eine historisch einmalige Krisensituation entstehen lassen, welche durch politische Handlungsunfähigkeit und Status-Quo-Panik geprägt ist. Status-Quo-Panik bedeute, daß die wirtschafts- und geldpolitisch Handelnden jede Änderung des Status-Quo als Verschlechterung bewerten würden und deshalb panikartig alles täten, um den Status-Quo zu erhalten. 2 Im Ergebnis werde durch dieses manische Festhalten am Status-Quo das Wirtschafts- und Finanzsystem immer fragiler, so daß externe Schocks welcher Art auch immer das Wirtschafts- und Finanzsystem zum Zusammenbruch führen könnten. Obwohl niemand voraussagen kann, wann welcher externe Schock zum Zusammenbruch unseres Wirtschafts- und Finanzsystems führen könnte, so scheint die Politik der Problemverschleppung und Status-quo-Wahrung zumindest die Japanisierung der Weltwirtschaft voranzutreiben. 3 Ob China oder USA, Europa oder 2 Der Begriff Status-Quo-Panik ist insofern mißverständlich, als Plumpe das manische Festhalten am Status-Quo und die Angst (Panik) vor Veränderungen beschreibt. Weniger mißverständlich wäre deshalb der Begriff Status-Quo- Manie. 3 Siehe auch NORBERT F. TOFALL: Wer gewinnt bei einer Japanisierung der Weltwirtschaft? Die Nullzinspolitik führt zur Zombifizierung, in: Frankfurter Allgemeine Zei- Japan, überall wurden Niedrig- und Nullzinsen sowie unkonventionelle Maßnahmen der Zentralbanken wie der massive Anleihenaufkauf als Heilmittel angewandt, obwohl die negativen Folgen dieser Politik nicht nur in Japan offen zu Tage liegen. 4 In Japan werden seit Anfang der 1990er Jahren bis heute bestehende Strukturen zementiert. Die schleichende, aber beständige Stagnation hat zur Zombifizierung der Finanzund Realwirtschaft geführt. Faule Kredite wurden ständig verlängert, so daß die Zombifizierung der Banken die Zombifizierung der Realwirtschaft nach sich gezogen hat. Ein sinkendes Produktivitätswachstum ist die Folge, weshalb auch nur geringe Lohnerhöhungen möglich sind. 5 Ein geringeres Produktivitätswachstum und nur geringe Lohnerhöhungen können auch in den USA und in Europa beobachtet werden, obwohl umstritten ist, welcher Anteil des geringeren Produktivitätswachstums auf die Krisentherapiemaßnahmen nach 2008 zurückzuführen ist. Zwar bemüht sich die Fed, aus dieser Abwärtsspirale auszusteigen und eine Zinswende einzuleiten. Ob ihr dies jedoch gelingen wird und sich eine Zinswende entwickelt, die diesen Namen auch verdient, ist sehr fraglich. tung vom 2. November 2015, S. 20 sowie NORBERT F. TOFALL: Wachstumsschwäche des Welthandels. Ein weiteres Anzeichen für eine Japanisierung der Weltwirtschaft, Kommentar zu Wirtschaft und Politik des Flossbach von Storch Research Institute vom 30. September 2016, online abrufbar unter: www.fvs-ri.com 4 Siehe GUNTHER SCHNABL: Japans langes Leiden unter dem billigen Geld, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. März 2016, S. 18 sowie GUNTHER SCHNABL: Exchange Rate Rate Regime, Financial Market Bubbles and Long-term Growth in China: Lessons from Japan, in: China & World Economy 25 (2017), 1, p. 32 57 und GUNTHER SCHNABL: Die japanischen Lehren für die europäische Krise, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 62 (2013), 1, S. 1 22. 5 Siehe allgemein GUNTHER SCHNABL: Negative Umverteilungseffekte und Reallohnrepression durch unkonventionelle Geldpolitik, in: Wirtschaftsdienst 94 (2014), 11, S. 792 797. 2

Die Fed scheint vielmehr durch die EZB und die Bank of Japan gefangen zu sein. Da sich die Fed seit Jahren omnipotent einbildet, alle Mittel zu haben, um jeden wirtschaftlichen Einbruch zu verhindern, hat sie sich selbst in die Gefangenschaft der EZB und der Bank of Japan begeben. Sie will die Zinsen nur in dem Maß erhöhen, welches die Stabilität der Konjunktur im eigenen Land nicht zu gefährden scheint. Die Staatsschulden sollen finanzierbar bleiben. Kredite an Unternehmen sollen nicht so teuer werden, daß die Konjunktur abgewürgt wird. Die Börse soll nicht unter Druck geraten. Und die Auswirkungen auf den Wechselkurs spielen auch eine Rolle. Die Fed will die Zinsen aber erhöhen, weil sie sonst beim nächsten Anzeichen eines Konjunktureinbruchs keine Möglichkeiten zur Zinssenkung hat. Ihr Problem besteht jedoch nicht nur darin, alle diese Ziele gleichzeitig unter einen Hut zu bringen. Ihr noch größeres Problem besteht darin, daß ihr Handlungsspielraum durch die Zins- und Geldpolitik anderer Zentralbanken begrenzt wird, wenn sie diese Ziele erreichen will. Im Umkehrschluß heißt das, daß sich die Fed aus der Gefangenschaft von EZB und BoJ befreien kann, wenn sie ihre sogenannten Stabilitätsziele aufgibt und Volatilität sowie wirtschaftliche Einbrüche zuläßt (laissez faire, laissez passer) und eine Anpassungsrezession in Kauf nimmt. Während Paul Volcker als US-Fed-Chef Ende der 1970er ohne Rücksicht auf die heute überhöhten stabilitätspolitischen Ziele die Leitzinsen auf zeitweise über 20 Prozent erhöhte, wodurch Volcker eine bereinigende Rezession auslöste, meinen die heutigen Zentralbanker, daß Zinsen nur erhöht werden können, wenn die notwendigen Bereinigungen schon umgesetzt worden sind. Da aufgrund der Null- und Negativzinsen jedoch fast niemand gezwungen ist und das gilt sowohl für Staaten als auch für Banken und die Realwirtschaft, schmerzhafte Bereinigungen durchzuführen, werden Probleme immer weiter verschleppt. Da Volatilität, ökonomische Anpassungen und schöpferische Zerstörung künstlich unterdrückt werden, wird Stabilität sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik zur Zeitbombe. Durch die künstliche Unterdrückung von Volatilität werden wirtschaftlichen und politischen Systemen die sichtbaren Anzeichen für Risiken genommen, nicht jedoch die Risiken als solche vermindert. Im Gegenteil: Unter der Oberfläche akkumulieren sich die stillen Risiken immer weiter. Wirtschaftliche und politische Systeme werden deshalb durch die Unterdrückung von Volatilität nicht stabiler, sondern fragiler. Die erklärte Absicht politischer Führer und Wirtschaftspolitiker besteht zwar darin, durch Unterdrückung von Schwankungen das System zu stabilisieren, aber erreicht wird tendenziell das Gegenteil. Künstlich beschränkte Systeme werden immer anfälliger für Schwarze Schwäne. Es kommt dann irgendwann zu massiven Zusammenbrüchen. Und für die meisten Fälle gilt, daß der Endzustand schlimmer ist als der volatile Ausgangszustand. 6 Durch die Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken wird weltweit zusehends das Preissystem von Finanz- und Realwirtschaft zerstört. Aus diesem Grund droht die immer weiter fortschreitende Japanisierung der Weltwirtschaft. Ein Gewinner ist in diesem Negativsummenspiel nicht erkennbar. Denn gewinnen läßt sich in einem Negativsummenspiel nur durch Ausstieg aus dem Spiel. Deshalb lautet meine These: Das Land, das sich als erstes traut, die Investitition eines wirt- 6 Vgl. zum ganzen Absatz NASSIM NICOLAS TALEB: Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen, aus dem Englischen von Susanne Held, 3. Auflage, München (btb) 2014, S. 156 157. 3

schaftlichen Einbruchs und einer Anpassungsrezession zu tragen und schöpferische Zerstörungen zuzulassen, wird als Gewinner aus diesem Negativsummenspiel hervorgehen. Eine Politik Zurück zur Normalität ist möglich: Laissez faire, laissez passer. 4

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