Regionale Mortalitätsunterschiede in Baden-Württemberg

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Regionale Mortalitätsunterschiede in Baden-Württemberg Zusammenfassung der Ergebnisse Hans-Martin von Gaudecker Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demographischer Wandel, Universität Mannheim* Dezember 2003 Die Ergebnisse in aller Kürze: Die zum Teil erstaunlich hohen Sterblichkeitsunterschiede in Baden-Württemberg sind kein statistisches Artefakt. Haupterklärungsgrund für die Sterblichkeitsunterschiede ist der sozioökonomische Status. In Kreisen mit hohem Einkommen leben die Menschen im Durchschnitt länger als in Kreisen mit geringem Einkommen. Der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Mortalität scheint durch höhere Bildung verstärkt oder sogar verursacht zu werden. Luftbelastung und Gesundheitsversorgung konnten nicht als diskriminierende Faktoren der Sterblichkeit in Baden-Württemberg festgestellt werden. * In Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg und mit freundlicher Unterstützung des Verbands der Deutschen Rentenversicherungsträger e.v.

Einleitung Was sind die Gründe für die zum Teil erstaunlich hohen Sterblichkeitsunterschiede in Baden- Württemberg auf Kreisebene? Mit dieser Frage beschäftigt sich die ausführliche Version dieser Arbeit 1. Auf Basis von umfassenden Daten für den Zeitraum 1981 bis 2002 wird zunächst die Frage geklärt, ob die beobachteten Differenzen durch Zufallsschwankungen oder Fehler im Meldewesen erklärt werden könnten. Diese Möglichkeiten können ausgeschlossen werden, so dass als nächster Schritt eine ökonometrische Analyse der mortalitätsbestimmenden Faktoren durchgeführt wird. Dabei liegt das besondere Augenmerk auf den sozioökonomischen Determinanten, für die ein deutlicher Einfluss nachgewiesen werden kann. Einkommen und höhere Bildung weisen negative Korrelationen mit der Sterblichkeit auf. Keine Zusammenhänge können für die Luftbelastung und die Gesundheitsversorgung festgestellt werden, allerdings liegen in diesen Fällen nur unzureichende Zeitreihen vor, um definitive Schlüsse zuzulassen. In der ausführlichen Version dieser Arbeit wird ferner in einem theoretischen Teil deutlich gemacht, dass die gefundenen Beziehungen keine Rückschlüsse auf Kausalitätsmechanismen zulassen. Ebenso beinhaltet sie eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Renteneinkommen und Sterblichkeit in Baden-Württemberg auf Basis von Daten des Verbands der Deutschen Rentenversicherungsträger. Diese befindet sich aufgrund der Datenverfügbarkeit in einem vorläufigen Stadium und findet daher keinen Eingang in diese Zusammenfassung. Lebenserwartung in Baden-Württemberg Auf Basis sehr detaillierter Bevölkerungsbestands-, Geburts- und Todesfalldaten wurden fiktive Lebenserwartungen bei Geburt und im Alter 65 für die Jahre 1981 bis 2002 berechnet. Sie tragen die Bezeichnung fiktiv, da sie keine Interpretation für die Lebenserwartung real existierender Personen haben. So geht in die fiktive Lebenserwartung bei Geburt im Jahre 2003 die einjährige Sterbewahrscheinlichkeit eines heute Sechzigjährigen ein. Für die Lebenserwartung einer in 2003 geborenen Person ist jedoch die entsprechende Sterbewahrscheinlichkeit in 60 Jahren relevant, welche sich stark von der heutigen unterscheiden kann. Anders ausgedrückt, die Lebenserwartung ist ein Kohortenkonzept, welches hier auf eine Periode angewandt wird. Dafür wird aus den heute lebenden Personen eine Kohorte konstruiert, die natürlich nicht real ist. Die fiktiven Lebenserwartungen sind somit als ein pragmatischer und intuitiver Indikator für die periodenbezogenen Mortalitätsverhältnisse anzusehen, sollten jedoch nicht im eigentlichen Sinne des Wortes Lebenserwartung interpretiert werden. 1 Hans-Martin von Gaudecker: Regionale Mortalitätsunterschiede in Baden- Württemberg, Diplomarbeit, Universität Mannheim 2003.

Abbildung 1: Fiktive Lebenserwartung bei Geburt, Mittelwert 1981-2001 Quelle: Statistisches Landesamt Baden- Württemberg, eigene Berechnungen. Die Abbildungen 1 und 2 stellen die durchschnittlichen fiktiven Lebenserwartungen über den Zeitraum 1981 bis 2001 dar. Bei Geburt liegen die Werte für Männer rund sechs Jahre unter denen für Frauen, im Alter von 65 Jahren besteht ein Unterschied von drei Jahren fort. Zwischen den Kreisen liegen Differenzen von bis zu drei Jahren vor, also etwa halb so viel wie zwischen Männern und Frauen. In allen vier Graphiken ergeben sich ähnliche räumliche Muster. Für die fiktive Lebenserwartung von Männern bei Geburt finden sich die im Mittel höchsten Werte im Bodenseekreis und in den Landkreisen Tübingen, Böblingen, Esslingen und Breisgau-Hochschwarzwald. Die Schlusslichter bilden der Stadtkreis Mannheim, der Neckar-Odenwald-Kreis, die Landkreise Freudenstadt und Rastatt, sowie die beiden Karlsruher Kreise. Bei den Frauen ergibt sich ein ähnliches Bild. Der Bodenseekreis und die Landkreise Tübingen und Breisgau-Hochschwarzwald bilden auch hier die Spitzengruppe, gefolgt von den Stadtkreisen Ulm und Stuttgart. Die geringsten Lebenserwartungen sind wiederum im Neckar-Odenwald-Kreis, im Stadtkreis Mannheim und in den Karlsruher Kreisen zu finden, hinzu kommt der Landkreis Heilbronn. Bei der ferneren Lebenserwartung im Alter 65 schneiden die Stadtkreise durchweg besser ab als im Fall derjenigen bei Geburt. So ist die Sterblichkeit von Frauen über 65 Jahren in Stuttgart am geringsten, Ulm und Freiburg liegen ebenfalls unter den ersten fünf. Das Muster gilt auch auf allen weiteren Positionen und ebenso für Männer.

Abbildung 2: Fiktive fernere Lebenserwartung im Alter 65, Mittelwert 1981-2001. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, eigene Berechnungen. Zufallsschwankungen und Messfehler Das Sterblichkeitsgeschehen kann durch Zufallsschwankungen beeinflusst werden. Auf Kreisebene ist dies besonders stark ausgeprägt, da die Bevölkerungen oftmals nur recht kleine Größen erreichen. Um auszuschließen, dass Zufallsschwankungen die beobachteten Muster erzeugt haben, wird ein Simulationsverfahren verwendet. Ausgangspunkt ist die Hypothese, dass die Sterbewahrscheinlichkeiten in jedem Jahr für ganz Baden-Württemberg gleich sind. Zusammen mit dem Bevölkerungsbestand jedes Kreises wurden mittels eines Zufallszahlengenerators 1000 Werte für die Zahl der Gestorbenen einer jeden Altersklasse erzeugt. Die resultierenden Lebenserwartungen waren deutlich einheitlicher als die tatsächlich beobachteten Werte. Damit konnte die Nullhypothese abgelehnt werden, die Sterbewahrscheinlichkeiten sind nicht im ganzen Land gleich. Ein weiterer Grund für das Auftreten von Mortalitätsunterschieden in den Daten könnte auf systematischen Fehlern im Meldewesen beruhen. Geburten und Sterbefälle innerhalb Deutschlands werden sehr gut erfasst. Problematisch sind Sterbefälle im Ausland sowie Zu- und Fortzüge 2. Auf Basis dieser und weiterer Informationen wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt Baden- Württemberg ein Messfehlermodell erstellt, welches dann in verschiedenen Formen simuliert wurde. Auch diese Ergebnisse zeigen, dass plausibel erscheinende Messfehler nicht für die beobachteten Unterschiede verantwortlich sein können. 2 s.a. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Leibing: Verteilung von Finanzmitteln auf Basis unzutreffender Einwohnerzahlen? Eildienst, hrsg. Statistisches Landesamt Baden Württemberg, 2000.

Bestimmungsgrößen der Mortalität Der Einfluss von sozioökonomischen Charakteristika, von Wanderungsbewegungen, des Gesundheitswesens sowie der Umweltbelastung wird mit Hilfe verschiedener Spezifikationen eines Regressionsmodells untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse finden sich in Tabelle 1. Die Resultate entspringen sehr unterschiedlichen Regressionen, da die Daten zu den erklärenden Variablen in uneinheitlichen Zeitreihen vorlagen. So war das Renteneinkommen zum Beispiel nur für die Jahre 1999 bis 2002 vorhanden, die Messgrößen aus der Einkommensteuerstatistik dagegen für die Jahre 1983 bis 1995. Die Struktur der Daten sowie Messfehler werfen weitere Probleme auf, die hier nicht weiter thematisiert werden können. 3 Beide Einkommensvariablen sind in allen Fällen negativ mit der Sterblichkeit korreliert, in Kreisen mit hohen Einkommen leben die Menschen im Durchschnitt länger. Die Koeffizienten sind in den meisten Fällen signifikant. Die Insignifikanz der Renteneinkommensgröße bei Männern aller Alter könnte auf Kohorteneffekte zurückzuführen sein, d. h. die Renteneinkommen sind nicht besonders stark mit dem Einkommen der Gesamtbevölkerung korreliert. Umso stärker ist jedoch die Korrelation mit der Alterssterblichkeit. Dies entspricht den Erwartungen, zumal die Renteneinkommen eine Messgröße für das Lebenseinkommen darstellen, welches aus theoretischer Sicht die höchste Mortalitätsrelevanz aufweisen sollte. Die insignifikanten Koeffizienten im Fall der Einkünfte aus der Einkommensteuerstatistik bei Frauen liegen möglicherweise darin begründet, dass diese Daten nicht geschlechtsdifferenziert vorlagen. Sie bilden somit eher das Einkommen der Männer ab. Vergleichsweise eindeutige Ergebnisse sind auch für die höhere Bildung vorhanden, die Korrelation ist deutlich negativ. Wie die vorhergehenden Resultate deckt sich dieses mit denen der einschlägigen Literatur. Die insignifikanten oder gar positiven Koeffizienten sind vermutlich wieder mit Kohorteneffekten oder Messfehlern zu erklären: Die Bildungsindikatoren wurden aus der Beschäftigtenstatistik gewonnen, daher gelten die Werte nicht unbedingt für die Rentnergeneration. Ferner lagen sie nur für die letzten vier Jahre am Wohnort vor. In den vorhergehenden Zeiträumen wurde sie nur am Arbeitsort gemessen, was aufgrund von Pendlern zu starken Verzerrungen führen kann. Zwischen Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung und solchen ohne diese ließen sich keine Unterschiede feststellen. In Kreisen mit einem hohen Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war die Sterblichkeit höher als in solchen mit einem geringen Anteil. Da die Quoten von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen in den Regressionen enthalten waren, bedeutet dies, dass die Sterblichkeit von Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern im Durchschnitt geringer ist als diejenige von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ergaben sich erwartungsgemäß fast immer positive Vorzeichen, in den meisten Fällen blieben sie jedoch statistisch insignifikant. Bei Männern aller Alter findet sich ein sterblichkeitsmindernder Effekt von Zuwanderungen und ein gegenteiliger von Abwanderungen. Dies entspricht den Erwartungen insofern, als dass mobile Personen vergleichsweise gesund sein dürften. Diese Selektionseffekte scheinen bei Frauen weniger ausgeprägt zu sein. Umso stärker schlagen die Effekte in umgekehrter Richtung für die Alterssterblichkeit zu Buche: Die Abwanderungen haben einen negativen, die Zuwanderungen einen positiven Effekt auf die Mortalität, beide sind hochsignifikant. Die Umkehrung der Vorzeichen lässt sich meist auch bei Männern beobachten, die Effekte bleiben jedoch insignifikant. Diese Befunde decken sich mit der Intuition, dass Umzüge in dieser Altersklasse vor allem aufgrund von einsetzender Pflegebedürftigkeit getätigt werden. Da Ehemänner aufgrund der geringeren Lebenserwartung häufiger im eigenen Haushalt gepflegt werden können, ist der Effekt für Frauen deutlich stärker ausgeprägt. Bezüglich der Einrichtungen des Gesundheitswesens lassen sich keine einheitlichen Aussagen treffen. Genauso wenig konnte ein Einfluss von Umweltbelastungen nachgewiesen werden. Angesichts der dünnen Datenlage in beiden Fällen sollten diese Ergebnisse jedoch nicht überbewertet werden. 3 Der interessierte Leser sei verwiesen auf die Kapitel 4 und 5 in Hans-Martin von Gaudecker, a.a.o.

Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, VDR, Sozialministerium Baden- Württemberg, eigene Berechnungen. 1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. 0 insignifikant, *signifikant auf dem 1O%-Niveau, ** 5%- Niveau, *** 1 %-Niveau. Mehrere Angaben bedeuten, dass die Regressoren in unterschiedlichen Spezifikationen verschiedene Signifikanzniveaus hatten. ( +) positive Korrelation mit der Sterblichkeit, (-) negative Korrelation