Vorlesung Telekommunikationsrecht. Einführung

Ähnliche Dokumente
Bescheid. I. Spruch RSON 64/2015-2

Vorlesung Datenschutzrecht. Einführung, völker- und unionsrechtliche Grundlagen

Vorlesung Datenschutzrecht. Bereichsspezifisches Datenschutzrecht I Telekommunikationsrecht

Zugangsregulierung und Innovationsanreize im Telekommunikationsrecht

Over-the-top-Dienste und der europäische TK-Review

Technische und ökonomische Grundlagen - Telekommunikationsrechtliche Grundbegriffe

IuK-Betreiber im Hochschulbereich

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Institutionelles Recht

Vorlesung Öffentliches Recht I. Einführung

Amtsblatt dereuropäischen Gemeinschaften

Wirtschaftlicher Strukturwandel auf Märkten für Telekommunikationsnetze und -dienste in Deutschland

Schwerpunktbereich 5: Wirtschaftsverwaltung, Umwelt, Infrastruktur Telekommunikations- und Datenschutzrecht

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Datenschutz und öffentliche Sicherheit II

Vorlesung Datenschutzrecht. Bereichsspezifisches Datenschutzrecht II Telemedienrecht

WhatsApp & Co. Datenschutz bei Smartphone- Messengern LEONHARD WEITZ DATENSCHUTZRECHT WS

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Datenschutz und öffentliche Sicherheit I

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Telemedienrecht

Sonderprivatrecht im Telekom- Bereich : ausgewählte Folien 1. Std

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Datenschutz und öffentliche Sicherheit I

Inhaltsverzeichnis. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

TKG-Novelle: Problemfelder für Internet-Service-Provider

Matgorzata Stankiewicz. Die polnischetelekommunikation vor dem EU-Beitritt. k PETER LANG EuropäischerVerlagderWissenschaften

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Marktregulierung III

Besprechung der Klausur im Telekommunikationsrecht

Ablauf. Präsentation & Diskussion 22. Januar 2018 in Bern. Eidgenössische Medienkommission EMEK. Eidgenössische Medienkommission

Telekommunikationsgesetz (TKG)

Goodbye ISDN Hello ALL-IP Wissenswertes für den Unternehmer

Elemente der Bahnstrukturreformen ab (2) Organisatorische Trennung von Fahrweg und Verkehrsbetrieb Sparten

TKG-Novelle Innovationspolitik, Informationsgesellschaft, Telekommunikation.

Telekommunikationsgesetz (TKG)

Summer School on European Telecommunications. Netzzugang und Zusammenschaltung

Regulierung von TK-Diensten in Deutschland im Spannungsverhältnis zum europäischen TK-Recht

Datenschutz in Telemedien / Sozialen Netzwerken

E-Privacy-Verordnung, E-Privacy-Verordnung, Telekommunikationsgesetz und Telemediengesetz

Industrieökonomie und Wettbewerb Sommersemester 2005

Beschlussempfehlung *)

Grundlagen der Nachrichten-Vermittlung und -Übertragung. Kommunikationsarten. Dipl.-Ing. Jürgen Schröter

Teilschwerpunkt Medien. mehr als nur was mit Medien!

Zwischen Verbraucherschutz und Wettbewerb Die Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Telekommunikationsrecht

Dr. Ansgar Koreng 14. November Termin. Internetrecht

Aktuelles aus Rechtsprechung und Praxis

Prof. Dr. Christoph Gröpl Presse- und Rundfunkrecht Universität des Saarlandes

Mobil telefonieren zum Discount-Tarif Preis-Übersicht

Vorlesung Datenschutzrecht. Datenschutzkontrolle

Der Blick über die Grenze Rundfunkinfrastruktur-Regulierung in Österreich

Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung durch die EU? Univ.-Prof. Dr. Arno Kahl

VL Wirtschaftsbereiche VU Europ. und österreich. WiVerwR VL Wirtschaftsverwaltungsrecht für ReWiTech

UMSATZSTEUERPRIVILEG der Deutsche Post AG (k)ein Ende in Sicht

Was Unternehmer bei der Nutzung von kostenpflichtigen Kundenservice-Rufnummern beachten sollten:

Schwerpunktbereich 5: Wirtschaftsverwaltung, Umwelt, Infrastruktur Telekommunikations- und Datenschutzrecht

Massenkommunikation über die UMTS-Netze

Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs

Landgericht Berlin. Beschluss. Geschäftsnummer: 16 O 546/

2. Mikroökonomik und Wirtschaftspolitik

Preis- Übersicht Superbillig mobil telefonieren!

Gesetzentwurf. Deutscher Bundestag Drucksache 15/2316. der Bundesregierung. Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes (TKG)

Rechnernetze I SS Universität Siegen Tel.: 0271/ , Büro: H-B Stand: 23.

Das IT-Sicherheitsgesetz

OTT Regulierung nach dem ECC Vorschlag der EU Kommission

Das neue Telemediengesetz - TMG. 5. Jahreskonferenz des FFD Forum für Datenschutz Datenschutztage April 2007, Wiesbaden. Dr.

Entschließung des Bundesrates zur Anpassung des Rechtsrahmens

V orw ort... Abkürzungsverzeichnis... XVII. Literaturverzeichnis... XXI. Einführung B. Gang der Darstellung Teil: Grundlagen...

Mitteilung zur Kenntnisnahme

EU Roaming-Regulierung gefährdet Telekommunikations-Standort Österreich

Folie 1 NABK. Niedersächsische Akademie. Lehrgang Digitalfunk. Rechtliche Grundlagen. Rechtliche Grundlagen im Digitalfunk

Was ist ein Netz? Jan Sötebier. Bundesnetzagentur Referat für rechtliche Grundsatzfragen, Entflechtung und Verbraucherschutz

Anhörung zu Voice over IP (VoIP)

Regulierungsrecht. Telekommunikationsrecht

Blockchain, Bitcoin, ICOs

Die Essential Facilities- Doktrin im Telekommunikationsrecht

RAG INFORMATIK

Matthias Schumacher. Das EU-Richtlinienpaket zur Neuordnung der Telekommunikationsmarkte imd seine Umsetzung im TKG 2004

Wettbewerb in der Trinkwasserversorgung Leitungsgebundene Leistungen gehören nicht zur Daseinsvorsorge. Iris Böschen

ANHANG IX GEMÄSS ARTIKEL 3.21 TELEKOMMUNIKATIONSDIENSTE

Entwurf einer Netzneutralitätsverordnung nach 41a Abs. 1 TKG

Telekommunikationsrecht

Leistungsbeschreibung zum Produkt: HomeNet Hybrid. Stand November 2018

ANGACOM: ABOX42 liefert IPTV Smart Set-Top- Boxen für deutsche Netzbetreiber

(Text von Bedeutung für den EWR)

Die Netzneutralität des Grundgesetzes

NIS-RL und die Umsetzung im NISG

Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. Prof. Dr. Hubertus Gersdorf. Telekommunikationsrecht

Speicherrechte nach dem Telemediengesetz (TMG) und dem Telekommunikationsgesetz (TKG)

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes

Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)

6. Kommunaler Breitband Marktplatz 2017

I N T E R N E T. Einsteigerkurs. Teil 11 Internettelefon (VoIP)

Amtsblatt der Europäischen Union L 24/39

G e s e t z vom , mit dem das Kärntner Kulturpflanzenschutzgesetz geändert wird

Vorlesung Europäisches Wirtschaftsrecht

BGH zur Speicherung von IP-Adressen

(Beschlussvom17.Oktober2008,VG27A232.08)derBundesnetzagentur vorläufiguntersagt,maßnahmengegeneinentelekommunikationsbetreiber

Wissenschaftliche Dienste. Sachstand. Rechtsstellung der Bundesnetzagentur Deutscher Bundestag WD /17

LogicWay B.V. Datenschutzhinweis

Regulierung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung

Datenzugriff im Bereich der Telekommunikation Recht und Praxis

Vom Intermediär zur Plattform:

Wettbewerb auf dem Markt für leitungsgebundene Trinkwasserversorgung

Neue Richtlinien - neues Gesetz

Transkript:

Vorlesung Telekommunikationsrecht Einführung

Organisation Zeitplan und Folien im Netz Kontakt E-Mail: matthias.baecker@kit.edu Sprechstunde: Mittwoch, 14:30 Uhr (bitte mit Anmeldung)!! Tutorium bei Herrn Marosi!!!! Klausurenkurs bei Herrn Hammer!! 2 21.03.2016

Literatur Allgemein Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2013 Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2014 Vertiefungshinweise auf den Folien!! Gesetzestexte!! 3 21.03.2016

Themen heute Gegenstand des Telekommunikationsrechts Technisch abgeleitete Grundbegriffe der Telekommunikationsregulierung Ökonomische Grundlagen der Telekommunikationsregulierung Unions- und verfassungsrechtlicher Rahmen der Telekommunikationsregulierung 4 21.03.2016

Gegenstand des Telekommunikationsrechts Ansatzpunkt: Übertragung, nicht übertragener Inhalt 3 Nr. 22 TKG: TK ist der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen Inhaltsregulierung ist Sache anderer Regelungswerke, insb. TMG, RStV, allgemeines Zivilrecht 5 21.03.2016

Grundbegriffe (1) Infrastrukturebene Grundbegriff des TK-Netzes, 3 Nr. 27 TKG: die Gesamtheit von Übertragungssystemen und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitigen Ressourcen, einschließlich der nicht aktiven Netzbestandteile, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische und andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetzen, festen, leitungs- und paketvermittelten Netzen, einschließlich des Internets, und mobilen terrestrischen Netzen, Stromleitungssystemen, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netzen für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetzen, unabhängig von der Art der übertragenen Information Weiter technologieneutraler Oberbegriff Relevanz: Betreiber öffentlicher TK-Netze als Adressaten von Regulierungsvorgaben 6 21.03.2016

Grundbegriffe (2) TK-Netz Vermittlungstechniken: Leitungs- oder Paketvermittlung Netzarten Zugangs- und Verbindungsnetze Übertragungsmedium: leitungsgebundene und drahtlose Netze 7 21.03.2016

Grundbegriffe (3) Diensteebene TK-Dienst, 3 Nr. 24 TKG: in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen Abgrenzung zu Inhaltsdiensten, die TMG und/oder RStV unterfallen 8 21.03.2016

Grundbegriffe (4) Sonderfall tk-gestützte Dienste 3 Nr. 25 TKG: Dienste, die keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt wird Funktion: Einbeziehung hybrider Transport- und Inhaltsdienste in Teile der TK-Regulierung (Einzelfälle etwa 3 Nr. 2a, Nr. 8b, Nr. 17b TKG) 9 21.03.2016

Beispiele Unterliegen die folgenden gewerblichen Tätigkeiten der Meldepflicht des 6 TKG: 1. Das Angebot eines E-Mail-Providers, der keine eigene Netzinfrastruktur betreibt und seinen Kunden neben dem Versand und dem Empfang von E-Mails weitere Leistungen wie ein Webinterface zum Erstellen von E-Mails, ein Adressbuch und eine Archivierungsfunktion werbefinanziert bereitstellt. 2. Der Vertrieb einer Voice-over-IP-Software, bei der die Nutzer ohne Vermittlung durch den Anbieter über ein dezentrales Peer-to-Peer-Netzwerk miteinander kommunizieren. 3. Der Betrieb einer telefonischen Servicehotline, welche die Anwender bestimmter Softwareprodukte unter einer kostenpflichtigen Rufnummer berät. 4. Der Vertrieb einer kostenpflichtigen Smartphone-App, mit der man auf die digitale Fassung einer Tageszeitung zugreifen kann. 10 21.03.2016

1. VG Köln: E-Mail ist TK-Dienst zwar keine Signalübertragung durch Mailanbieter selbst, aber Übertragung steht im Vordergrund und ist dem Mailanbieter zuzurechnen; Entgeltlichkeit wegen Werbefinanzierung (auch sonstige Querfinanzierung reicht, maßgeblich: Kommerzialität); Überwiegen der Transportleistung (str.) 2. Keine unmittelbare Kontrolle/Veranlassung der Signalübertragung durch den Anbieter; kein TK-Dienst 3. TK-gestützter Dienst; unterfällt 6 TKG, wenn TK-gestützter Dienste Teilmenge der TK-Dienste 4. Kein TK-Dienst; auch kein TK-gestützter Dienst: losere zeitliche Verbindung von Inhalt und Transport, anders als bei klassischen Mehrwertdiensten keine Abrechnung durch TK-Diensteanbieter 11 21.03.2016

Ökonomische Grundlagen (1) Netzeffekte auf Angebotsseite Skalenvorteile: sinkende Durchschnittskosten bei wachsender Produktionsmenge durch günstigere Verteilung von Fixkosten Verbundvorteile: Synergieeffekte mit Kostenvorteilen bei zunehmender Produktvielfalt Dichtevorteile: sinkende Durchschnittskosten bei höherer räumlicher Versorgungsdichte Hohe versunkene Kosten als Marktzutrittshürde 12 21.03.2016

Ökonomische Grundlagen (2) Externalitäten auf Nachfrageseite Netzexternalitäten: insb. Erhöhung des Nutzens eines Teilnehmers mit der Zahl der Teilnehmer Nutzungsexternalitäten: Teilnehmer erlangt Nutzen durch Netznutzung eines anderen Teilnehmers (Mögliche) Folge: natürliches Monopol (?) 13 21.03.2016

Unionsrechtliche Grundlagen Zunehmende Liberalisierung und Harmonisierung seit 1987 (beginnend mit Endgerätemarkt) Primärrechtliche Grundlage: v.a. Art. 114 AEUV, daneben Art. 106 III AEUV Heutiger Rechtsrahmen: Bündel von Richtlinien, insb. Rahmenrichtlinie (allg. Grundsätze und Ziele, institutionelles Recht Zugangsrichtlinie (Marktregulierung im Vorleistungsbereich) Universaldienstrichtlinie (v.a. Gewährleistung eines Mindestangebots) Genehmigungsrichtlinie Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Punktuellere Regelungswerke, etwa ab 30.4.2016: VO 2015/2120 zu Roaming und Netzneutralität) 14 21.03.2016

Verfassungsrechtliche Grundlagen Gesetzgebungskompetenz, Art. 73 I Nr. 7 GG Verwaltung der TK, Art. 87f GG Trennung Dienstleistungen/Hoheitsaufgaben Gewährleistungsverantwortung des Bundes Privatwirtschaftliche Erbringung und Liberalisierung Bundeseigene Verwaltung 15 21.03.2016

Lehren des Tages Grundbegriffe (TK-Netz, TK-Dienst, TK-gestützter Dienst) Unions- und verfassungsrechtlicher Ordnungsrahmen 16 21.03.2016

Nacharbeit Kühling/Schall/Biendl, S. 1-85 Neumann/Koch, S. 1-77 Vertiefung EuGH, Urteil vom 30. April 2014, Rs. C-475/12 (UPC) VG Köln, Urteil vom 11. November 2015 21 K 450/15 (GMail) Grünwald/Nüßing, MMR 2016, S. 91 Kühling/Schall, CR 2015, S. 641 17 21.03.2016