Humangenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik

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Transkript:

Humangenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik 1 Humangenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik U. Köhler, E. Holinski-Feder Einleitung Eine pränatale genetische Diagnostik beinhaltet alle Maßnahmen, durch die zytogenetisch und molekulargenetisch nachweisbare Veränderungen des fetalen Erbgutes erkannt oder ausgeschlossen werden können. Mit nicht invasiven Untersuchungen wie dem Ersttrimester-Test von biochemischen Markern aus mütterlichem Blut ist eine relativ sichere Risikoermittlung für eine numerische Chromosomenveränderung (Aneuploidie) des Feten möglich. In Verbindung mit der fetalen Sonografie, die die Bestimmung der Nackentransparenz beinhaltet, kann diese Risikoermittlung weiter präzisiert werden, sodass in vielen Fällen eine invasive Pränataldiagnostik vermieden werden kann. Bei pathologischem Ersttrimester-Test sowie einer in der Ultraschalluntersuchung festgestellten Wachstumsverzögerung oder fetalen Fehlbildung (z. B. Skelettund Organfehlbildungen, faziale Dysmorphien), die ein Indiz für eine genetisch bedingte Erkrankung des Feten sein können, hilft eine pränatale genetische Diagnostik eine höchstmögliche Sicherheit über das Vorliegen einer Chromosomenveränderung oder Genmutation des Feten zu erreichen. Mit einer zytogenetischen und molekularzytogenetischen Untersuchung (Karyotypisierung und Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung, FISH) können numerische und strukturelle Chromosomenveränderungen festgestellt werden, während eine molekulargenetische Untersuchung Genmutationen nachweisen kann. Molekulargenetische Untersuchungen können ratsuchenden Schwangeren angeboten werden, wenn aufgrund einer positiven Familienanamnese oder einer pathologischen sonografischen Untersuchung des Feten ein erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer monogen bedingten Erkrankung vorliegt. Mit der Array-CGH-Diagnostik, vergleichbar einer hochauflösenden molekularen Karyotypisierung, kann die Sensitivität der zytogenetischen Diagnostik erheblich gesteigert werden, sodass diese Technik die herkömmliche Chromosomenanalyse in absehbarer Zeit ersetzen wird. Die genetische Beratung begleitet alle genetischen Untersuchungen und spielt eine wichtige Rolle bei der Betreuung der Schwangeren und ihrer Familie. Genetische Beratung Genetische Untersuchungen bedürfen aufgrund ihrer Komplexität einer ausführlichen Beratung der Schwangeren; ein humangenetisches Beratungsgespräch steht daher am Anfang einer jeden pränatalen Diagnostik. Die Aufgabe des Humangenetikers ist es, über die empfohlene genetische Untersuchung aufzuklären und mögliche, aus der Diagnostik resultierende Konsequenzen zu erörtern. Vor einer genetischen Untersuchung umfassen die Inhalte eines genetischen Beratungsgesprächs Folgendes: die Information über den Anlass und das Ziel, die Sicherheit und das Risiko der geplanten Untersuchung sowie die Grenzen der diagnostischen Möglichkeiten. Nach abgeschlossener Diagnostik wird die Ratsuchende eingehend über die Bedeutung des Befundes informiert. Bei einem pathologischen Befund bedeutet dies, die Art und Prognose der diagnostizierten Erkrankung zu erläutern und präund postnatale Therapiemöglichkeiten anzubieten. Eine Abwägung über Fortführung oder Abbruch der Schwangerschaft ist ebenso Teil des Beratungsgesprächs wie die Vermittlung von Selbsthilfegruppen. Die Schwangere kann ein genetisches Beratungsgespräch zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft in Anspruch nehmen. Einwilligung in genetische Untersuchungen Eine schriftliche Einwilligung nach den Bestimmungen des am 01.02.2010 in Kraft getretenen Gendiagnostikgesetzes ist Voraussetzung einer genetischen Diagnostik [1]. Indikationen für eine pränatale Diagnostik auffälliger Ersttrimester-Test der Serummarker Alpha-Fetoprotein (AFP), Choriongonadotropin (HCG) und unkonjugiertes Östriol auffällige sonografische Befunde (z. B. erhöhte Nackentransparenz, Wachstumsverzögerung, Skelettund Organfehlbildungen, Dysmorphien) Entwicklungsstörungen des Fetus erhöhtes Alter der Schwangeren pränatal diagnostizierbare genetische Erkrankungen in der Familie DOI 10.1055/s-0030 1247485

2 Forum numerische oder strukturelle Chro- mosomenveränderungen bei einem Elternteil Exposition der Mutter gegenüber potenziell mutagenen, teratogenen und fetotoxischen Agenzien einschließlich ionisierender Strahlen sowie teratogen und fetotoxisch wirkende Infektionen der Mutter Blutsverwandtschaft (Konsanguinität) Zytogenetische und molekulargenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik Grundsätzlich können bei genetischen Untersuchungen in der Pränataldiagnostik folgende Verfahren unterschieden werden (Abb. 1): zytogenetische Chromosomenuntersuchungen molekularzytogenetische Fluoreszenz- In-Situ-Hybridisierungen (FISH-Untersuchungen) molekulargenetische DNA-Untersuchungen Die Chromosomenanalyse ist die verbreitetste Methode in der genetischen Pränataldiagnostik, um bei gegebener Indikation das Erbgut (Genom) des Feten auf numerische (z. B. Trisomie 21) oder strukturelle Chromosomenveränderungen (balancierte und unbalancierte Chromosomenveränderungen) hin zu untersuchen. Neben der Karyotypisierung des Feten kann eine Chromosomenanalyse der Eltern sinnvoll sein, um balancierte Chromosomenveränderungen abzuklären. Dies ist von Bedeutung, um ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Schwangerschaften mit unbalanciertem Karyotyp zu ermitteln. Eine molekulargenetische Untersuchung wird hingegen bei gezieltem Verdacht auf eine Genmutation durchgeführt, wobei meist eine positive Familienanamnese bezüglich einer monogen bedingten Erkrankung vorliegt. Die Wahl und der Zeitpunkt des geeigneten Untersuchungsmaterials ist dabei abhängig von der Fragestellung. Für Chromosomenuntersuchungen wird in der Regel eine Amniozentese oder eine Chorionzottenbiopsie (Chorion Villi Sampling, CVS) durchgeführt, für molekulargenetische Untersuchungen werden Chorionzotten bevorzugt, da im Gegensatz zur Amniozentese eine Diagnostik zu einem früheren Zeitpunkt der Schwangerschaft erfolgen kann. Chromosomenanalysen Die Chromosomenanalyse (oder Karyotypisierung) dient in der Pränataldiagnostik zur Darstellung des fetalen Erbgutes und zur Abklärung numerischer (Aneuploidien, Abweichungen von der Normalzahl der Chromosomen) und struktureller chromosomaler Veränderungen (Abb. 2). Eine Chromosomenanalyse wird in der Regel dann durchgeführt, wenn fetale Ultraschallauffälligkeiten oder ein pathologischer Ersttrimester-Test vorliegen. Dabei ist die genomische Auflösung der Karyotypisierung relativ niedrig (5 10 Millionen DNA-Bausteine oder 5 10 Megabasen), sodass manche genomischen Veränderungen (Verluste oder Deletionen, Zugewinne, Amplifikationen oder Duplikationen) lichtmikroskopisch nicht erkannt werden können, wenn sie kleiner als etwa 5 Megabasen sind. Dies entspricht ungefähr einer chromosomalen Bande. Chromosomenuntersuchungen werden aus fetalen Zellen nach einer Amniozentese oder einer Chorionzottenbiopsie durchgeführt. In seltenen Fällen kommt es vor, dass eine Chromosomenveränderung entweder nur auf die Zellkultur oder auf den untersuchten fetalen Zelltyp beschränkt sein kann. Dann ist es notwendig, ein weiteres fetales Gewebe zur Abklärung des auffälligen Chromosomenbefundes (meist eines chromosomalen Mosaikes) hinzuzuziehen. Aus fetalem Nabelschnurblut, mittels einer Cordozentese entnommen, kann in diesen Fällen der Karyotyp der fetalen Lymphozyten bestimmt werden. Chromosomenanalyse aus Chorionzotten (Direktpräparation) Abb. 1 Schema der Untersuchungsmethoden in der genetischen Pränataldiagnostik mit Angabe des Probenentnahmezeitpunktes und der Indikation. Die Wartezeit auf das Ergebnis der Chromosomenanalyse aus Fruchtwasser oder Chorionzotten stellt für die ratsuchenden Schwangeren oft eine psychische Belas-

Humangenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik 3 Abb. 2 Darstellung (Karyogramm) eines weiblichen Karyotyps mit Trisomie 18. diesem FISH-Schnelltest werden DNA- Sonden eingesetzt, die aus kurzen, mit Fluorochrom markierten Abschnitten des zu testenden Chromosoms bestehen. Nach einer Hybridisierung mit den fetalen Zellkernen können Aneuploidien (z. B. Trisomie 13, 18 oder 21) durch das Vorliegen von 3 anstelle von 2 Fluoreszenzsignalen erkannt werden. Neben einer FISH-Untersuchung kann eine Aussage über die numerische Verteilung der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y auch durch eine molekulargenetische Methode, der quantitativen Polymerase- Ketten-Reaktion (qpcr, PCR-Schnelltest) erzielt werden. Dabei werden für jedes der zu untersuchenden Chromosomen kleine Abschnitte analysiert. Bei einer Trisomie 21 zum Beispiel liegen die für das Chromosom 21 spezifischen Abschnitte in 3 Kopien vor (entweder 3 voneinander unterscheidbare Signale oder 2 Signale in einem Mengenverhältnis von 2 : 1). tung dar. In der Regel dauert eine Karyotypisierung aus kultivierten fetalen Zellen etwa 7 14 Tage. Um diese Wartezeit zu verkürzen, bietet die Chorionzottenbiopsie zusätzlich die Möglichkeit einer Chromosomenanalyse aus direkt präpariertem Chorionzottengewebe. Das Ergebnis dieser Untersuchung liegt an dem der Punktion folgenden Tag vor und erlaubt eine schnelle Aussage über den fetalen Karyotyp. Fluoreszenz-In-Situ- Hybridisierungen (FISH-Untersuchungen) Nach einer Amniozentese (oder einer Chorionzottenbiopsie) kann aus einem Teil der Zellen mittels einer Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung (FISH) genannten molekularzytogenetischen Methode, die numerische Verteilung der Geschlechtschromosomen X und Y sowie der Chromosomen 13, 18 und 21 innerhalb eines Tages bestimmt und so die häufigsten chromosomalen Aneuploidien im 2. Trimenon der Schwangerschaft festgestellt werden (Abb. 3). Bei a b Abb. 3 a, b FISH-Schnelltest-Untersuchung: (a) Zellkern mit normaler Signalverteilung für die Chromosomen X (grün dargestellt) und Y (rot dargestellt) und 18 (gelb dargestellt); (b) Zellkern mit auffälliger Signalverteilung für Chromosom 18 (Trisomie 18). FISH-Untersuchungen der chromosomalen Subtelomerregionen Bei Chromosomenveränderungen unterscheidet man zwischen balancierten Veränderungen und unbalancierten Veränderungen. Bei einer balancierten Chromosomenveränderung liegt kein Verlust (Deletion) oder Zugewinn (Duplikation) der Erbsubstanz vor, der Karyotyp ist ausgeglichen (balanciert). Solche balancierten Veränderungen, meist Translokationen (Austausche zwischen 2 Chromosomen), kommen in der Bevölkerung mit einer Häufigkeit von etwa 1 : 10000 vor. Dabei sind die Träger solcher chromosomalen Veränderungen in der Regel gesund. Sie haben jedoch ein wesentlich höheres Risiko für Nachkommen mit einem unbalancierten (unausgeglichenen) Karyotyp. Partielle Trisomien und partielle Monosomien der Chromosomen sind die Folge. Dies bedeutet, dass nicht ein komplettes Chromosom z. B. 3-fach vorhanden ist, sondern lediglich Teile ei-

4 Forum nes Chromosoms. Balancierte und unbalancierte Chromosomenveränderungen, die kleiner sind als die mikroskopische Auflösung (in der Regel 5 Megabasen) lassen sich durch molekularzytogenetische FISH-Untersuchungen nachweisen. So können in einer sogenannten Subtelomer-FISH-Untersuchung kleine balancierte oder unbalancierte Veränderungen in den genreichen Subtelomerregionen (Bereiche nahe der Chromosomenenden) nachgewiesen werden. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel einer einer unbalancierten Translokation der Chromosomen 9 und 13 und damit einer partiellen Monosomie 9 und einer partiellen Trisomie 13 beim Feten. Der Vater ist Träger der balancierten Translokation 9;13. a Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndrome Von einem Mikrodeletionssyndrom oder einem Mikroduplikationssyndrom spricht man, wenn bei Trägern einer solchen genomischen Veränderung eine ähnliche Merkmalskombination von klinischen Auffälligkeiten in Kombination mit einer definierten chromosomalen Deletion oder Duplikation vorliegt (s. Tab. 1). Zu den häufigeren Mikrodeletionssyndromen zählen: Williams-Beuren-Syndrom (Mikrodeletion 7q11.23) DiGeorge-Syndrom (Mikrodeletion 22q11.2) Smith-Magenis-Syndrom (Mikrodeletion 17p11.2). Abb. 5 FISH-Untersuchung zur Darstellung einer Mikrodeletion 7q11.23 (Williams- Beuren-Syndrom). Nur eines der beiden Chromosomen 7 hybridisiert mit der für das Williams-Beuren-Syndrom spezifischen Sonde (rot dargestellt). Feten mit Mikrodeletionssyndromen fallen oft schon intrauterin durch Wachstumsretardierung und Organfehlbildungen (z. B. Herzfehler) auf. Bei bestehendem Verdacht können diese genomischen Veränderungen in der Pränataldiagnostik mit einer FISH-Untersuchung (Abb. 5) oder einer molekulargenetischen Untersuchung, die als Multiplex-Ligation-Dependent-Probe-Amplification (MLPA)- Untersuchung bezeichnet wird, analysiert werden. Mit dieser Untersuchungsmethode können Deletionen und Duplikationen von Genen und sogar von Genabschnitten nachgewiesen werden. Array-CGH Die Array-CGH ist vergleichbar mit einer Karyotypisierung des Genoms, jedoch mit einer bis zu 1000-fach höheren Auflösung (10 000 20000 Basenpaare, 10 20 Kilobasen). Im Gegensatz zur numerischen und strukturellen Analyse der Metaphasechromosomen wird die Array- CGH aus extrahierter DNA durchgeführt. Das Prinzip der Array-CGH beruht auf einer vergleichenden genomischen Hybridisierung (Comparative genomic Hybridisation, CGH) der zu testenden DNA mit einer Referenz-DNA-Probe. Beide DNA- Proben werden jeweils mit einem unterschiedlichen Fluorochrom markiert und gemeinsam auf eine Objekträgeroberfläche aufgebracht, auf der mehrere Tausend bis zu einer Million kurze Fragmente des menschlichen Erbguts (Genom) fixiert Tabelle 1 Auswahl von Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndromen. Art Bezeichnung betroffene Chromosomenregion b Abb. 4 a, b Subtelomer-FISH-Untersuchung: (a) Metaphase mit auffälliger Signalverteilung für die Subtelomerregion des langen Arms von Chromosom 9 (nur 1 gelbes Signal) und (b) für die Subtelomerregion von Chromosom 13 (3 rote Signale). Mikrodeletionssyndrom 1p36-Mikrodeletions-Syndrom Wolf-Hirschhorn-Syndrom Williams-Beuren-Syndrom Angelman-Syndrom Prader-Willi-Syndrom Miller-Dieker-Syndrom Smith-Magenis-Syndrom 17q21.31 Mikrodeletions-Syndrom DiGeorge-Syndrom Mikroduplikationssyndrom Mikroduplikation 7q11.23 Potocki-Lupski-Syndrom Mikroduplikation 22q11.2 1p36 4p16.3 7q11.23 15q11.2-q13 15q11.2-q13 17p13.3 17p11.2 17q21.31 22q11.2 7q11.23 17p11.2 22q11.2

Humangenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik 5 sind. Diese gleichmäßige Anordnung der DNA-Fragmente (Oligonukleotide) wird als Array bezeichnet. Nach der Hybridisierung misst ein Laserscanner die Fluoreszenzintensitäten der Test- und Referenz- DNA, die anschließend mit einer speziellen Software analysiert werden. Durch die wesentlich höhere Auflösung der Array-CGH können in einer einzigen Untersuchung alle unbalancierten genomischen Veränderungen festgestellt werden, einschließlich der sonst nur durch zusätzliche FISH- oder MLPA-Untersuchungen nachweisbaren Mikrodeletionen und Mikroduplikationen sowie der unbalancierten Subtelomerveränderungen (Abb. 6). Ein weiterer Vorteil der Array-CGH ist die wesentlich kürzere Untersuchungsdauer. Da die Diagnostik aus DNA nativer Fruchtwasserzellen oder Chorionzotten erfolgt, liegt der Befund 3 Tage nach Probenentnahme vor. In der Pränataldiagnostik wird die Array- CGH bisher nur zögerlich eingesetzt. Die Ursache hierfür liegt in der Sorge, dass Abb. 6 Array-CGH Untersuchung: Darstellung einer Deletion im langen Arm von Chromosom 9. die klinische Relevanz nicht für jede genomische Veränderung eindeutig festzustellen ist. Unter Einbeziehung der genetischen Datenbanken ist jedoch in den allermeisten Fällen eine eindeutige Interpretation des Ergebnisses sicher möglich. Molekulargenetische Untersuchungen in der Pränataldiagnostik Genetische Veränderungen, die mit einer Array-CGH-Analyse untersucht werden können, sind in der Regel mindestens 10 20 Kilobasen groß. Eine Vielzahl genetisch bedingter Erkrankungen basiert jedoch auf sehr kleinen Veränderungen der DNA, die oft nur eine einzelne oder nur wenige Basenpaare umfassen (z. B. Punktmutationen) und die nur mit einer gezielten molekulargenetischen Untersuchung (Mutationsanalyse) festgestellt werden können. In allen Fällen haben diese Mutationen ein verändertes Genprodukt (meist ein Protein) zur Folge. Je nach Funktion des betroffenen Proteins kann die klinische Konsequenz einer Mutation gravierend sein. Im Gegensatz zum niedrig aufgelösten Screening des gesamten Genoms mittels der Chromosomenuntersuchung und einem breit gefächertem Indikationsspektrum werden molekulargenetische Untersuchungen pränatal meist zielgerichtet durchgeführt, wenn ein erhöhtes familiäres Risiko für eine bestimmte monogen vererbte Mutation oder ein pathologischer Ultraschall vorliegt. Beispiele einer molekulargenetischen Diagnostik bei positiver Familienanamnese sind das Fragile-X-Syndrom oder die Muskeldystrophie Duchenne; ein Beispiel für eine molekulargenetische Diagnostik bei auffälligem Ultraschall ist die Achondroplasie. Fetale Diagnostik aus maternalem Blut Bemühungen, die invasive pränatale Diagnostik durch eine nicht-invasive Untersuchung fetaler DNA aus mütterlichem Blut zu ersetzen, werden seit vielen Jahren unternommen. Lange Zeit schien es, als verhinderten die methodischen Schwierigkeiten dieses Vorhaben. Die neuen verfeinerten Nachweistechniken in der Molekulargenetik und die Möglichkeit, aus geringsten DNA-Mengen eine verlässliche Diagnostik anzubieten, führten aber dazu, dass vermehrt Anstrengungen unternommen werden, aus freier fetaler DNA im mütterlichen Blut eine genetische Pränataluntersuchung anbieten zu können. Im Gegensatz zu anfänglichen Versuchen, intakte fetale Zellen aus Blut zu gewinnen und genetisch zu untersuchen, kann nun zellfreie DNA des Feten aus dem Blut der Mutter isoliert werden. Nach einer Vervielfältigung dieser DNA durch geeignete PCR-Bedingungen kann die fetale DNA sowohl einem Aneuploidie-Screening als auch einer gezielten molekulargenetischen Untersuchung zugeführt werden. Diese Untersuchungsmethode steht für die Routinediagnostik bislang nicht zur Verfügung. Präimplantationsdiagnostik (PID) Seit einigen Jahren ist eine Untersuchung des Genoms einer Zelle vor der Implantation des Embryos in den Uterus möglich. Dieses, als Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnete Vorgehen ist nur im Rahmen einer Maßnahme der In-vitro-Fertilisation (IVF) möglich. Durch die gesetzliche Lage (Embryonenschutzgesetz) ist es in Deutschland und anderen europäischen Ländern nicht erlaubt, Zellen des Embryos vor der Einnistung in den Uterus zu untersuchen. Aus diesem Grund werden die Polkörper der Eizelle analysiert (Polkörperdiagnostik, PKD). Die Polkörper bilden sich während der weiblichen Meiose. Ihr Genom verhält sich spiegelbildlich zur Eizelle und liefert daher Rückschlüsse auf genetische Veränderungen der Eizelle. In der reproduktionsmedizinischen Praxis werden die Polkörper I und II im Rahmen der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) gewonnen. In einem engen Zeitfenster von weniger als 24 Stunden kann

6 Forum sowohl ein Aneuploidie-Sreening als auch eine molekulargenetische Untersuchung monogen vererbter Erkrankungen erfolgen. Es werden dann nur diejenigen Eizellen für die IVF verwendet, die keine Fehlverteilung der Chromosomen oder eine Mutation aufweisen. Nachteil dieser Diagnostik ist die ausschließliche Erfassung nur des mütterlichen Genoms. Veränderungen, die im Genom des Spermiums vorliegen, können nicht nachgewiesen werden. Zur Zeit wird die Rechtsgrundlage geprüft, die eine genetische Diagnostik von Trophoektodermzellen erlauben würde. Durch diese Untersuchung pluripotenter embryonaler Zellen im späten Blastozystenstadium könnten dann sowohl mütterliche als auch väterliche Mutationen im entstehenden Embryo erfasst werden. Korrespondenzadresse Dr. rer. nat. Udo Köhler MGZ Medizinisch Genetisches Zentrum Bayerstraße 3 5 80335 München E-Mail: koehler@mgz-muenchen.de Literatur 1 Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen; Bundesärztekammer, Fassung vom 18.01.2010 2 Shaffer l, Slovak ML, Campbell LJ, eds. ISCN an international system for human cytogenetic nomenclature. Basel: Karger; 2009 3 McKinlay Gardner RJ, Sutherland GR. Chromosome abnormalities and genetic counselling. 3rd ed. Oxfod: Oxford University Press; 2004