Funktionentheorie I : WS Die Γ Funktion

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Transkript:

Funktionentheorie I : WS -5 Die Γ Funktion Dr. Rolf Busam Materialien zur Vorlesung Funktionentheorie I, WS -5. Eine kleine Formelsammlung zur Γ Funktion. Definition: Ist H r := { z C ; Re z > } die rechte Halbebene, dann konvergiert das uneigentliche Integral ( ) t z e t dt = ɛ + ɛ t z e t dt + für z H r (sogar absolut) und stellt eine analytische Funktion dar: Γ : H r C, deren Ableitungen für k N durch gegeben sind. Eigenschaften: () Für alle z H r gilt: z Γ(z) := Γ (k) (z) = (a) Γ(z + ) = z Γ(z) (Funktionalgleichung) R R t z e t dt t z e t dt, ( t z := exp( (z ) log t ) ) t z e t (log t) k dt (b) Γ(n + ) = n! für n N, speziell ist Γ() = Γ() =. Γ interpoliert also die Fakultät. (c) Für beliebiges n N gilt Γ(z + n + ) = z(z + )(z + ) (z + n)γ(z). (d) Ist < a < b, dann ist Γ beschränkt in jedem Vertikalstreifen speziell ist Γ beschränkt im Streifen (Das folgt aus Γ(z) Γ(Re z) Γ() =.) { z C ; a Re z < b }, S := {z C ; Re z < }. () Γ lässt sich (mittels (c)) zu einer meromorphen auf C fortsetzen (unter Beibehaltung der Funktionalgleichung). (a) Die Singularitätsmenge von Γ ist die Menge S Γ := S := { n ; n N }. (b) Die Elemente s = n S sind Pole. Ordnung (einfache Pole) und es gilt (c) Res( Γ ; n ) = ( )n n! Der entsprechende Hauptteil hat die Gestalt ( )n n! z + n. ( ) n Durch Γ(z) =: g(z) wird eine ganze Funktion definiert. (Welche?) n! z + n n= (3) Charakterisierung der Γ Funktion (Eindeutigkeitssatz von Wielandt). Ist f : H r C analytisch und gilt (a) f ist beschränkt im Vertikalstreifen S := { z C ; Re z < }, (b) f(z + ) = z f(z) für alle z H r (Funktionalgleichung), dann gilt f(z) = f() Γ(z) für alle z H r..

() Ergänzungssätze: (a) Für alle z C \ Z gilt speziell ist Γ ( ) = π. Γ(z)Γ( z) = π sin(πz), (b) Für alle z C mit z + Z gilt ( ) ( ) Γ + z Γ z π = cos(πz). (5) Legendresche Verdopplungsformel: Für z C \ S gilt ( ( ) z z + Γ Γ ) = π Γ(z). z (6) Gausssche Multiplikationsformel: Für alle p N, z C \ S gilt ( ) ( ) ( ) z z + z + p Γ Γ Γ p = (π) p p z Γ(z). (7) Darstellung von Γ nach Euler Gauss: Für alle z C \ S gilt Γ(z) = n! n z z(z + ) (z + n). (8) Produktdarstellung von / Γ : Dabei ist γ := die euler mascheronische Konstante. (9) Für alle z C \ S gilt Γ(z) = eγz z ( n k= ) k log n k= ( + z ) e z/k. k.577566953866... Γ(z + n) n! n z =. () Charakterisierung von Γ nach Weierstraß: Ist f : C \ S C analytisch mit (a) f(z + ) = z f(z) und (b) Γ(z + n) n! n z = und (c) f() =, dann ist f(z) = Γ(z) für alle z C \ S. () Die logaritmische Ableitung von Γ: (a) Ψ := Γ Γ ist meromorph in C mit Polstellenmenge S Ψ = S = { n ; n N }. Die Pole sind einfach und es gilt Res( Ψ ; n ) =. Es gilt die Darstellung (z C \ S) Ψ(z) = γ z k= ( z + k ) k.

(b) Für x R, x >, gilt (log Γ) (x) = k= (x + k) > (mit normaler Konvergenz der Reihe rechts), Γ ist also logarithmisch konvex. () Charakterisierung der reellen Γ Funktion nach Bohr Mollerup: Ist f : R > R > eine Funktion mit folgenden Eigenschaften (a) f(x + ) = x f(x) (Funktionalgleichung) und (b) log f ist konvex (f also logarithmisch konvex) und (c) f() =, dann ist f(x) = Γ(x) für alle x R >. Alles Wissenswerte über die reelle Γ Funktion findet man in der meisterhaften Darstellung von E. Artin : Einführung in die Theorie der Γ Funktion, Teubner 93. (3) Zusammenhang mit der Beta Funktion: Für alle z, w H r gilt badei ist für z H r und w H r B(z, w) := die eulersche Beta Funktion. B(z, w) = Γ(z)Γ(w) Γ(z + w), t z ( t) w dt. () Asymptotisches Verhalten, stirlingsche Formel: Für δ ], π] sei W δ := { z = re iϕ C ; ϕ π δ (Winkelbereich) und für z C sei H(z) := k= [ ( z + k + ) ( log + ) ] z + k dann ist H : C C analytisch und für alle z C gilt Γ(z) = π z z e z e H(z), (sog. gudermannsche Reihe), wobei H(z) = gilt (gleichmässig) in W δ. Speziell für x > ist H(x) = ϑ(x) z x n! = nγ(n) folgt n! = ( n ) n ϑ(n) πn e n. e mit ϑ(x). Wegen Das ist die klassische stirlingsche Formel (James Stirling, 73). Sie liefert für n =, dass! eine 568- stellige Zahl (im Zehnersystem) ist, die mit beginnt. Für n = erhält man, dass! im Zehnersystem eine 3566-stellige Zahl ist, die mit 86 beginnt. Für n = liefert die obere Näherung (mit θ() = ) den Wert 3.68.8. Der wahre Wert ist 3.68.8. Man beachte, dass die stirlingsche Näherung für n! nicht besagt, dass der absolute Fehler mit wachsendem n klein wird (er wächst sogar über jede Grenze), sondern lediglich, dass der relative Fehler (etwa bezogen auf den Näherungswert) mit wachsendem n sehr schnell klein wird. Für n = beträgt er weniger als ein Promille. (5) Darstellung von Γ bzgl. / Γ durch ein Schleifenintegral nach Hankel: Für z C gilt Γ(z) = u z e u du πi γ r,ɛ bzw. für z C \ S gilt Γ(z) = u z e u du, i sin(πz) γ r,ɛ 3

dabei ist γ r,ɛ der folgende Schleifenweg : + iɛ iɛ A A A = r ɛ + iɛ, A = r ɛ iiɛ. (6) Ein Zusammenhang mit der riemannschen ζ Funktion (Riemann, 859). Für z C mit Re z > gilt Γ(z) ζ(z) = t z e t dt. e t Diese Darstellung ermöglicht eine Fortsetzung der riemannschen ζ Funktion als meromorphe Funktion in der ganze Ebene. (7) Das Volumen der n dimensionalen Einheitskugel: Sei κ n das Volumen der n dimensionalen Einheitskugel { x R n ; x = }, dann gilt κ n = π n/ Γ ( n + ) = { π q q!, falls n = q,, falls n = q +. q+ π q 3 (q+) Spezielle Werte sind: n q κ n Annäherung für κ n π 3.5965... 3 3 π.8879... π.938... 5 8 5 π 5.637895... 6 6 3 5.677783... 7 3 6 5 π3.776597... 8 π.5879... 9 3 95 π 3.98589... 5 π5.556... 5 6 395 π5.88388... 6 7 π6.335677... 3 6 8 35355 π6.9687555... 7 5 π7.5996599... 5 7 56 75 π7.3838... 3 6 8.3533636...

Mit Hilfe der stirlingschen Formel folgt leicht κ n =. Können Sie dieses Phänomen erklären? Das Volumen des umbeschriebenen Würfels hat den Wert n. Mit dem Cavalieri Prinzip beweist man nämlich leicht die Rekursionsformel Diese Rekursion hat π n/ Γ ( n als Lösung. + ) (8) Schaubild der reellen Γ Funktion: κ n = = κ n ( t ) (n )/ dt. 3 y 3 3 x 3 5