Die rechtlichen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie im Lichte der jüngsten Rechtsprechung Konsequenzen für die Zukunft

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Transkript:

Die rechtlichen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie im Lichte der jüngsten Rechtsprechung Konsequenzen für die Zukunft Prof. Dr. Kurt Faßbender Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbes. Umwelt- und Planungsrecht Universität Leipzig 14. Erfurter Gespräche zur WRRL am 26./27. Januar 2016

I. Einführung Die Auseinandersetzung um das Verschlechterungsverbot (V.) ist die wichtigste Streitfrage des gesamten Wasserrechts (Durner). Gliederung des weiteren Vortrags: Die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie Hinweise zur Umsetzung der WRRL und zu den Konsequenzen für das Urteil vom 1.7.2015 Die Bindungswirkung des V. Der genaue Inhalt des V. Fazit und Ausblick 2

II. Die Vorgaben der WRRL Das Verschlechterungsverbot (V.) geht zurück auf die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL) Es ist normativ eingebettet in die sonstigen Umweltziele des Art. 4 Abs. 1 WRRL: Erreichen eines guten Zustands bzw. eines guten ökologischen Potenzials bis Ende 2015 Schrittweise Reduzierung der Verschmutzung der Gewässer durch Schadstoffe. 3

II. Die Vorgaben der WRRL Die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 4-7 WRRL: 1. Fristverlängerung um zweimal sechs Jahre 2. Festlegung weniger strenger Umweltziele 3. Vorübergehende Verschlechterung durch natürliche Ursachen oder höhere Gewalt 4. Neue Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern Beachte: Beim Verschlechterungsverbot kommen nur die Ausnahmen 3 und 4 in Betracht 4

II. Die Vorgaben der WRRL Die WRRL setzt bei der Umsetzung der Ziele in erster Linie auf planerische Instrumente (vgl. Art. 11, 13 und 14 WRRL): Aufstellung und Veröffentlichung von Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen bis Ende 2009 Alle sechs Jahre: Überprüfung und ggf. Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne In allen Fällen: Information und Anhörung der Öffentlichkeit 5

III. Hinweise zur Umsetzung der WRRL und zu den Konsequenzen für das Urteil v. 1.7.2015 Die einschlägigen Umsetzungsvorschriften finden sich in den 27 ff. und 47 WHG. Dabei ist das erklärte Ziel einer 1:1-Umsetzung der WRRL zu beachten. Einer normativen Umsetzung der Vorgaben aus dem Urteil des EuGH vom 1.7.2015 bedarf es daher abgesehen von einer ohnehin überfälligen Anpassung des WaStrG nicht. 6

IV. Die Bindungswirkung des V. 1. Der Meinungsstand bis zum Weser-Urteil Teile der Literatur und Verwaltungsgerichte: Das V. stellt eine zwingende Vorgabe für die Zulassung von Gewässerbenutzungen und -ausbauten dar. Gegenansicht: Das V. ist nur nach Maßgabe der Bewirtschaftungsplanung anwendbar oder doch einem Bewirtschaftungsansatz zugänglich. 7

IV. Die Bindungswirkung des V. 2. Die Antwort des EuGH im Weser-Urteil Die Mitgliedstaaten sind vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. 8

IV. Die Bindungswirkung des V. 3. Würdigung Folge: V. und Verbesserungsgebot sind in jedem einzelnen Genehmigungsverfahren eigenständig zu beachten. Kritik: Verkürzung der Rechtsfrage auf programmatischen Charakter der Ziele und fehlende Differenzierung. Zu beachten ist: Auch in Zukunft ist zw. dem V. und Verbesserungsgebot zu unterscheiden. 9

V. Der genaue Inhalt des V. 1. Der Meinungsstand bis zum Weser-Urteil Teile der Literatur und Rechtsprechung: jede nachteilige Veränderung eines Wasserkörpers ( Status-quo-Theorie ). Gegenansicht: nur eine Veränderung, die zu einem Wechsel in eine schlechtere Zustandsklasse führen würde ( Zustandsklassen- oder Stufen-Theorie ). Vermittelnde Ansichten wollen v.a. den weiten Anwendungsbereich der Status-quo-Theorie auf verschiedenen Wegen begrenzen. 10

V. Der genaue Inhalt des V. 2. Die Antwort des EuGH im Weser-Urteil Eine Verschlechterung liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente i.s.d. Anhangs V um eine Klasse verschlechtert, auch wenn dies nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Zustands dar. Eine Beschränkung auf erhebliche Beeinträchtigungen wird explizit abgelehnt. 11

V. Der genaue Inhalt des V. 3. Würdigung Aus dem Urteil ergeben sich zum einen zwei klare Folgen (Reinhardt): Maßgeblich ist nunmehr eine an den Qualitätskomponenten des Anhangs V orientierte modifizierte Zustandsklassentheorie. Beachte aber: Verschlechterung und Verschlechterung sind nicht dasselbe. Die daran geäußerte Kritik erscheint überzogen. 12

V. Der genaue Inhalt des V. 3. Würdigung (Fortsetzung) Aus dem Urteil ergeben sich zum anderen aber auch eine Reihe neuer Fragen: Was folgt aus Absage an Erheblichkeitsschwelle? Verbleiben Möglichkeiten einer wasserkörperbezogenen Beurteilung? Welche Qualitätskomponenten sind maßgeblich? Ist das Urteil auf Verschlechterungen des chemischen Zustands übertragbar? 13

V. Der genaue Inhalt des V. 4. Weitergehende Forderungen des BVerwG Nach den Beschlüssen des BVerwG zur Weser- und zur Elbvertiefung muss das Maß der Verschlechterung für jedes Vorhaben am Maßstab der WRRL näher bestimmt und bewertet werden. Dies hat in beiden Verfahren zu einer Reihe von Beanstandungen geführt. 14

VI. Fazit und Ausblick Der EuGH hat im Weser-Urteil einen Mittelweg eingeschlagen, der auch nennenswerte Spielräume bei der Umsetzung des V. eröffnet. Das Urteil wirft aber auch eine Reihe neuer Fragen auf. So oder so müssen künftig mehr Vorhaben zumindest vorsorglich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Ausnahmeregime hin überprüft werden. 15

VI. Fazit und Ausblick Nicht unterschätzt werden sollten die weitergehenden Anforderungen, die sich aus der o.g. Rechtsprechung des BVerwG ergeben. Daher wird das Verschlechterungsverbot weiterhin das wichtigste Thema des Wasserrechts bleiben. 16