Umgang mit traumatisierten Kindern

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Transkript:

Umgang mit traumatisierten Kindern Themeninput IWB PH FHNW Brugg-Windisch, 19. Oktober 2016 Hans Burgherr und Johannes Gerber Fachpsychologen für Kinder und Jugendliche Schulpsychologischer Dienst Brugg

Übersicht 1. Was ist ein Traum 2. Arten von Traumata 3. Reaktionen auf ein Trauma 4. Wirkungen einer Traumatisierung 5. Traumabewältigung 6. Wie umgehen mit traumatisierten Kindern

Was ist ein Trauma? Ein Trauma ist ein Ereignis, welches die normale Informationsverarbeitungsfähigkeit des menschlichen Gehirns durch seine Intensität oder Plötzlichkeit massiv überfordert. (Sachse, 1999)

Hauptmerkmale Ausgeliefert sein Sich handlungsunfähig fühlen No fight, no flight, but freeze

Arten von Traumata Opfer oder Zeuge von Gewalttaten, Verlusterfahrung Unfall, schwere Krankheiten, medizinische Eingriffe Familiäre Gewalt (Vernachlässigung, Misshandlung, sex. Gewalt) Kriegs-, Folter- und Verfolgungserlebnisse Katastrophen (Erdbeben, Überschwemmung, Reaktorunfall) Speziell bei Kindern: Miterleben, wie nahestehender Person etwas Schlimmes passiert Eingesperrt sein Temporäres Verlieren der Bezugsperson

Reaktionen auf ein Trauma Gefühlsebene: Gefühlsüberschwemmung bei der Erinnerung, Gereiztheit, Wutausbrüche, Traurigkeit, Schuld, Angst, Verlassenheit, Hilflosigkeit, Leere, Taubheit, Wut, Lustlosigkeit, gedrückte Stimmung, Sorge Gedankenebene: Erinnerungen an das Ereignis gegen den eigenen Willen, Verwirrung, Konzentrationsprobleme, Halluzinationen, Kontrollverlust, Grübelzwang, Gedächtnisstörungen, filmartige Rückblenden auf das Erlebnis

Reaktionen auf ein Trauma Körperebene: Übelkeit, allgemeine Übersensibilität, Atemlosigkeit, Energiemangel, Müdigkeit, Zittern, Herzrasen, Schwitzen, Schwindel, psychosomatische Störungen, Appetitverlust Verhaltensebene: Schlafstörungen, Alpträume, Essstörungen, sozialer Rückzug, Weinen, gelähmtes Handeln, Desorientierung, Stottern, Bettnässen, Klammern, Schreckhaftigkeit, Impulsivität, Antriebsarmut, Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Vermeidungsverhalten, psychomotorische Hemmung

Wirkungen einer Traumatisierung Eine traumatisierte Seele kann nicht trauern Das Herz ist wie "schockgefroren" und kann nicht weinen Die Bilder sind so schrecklich, dass das Hirn sie in Fragmente zerbricht und diese speichert Weinen wäre die erste "Lösung", aber dazu müsste man hinschauen können Traumatisierte können nicht hinschauen, sonst erleben sie eine Re-Traumatisierung Das Grübeln ist ein Versuch, Bildfragmente zu einem Ganzen zusammenzusetzen, welches verstanden werden kann

Traumabewältigung Nicht jedes traumatisierende Ereignis löst ein Trauma aus 75 Prozent der Personen, welche ein traumatisierendes Ereignis erlebt haben, verarbeiten dieses gut ohne jede Fachhilfe 20 Prozent der Personen reicht ein gutes Gespräch mit einer nahestehenden Person oder einem Caregiver, um wieder handlungsfähig zu werden 5 Prozent der Personen brauchen Hilfe einer psychologischen Fachperson

Traumabewältigung Erstes Gebot: Sicherheit Zweites Gebot: Stabilisierung Behandlung wenn überhaupt erst, wenn ein Kind bzw. ein/e Jugendliche/r wieder in einer stabilen Situation lebt und selber innerlich stabil ist

Wie umgehen mit traumatisierten Kindern Regelmässigen, vorhersehbaren Tagesablauf einhalten Freundlich und warmherzig sein Orientierung geben: Was kommt heute, morgen, nächste Woche? Mit dem Kind sprechen: Wenn es weiss, was passiert, ist es erträglicher Positive Erlebnisse vermitteln Mit dem Kind verarbeiten: Ja, wenn die Initiative vom Kind kommt Kind soll wählen und kontrollieren können

Wann Fachhilfe holen Viele Kinder und Jugendliche erholen sich nach traumatischen Ereignissen ohne fremde Hilfe, wenn sie in einer sicheren, stabilen Situation sind Normalerweise klingen die Symptome nach einigen Wochen oder Monaten ab Wenn sie andauern, können sie sich verhärten und die Persönlichkeit verändern Für eine erste Einschätzung steht der Schulpsychologische Dienst zur Verfügung Letztlich liegt die Verantwortung bei den Eltern