SGB II (Hartz IV)-Ratgeber 2015 von Martin Staiger, Esslingen 1
Inhalt I. Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II ( 7-9 SGB II) 3 II. Die Bedarfsgemeinschaft ( 7, 9 SGB II) 4 III. Die Vermögensfreigrenzen ( 12 SGB II) 6 Grundfreibetrag und Anschaffungsfreibetrag 6 Freibeträge für die Altersvorsorge 7 Nicht zu berücksichtigende Vermögensgegenstände 7 IV. Der Bedarf 8 1. Die Regelbedarfe ( 20, 23 SGB II) 8 2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung ( 22 SGB II) 9 3. Die Mehrbedarfe ( 21 SGB II) 13 4. Zuschüsse zu Versicherungsbeiträgen für die Krankenund Pflegeversicherung ( 26 SGB II) 15 V. Die Anrechnung von Einkünften ( 11, 11a, 11b SGB II, 6 Arbeitslosengeld II-Verordnung) 17 VI. Einmalige Leistungen ( 24 SGB II) 28 VII. Rückzahlung von Darlehen und weitere Rückforderungen ( 42a, 43 SGB II) 30 VIII. Leistungen für Bildung und Teilhabe ( 28 SGB II) 32 IX. Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen ( 31, 31a, 31b, 32 SGB II) 34 X. Vergünstigungen 36 1. Befreiung von Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ( 62 SGB V) 36 2. Befreiung von den Rundfunk- und Fernsehgebühren (GEZ-Gebühren) 37 3. Befreiung von den Kostenbeiträgen für Kindertageseinrichtungen oder Tagespflege ( 90 SGB VIII) 37 4. Freiwillige Leistungen der Kommunen 37 XI. Der Rechtsweg 38 2
Anspruchsvoraussetzungen I. Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II ( 7-9 SGB II) Ob Sie Arbeitslosengeld II (Alg II) erhalten oder nicht, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Das erste Kriterium ist die so genannte Hilfebedürftigkeit. Sie gelten dann als hilfebedürftig, wenn Sie Ihren Bedarf durch Ihre eigenen Einkünfte oder die Einkünfte der mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft ( S. 4) Lebenden nicht decken können und Ihr Vermögen gewisse Grenzen nicht überschreitet. Zu den Einnahmen gehören auch Zuwendungen von Angehörigen und andere Sozialleistungen, die gegenüber den Leistungen nach Sozialgesetzbuch II vorrangig sind (z.b. Unterhalt, Arbeitslosengeld I, Wohngeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss). Um Arbeitslosengeld II zu erhalten, müssen Sie erwerbsfähig sein. Als erwerbsfähig gelten Sie, wenn es Ihr Gesundheitszustand zulässt, dass Sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können und wenn Sie mindestens 15 und höchstens 65 Jahre und 4 Monate alt sind. Die obere Altersgrenze wird sich in den nächsten Jahren stetig erhöhen. Sie steigt 2016 auf 65 Jahre und 5 Monate. Um Arbeitslosengeld II erhalten zu können, müssen Sie außerdem Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Besonderheiten gelten für in 7, Abs. 1, Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB II) definierte Migrantengruppen. So erhalten nach dem Wortlaut des Gesetzes Migrantinnen und Migranten, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, kein Arbeitslosengeld II. EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die nicht erwerbstätig sind, erhalten nach den gesetzlichen Bestimmungen innerhalb der ersten drei Monate ihres Aufenthalts ebenfalls kein Arbeitslosengeld II es sei denn, sie sind wegen Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend erwerbsgemindert oder unfreiwillig arbeitslos. Gegen die geltenden Bestimmungen haben in den letzten Jahren viele davon Betroffene geklagt. Die meisten Gerichte haben den Klägerinnen und Klägern zumindest vorläufig Leistungen zugesprochen. 3
Bedarfsgemeinschaft Wenn Sie zu der Gruppe der EU- Bürgerinnen und EU- Bürger gehören, die kein Arbeitslosengeld II bekommen, sollten Sie sich beraten lassen und nicht davor zurückschrecken, vor dem örtlichen Sozialgericht auf Leistungen zu klagen (Der Rechtsweg S 38). Schließlich erhalten Sie Arbeitslosengeld II nur auf Antrag. Den Antrag stellen Sie bei dem für Ihren Aufenthaltsort zuständigen Jobcenter. Sie können den Antrag grundsätzlich auch bei jeder anderen Sozialleistungsbehörde stellen. In einigen Landkreisen ist es so geregelt, dass die Gemeinden Ihren Antrag entgegennehmen. II. Die Bedarfsgemeinschaft ( 7, 9 SGB II) Bei der Beurteilung der Frage, ob Sie Arbeitslosengeld II erhalten, wird immer die gesamte Bedarfsgemeinschaft betrachtet. Zur Bedarfsgemeinschaft (BG) gehören folgende Personen: erwerbsfähige Leistungsberechtigte (zwischen 15 und 65 Jahre und 4 Monate; mindestens drei Stunden am Tag erwerbsfähig) der/die nicht dauernd getrennt lebende Ehepartner/ Ehepartnerin der/die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner/Lebenspartnerin (nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz) der/die nicht gesetzlich angetraute im gleichen Haushalt lebende Partner/Partnerin (unter gewissen Voraussetzungen) die im Haushalt lebenden unverheirateten Kinder unter 25 Jahre (soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften können) 1 SGB II 3a) SGB II 3b) SGB II 3c) Abs. 3a SGB II 4 SGB II 4 Wenn Sie mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin weder nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch noch nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verheiratet sind, bilden Sie dennoch unter gewissen Voraussetzungen eine BG. Die Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille
Bedarfsgemeinschaft anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser wechselseitige Wille wird vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Eine Vermutung ist jedoch keine Gewissheit. Und so gibt es zu der Frage, ob unter unverheiratet Zusammenlebenden eine BG besteht, umfangreiche Rechtsprechung. Eine vertiefende Information hierzu finden Sie im Leitfaden Arbeitslosengeld II, Hrsg. Arbeitslosenprojekt TuWas ( S. 40). Aus der Konstruktion der BG ergeben sich auch verfassungsrechtliche Probleme. Zieht zum Beispiel ein erwerbstätiger Mann zu seiner nicht erwerbstätigen und auf Alg II-Leistungen angewiesenen Partnerin und deren Kind, wird nach Ablauf eines Jahres vermutet, dass die drei eine BG bilden. Dass der Mann mit seinem Einkommen auch für das Kind seiner Partnerin aufkommen muss, obwohl er nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht unterhaltspflichtig ist, lässt sich kaum nachvollziehen. Dennoch hat das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift bestätigt. Wenn Sie ein Kind haben, das seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften kann, gehört Ihr Kind nicht zur BG. Wenn ein Kind über das Kindergeld hinausgehende Einnahmen hat, sollte deswegen bei der Bedarfsberechnung der Bedarf des Kindes zunächst gesondert berechnet werden ( S. 25). Wenn eines Ihrer im Haushalt lebenden Kinder schwanger ist oder ein unter sechsjähriges Kind betreut, bildet es (mit seinem Kind) eine eigene BG. 5