Topologische Trennung

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Transkript:

Kapitel 2 Topologische Trennung Give me a support point and I will move the world Archimedes Wir wollen uns nun mit konvexen Mengen in normierten Räumen beschäftigen. Damit unterscheidet sich die Situation von der im ersten Kapitel dadurch, dass wir nun topologische Eigenschaften in unsere Betrachtungen miteinbeziehen. Die Grundkenntnisse über normierte Räume (Normen, Topologie, Stetigkeit) setzen wir voraus. Wir vervollständigen die Trennungsproblematik durch topologische Trennungssätze in lokalkonvexen Räumen. Damit lässt sich auch das Konzept der schwachen Topologien einführen. 2.1 Lokalkonvexe Räume Wir wissen, dass in einem endlichdimensionalen normiertem Raum X alle linearen Funktionale schon auch stetige lineare Funktionale sind, d. h. X = X. Im Unendlichdimensionalen ist der Sachverhalt drastisch davon verschieden, X ist größer als X und X ist schwerer zu beschreiben als X. In unendlichdimensionalen Räumen wollen wir uns daher bei Trennungssätzen auf trennende stetige lineare Funktionale stützen. Der Begriff des lokalkonvexen Raumes liefert den angemessenen Rahmen für solche Trennungssätze. Zunächst eine Vorbemerkung zu topologischen Räumen. Sei M eine Menge. Bekanntlich ist eine Topologie auf M eine Teilmenge T von M, die folgende Bedingungen erfüllt: M, T, ist A, B T, so ist auch A B T, ist A i T, i I, so ist auch i I T. Die Elemente in T heißen offene Mengen, ihre Komplemente abgeschlossene Mengen. Für eine Menge A M setzen wir int(a) := {O O offen, O A} A := {B B abgeschlossen, A B} A := A\int(A) int(a) heißt das (topologisch) Innere von A, A der Abschluss von A, A der Rand von A. Jedes x int(a) heißt innerer Punkt von A, jedes x A heißt Berührungspunkt von A. Aus den Eigenschaften der Topologie ergibt sich, dass int(a) offen und A abgeschlossen ist. Also ist A M offen genau dann, wenn int(a) = A und A abgeschlossen genau dann, wenn A = A gilt. Eine Menge U M ist eine Umgebung von x M, falls es eine offene Menge O gibt mit x O A. Alle Umgebungen eines Punktes x fassen wir zusammen im so genannten 19

Umgebungsfilter U(x). Damit können wir die Menge der Berührungspunkt A von A auch so aufschreiben: A = Ã := {x M U A = for all U U(x)}. (2.1) Dies folgt so: Sei x A. Sei U U(x) ; o. E. U offen. Annahme U A =. Dann ist A B := M\U und B ist abgeschlossen. Also gilt x A B, was ein Widerspruch ist. Also ist x Ã. Sei x Ã. Annahme x / A,. Dann gibt es B M, B abgeschlossen, mit x / B. Dann ist x U := M\B und U U(x). Also gilt dann U A =, was wegen M\B M\A nicht möglich ist. Also gilt x A. Definition 2.1 Seien (M, T ), (M, T ) topologische Räume und sei f : M M. f heißt stetig in x 0 M genau dann, wenn für alle Umgebungen V von f(x 0 ) eine Umgebung U von x 0 existiert mit f(u) V. f heißt stetig, wenn f stetig ist in jedem x 0 M. Man kann sehr leicht zeigen, dass f : M M in der Situation von Definition 2.1 stetig ist genau dann, wenn das Urbild einer jeden offenen Teilmenge von M eine offene Teilmenge von M ist. Das Zusammenspiel von stetigen Abbildungen mit der Kompaktheit von Mengen ist ziemlich wesentlich. Dazu die Umgebungsdefinition der Kompaktheit. Definition 2.2 Sei (M, T ) ein topologischer Raum und sei A M. A heißt kompakt genau dann, wenn aus jeder offenen Überdeckung A i I O i, also O i offen für alle i I, eine endliche gemacht werden kann, d. h. dass es i 1,..., i k I gibt mit A O i1 O ik. Nun wollen wir Topologien auf Vektorräumen betrachten und gehen einen Schritt weiter, indem wir die Topologie in einer speziellen Ausprägung annehmen; später lockern wir dies wieder etwas. Sei X ein Vektorraum mit Skalarkörper R. Eine Abbildung : X R heißt eine Norm, falls folgende drei Eigenschaften erfüllt sind: Definitheit x = 0 genau dann, wenn x = θ. Homogenität ax = a x für alle x X, a R. Dreiecksungleichung x + x x + x für alle x, x X. Ein Vektorraum X, auf dem eine Norm definiert ist, nennen wir einen normierten Raum und schreiben kurz (X, ). Beachte, dass wir immer darauf achten müssen, welche Norm gerade betrachtet wird, denn auf einem Vektorraum kann es viele verschiedene Normen geben. Bezeichnungen: B r (x) := {z X x z < r}, B r := B r (θ). B r (x) := {z X x z r}, B r := B r (θ). Halten wir schon fest: B r (x), B r, B r (x), B r sind konvexe Mengen; man nutze die Homogenität und Dreiecksungleichung für den Beweis. Ein normierter Raum X ist mit einer Topologie versehen, die von der Norm erzeugt ist. Dazu erklären wir die offenen Teilmengen von X wie folgt: A X ist offen genau dann, wenn es für jedes x A ein r > 0 gibt mit B r (x) A. 20

Wir haben bei dieser Definition also die Kugeln B r (x), r > 0, als Basis für die Umgebungen eines Punktes x eingeführt. Dazu sollten wir wissen, dass diese Kugeln offen sind. Dies folgt mit der Dreiecksungleichung ganz leicht. Damit werden B r (x), B r zurecht als offene Kugeln bezeichnet. Wiederum mit der Dreiecksungleichung folgt, dass die Kugeln B r (x) abgeschlossen sind und sie daher zurecht als abgeschlossene Kugeln bezeichnet werden. Man rechnet nun leicht nach, dass das System der so definierten offenen Mengen in der Tat eine zum normierten Raum assoziierte Topologie T = T auf X ist. Die Umgebungen in einem normierten Raum X in einem x 0 X sind also die Obermengen der offenen Kugeln B r (x 0 ), r > 0. Wir schreiben die Stetigkeit von Abbildungen zwischen normierten Räumen etwas angepasst erneut auf und sehen dabei die übliche ε δ-definition. Definition 2.3 Seien (X, ), (Y, ) normierte Räume und sei f : X Y eine Abbildung. f heißt stetig in x 0 X, falls gilt: ε > 0 δ > 0 (x B δ (x 0 ) = f(x) B ε (f(x 0 )) f heißt stetig, falls f stetig ist in jedem x 0 X. Beachte, dass wir für die Normen im Allgemeinen keine unterschiedliche Bezeichnung verwenden. In normierten Räumen ist der Abschluss einer Menge und die Kompaktheit einfacher zu handhaben. Ohne Beweis geben wir an: Satz 2.4 Sei (X, ) ein normierter Raum und sei A X. Dann gilt: (a) (b) A ist abgeschlossen genau dann, wenn für jede Folge (x n ) n N mit x n A, n N, und Grenzwert x gilt: x A. A ist kompakt genau dann, wenn jede Folge (x n ) n N mit x n A, n N, eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in A enthält. Insbesondere ist eine kompakte Menge stets abgeschlossen. Die rellen Zahlen, die uns als Skalare in einem normierten Raum (X, ) dienen, tragen die Betragsfunktion als Norm. Damit werden auch X R und X X in offensichtlicher Weise zu normierten Räumen: : R R (a, x) x + a R : X X (x, x ) x + x R Nun können wir über die Stetigkeit der Addition und skalaren Multiplikation in X reden. Wir stellen unter Nutzung der Normeigenschaften fest, dass gilt: (1) Die Addition + : X X X und die skalare Multiplikation : R X X ist stetig. (2) Zu je zwei verschiedenen Punkten x, x in X gibt es disjunkte offene Mengen in X, die x bzw. x enthalten. (3) Jede offene Umgebung von θ enthält eine konvexe offene Umgebung von θ. Dies motiviert die folgende Definition. 21

Definition 2.5 Sei X ein Vektorraum über R versehen mit einer Topologie. Dann heißt X, versehen mit dieser Topologie ein lokalkonvexer Raum, wenn in X die obigen Aussagen (1) (3) gelten. Offenbar stellt jeder normierte Raum zusammen mit der assoziierten Topologie T einen lokalkonvexen Raum dar. In einem lokalkonvexem Raum X nehmen die Umgebungen des Nullvektors θ auf Grund der Vektorraumstruktur eine Sonderrolle ein: sie beschreiben in gewissem Sinne die Umgebungen aller Punkte in X. Dies sieht man so: Ist U U(θ), so ist x + U U(θ) für alle x X. Dies folgt aus der Tatsache, dass für x X die Abbildung f : X z x + z X stetig ist und daher alle Mengen x + U offen sind, wenn U offen ist. Beachte auch, dass wegen der Stetigkeit der Abbildungen g : X z tz X, t R, alle Mengen au, a = 0, offen sind, falls U offen ist. Wie wir aus der Eigenschaft (2) eines lokalkonvexen Raumes wissen, hat jedes x X offene Umgebungen. Insbesondere gilt dies auch für x = θ. Die offenen Umgebungen von θ bezeichnen wir als Nullumgebungen. Dann lautet die Eigenschaft (3) so: Jede Nullumgebung hat eine konvexe Nullumgebung. Das folgende Lemma zeigt, dass die Existenz von konvexen Nullumgebungen in einem lokalkonvexen Raum etwas weiter gefasst werden kann. Dazu die folgende Definition 2.6 Sei X ein lokalkonvexer Raum, A X. (a) (b) Eine Menge A X heißt kreisförmig, wenn für alle x A und alle t [ 1, 1] gilt: tx A. Eine Menge A X heißt absolut konvex, wenn für alle x, x A und alle t, t R mit t + t 1 gilt: tx + t x A. Offenbar enthält eine absolutkonvexe Menge, die nichtleer ist, stets θ. Lemma 2.7 Sei X ein lokalkonvexer Raum und A X nichtleer. Dann ist A absolutkonvex genau dann, wenn sie konvex und kreisförmig ist. Eine absolutkonvexe Menge ist offenbar konvex und kreisförmig. Sei nun A konvex und kreisförmig. Seien x, x A und t, t R mit t + t 1. Zu zeigen: tx + t x A. Für t = 0 oder t = 0 ist dies klar. Anderenfalls schließen wir dies aus tx + t x = ( t + t t t )( t + t t x + t t t + t t x Satz 2.8 Sei X ein lokalkonvexer Raum. Dann gilt: Jede konvexe Nullumgebung enthält eine absolutkonvexe Nullumgebung. Sei W eine konvexe Nullumgebung. Dann ist V := W ( W ) eine konvexe Nullumgebung. Sie ist auch kreisförmig und damit nach Lemma 2.7 sogar absolutkonvex, wie folgende Überlegung zeigt. Wir wissen θ V. Sei v V, t [ 1, 1]. Dann liest man aus tv = tv + (1 t)θ W, tv = t( v) = t( v) + (1 t)θ W, falls t 0, ab. tv = ( t)( v) + (1 ( t))θ W, tv = ( t)v + (1 ( t))θ W, falls t 0 22

Folgerung 2.9 Sei X ein lokalkonvexer Raum und A X konvex. Dann gilt: Ist x int(a) und x A, so ist [x, x [ int(a). Sei u [x, x [, also u = tx + (1 t)x mit t (0, 1]. Sei V eine Nullumgebung mit x + V A. Dann gilt u u + tv = t(x + V ) + (1 t)x A und wir stellen fest u int(a), da nun u + tv offenbar eine Umgebung von u ist. Satz 2.10 Sei X ein lokalkonvexer Raum und A X konvex mit int(a) =. Dann gilt int(a) = aint(a). Zu int(a) aint(a). Sei x int(a) und u X. Da t x+tu stetig ist und int(a) offen ist, gilt [x, x+δu] int(a), falls δ hinreichend klein ist. Zu aint(a) int(a). Sei x aint(a). Wir wählen z int(a) und δ > 0 so, dass x := x δ(z x) A gilt. Dann ist x [z, x [ und damit x int(a) nach Folgerung 2.11. Folgerung 2.11 Sei X ein lokalkonvexer Raum und U X eine konvexe Nullumgebung. Dann ist U absorbierend. Ist U konvexe Nullumgebung, dann ist θ int(u), also θ aint(u). Damit ist A absorbierend nach Lemma 1.33. Bemerkung 2.12 Satz 2.10 bleibt nicht gültig ohne die Voraussetzung int(a) =. Ein Beispiel dazu ist das folgende: Wir wählen X := c 00 := {(x n ) n N x n R, n N, x n = 0 für fast alle n N}, versehen mit der Norm (x n ) n N := sup n N x n. Wir setzen B := {x X x = ±k 1 e k, k N}, A := co(b), wobei e k := (x n ) n N mit x n = δ kn, k N. Offensichtlich ist A konvex. θ aint(a), denn: Sei x = (x n ) n N X, x = θ. Dann hat x eine Darstellung x = m i=1 x ie i und es folgt m m m x ( j x j ) 1 = ( j x j ) 1 i x i )i 1 sign(x i )e i co(b) = A. j=1 i=1 j=1 θ / int(a), denn: Annahme θ int(a), Dann existiert r > 0 mit B 2r A, insbesondere re k B r B 2r A für alle k N. Aber re k / A, falls k > ε 1. Damit ist ein Widerspruch erreicht. Bei endlichdimensionalen normierten Räume (X, ) können wir stets X = R n annehmen und als Norm irgendeine Norm in R n verwenden, denn alle Normen in R n sind äquivalent: Zu je zwei Normen +, gibt es Konstanten c 1 > 0, c 2 > 0, mit c 1 x + x c 2 x + für alle x R n (2.2) Drei Kandidaten von Normen in R n, die interessant beim Rechnen sind, sind die l 1 -Norm, die l -Norm und die euklidische Norm l 2. Siehe hierzu etwa [2, 7] 23

Satz 2.13 Ist X endlichdimensionaler normierter Raum und ist A X konvex. Dann gilt int(a) = aint(a). Wir betrachten X = R n versehen mit der l 1 -Norm; siehe oben. Wir haben zu zeigen aint(a) int(a). Sei x aint(a) ; o. E. x = θ. Dann gibt es ε > 0 mit ±εe k A, k = 1,..., n, wobei e k die üblichen Einheitsvektoren in R n sind. Dann ist co(±εe 1,..., ±εe n ) A. Nun ist co(±εe 1,..., ±εe n ) aber offenbar die Kugel B ε bezüglich der l 1 -Norm. Daher B ε A. In einem lokalkonvexen Raum X können wir den stetigen Dualraum definieren: X := {λ X λ : X R stetig} Das folgende Lemma ist hilfreich beim Nachweis, dass für ein λ X sogar λ X gilt. Lemma 2.14 Sei X ein lokalkonvexer Raum, sei λ X, und sei O X offen und nichtleer. Dann gilt λ X, falls λ, x 0 für alle x O. Wir betrachten A α := {x X λ, x > α}, α R. Es ist aint(a α ) = A α, da λ, x + th = λ, x + tλ, h > α für x A α, falls h X und dazu t hinreichend klein ist. A α ist offenbar konvex und x + O A α, falls x A α. Aus Satz 2.10 folgt int(a α ) = aint(a α ), d. h. A α ist offen. Da λ, x = λ, x 0 für alle x O ist, sind die Mengen {x X λ, x < β} = {x X λ, x > β}, β R, ebenfalls offen. Also ist {x O λ, x (α, β)} offen für alle offenen Intervalle (α, β) R. Damit ist λ stetig. 2.2 Trennungssätze in normierten Räumen Hier sei X stets ein reeller Vektorraum, der mit einer Norm X : X R versehen ist. Die Ergebnisse über lokalkonvexe Räume bleiben anwendbar, da jeder normierte Raum ein lokalkonvexer Raum ist. Bedeutend ist, dass der Dualraum X nun selbst ein normierter Raum ist vermöge der Norm = X : X λ sup{ λ, x x B 1 } ; der Beweis, dass eine Norm vorliegt ist trivial. Beachte die folgende Abschätzung, die unmittelbar aus der Definition der Norm in X folgt und die immer wieder hilfreich ist: λ, x λ, x λx, λ X, x X. (2.3) Diese Abschätzung werden wir häufig verwenden werden. Hat man einen linearen Teilraum U von X, so ist U selbst ein normierter Raum und U und U sind erklärt, insbesondere auch die Norm in U. Satz 2.15 Sei X ein normierter Raum, sei U X ein linearer Teilraum und sei µ U. Dann gibt es λ X mit λ U = µ, λ = µ. Betrachte die sublineare Abbildung p : X x µx R. Dann gilt Nach Satz 1.37 gibt es λ X mit µ, u µu = p(u), u U. λ U = µ, λ, x p(x) = µx, x X. Da p stetig ist in θ, ist λ stetig in θ und damit überall stetig. Ferner ist λ µ wegen λ, x µx, x X. Da λ eine Fortsetzung von µ ist, ist offenbar λ µ. 24

Folgerung 2.16 Sei X ein normierter Raum, und sei x X\{θ}. Dann gibt es λ X mit λ = 1, λ, x = x. Sei U := span(x) und µ U mit µ, u = ax, falls u = ax U. Offenbar µ U und µ = 1. Nach Satz 2.15 gibt es λ X mit λ = 1 und λ, x = x. Folgerung 2.17 Sei X ein normierter Raum und seien x, x X mit x = x. Dann gibt es λ X mit λ, x = λ, x. Sei z := x x. Nach Folgerung 2.16 gibt es λ X mit λ, x λ, x = λ, z = z > 0. Folgerung 2.18 Sei X ein normierter Raum, X = {θ}. Dann ist auch X = {θ}. Es gibt ein x = x := θ. Aus Folgerung 2.17 ergibt sich die Existenz von λ X \{θ}. Folgerung 2.19 Sei X ein normierter Raum. Dann gilt: x = sup{ λ, x λ X, λ 1}, x X. Sei x X. Für x = θ ist die Behauptung trivial. Sei x = θ. Setze x + = sup{ λ, x λ X, λ 1}. Offenbar x + x. Wähle nach Folgerung 2.16 λ X mit λ = 1, λ, x = x. Dann ist x + λ, x = x. Kommen wir nun zu Trennungssätzen in normierten Räumen. Sie sind die Interpretation der Fortsetzungssätze in geometrische Form. Als Vorbereitung: Lemma 2.20 Sei X ein normierter Raum und sei A X konvex. Dann gilt: (a) A ist konvex. (b) Ist x int(a) und x A, so gilt: [x, x [ int(a). (c) int(a) ist konvex. Zu (a) Seien x, x A, z := tx + (1 t)x, ε > 0. Dann gibt es u A B ε (x), u A B ε (x ). Da A konvex ist, ist tu + (1 t)u A. Ferner tu + (1 t)u z = t(u x) + (1 t)(u x ) B tε + B (1 t)ε = B ε. Also tu + (1 t)u A B ε (z). Zu (b) Sei z = tx + (1 t)x [x, x [ ; also t (0, 1]. Wähle r > 0 mit B 2rt 1(x) A, was möglich ist, da x int(a) ist. Sei ε := r. Wir zeigen B ε (z) A. Sei z B ε (z). Wähle u B r (x ) A, was möglich ist, da x A ist. Setze v := t 1 (z (1 t)u). Dann gilt v x = t 1 (z z)+t 1 (1 t)(x u) t 1 z z+t 1 x u t 1 r(1+(1 t)) < t 1 2r, also v B 2rt 1(x), d. h. v A. Da z = tv + (1 t)u ist, folgt z A. Zu (c) Wende (b) an. Wir verwenden die Bezeichnungen zu Hyperebenen und Halbräumen wie in Abschnitt 1.5. Bei den Resultaten beschränken wir uns darauf, sie in normierten Räumen zu formulieren. 25

Satz 2.21 (Eidelheit,1936) Sei X ein normierter Raum und seien A, B X konvex. Es gelte: Dann gibt es λ X \{θ}, α R mit (a) λ, x α λ, y für alle x A, y B. (b) λ, z < α für alle z int(a). A, B =, int(a) =, int(a) B = (2.4) Die Existenz von λ X mit den verlangten Eigenschaften folgt aus Satz 1.40, da aint(a) = int(a) nach Satz 2.10. Allerdings müssen wir noch nachbessern, was den Abschluss von A, B betrifft. Die Stetigkeit von λ folgt durch Anwendung von Lemma 2.14 so. O := int(a) ist offen und nichtleer. Wähle u H(λ, α) und setze O := O + u. Dann rechnet man λ, v 0 für alle v O nach; beachte O ist offen. Nun kann man wegen der Abgeschlossenheit der Halbräume die Trennungseigenschaft auf den Abschluss von A, B ausdehnen. Folgerung 2.22 Sei X ein normierter Raum, sei A X konvex, nichtleer und abgeschlossen, und sei u X\A. Dann gibt es λ X \{θ}, α R mit λ, x α < λ, u für alle x A Da X\A offen ist, gibt es eine konvexe Nullumgebung V mit A (u + V ) =. Nach Satz 2.21 gibt es ein λ X, α R, mit λ, x α < λ, z für alle x A, z u + V, also auch α < λ, u. Worin ist der Unterschied zwischen reellen und komplexen Räumen in diesem Zusammenhang begründet? Es liegt an Trennungseigenschaften: in einem reellen Kontext hat man eine Anordnung für die Werte von linearen Funktionalen, in komplexen Räumen nicht. Die Formulierung von Trennungssätzen ist eine andere, die die Anwendung schwieriger macht. Bisher haben wir konvexe Mengen als Vereinigung von Punkten betrachtet. Nun können wir die Tatsache belegen, dass sich konvexe Mengen auch als Durchschnitt von Halbräumen betrachten lassen. Folgerung 2.23 Sei X ein normierter Raum und sei A X nichtleer, konvex, abgeschlossen und A = X. Dann gibt es Familien (λ i ) i I, (α i ) i I in X bzw. R mit A = i I H (λ i, α i ) Zu jedem x / A gibt es nach Folgerung 2.22 eine Hyperebene H(λ x, α x ) mit A H (λ x, α x ) und x H + (λ x, α x )\H(λ x, α x ). Offenbar gilt nun A = x/ A H + (λ x, α x ). 26

2.3 Stützpunkte Definition 2.24 Sei X ein normierter Raum und sei A X. (a) Eine Hyperebene H = H(λ, α), λ X, α R, heißt Stützhyperebene von A, falls gilt: A H(λ, α) =, A H + (λ, α) oder A H (λ, α). (b) Das Funktional λ heißt Stützfunktional von A. Ein Punkt x A heißt Stützpunkt von A, falls es eine Stützhyperebene H von A gibt mit x A H. Der Begriff der Stützhyperebene ist zunächst unabhängig von topologischen Gegebenheiten. Er lässt sich daher auch schon mit algebraischen Mitteln diskutieren. Wir beziehen die Topologie also nun vorneherein mit ein. Satz 2.25 Sei X ein normierter Raum und sei A X konvex, abgeschlossen und nichtleer. Es gelte: int(a) = oder dim(x) <. Dann ist jedes x A\int(A) ein Stützpunkt von A. 1. Fall: int(a) = A\int(A) ist nichtleer, da A abgeschlossen ist. Sei x A\int(A), B := {x}. Nach Satz 2.21 gibt es λ X \{θ}, α R, mit A H (λ, α), {x} H + (λ, α). Also A H (λ, α), x A H(λ, α). 2. Fall dim(x) <. Ist int(a) =, ist die Behauptung schon bewiesen. Sei int(a) =. Dann gilt aff(a) X, aff(a) = X, da sonst nach Satz 2.13 und 1.28 gilt: int(a) = rint(a) = aint(a) = Sei x X\aff(A). Dann gibt es eine bezüglich der Inklusion maximale affine Menge H mit aff(a) H und x / H. Diese Menge H muss eine Hyperebene sein. Dann gilt A aff(a) H, A H = A = A\int(A). Bei den nachfolgenden Ergebnissen spielt mitunter die Vollständigkeit eines normierten Raumes eine Rolle. Dazu Definition 2.26 Sei X ein normierter Raum. (a) Eine Folge (x n ) n N heißt Cauchyfolge, wenn gilt: ε > 0 N N n, m N (x n x m < ε) (b) X heißt vollständig oder ein Banachraum, wenn jede Cauchyfolge in X einen Grenzwert in X besitzt. Beispiele von Banachräumen sind: R n in jeder Norm, der Folgenraum l, versehen mit der Supremumsnorm, der Raum der Nullfolgen c 0 als abgeschlossener Teilraum von l, C[a, b], versehen mit der Supremumsnorm, jeder Dualraum X eines normierten Raumes. Kein Banachraum ist C[a, b], wenn wir die Integralnorm nutzen wollen. Das Hauptergebnis über Stützpunkte ist der Satz von Bishop-Phelps, der im Anhang 2.9 bewiesen wird. 27

Satz 2.27 (Bishop-Phelps,1961) Sei X ein Banachraum und sei A X konvex, abgeschlossen und nichtleer. Dann ist die Menge der Stützpunkte von A dicht im Rand von A. Dabei ist der Begriff der Dichtheit in einem normiertem Raum folgendermaßen definiert: Definition 2.28 Sei X ein normierter Raum und sei B X. Eine Menge A X heißt dicht in B, falls B A gilt. 2.4 Schwache Topologie In einem normiertem Raum X übrigens auch in einem lokalkonvexem Raum können wir neben der gegebenen Topologie eine weitere mit Hilfe des Dualraums X einführen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es eine gröbere lokalkonvexe Topologie auf X gibt, bezüglich der alle Funktionale in X auch stetig sind. Dies hätte den Vorteil, dass möglicherweise dann bezüglich dieser Topologie mehr kompakte Mengen existieren. Dies wird sich in der Tat als zuteffend herausstellen. Eine solche weitere lokalkonvexe Topologie auf X existiert als gröbste Topologie T σ auf X, bezüglich der alle λ X stetig sind: T σ := {T T lokalkonvexe Topologie, jedes λ X ist stetig} Offenbar gilt T σ T. Diese Konstruktion von T σ hat den Nachteil, dass wir die offenen Mengen in dieser Topologie nicht wirklich kennen. Daher kommen wir nun zu einer beschreibenden Konstruktion. Dazu haben wir ein System von geeigneten Nullumgebungen anzugeben. Dabei lassen wir uns von Urbildern von offenen Mengen in R von Funktionalen in X leiten. Solche müssen ja als offen erkannt werden, wenn das Ziel ist, dass alle λ X stetig werden. Dies geschieht nun so: U ε,m := {x X λ, x < ε für alle λ M}, wobei ε > 0, M X endlich ist. Umgebungen für x 0 X ergeben sich dann durch Verschiebung: x 0 + U ε,m. Die Umgebungen von x 0 sind dann die Obermengen von x 0 + U ε,m, ε > 0, M X endlich. Beachte: Jede Menge U ε,m und damit auch x 0 +U ε,m muss in T σ enthalten sein. Offenheit einer Menge O in X ist bezüglich dieser Umgebungen erklärt wie üblich: A X offen genau dann, wenn gilt: x A U ε,m (x x + U ε,m A) Es ist nun leicht nachzurechnen, dass jedes U ε,m offen gemäß dieser Definition ist und man stellt fest, dass damit eine Topologie auf X definiert wir. Die so erhaltene Topologie auf X heißt die σ(x, X )-Topologie oder kurz die schwache Topologie auf X. Damit ist auch die Bezeichnung starke Topologie für die Norm-Topologie T angebracht. Offenbar sind alle λ X stetig, wenn man X mit dieser Topologie versieht. Nun ist aber noch zu klären, ob die σ(x, X )-Topologie lokalkonvex ist. Auf die Verifikation, dass Addition und skalare Multiplikation stetig sind, verzichten wir. Die Hausdorff-Eigenschaft folgt aus der Tatsache, dass X die Punkte trennt; siehe Folgerung 2.17. Da auch die Nullumgebungen U ε,m konvex sind, ist die Topologie σ(x, X )-Topologie lokalkonvex und daher T σ gleich der σ(x, X )- Topologie. Beispiele σ(x, X )-offener Mengen sind die Kugeln B ε und die offenen Halbräume H ( λ, α)\h(λ, α). Letzteres sieht man so: ist x 0 H ( λ, α)\h(λ, α), so gilt 0 < ε := α λ, x 0 und damit U ε,{λ} (x 0 ) H ( λ, α)\h(λ, α). Damit ist nun der Halbraum H ( λ, α) eine σ(x, X )-abgeschlossene Menge und damit auch H + (λ, α), H(λ, α). 28

Bemerkung 2.29 Lokalkonvexe Topologien auf Vektorräumen X kann man wie oben über geeignete (absorbierende) Nullumgebungen definieren. Dazu gehören dann die Minkowskifunktionale dieser Nullumgebungen, welche sich als Halbnormen darstellen; siehe Folgerung 2.11. Man erhält so eine Familie von Halbnormen p i, i I, die über die Kugeln B ε,i := {x X p i (x) < ε}, i I, ε > 0, auch die Topologie beschreiben. Umgekehrt kann man ausgehend von einer Familie von Halbnormen p i, i I, über die Kugeln B ε,i, i I, ε > 0, die offenen Mengen in der üblichen Weise erklären. Die schwache Topologie kann man sich daher aus den Halbnormen abgeleitet vorstellen. p λ : X x λ, x }, λ X, Satz 2.30 Ist der normierte Raum X endlichdimensional, dann stimmen schwache und starke Topologie überein. Sei e 1,..., e n eine Basis von X. Wir haben zu zeigen T T σ. Sei U T, x 0 U. O. E. U = B ε (x 0 ). Seien λ i, i = 1,..., n, die Koordinatenfunktionale: n λ i : X x = x i e i x i R. Setze V := x 0 + U ε,{λ 1,...,λ n }, ε > 0. Offenbar V T σ., Es gilt Mit der Wahl ε := x x 0 i=1 n (x i x 0 i )e i i=1 max i=1,...,n ei max i=1,...,n ei n x i x 0 i i=1 n λ i, x i x 0 i i=1 max i=1,...,n ei nε ε max i=1,...,n e i n gilt V U = B ε(x 0 ). Im normierten Raum X haben wir damit die Begriffe Offenheit, Abgeschlossenheit, Kompaktheit, Folgenkompaktheit, Konvergenz von Folgen, Stetigkeit einer Funktion bezüglich zweier Topologien zur Verfügung. Man beachte, dass für einen normierten Raum X oder selbst für einen Banachraum X die Begriffe für die beiden Topologien auseinanderfallen, nur im endlichdimensionalen Fall ist die schwache Topologie identisch mit der gegebenen Topologie; siehe oben. Beachte auch, dass im Allgemeinen Kompaktheit in der Überdeckungsdefinition nicht mit der Folgenkompaktheit übereinstimmt. Konvergenz einer Folge (x n ) n N in X gegen x 0 bezüglich der schwachen Topologie ist so definiert: lim n x n = x 0 : ε > 0 M X, #M < N N n N(x x 0 U ε,m ) Wir verwenden für die Konvergenz bezüglich der starken Topologie das Symbol x n x 0 und bezüglich der schwachen Topologie x n x 0. Nun sind noch einige Details zu klären, insbesondere die Sonderrolle der Konvexität in Bezug auf die schwache Topologie. 29

Lemma 2.31 Sei X ein normierter Raum. Betrachte Folgen (x n ) n N, (λ n ) n N in X bzw. X und x 0 X, λ 0 X. Dann gilt: 1. x n x 0 λ, x n x 0 für alle λ X. 2. x n 0 = x n x 0. Ist X sgar ein Banachraum, dann gilt zusätzlich (a) Gilt x n x 0, dann ist die Folge (x n ) n N beschränkt in R und x 0 lim inf n x n <. (b) Gilt x n x 0, λ n λ 0, dann folgt λ n, x n λ 0, x 0. Zu (1) Folgt direkt aus der Definition der schwachen Topologie. Zu (2) Folgt aus der Ungleichung λ, x n λ, x 0 λx n x 0, n N. Zu (a) Für jedes µ X ist die Folge (µ, x n ) n N beschränkt in R, denn (µ, x n ) n N konvergiert wegen der schwachen Konvergenz von (x n ) n N. Wir betrachten die Abbildungen T n : X µ µ, x n R, n N. Dann ist T n X für alle n N. Wir wissen schon, dass sup n T n (µ) = sup µ, x n <. n Nach dem Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit 1 gibt es m > 0 mit T n m für alle n N. Dies bedeutet sup n x n m, denn T n = Nun folgt für µ X Also sup T n (µ) = sup µ, x n = x n, n N, µ X,µ 1 µ X,µ 1 µ, x n µx n, n N, und daher µ, x 0 lim inf n Zu (b) Folgt aus der Beobachtung x 0 = sup µ, x 0 lim inf x n. µ 1 µx n. λ n, x n λ 0, x 0 λ n, x n x 0 + λ 0 λ n, x 0 λ n λ 0 x n + λ 0, x n x 0. Satz 2.32 Sei X ein normierter Raum und sei A X nichtleer und konvex. Dann sind äquivalent: (a) (b) A ist abgeschlossen. A ist schwach abgeschlossen. 1 Siehe etwa [7] 30

Ist A = X, dann ist nichts zu beweisen. Sei nun X = X. Zu (a) = (b) Nach Folgerung 2.23 gilt A = i I H(λ i, α i ). Da alle H(λ i, α i ) schwach abgeschlossen sind, ist auch A schwach abgeschlossen. Zu (b) = (a) Jede schwach abgeschlossene Menge ist offenbar abgeschlossen. Beispiel 2.33 Ohne die Voraussetzung A konvex ist der Satz 2.32 im Allgemeinen falsch. Da im Endlichdimensionalen die starke und die schwache Topologie zusammenfallen, hat man nach Beispielen im Unendlichdimensionalen zu suchen. Ein klassisches Beispiel ist: X := l 2, A := B 1 \B 1. Betrachte nun die Folge (e n ) n N mit e n k = δ nk, n, k N, in A. Dann ist θ schwacher Grenzwert der Folge (e n ) n N. Dies folgt aus der Kenntnis, dass der Dualraum X der Raum x ist (siehe Satz 2.51) so: λ, e k = y e k = y n e k n = y k, limλ, e k = 0, k n=1 wobei (y n ) n N das Funktional λ X darstellt. Satz 2.34 Sei X ein normierter Raum und dim X =. Dann gilt: (1) S 1 := B 1 \B 1 ist abgeschlossen in der starken Topologie. (2) Der Abschluss von S 1 := B 1 \B 1 in der schwachen Topologie ist B 1. (3) Das Innere in der schwachen Topologie der offenen Kugel B 1 ist leer. Den Beweis verschieben wir in die Übungen. Dort stellen wir als Vorbereitung das Ergebnis bereit, dass jede offene Umgebung U ε,m eine Gerade der Form {x 0 + ty t R} enthält. Definition 2.35 Sei X ein normierter Raum und sei A X. Die Menge co(a) := {K A K, K konvex, K = K} heißt die abgeschlossene konvexe Hülle von A. Folgerung 2.36 Sei X ein normierter Raum und sei A X. Es gilt: (a) co(a) ist konvex und abgeschlossen. (b) co(a) = co(a) = co(a). (a) ist sofort einzusehen, (b) überlassen wir dem Leser als Übung. Satz 2.37 (Mazur, 1933) Sei X ein Banachraum und sei (x n ) n N eine Folge in X. Konvergiert (x n ) n N schwach gegen x 0, so gilt x 0 co({x k k N}). 31

Sei B := {x k k N}, A := co(b). A ist konvex und abgeschlossen, also nach Satz 2.32 auch schwach abgeschlossen. Also gilt x 0 A wegen B A. Ist X ein normierter Raum, so ist X ebenfalls ein normierter Raum, ja sogar ein Banachraum, da der Bildraum R der Funktionale aus X vollständig ist. Dazu kann man den Dualraum (X ) betrachten; wir setzen X := (X ) und nennen X den Bidualraum von X. Dazu haben wir nun eine Abbildung J X : X X, J X (x), λ := λ, x, x X, λ X. Sie hei st kanonische Einbettung von X in X. Dies Bezeichnungsweise erklärt sich aus Lemma 2.38 Sei X ein normierter Raum. Dann ist die kanonische Einbettung J X linear,injektiv, stetig und eine Isometrie, d. h. J X (x) = sup λ, x = x, x X. λ X,λ 1 Die linearität ist klar, Stetigkeit und Injektivität folgen offenbar aus der Isometrieeigenschaft. Zur Isometrieeigenschaft (mit Folgerung 2.19): J X (x) = sup J X (x), λ = sup λ, x = x, x X. λ X,λ 1 λ X,λ 1 Definition 2.39 Sei X ein normierter Raum. X heißt reflexiv genau dann, wenn die Abbildung J X surjektiv ist. Beispiele reflexiver Räume sind: X = R n (in jeder Norm), X = l 2 (siehe später). Nicht reflexiv ist der Raum c 0 der reellen Nullfolgen; wir haben c 0 = l 1, l 1 = l. Eine notwendige Bedingung für die Reflexivität von X ist zusammen mit Lemma 2.38, dass X ein Banachraum ist, da ja ein Dualraum stets vollständig und damit auch X ein Banachraum ist. Zwei wichtige Sätze, die wir ohne Beweis anführen, in diesem Zusammenhang sind: Satz 2.40 (Eberlein, 1940, Smulian, 1947) Sei X ein Banachraum und sei A X. Dann sind äquivalent: (a) (b) A ist kompakt in der schwachen Topologie. A ist folgenkompakt in der schwachen Topologie. Satz 2.41 (Kakutani) Sei X ein Banachraum. Dann ist X reflexiv genau dann, wenn die Einheitskugel B 1 in X kompakt in der schwachen Topologie ist. Eine wichtige Konsequenz der angeführten Resulate berührt wieder die Konvexität. Folgerung 2.42 Sei X ein reflexiver Banachraum und sei A X nichtleer, beschränkt, abgeschlossen und konvex. Dann ist A schwach kompakt. 32

Wir wissen aus Satz 2.32, dass A schwach abgeschlossen ist. Da A beschränkt ist, ist A in einer Kugel αb 1 enthalten und daher als abgeschlossene Teilmenge in der schwach kompakten Menge αb 1 selbst schwach kompakt. Damit ist das Versprechen, dass die gröbere schwache Topologie mehr kompakte Mengen im unendlichdimensionalen Fall erlaubt, ist nun eingelöst: nichtleere, beschränkte, abgeschlossene konvexe Mengen sind schwach kompakt. Beachte, dass dies in der starken Topologie im Allgemeinen nicht gilt; siehe etwa [2, 7]. 2.5 Schwach Topologie In einem normiertem Raum X mit Dualraum X kennen wir nun auf X die Norm-Topologie (starke Topologie) und die σ(x, X ) (schache Topologie). Dabei ist X der Bidualraum von X, d. h. der Dualraum des normierten Raumes X, welches wiederum ein Banachraum ist. Nun können wir dazu eine weitere mit Hilfe des Ausgangsraumes X einführen. Dazu haben wir ein System einer Nullumgebungsbasis anzugeben. Dies geschieht so: V ε,m := {λ X λ, x < ε für alle x M} wobei ε > 0, M X endlich ist. Umgebungen für λ 0 X ergeben sich dann durch Verschiebung: λ 0 +V ε,m. Offenheit einer Menge O in X ist bezüglich dieser Umgebungen erklärt wie üblich. Die so erhaltene Topologie auf X heißt die σ(x, X)-Topologie oder kurz die schwach -Topologie auf X. Sie ist eine lokalkonvexe Topologie auf X. Die Überlegungen dazu sind parallel zu denen bei der schwachen Topologie. Ist X reflexiv, dann fallen die schwache und die schwach -Topologie auf X offenbar zusammen. Konvergenz einer Folge (λ n ) n N in X gegen λ 0 bezüglich der schwach -Topologie ist so definiert: lim n λ n = λ 0 : ε > 0 M X, #M < N N n N(λ λ 0 V ε,m ) Wir verwenden für die Konvergenz bezüglich der schwach -Topologie λ n λ 0. Beachte, dass im Allgemeinen Kompaktheit in der Überdeckungsdefinition nicht mit der Folgenkompakteheit übereinstimmt. Ohne Beweis führen wir einen wichtigen Sachverhalt zur Kompaktheit in der schwach - Topologie an. Satz 2.43 (Banach-Alaoglu, 1932,1940) Sei X ein normierter Raum. Dann ist die Einheitskugel B 1 in X kompakt in der schwach -Topologie. 2.6 Spezialisierung auf Hilberträume Wichtige Beispiele für reflexive Räume ihre Bedeutung geht aber weit über diesen Sachverhalt hinaus stellen die Hilberträume dar. Hilberträume sind bei der Modellierung und Lösung von Problemen der theoretischen und angewandten Naturwissenschaften von überragender Bedeutung. Ihre Theorie ist nicht zuletzt entstanden durch das Bedürfnis der Quantenmechanik ein sicheres mathematisches Fundament zu geben. Wir ordnen die Hilberträume in die Banachraumtheorie ein und betrachten die spezifischen zusätzlichen geometrischen Möglichkeiten. Sei X ein reeller Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf X ist eine Abbildung R, die folgende Eigenschaften besitzt: 33

Definitheit x x = 0 x = θ Symmetrie x x = x x für alle x, x X Linearität αx + βx z = αx z + βx z für alle x, x, z X, α, β R Ein Paar (X, ) heißt ein Prähilbertraum. Lemma 2.44 (Cauchy Schwarzsche Ungleichung) Sei (X, ) ein Prähilbertraum. Dann gilt für alle x, y X x y x x y y, wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn x, y linear abhängig sind. Seien x, y X. Ist y = θ, dann ist die Aussage schon klar. Sei also nun y = θ. Offenbar gilt 0 x ay x ay für alle a K, also Setze a := x yy y 1. Dann folgt 0 x x 2ax y + a 2 y y. 0 x x x y 2 y y, woraus wir die Aussage nun ablesen. Die Aussage über Gleichheit folgt aus der Tatsache, dass 0 = x ay x ay genau dann gilt, wenn x = ay ist. Folgerung 2.45 Ist (X, ) ein Prähilbertraum, dann wird auf X eine Norm definiert durch x := x x, x X. Die Normeigenschaften sind bis auf die Dreiecksungleichung sofort einsichtig. Die Dreiecksungleichung folgt mit der Cauchy Schwarzschen Ungleichung so: x + y 2 = x 2 + 2x y + y 2 x 2 + 2x X y + y 2 = (x + y) 2. Sei (X, ) ein Prähilbertraum. Wir wissen aus der Cauchy Schwarzschen Ungleichung x y x y für alle x, y X, also 1 x y 1 für alle x, y X\{θ}. x y Nun gibt es zu x, y X\{θ} also einen eindeutig bestimmten Winkel ϑ = ϑ(x, y) mit x y = cos(ϑ(x, y)), ϑ(x, y) [0, π]. x y Wir nennen ϑ(x, y) den Winkel zwischen x und y. Definition 2.46 Sei (X, ) ein Prähilbertraum. x, y X\{θ} heißen orthogonal, wenn x y = 0 gilt. 34

Wir sehen also, dass Orthogonalität von x, y in einem euklidischen Raum gerade bedeutet, dass der Winkel zwischen x, y ein Rechter ist. Eine mitunter hilfreiche Gleichung ist die Parallelidentität in einem Hilbertraum X: x y 2 + x + y 2 = 2x 2 + 2y 2, x, y X. (2.5) Man verifiziert diese Identität ohne Mühe mit den Eigenschaften des zugehörigen Skalarprodukts. Sei (X, ) ein Prähilbertraum. Wir haben unter Nutzung der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung gesehen, dass X zu einem normierten Raum (X, ) wird, wobei die Norm definiert ist durch x := x x, x X. Diesen normierten Raum können wir nun auf Vollständigkeit hinterfragen. Definition 2.47 Der Prähilbertraum (X, ) heißt normierte Raum (X, ) vollständig ist. Hilbertraum, wenn der damit definierte Im Prähilbertraum (R n, 2 ) wird die euklidischen Norm 2 vom Skalarprodukt induziert; der Raum ist ein Hilbertraum. Beispiel 2.48 Die Prähilberträume (l 2, 2 ), (L 2 (Ω), 2 ) sind Hilberträume. Das innere Produkt in L 2 (Ω) ist gegeben durch f g 2 := f(x) g(x) 2 dx, f, g L 2 (Ω). Ω (Hier sind zwei Skalarprodukte involviert, die wir in der Bezeichnung nicht unterschieden haben, eines in L 2 (Ω), ein anderes in R n. Satz 2.49 Sei (X, ) ein Hilbertraum und sei K X konvex, abgeschlossen und nichtleer. Dann gibt es zu jedem x X ein eindeutig bestimmtes y K mit x y = dist(x, K) = inf x z. (2.6) z K Zusatz: Es gilt x y z y 0 für alle z K. (2.7) Die Existenz einer Lösung der Approximationsaufgabe 2.6 kann man direkt auf die Parallelogrammidentität und die Vollständigkeit stützen. Man zeigt dazu, dass eine Minimalfolge, also eine Folge (y n ) n N mit lim n x y n = a := dist(x, K), eine Cauchyfolge ist. Man schließt dabei mit der Parallelogrammidentität und der Konvexität von K folgendermaßen. y n y m 2 = (x y m ) (x y n ) 2 = (x y m ) + (x y n ) 2 + 2x y m 2 + 2x y n 2 = 4 1 2 (ym + y n ) x 2 + 2x y m 2 + 2x y n 2 4a 2 + 2x y m 2 + 2x y n 2 Also ist (y n ) n N eine Cauchyfolge. Nun konvergiert (y n ) n N gegen ein y X, also lim n (x y n ) = x y. Da A abgeschlossen ist ist y A. Aus der Stetigkeit der Norm folgt, dass y die Aufgabe löst. 35

Die Eindeutigkeit stützt sich erneut auf die Parallegrommidentität. Seien y, y K Lösungen. Dann gilt x y = x y = a. Nun haben wir unter Berücksichtigung von 1 2 (y + y ) K 4a 2 4x 1 2 (y + y ) 2 = (x y) + (x y ) 2 = 2x y 2 + 2x y 2 (x y) (x y ) 2 4a 2 y y 2 woraus y = y abzulesen ist. Wir zeigen den Zusatz. Sei z K. Dann ist z t := tz + (1 t)y = y + t(z y) in K für alle t (0, 1). Daher ist und daher x y 2 x z t 2 = x y 2 2tx y, z y + t 2 z y 2, t (0, 1), 0 2tx y z y + t 2 z y 2, t (0, 1), was nach Kürzen mit t und Grenzübergang t 0 0 2x y z y ergibt. Die Ungleichung 2.7 nennt man eine Variationsungleichung. Solche Ungliechungen werden uns als notwendige Bedingung für Extrema noch mehrmals begegenen. Sei (X, ) ein Prähilbertraum und U ein linearer Teilraum von X. Dann definieren wir mit U := {x X x y = 0 für alle y U} das orthogonale Komplement von U. U ist selbst wieder ein linearer Teilraum von X, der sogar abgeschlossen ist. Im folgenden Satz wird die Bedeutung dieser Begriffsbildung klar. Satz 2.50 (Zerlegungssatz) Sei (X, ) ein Hilbertraum und U ein linearer abgeschlossener Teilraum von X. Dann gibt es zu jedem x X eindeutig bestimmte u U, v U mit x = u+v, d. h. X = U U. Wir wenden Satz 2.49 mit K := U an. Damit ist schon klar, dass es zu jedem x X ein eindeutig bestimmtes u U gibt mit x u v = 0 für alle v U ; beachte, dass wir nun in K einen linearen Teilraum haben. Da mit u auch u in U liegt, folgt x u U. Also haben wir die Zerlegung x = u + (x u) U + U gezeigt. Die Eindeutigkeit der Zerlegung ist sofort klar, da stets U U = {θ} gilt. Ist (X, ) ein Hilbertraum und U ein linearer abgeschlossener Teilraum von X, dann kann man nach Satz 2.50 Abbildungen p U, p U mit folgenden Eigenschaften definieren: a) x = p U (x) + p U (x) für alle x X, b) p U p U = p U, p U p U = p U, c) p U p U = p U p u = θ. 36

Die Abbildungen p U, p U werden orthogonale Projektionen genannt. Der folgende Satz von Riesz 2 liefert nun eine wichtige Erkenntnis zum Dualraum von Hilberträumen. Satz 2.51 (Darstellung von Riesz) Sei (X,, ) ein Hilbertraum mit induzierter Norm. Dann ist die Abbildung R X : X x x X X (2.8) bijektiv, isometrisch und linear, d. h. R X (ax + by) = ar X (x) + br X (y) für alle x, y X, a, b R. (2.9) Offenbar wird für jedes x X durch x x X ein Funktional λ x X erklärt. Wegen λ x, z zx, λ x, x = x 2, ist λ x X. Also ist R X wohldefiniert und offensichtlich linear. Wegen R X (x) = sup z B 1 z x x, xx 1, x = x(x = θ), ist R X eine Isometrie. Daher ist R X auch stetig. Die Injektivität von R X folgt aus der Isometrieeigenschaft. Es bleibt die Surjektivität von R X zu zeigen. Sei λ X ; o. E. λ = θ. Wir setzen U := ker(λ). Wegen U = X ist U = {θ}. Wir wählen u U mit λ, u = 1. Für z X gilt z = z λ, zu + λ, zu, z λ, zu U, also und somit z u = z λ, zu u + λ, zu u = λ, zu u, λ = λ x = R X (x) für x = u u 2. Folgerung 2.52 Jeder Hilbertraum ist reflexiv. Sei (X, ) ein Hilbertraum, sei R X die zugehörige Riesz Abbildung und sei J X die kanonischen Einbettung von X in X. Sei µ X. Mit der Riesz Abbildung R X definieren wir ein lineares Funktional ρ durch ρ, y := µ, R X (y), y X. ρ ist in X, denn ρ, y µr X (y) = µy, y X. Sei x := R 1 X (ρ). Sei nun λ X beliebig. Da R X surjektiv ist, gibt es y X mit λ = R X (y). Dann haben wir µ, λ = µ, R X (y) = ρ, y = y R 1 X (ρ) = R 1 X (ρ) y = x y = R X(y), x = λ, x = J X (x), λ. Dies zeigt µ = J X (x). 2 Der Satz ist benannt nach F. Riesz (1880 1956). Es gibt noch den Mathematiker M. Riesz. 37

2.7 Extremalpunkte Definition 2.53 Sei X ein Vektorraum. Sei B A X, B =. B heißt extremal in oder eine Seite von A, falls gilt: A x, y A, t (0, 1) R, tx + (1 t)y B = x, y B. Offenbar ist die Eigenschaft extremal in transitiv. Eine Menge ist stets extremal in sich. Definition 2.54 Sei X ein Vektorraum und sei A X, x A. x heißt Extremalpunkt von A, falls {x} extremal in A ist. Wir schreiben dann x ext(a). Das Sudium von Extremalpunkten und Seiten ist im Zentrum der Untersuchungen von Polyedern, meist im Rahmen der theoretischen Informatik. Hierzu ein Beispiel: Beispiel 2.55 Sei X = R n+1, A := co(e 1,..., e n+1 ) der übliche Simplex in R n+1. Die Seiten von A sind die k-dimensionalen Simplizes co(e i 1,..., e i k+1), {i 1,..., i k+1 } {1,..., n + 1}, #{i 1,..., i k+1 } = k + 1. Die Extremalpunkte von A sind die nulldimensionalen Seiten {e 1 },..., {e n+1 } von A. Lemma 2.56 Sei X ein Vektorraum und sei A X konvex. Dann sind für x A äquivalent: (a) x ext(a). (b) A\{x} ist konvex. (a) = (b) Seien y, z A\{x}, t (0, 1). Da A konvex ist, ist ty + (1 t)z A. Da x ext(a) ist, ist ty + (1 t)z = x. Also ist ty + (1 t)z A\{x}. (b) = (a) Seien y, z A, sei t (0, 1) und sei x := ty + (1 t)z. Wegen (b) kann y = x und z = x nicht gleichzeitig gelten. Sei etwa y = x. Dann ist x = y = z, also x ext(a). Es ist leicht einzusehen, dass ext(a) = ist, falls A offen ist. Etwas genauer grenzen die folgenden Beispiele die Möglichkeiten ab. Beispiel 2.57 ext(a) ist im allgemeinen nicht endlich, selbst wenn A kompakt ist. Dies sieht man schon in folgender einfachen Situation ein: X := R n, A := B 1. Hier haben wir nämlich ext(a) = B 1 \B 1 =: S 1. Wir können dies in einem Hilbertraum zeigen. Sei also (X, ) ein Hilbertraum mit Norm. Dann gilt ext(b 1 ) = B 1 \B 1 =: S 1. Beweis dazu: Wir zeigen S 1 ext(b 1 ). Sei z S 1 und seien x, y B 1 ), t (0, 1), tx + (1 t)y = z. Dann haben wir 1 = t 2 x 2 + (1 t) 2 y 2 + 2t(1 t)x, y (t x + (1 t)y) 2 max( x, y ) 2. O. E. y x. Dann ist x = 1 und wegen 1 = (t + (1 t)y) 2 auch y = 1, d. h. x, y S 1. Aus 1 = t 2 + (1 t) 2 + 2t(1 t)x, y = 1 + 2t(1 t)(xy x, y) müssen x, y linaear abhängig sein. Daraus folgt dann x = y und damit z ext(a). Wir zeigen ext(b 1 ) S 1. ext(b 1 ) S 1, da B 1 \{x} für x B 1 nicht konvex ist; siehe Lemma 2.56. 38

Beispiel 2.58 ext(a) ist nicht notwendigerweise abgeschlossen, selbst wenn A kompakt ist. Hier ist das passende Beispiel: X := R 3, A 1 := {(0, 0, 1)}, A 2 := {(0, 0, 1)}, A 3 := {x R 3 x = (a, b, 0), a 2 + (b 1) 2 = 1},. Setze A := co(a 1 A 2 A 3 ). Es ist ext(a) = (A 1 A 2 A 3 )\{θ}, also ext(a) nicht abgeschlossen. Lemma 2.59 Sei X ein normierter Raum. Sei A X kompakt, A =, λ X. Dann ist eine kompakte extremale Teilmenge von A. A 0 := {x X λ, x = inf λ, u} u A A 0 ist nicht leer, da λ stetig und A kompakt ist. A 0 ist abgeschlossen, da λ X. Also ist A 0 als abgeschlossene Menge der kompakten Menge A sogar kompakt. Sei a := inf u A λ, u. Seien x, y A, t (0, 1), tx + (1 t)y A 0. Dann gilt λ, x a, λ, y a, tλ, x + (1 t)λ, y = λ, tx + (1 t)y = a, und daher λ, x = a, λ, y = a, d. h. x, y A 0. Satz 2.60 Sei X ein normierter Raum und sei A X kompakt, nichtleer. Dann ist ext(a) =. F := {S A S extremal in A, S abgeschlossen, S = }. Wegen A F ist F =. Durch die Inklusion ist F halbgeordnet. Sei F 0 eine totalgeordnete Teilmenge von F; wir setzen S u := S F 0 S. Da A kompakt ist und die endliche Durchschnittseigenschaft gilt, ist nach dem Cantorschen Durchschnittssatz 3 S u nichtleer. Ferner ist offenbar S u abgeschlossen und extremal in A, da die Eigenschaft extremal in transitiv ist. Also ist S u F und daher eine untere Schranke für F 0. Nach dem Lemma von Zorn gibt es ein minimales Element in F; sei S m dieses minimale Element. Annahme: S m enthält mindestens zwei Elemente u, v, u = v. Da X die Punkte in X trennt, gibt es λ X mit λ, u < λ, v. Sei A 0 := {x S m λ, x = inf y S m λ, y}. Da A kompakt ist, ist A 0 eine extremale Teilmenge von S m, also auch eine extremale Teilmenge von A, also A 0 F und A 0 S m. Da S m minimal in F ist, gilt A 0 = S m. Dies ist ein Widerspruch, da v / A 0. Also ist S m eine einelementige Menge: S m := {z}. Dann ist nach Konstruktion z ext(a). Lemma 2.61 Sei X ein normierter Raum und sei A X nichtleer. Dann gilt ext(co(a)) A. 3 Siehe etwa [7] 39

Sei x ext(co(a)) co(a); also x = m t i x i mit i=1 m t i = 1, t i [0, 1], x i A, i = 1,..., m. i=1 O. E. t i > 0, i = 1,..., m. Ist m = 1, so gilt offensichtlich x = x 1 A. Sei m 2. Dann gilt t 1 < 1 und m m x = t 1 x 1 + t i x i = t 1 x 1 + (1 t 1 ) (1 t 1 ) 1 t i x i. i=2 Da x ext(co(a)), x 1 co(a), m i=2 (1 t 1) 1 t i x i co(a), folgt mit der Definition der Extremalität x = m i=2 (1 t 1) 1 t i x i = x 1 A. Satz 2.62 (Krein Milman, 1940) Sei X ein normierter Raum. Sei A X nichtleer, konvex und kompakt. Dann gilt A = co(ext(a)). Nach Lemma 2.61 gilt: co(ext(a)) = co(ext(co(a))) co(a) = A. Annahme: Es gibt x A\co(ext(A)). Dann gibt es nach Folgerung 2.22 λ X \{θ} mit λ, x < i=2 inf λ, w. w co(ext(a)) Sei A 0 := {y A λ, y = inf v A λ, v} ; inf v A λ, v ist wohldefiniert, da A kompakt ist. Nach Lemma 2.59 ist A 0 kompakt und extremale Teilmenge von A. Nach Satz 2.60 gilt ext(a 0 ) =. Sei y 0 ext(a 0 ) A. Dann gilt y 0 ext(a) co(ext(a)). Daraus folgt ein Widerspruch, den man aus λ, y 0 λ, x < inf λ, w λ, y 0. w co(ext(a)) abliest. Also gilt A co(ext(a)). Folgerung 2.63 Sei X ein normierter Raum. Sei A X konvex, kompakt, A =, λ X. Dann gibt es z ext(a) mit λ, z = inf v A λ, v. Es ist Q := {u A λ, u = inf v A λ, v} als abgeschlossene Teilmenge einer kompakten Menge kompakt und offenbar nichtleer. Ferner ist Q nach Lemma 2.59 extremal in A. Nach Satz 2.60 gilt ext(q) =. Sei z ext(q). Dann ist z Extremalpunkt von A und es gilt λ, z = inf v A λ, v. Folgerung 2.63 ist in der linearen Optimierung (X ist ein R n ) die Grundlage des Simplexverfahrens. Hier ist A meist ein beschränktes Polyeder P. Dessen Extremalpunkte sind nur endlich viele und leicht zu bestimmen/charakterisieren: sie sind die Ecken des Polyeders. Der Satz besagt dann, dass optimale Punkte in A auch in den Ecken zu finden sind; siehe hierzu Abschnitt 4.1. Beispiel 2.64 Die Einheitskugel B 1 in c 0 enthält keine Extremalpunkte. Der Grund für diese Aussage ist, dass B 1 in c 0 nicht kompakt ist. Man sieht dies so ein. Sei x B 1, x = (x k ) k N ; also lim k x k = 0. Wähle N N mit x N < 1 2. Definiere y, z c 0 durch y k := z k := x k, k = N, y N := x N 1 2, zn := x N + 1 2. Dann gilt y, z B 1, x = 1 2 (y + z) und daher x / ext(b 1). 40

2.8 Strikte und gleichmäßige Konvexität Eine Eigenschaft, die einige geometrische Aussagen aus der Hilbertraumtheorie erlaubt, ist die strikte Konvexität in normierten Räumen. Sie besagt im wesentlichen, dass der Rand der Einheitskugel keine Gerade enthält. Definition 2.65 Ein normierter Raum (X, ) heißt strikt konvex, falls aus x = y = 1, x y > 0, stets x + y < 2 folgt. Lemma 2.66 Sei (X, ) ein normierter Raum. Es sind äquivalent: (a) X ist strikt konvex. (b) Ist x = y = 1, x y > 0, dann gilt für jedes t (0, 1) tx + (1 t)y < 1. (c) Ist x + y = x + y, x = θ, y = θ, dann gibt es c > 0 mit x = cy. Zu (a) (b). Seien x, y X mit x = y = 1, x y > 0, und u := tx + (1 t)y X mit t (0, 1). O.E. t 1 2. Dann gilt offenbar u = 2tz + (1 ta)y mit z := 1 2 (x + y) und daher folgt u 2tz + (1 2t)y < 2t + (1 ta) = 1. Damit ist (a) = (b) gezeigt. Die Rückrichtung ist trivial. Zu (a) = (c). Seien x, y X mit x + y = x + y, x = θ, y = θ. Setze x 1 := x 1 x, y 1 := y 1 y, t := x(x + y) 1. Dann ist x 1 = y 1 = 1 und 1 = x + y x + y = 1 x + y x + 1 x + y y = tx1 + (1 t)y 1. Wegen (b), was ja mit (a) äquivalent ist, folgt x 1 = y 1. Damit gilt x = cy mit c := xy 1. Zu (c) = (a). Seien x, y X mit x = y = 1, x y > 0. Offenbar ist x + y 2. Annahme: x + y = 2. Dann ist x + y = x + y und daher x = cy für ein c > 0. Dann folgt aber c = 1 und x = y, was im Widerspruch zu x y > 0 steht. Beispiel 2.67 Der Banachraum (C[a, b], ) ist nicht strikt konvex. Dies folgt so: O. E. [a, b] = [0, 1]. Wähle x(t) := 1, y(t) := t, t [0, 1]. Dann ist x = y und x = y = 1. Aber es gilt x + y = 2. Definition 2.68 Ein normierter Raum (X, ) heißt gleichmäßig konvex, falls gilt: ε > 0 δ > 0 x, y X (x = y = 1, x y ε = 1 (x + y) 1 δ) 2 Folgerung 2.69 Jeder gleichmäßig konvexe normierte Raum X ist strikt konvex. Seien x, y X, x = y mit x + y = x + y. O. E. x = 1. Definiere x := (x + y)x + y 1, z := 1 2 (x + x ), a := z, b := x + y z 41

Es gilt x+y x = y, also b y. Ferner ist a 1, a+b 1+y, also a = 1 2 (x+x ) = 1. Aus der gleichmäßigen Konvexität folgt x = x, also xy = y. Offenbar sind die Räume l p, p = 1, nicht strikt konvex und daher auch nicht gleichmaßig konvex. da der Rand der Einheitskugel Kanten besitzen. Die Räume l p, 1 < p <, sind strikt konvex, sie sind sogar gleichmäßig konvex. Zum Beweis hat man die Höldersche Ungleichung heranzuziehen. Jeder Hilbertraum ist gleichmäßig konvex. Dies zeigt man wieder mit der Parallelogrammidentität (siehe Beweis zu Satz 2.49). Bemerkung 2.70 Die beiden Definitionen 2.65, 2.68 bedürfen einer Kommentierung: Statt von einem strikt konvexem bzw. einem gleichmäßig konvexem Raum zu sprechen, sollten wir eigentlich von einer strikt konvexer bzw. gleichmäßig konvexer Norm sprechen. Diese Vorsicht ist umso mehr geboten, da es ja in einem Vektorraum zwei äquivalente Normen geben mag, von der eine die Eigenschaft haben mag, die andere nicht; es gibt solche Fälle; meist erreicht man dies durch Renormierung einer gegebenen Norm. Also muss in jeder Situation klar sein, welche Norm gemeint ist. Ein Hauptergebnis zur geometrischen Struktur von Banachräumen ist das folgende Resultat, das wir ohne Beweis angeben wollen (Siehe etwa [7]). Satz 2.71 (Milman (1938)-Pettis (1939)) Jeder gleichmäßig konvexe Banachraum ist reflexiv Satz 2.72 (Approximationssatz) Sei X ein Banachraum, sei z X und C eine konvexe abgeschlossene Menge. Betrachte damit die Approximationsaufgabe Dazu gilt: Gesucht x C mit z x = inf z y. y C (a) (b) (c) Ist X strikt konvex, so besitzt diese Aufgabe höchstens eine Lösung. Ist X reflexiv, so besitzt diese Aufgabe eine Lösung. Ist X gleichmäßig konvex, so besitzt diese Aufgabe eine eindeutig bestimmte Lösung. Sei a := inf y C z y. Zu (a) Seien z, z Lösungen der Aufgabe. Dann gilt z x = z x = a. Wegen u := 1 2 (z+z ) C ist u x a. Mit der Dreiecksungleichung folgt u x a. Also gilt u x = a. Da X strikt konvex ist, folgt u = z = z. Zu (b) Da X reflexiv ist, existiert eine Lösung, da eine Minimalfolge eine schwach konvergente Teilfolge enthält, deren Grenzwert auf Grund von Folgerung 2.42 eine Lösung darstellt. Zu (c) Da X nach Satz 2.71 reflexiv ist, existiert eine Lösung; siehe (b). Die Eindeutigkeit folgt aus (a) mit Folgerung 2.69. 2.9 Anhang: Stützkegel Definition 2.73 Sei X ein normierter Raum, sei A X, und sei x A. Ein Kegel C X heißt Stützkegel von A in x, falls A (x + C) = {x} gilt. 42