7.1 Deterministische Parteienwahl mit einer Dimension:

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Transkript:

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-1 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) 7. Konkurrenz der Parteien indirekte (repräsentative) Demokratie: Bürger stimmen nicht direkt über einzelne Politikentscheidungen ab hier zu untersuchen: Wahl von Parteien durch Bürger unter der einfachen Mehrheitsregel zentrale Hypothese zum Verhalten politischer Parteien (Anthony Downs, 1957): parties formulate policies, in order to win elections, rather than win elections in order to formulate policies Ergebnisse und Probleme aus Kap. 6 (Medianwählertheorem, zyklische Mehrheiten) auch hier relevant 7.1 Deterministische Parteienwahl mit einer Dimension: Das Medianwählertheorem Annahme 1: Wähler bevorzugen Partei, deren Programm ( platform ) am nächsten an ihrer eigenen Position liegt Annahme 2: Bedingungen des Medianwählertheorems erfüllt (vgl. Abschnitt 6.2): (i) nur eine Dimension der Wahl; (ii) eingipfelige Präferenzen aller Wähler Ergebnis (Downs, 1957): im Gleichgewicht wählen beide Parteien das Programm, das der Medianwähler favorisiert

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-2 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Stimmenzahl Positionen Abbildung 7.1 (a): Wettbewerb im Zwei-Parteien-Modell Erläuterung des Gleichgewichts: 1. Startpunkt: wir nehmen an, zwei Parteien L und R vertreten unterschiedliche ideologische Positionen und wählen zunächst die Positionen (Programme) P L (links) und P R (rechts). 2. Position P X : Trennungslinie zwischen Wählern von L und R 3. wenn P L weiter von der Mitte entfernt ist als P R, dann würde Partei R die Wahl gewinnen.

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-3 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) 4. aber: Partei L kann Stimmen gewinnen, wenn sie sich auf P X zubewegt. Damit verschiebt sie gleichzeitig P X in Richtung auf die Position P M, die die Präferenzen des Medianwählers angibt. 5. Analog gewinnt Partei R an Stimmen, wenn sie sich auf P X zubewegt und verschiebt damit ebenfalls P X in Richtung auf Position P M. 6. = es gibt nur ein Wahlgleichgewicht, in dem beide Parteien die Position des Medianwählers einnehmen: P L = P R = P M Ausnahmen vom Medianwählerergebnis ein anderes Ergebnis stellt sich nur ein, wenn beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind: 1. die Verteilung der Wählerstimmen ist asymmetrisch [ Abbildung 7.1 (b)] oder bimodal [ Abbildung 7.1 (c)]; 2. ein Entfremdungseffekt ist wirksam, der zu Wahlenthaltung führt, wenn eine kritische Distanz zwischen der eigenen Position und der Position der nächstgelegenen Partei überschritten wird

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-4 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Stimmenzahl Positionen Abbildung 7.1 (b): Wettbewerb im Zwei-Parteien-Modell mit asymmetrischer Verteilung und Entfremdungseffekt Abbildung 7.1 (b): eine Partei wird nur von den Wählern innerhalb des schraffierten Bereichs gewählt Partei mit Programm in M überlegt Wechsel zum Programm X: dadurch verliert sie Wähler rechts von M, aber gewinnt (mehr) Wähler links von X = Verschiebung des Gleichgewichts hin zum Modus (dichtester Wert) der Verteilung

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-5 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Stimmenzahl Positionen Abbildung 7.1 (c): Wettbewerb im Zwei-Parteien-Modell mit bimodaler Verteilung und Entfremdungseffekt Abbildung 7.1(c): bei Existenz eines Entfremdungseffektes kann ein Gleichgewicht entstehen, in dem die beiden dichtesten Werte jeweils von einer Partei besetzt werden Ergebnis: Modell des Parteienwettbewerbs erklärt die abnehmende Bedeutung von ideologischen Positionen und die Annäherung der Programme der Volksparteien in Deutschland: Abkehr der SPD von sozialistischen Traditionen und Entwicklung zur Volkspartei im Godesber-

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-6 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) ger Programm (1959); erst danach wird sie zum ersten Mal stärkste Partei im Bundestag (1972) USA: Präsidentschaftswahl ist weitgehend Personenwahl, unabhängig von Parteizugehörigkeit der Kandidaten Personenwahl (statt Programmwahl) auch in Deutschland zunehmend wichtig; dies zeigt sich an dominierender Rolle der Spitzenkandidaten im Wahlkampf Erweiterung: Mehrparteiensysteme Existenz eines gleichgewichtigen Vektors von Parteipositionen ist in Modellen mit mehr als zwei Parteien sehr schwierig zu zeigen. Das zusätzliche Problem ist die Stabilität der Koalitionsbildung: die Partei, die von der Regierung ausgeschlossen wird, hat einen Anreiz, die Position zu wechseln, um dann koalitionsfähig zu sein. Eine Lösung ist, teilweise ideologische Parteien anzunehmen, die einen zusätzlichen Nutzen daraus haben, wenn sie ihre Wähler bedienen. Dann ergeben sich Gleichgewichte, in denen potenziell viele Parteien das politische Spektrum abdecken. Die Gleichgewichte sind in diesen Modellen typischerweise nicht eindeutig, weil es mehrere Koalitionen gibt, die eine Mehrheit erreichen können.

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-7 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) 7.2 Deterministische Parteienwahl mit mehreren Dimensionen: Zyklen in Abschnitt 7.1: Annahme von eingipfeligen Präferenzen und eines eindimensionalen Entscheidungsproblems jetzt: Erweiterung auf mehrdimensionales Entscheidungsproblem Beispiel: 3 Wähler, 3-dimensionales Programm 3 Politikentscheidungen, die jeweils einige Wähler begünstigen (positive Netto-Auszahlung) und von den anderen bezahlt werden müssen (negative Netto-Auszahlung) Beispiele: Kindergeld, Mindestlohn, Kopfpauschale in der Gesetzlichen Krankenversicherung Wähler A Wähler B Wähler C Thema I 4 2 1 Thema II 2 1 4 Thema III 1 4 2 es sei: J= Ja, N=nein 1. Ausgangspunkt: erste Partei hat zu Themen (I,II,III) das Programm (JJJ). 2. Wer siegt, wenn Partei (JJJ) gegen Partei (JJN) antritt?

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-8 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) 3. Wer siegt, wenn Partei (JJN) gegen Partei (JNN) antritt? 4. Wer siegt, wenn Partei (JNN) gegen Partei (NNN) antritt? 5. Wer siegt, wenn Partei (NNN) gegen Partei (JJJ) antritt? Fazit: Mehrdimensionalität führt zu zyklischem Abstimmungsverhalten, analog zur direkten Demokratie (Kap. 6.3) einziger Unterschied: Zyklus kann nur in aufeinanderfolgenden Wahlen auftauchen, wenn bei jeder Wahl nur zwei Parteien antreten grafische Darstellung der Instabilität bei deterministischem Wahlverhalten ( Abbildung 7.2) zwei-dimensionales Entscheidungsproblem mit Politikfeldern X und Y drei Wähler haben Idealpunkte A, B, C; Indifferenzkurven in Kreisen um diese Maxima Nutzen fällt in jeder Dimension monoton bei steigender Distanz zum Idealpunkt eingipfelige Präferenzen in jeder Dimension

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-9 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Mittelpunkt M (Medianposition im 2-dimensionalen Fall) wird von jedem Punkt in den drei Linsen besiegt, da immer 2 Individuen besser gestellt werden. Dies gilt sogar für Punkte außerhalb des Dreiecks ABC (Punkt N). Ausgehend von Punkt N können neue Kombinationen (X,Y) gefunden werden, die mindestens 2 Wähler besser stellen Zyklus! Y Abbildung 7.2: Zyklische Abstimmung bei 2-dimensionalen Politikentscheidungen X

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-10 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Methodisches Fazit: Im 2-dimensionalen Politikraum gibt es bei deterministischer Wahl kein eindeutiges Gleichgewichts. Dies gilt selbst dann, wenn die Präferenzen aller Wähler in jeder Dimension eingipfelig sind. = Wie in Modellen der direkten Demokratie kann das Medianwählertheorem nicht generell verallgemeinert werden, sondern ist auf Entscheidungen über eine Dimension beschränkt. Politikimplikationen des deterministischen Modells wenn Regierungspartei an ihr Programm gebunden ist, wird es immer eine Oppositionspartei geben, die sie in der nächsten Wahl besiegt = Modell sagt regelmäßige Abwahl der Regierung in solchen Situationen voraus empirische Evidenz für (z.b.) die USA zeigt aber, dass im langjährigen Durchschnitt 75% aller Gouverneurswahlen vom Amtsinhaber bzw. seiner Partei gewonnen werden = Frage, warum Regierungen häufig stabil sind, d.h. mehrere Wahlperioden im Amt bleiben

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-11 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) 7.3 Probabilistische Wahlmodelle ein instabiles Wahlgleichgewicht tritt im mehrdimensionalen Fall auf, weil in deterministischen Modellen kleine Änderungen in den Abständen zu einem komplettem Stimmenumschwung führen = Einführung von stochastischen Wahlmodellen, um höhere Stabilität des politischen Prozesses zu erklären allgemeine Zielfunktion von Kandidat 1 (mit Konkurrent 2): EV 1 = n π 1i (7.1) i=1 wobei π 1i die Wahrscheinlichkeit ist, dass Wähler i für Kandidat 1 stimmt (bei Gesamtzahl von n Wählern). Bei deterministischer Wahl sind die π 1i nicht kontinuierlich: π 1i = 1 wenn U 1i > U 2i, π 1i = 0.5 wenn U 1i = U 2i, π 1i = 0 wenn U 1i < U 2i, (7.2) wobei U 1i bzw. U 2i der Nutzen von Wähler i bei Wahl des Kandidaten 1 bzw. 2 ist. Jetzt: kontinuierliche Wahrscheinlichkeiten π 1i = π 1i (U 1i, U 2i ), π 2i = 1 π 1i π 1i U 1i > 0, π 1i U 2i < 0. (7.3)

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-12 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) D.h. ein höherer Nutzen von Wähler i unter dem Programm von Kandidat 1 (Kandidat 2) führt zu höherer (niedrigerer) Wahrscheinlichkeit, dass der Wähler für Kandidat 1 stimmt. Annahme einer konkaven Zunahme der Wahlwahrscheinlichkeit: 2 π 1i 2 π 1i < 0, > 0. (7.4) U1i 2 U2i 2 mit kontinuierlichen und konkaven Wahrscheinlichkeitsfunktionen [(7.3) und (7.4)] sind die Bedingungen für die Existenz eines eindeutigen Nash-Gleichgewichts erfüllt Ergebnis: beide Kandidaten bieten das gleiche Programm an, das dem Mittelpunkt M in Abb. 7.2 entspricht = in stochastischen Wahlmodellen ist das Medianwählertheorem auf den mehrdimensionalen Fall übertragbar Verbindung zu sozialen Wohlfahrtsfunktionen genauere Spezifikation der Wahlwahrscheinlichkeit π 1i = π 1i (U 1i, U 2i ): Fall 1: Nutzendifferenz π 1i = π 1i [U i (y 1i ) U i (y 2i )] wobei y 1i und y 2i die Netto-Einkommen von Individuum i beim Programm von Kandidat 1 bzw. 2 sind

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-13 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Der Kandidat kann ein gegebenes Gesamteinkommen Y auf die Wähler verteilen. Sein Maximierungsproblem ist: L = n π 1i [U i (y 1i ) U i (y 2i )] + λ Ȳ y 1i i=1 i Dies ergibt als Bedingung erster Ordnung: π 1i U i = λ = π 1j U j (7.5) Im politischen Optimum des Kandidaten 1 muss gelten, dass der erwartete marginale Stimmenzuwachs aus der Zuteilung von 1 Euro für zwei beliebige Wähler i und j der gleiche ist. Wenn im symmetrischen Gleichgewicht alle Wähler in ihrer Wahlentscheidung in gleicher Weise auf die mit den verschiedenen Wahlprogrammen verbundene Nutzendifferenz reagieren, gilt π 1i = π 1j. Dann vereinfacht sich die Optimalbedingung (7.5) zu U i = U j d.h. die Grenznutzen des Einkommens müssen bei allen Individuen gleich sein. Dies entspricht der Optimalbedingung bei der Maximierung einer additiven sozialen Wohlfahrtsfunktion ( Kap. 3.2) W = U 1 + U 2 +... + U i +... + U n mit konkaven individuellen Nutzenfunktionen U i (y i ).

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-14 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Fall 2: Nutzenquotient π 1i = π 1i (U 1i /U 2i ) Hier ist die Bedingung erster Ordnung, wenn nach dem Ableiten ein identisches Parteiprogramm beider Politiker eingesetzt wird (U 1i = U 2i = U i ) π 1i (U i/u i ) = λ = π 1j (U j/u j ). (7.6) Wenn die Wähler im symmetrischen Gleichgewicht wieder in gleicher Weise auf Nutzenquotienten reagieren, gilt im Optimum der Politiker U i/u i = U j/u j d.h. der relative Nutzenzuwachs ist bei allen Wählern gleich. = dies entspricht der Optimalbedingung bei Verwendung einer multiplikativen sozialen Wohlfahrtsfunktion W = U 1 U 2... U i... U n bzw. W = ln U 1 + ln U 2 +... + ln U i... + ln U n Ergebnis: mit probabilistischen Wahlmodellen ergeben sich eindeutige Gleichgewichte der Parteienkonkurrenz, die (unter der Annahme π 1i = π 1j ) analog sind zur Maximierung konventioneller sozialer Wohlfahrtsfunktionen = der unverzerrte politische Wettbewerb führt in diesem Modell zu stabilen Ergebnissen, die mit der von einem sozialen Planer (benevolenten Diktator) gewählten Allokation übereinstimmen

Grundzüge der Wirtschaftspolitik 7-15 Prof. Andreas Haufler (WS 2007/08) Abschließende Bemerkungen: Mehrheits- vs. Verhältniswahlrecht (vgl. Public Choice III, Kap. 13) Die Ergebnisse in diesem Kapitel gelten für ein reines Mehrheitswahlrecht, das in der Regel zu Zwei-Parteien Systemen führt (USA, UK). Das Verhältniswahlrecht (Kontinentaleuropa) führt in der Regel zu mehr als zwei Parteien und damit zum zusätzlichen Problem der Koalitionsbildung. Die empirische Evidenz zeigt, dass Zwei-Parteiensysteme stabiler im Sinne längerer durchschnittlicher Regierungszeiten sind (1100 Tage vs. 620 Tage). Dies kann mit den zusätzlichen Instabilitäten erklärt werden, die durch die Notwendigkeit einer Koalitionsbildung entstehen. Dagegen ist die Wahlbeteiligung in Staaten mit Verhältniswahlrecht höher. Die kann mit einem Entfremdungseffekt (Kap. 7.1) erklärt werden, der in einem 2-Parteien- System entsteht, wenn Wähler an den Rändern des politischen Spektrums bzw. mit speziellen Interessen sich von keiner Partei ausreichend repräsentiert fühlen. = keine klare Überlegenheit von Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht