Art. 8. Versammlungsfreiheit von besonderer Bedeutung für Demokratie:

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Transkript:

Art. 8 Versammlungsfreiheit von besonderer Bedeutung für Demokratie: Subj. Recht Schutzpflicht des Staates: versammlungsfreundliches Verhalten BverfGE 69, 315). Meinungsfreiheit mit kollektivem Element Art. 8 und Art. 5 können gleichzeitig eingreifen.

Art. 8 Versammlungsfreiheit Schutzbereich: Persönlich: Deutsche Inländische juristische Personen als Veranstalter Eu-Ausländer im Ergebnis Deutschen gleichgestellt (Art. 12 EGV). Sonstige Ausländer: Art. 2 Abs. 1

Art. 8 Schutzbereich Sachlich: Versammlung: Zahl: Mindestens 2, 3 oder 7 Personen? Verbreitet: 3 Personen. Mindestmaß an innerer Verbindung = gemeinsamer Zweck Bsp: Anti-AKW-Kundgebung; Gegenbsp: Ansammlung Schaulustiger bei Unfall Zusammenkunft zur gemeinschaftlichen auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BverfGE 104, 92). Bsp: Mahnwache, Parteitag, Rock gegen Rechts Gegenbsp: Loveparade, wiss. Kongress, Straßenfest

Art. 8 - Schutzbereich Veranstalter kann Gestaltung festlegen: Ablauf: Ort, Zeit, zeitliche Abfolge Ort: Eigene oder gemietete Flächen/ Räume, öffentliche Straßen und Plätze. Nicht: Anspruch auf fremde Flächen oder Räume; Autobahn, Flugfeld, Schienen, Privatgrundstück... Form: Ausdrucksmittel, etwa Reden, Lesung, Musik, Theater... An- und Abreise zur Versammlung

Art. 8 - Schutzbereich: Negative Abgrenzung Friedlich: Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie aggressive Ausschreitungen gg Personen und Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten, nicht schon bei Behinderungen Dritter. Unfriedlich: Mit hoher Wahrscheinlichkeit steht gewalttätiger Verlauf unmittelbar bevor. Nicht: Vermummung oder Schutzmittel. Nicht: Gewalt durch Einzelne oder Teilgruppen, da sonst wenige es in der Hand hätten die Versammlung zu sprengen. Staat muss friedliche Versammlung vor Gewalt schützen.

Art. 8 Schutzbereich: Negative Abgrenzung Waffen: Vermutung des unfriedlichen Verlaufs -> restriktive Interpretation: techn Waffe gem. 1 WaffG; str ob auch für subj. gef. Werkzeug Uniformen: Verfassungskonforme Auslegung 3 VersG: Uniform muss Gewaltbereitschaft signalisieren oder Druck auf Passanten/ Teilnehmer ausüben.

Art. 8 - Eingriffe Verbot / Auflösung ( 15 / 13 VersG) Auflage(n) ( 15 VersG) Anmelde- ( 14 VersG)/ Erlaubnispflicht Teilnahmebehinderung: Vorfeldmaßnahmen Anschlussmaßnahmen Überwachungsmaßnahmen Bsp: Auflage bzgl. Zeit, Ort, Ablauf; Verbot; Ausschluss von Demonstranten; Videokontrollen Nicht: Bloße Begleitung durch Beamte.

Art. 8: Schranken In geschlossenen Räumen: Seitliche Umschließung nicht relevant Dach -> Nur verfassungsimmanente Schranken (vgl. 1-3; 5 13 VersG) Unter freiem Himmel: Abs. 2 = Einfacher Gesetzesvorbehalt: 14 19a VersG; BannmeilenG

Sonderfall: Zuständigkeit Früher hatte der Bund die Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 -> VersG Länder nach Reform 2006 zuständig, aber VersG des Bundes gilt fort, soweit Länder keine eigene Regelung erlassen, Art. 125a GG

Verfassungskonforme Interpretation VersG VersG ist so auszulegen, dass die Vorgaben von Art. 8 GG gewahrt bleiben: Insb. Anmeldeerfordernis gemäß 14 VersG gilt nicht bei Spontan- oder Eildemonstration, wenn also ein aktueller Bezug besteht, der eine frühere Anmeldung nicht zugelassen hat.

Art. 8: Schranken-Schranken VHM: Verbot/ Auflösung nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter, wenn deren unmittelbare Gefährdung aus erkennbaren Umständen hergeleitet werden kann. Praktische Konkordanz: Grundsätzlich ist versammlungsfreundlich zu verfahren. Die Inhalte dürfen vom Staat nicht bewertet werden, d.h. Schutz ist auch extremistischen Demos zu gewähren, aber bspw Auflagen möglich keine Springerstiefel, Mindestabstände von Gegendemo, damit mehrere Demos möglich. Zitiergebot nur für Art. 8 Abs. 2 GG, vgl 20 VersG.

Art. 9: Vereins- und Koalitionsfreiheit Vereinigung: mind 3 Personen gemeinsamer Zweck auf längere Dauer Mindestmaß an Organisation (Vorstand) Koalition: Zweck = Förderung der Arbeitsbedingungen

Art. 9 Schutzbereich: Sachlich Bildung und Betätigung Ein-/ Austritt Persönlich: Art. 9 Abs. 1 Deutsche, inl jur Person; EU-Ausländer gleichgestellt sonstige Ausländer: Nur Art. 2 Abs. 1 GG. Art. 9 Abs. 3: Jedermann

Art. 9 Staatliche Eingriffe: Vereins- /Koalitionsverbot, Auflösung Beitrittsverbot Genehmigungserfordnisse für Bildung oder Beitritt Behinderung der Tätigkeit, auch: Werbung Zwangsmitgliedschaft (neg. Dimension)

Art. 9 Abs. 2 Schranke für Abs.1 (BVerfG: Schutzbereich): Qualifizierter Gesetzesvorbehalt gilt auch für Religions-/ Weltanschauungsgemeinschaft Zweck oder Tätigkeit gerichtet gegen: Strafgesetz (unabhängig von Vereinigung strafbare Verhaltensweisen) Verfassungsmäßige Ordnung (MenschenR; Demokratieprinzip) Völkerverständigung (Willentlich friedliches Zusammenleben von Völkern / unfriedliche Auseinandersetzung von Völkern schwerwiegend, nachhaltig beeinträchtigen) Verfassungsimmanente Schranken (auch für Abs.3)

Schranken-Schranken VHM Zitiergebot Art. 9 Abs. 3 Satz 3 GG: Privilegierung von Arbeitskampfmaßnahmen (nicht: polit. Streik)