LE 6a Seite 1/7. IV. Widerspruch gegen den Verwaltungsakt. Darum geht es

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Transkript:

Seite 1/7 Darum geht es Hinweis Was muss Karl Willig alles tun und beachten, wenn er Widerspruch einlegen will? In diesem Kapitel befassen wir uns mit dem Widerspruch gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Die Lerneinheit 6a gibt Ihnen zum einen eine grundsätzliche Einführung in die Widerspruchsprüfung. Was genau ist ein Widerspruch und welchen Weg nimmt er? Welche Bedeutung hat die Einteilung in Zulässigkeit und Begründetheit? Was ist ein Verwaltungsakt ( 31 SGB X)?. Welche Bedeutung hat die Rechtsbehelfs- belehrung? Ab welchem Alter kann man/frau einen Antrag stellen und Widerspruch einlegen? Was ist eine "Beschwer"? Lesen Sie bitte immer die angegebenen Paragrafen und parallel dazu das Prüfungsschema (Checkliste M 2c) für den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt mit. Sie können natürlich jederzeit die Paragrafen im Internet nachsehen - alle Gesetze sind dort hinterlegt. Für den Umgang mit Gesetzen oder zur Vorbereitung von Prüfungen ist die Arbeit mit dem Gesetzestext als Printwerk - nach wie vor empfehlenswert, auch um wichtige Stellen im Paragrafentext zu kennzeichnen und Hinweise - wie weiterführende Paragrafen - dort zu vermerken. In einer Prüfung mit einem unbekannten Gesetzbuch zu arbeiten, kann sehr irritierend sein. IV. Widerspruch gegen den Verwaltungsakt 1. Einführung in die Rechtsbehelfsprüfung gegen einen belastenden VA Rechtsbehelfs- prüfung Wenn BürgerInnen mit Verwaltungsmaßnahmen, die sie selbst betreffen, nicht einverstanden sind, können sie sich dagegen wehren und förmliche, sowie nichtförmliche Rechtsbehelfe einlegen (vgl. LE 3b). Förmliche Rechtsbehelfe sind Klage und Widerspruch. Alle (beschwerenden) Verwaltungsmaßnahmen können mit Klage angefochten werden. Handelt es sich aber bei der Maßnahme um einen Verwaltungsakt, dann muss in der Regel vor der Klagerhebung ein sogenanntes Vorverfahren durchgeführt werden (Je nach Gerichtszuständigkeit gem. 68 VwGO oder 84 SGG) und dieses Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs (vgl. 69 VwGO, bzw. 78 SGG). Es wird ein Widerspruchsverfahren durchgeführt.

Seite 2/7 1.1. Der Weg vom Widerspruch zur Klage Rechtsbehelfe: Widerspruch und Klage gegen einen belastenden VA BürgerIn will gegen belastenden VA vorgehen Vor Klageerhebung muss ein (1) Widerspruchsverfahren durchgeführt werden. (1.1) Widerspruch wird abgeholfen (1.3) Widerspruchsbescheid ergeht (1.2) Begünstigender VA wird erlassen (1.4) Klageerhebung gem. 42 VwGO bzw. gem. 54 SGG Beispiel (1) Widerspruchsv erfahren Erhebung des Widerspruchs Wie verläuft nun der Weg vom Widerspruch zur Klage? Ein Widerspruchsverfahren beginnt, wenn der/die AnspruchstellerIn auf öffentlich- rechtliche Leistungen eine Ablehnung von der Verwaltung erhält und sich dagegen wehren will, indem er/sie dieser Ablehnung im wörtlichen Sinne widerspricht, d.h. Widerspruch erhebt. Sehen wir uns den Weg am Beispiel des Herrn X an. Herr X hat einen belastenden Verwaltungsakt erhalten, mit dem Inhalt, dass er keine Sozialhilfeleistungen erhält, weil er nicht anspruchsberechtigt ist. Herr X legt gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, indem er an die Behörde schreibt, dass er diesen VA nicht akzeptiert, weil er eine andere Rechtsauffassung vertritt, und legt seine Gründe dar. Widerspruchs- prüfung durch die Ausgangs- behörde Die Ausgangsbehörde, in unserem Fall die Sozialbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, prüft selbst nach, ob der Widerspruch zulässig ist und ob der Widerspruch begründet ist, das heißt, ob sie selbst einen Fehler bei

Seite 3/7 ihrer Entscheidung gemacht hat. Abhilfe (1.1) begünstigender VA (1.2) Widerspruchs- prüfung durch Widerspruchsb ehörde Kommt die Sozialbehörde zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch zulässig ist und sie fehlerhaft gehandelt hat, hebt sie den belastenden Bescheid auf und es ergeht ein "begünstigender Verwaltungsakt". Dem Widerspruch wird abgeholfen. Herr X erhält einen begünstigenden Bescheid, in dem ihm der Anspruch auf Sozialhilfe gewährt wird. Hält die Behörde den Widerspruch für unzulässig, oder glaubt die Sozialbehörde keinen Fehler zu erkennen, wird der Widerspruch des Herrn X zur Prüfung an die nächsthöhere Behörde, die Widerspruchsbehörde, weitergegeben. Herr X erfährt hiervon nichts. Abhilfe (1.1) begünstigender VA (1.2) Widerspruchs- bescheid (1.3) Klagevoraus- setzung/klage- erhebung (1.4) Hält die Widerspruchsbehörde den Widerspruch für zulässig und den belastenden VA für falsch, wird dem Widerspruch abgeholfen und ein begünstigender VA erlassen. Herr X erhält dann einen begünstigenden Bescheid, in dem ihm der Anspruch auf Sozialhilfe gewährt wird. Kommt die Widerspruchsbehörde aber zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch unzulässig ist oder der ursprüngliche belastende Verwaltungsakt rechtens ist, wird der Widerspruch zurückgewiesen und es ergeht der sogenannter Widerspruchsbescheid. Gegen diesen Widerspruchsbescheid kann die "beschwerte" Person Klage vor dem Verwaltungsgericht gem. 42 VwGO oder bei Zuständigkeit des Sozialgerichts gem. 54 SGG erheben. Herr X würde also ein Schreiben von der Behörde erhalten mit dem Titel Widerspruchsbescheid. Dieser Widerspruchsbescheid berechtigt den Herrn X, Klage zu erheben. 1.2. Bedeutung der Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung beim Widerspruch Auf dem Prüfungsschema für den Widerspruch gegen einen VA (Checkliste M 2c) ist die Widerspruchsprüfung eingeteilt in (I.) Zulässigkeit und (II.) Begründetheit. Welche Bedeutung haben Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs? Grundsätzlich gilt, dass der Widerspruch nur dann erfolgreich sein kann, wenn er zulässig und begründet ist (vgl. auch LE 1). Zulässigkeits- prüfung allgemein Bei der Zulässigkeit wird geprüft, ob z.b. gegen die Maßnahme überhaupt Widerspruch erhoben werden kann. Zulässig ist ein Widerspruch dann, wenn es sich bei dem Bescheid um einen VA handelt, und dieser VA den/die AntragstellerIn beschwert. Der/die AntragstellerIn muss handlungsfähig sein

Seite 4/7 und den Widerspruch in der vorgeschriebenen Form und Frist einlegen. Es gibt noch weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen, aber die oben genannten sind diejenigen, die in der Regel zu prüfen sind. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, ist der Widerspruch zulässig. Wenn aber nur eine Zulässigkeitsvoraussetzung nicht erfüllt ist, prüft die Behörde nicht mehr, ob der Widerspruch inhaltlich richtig (begründet) ist, sondern weist den Widerspruch mangels Zulässigkeit ab. Der Bescheid wird unanfechtbar. Das heißt, es kann kein Widerspruch und keine Klage mehr erhoben werden. (Der/die AntragstellerIn kann dann nur noch in den Grenzen der 44 ff SGB X Widerruf und Rücknahme eines Verwaltungsaktes erreichen - vgl. LE 17). Begründetheits prüfung In der Begründetheitsprüfung ist zu ermitteln, ob die öffentliche Verwaltung bei Erlass des Verwaltungsaktes eine fehlerhafte Entscheidung getroffen hat. Relevante Prüfungspunkte bei der Erhebung des Widerspruchs können Sie aus der Checkliste (M 2c) ersehen. Die Punkte der Checkliste sind dabei nur Anhaltspunkte, was gegebenenfalls alles relevant sein könnte. Für die Begründung des Widerspruchs ist es wichtig, die Ablehnungsgründe der Behörde im Verwaltungsakt genau zu prüfen. Welche Argumente hat die Verwaltung bei der Ablehnung des Antrags angeführt? Jeder der angeführten Gründe ist daraufhin zu untersuchen, ob die Behörde so, wie sie gehandelt hat, auch handeln durfte. Der (Lebens- ) Sachverhalt und der Bescheid sind in Einzelteile zu zerlegen ("kleine Päckchen packen" - vgl. LE 1) und es ist genau zu prüfen, ob die Ablehnungsgründe mit dem Gesetz bzw. den Grundsätzen des Verwaltungshandelns auch tatsächlich überein stimmen. Beispiel Lehnt der Sozialhilfeträger den Anspruch des Herrn XY auf Eingliederungshilfe gem. 53, 54 SGB XII deshalb ab, weil er seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, ist zu prüfen, ob ein Gesetz tatsächlich eine Mitwirkungspflicht vorschreibt. Die Frage, ob Herr XY tatsächlich Anspruch auf Eingliederungshilfe hat, ist regelmäßig nur dann zu prüfen, wenn die Behörde ihre Ablehnung der Leistung damit begründet, dass der gesetzliche Anspruch auf Eingliederungshilfe nicht bestehen würde, weil Herr XY nicht behindert und damit nicht einzugliedern sei. Hat die Behörde eine falsche Entscheidung getroffen, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig und von der Verwaltung aufzuheben und ein begünstigender Bescheid zu erlassen. Oder anders ausgedrückt:

Seite 5/7 Begründet ist ein Widerspruch, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig erlassen wurde oder wenn er unzweckmäßig (ermessensfehlerhaft) war. Hat die Behörde mehrere Gründe der Ablehnung angeführt, sind immer alle Gründe auf ihre Rechtswidrigkeit hin zu prüfen. Ist der VA in einem Punkt rechtswidrig, ist aber die Ablehnung des Antrages aus anderen Gründen gerechtfertigt, so bleibt der belastende VA wirksam. 2. Zulässigkeit des Widerspruchs CHECKLISTE! Wir prüfen im folgenden detailliert die Zulässigkeit des Widerspruchs. Widerspruch kann regelmäßig nur gegen einen Verwaltungsakt (VA) erhoben werden. Also ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei der Maßnahme der Verwaltung um einen VA handelt. 2.1. Der Verwaltungsakt und die Bedeutung der Rechtsbehelfsbelehrung VA 31 SGB X Der Begriff des Verwaltungsaktes ist in 31 SGB X nachzulesen: Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.... Vorerst interessiert uns vor allem die, die ein VA entfaltet. Handelt es sich aber um einen VA, dann entfaltet eine Verwaltungsmaßnahme eine unmittelbare rechtliche Wirkung für Einzelpersonen. Beispiel Erhält beispielsweise Herr X ein Schreiben, dass er die beantragte Leistung nach dem SBG erhält oder nicht erhält, entfaltet das Schreiben eine unmittelbare rechtliche Wirkung für ihn als die betroffene Person. Herrn X wird das Recht auf öffentlich- rechtliche Leistungen gewährt oder verwehrt. Wenn diese rechtliche Wirkung ihn belastet ("beschwert"), dann hat er die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr durch Widerspruch- und Klageerhebung. Informiert das Amt hingegen den Herrn X lediglich schriftlich über die Öffnungszeiten der Behörde, dann ist damit keine rechtliche Wirkung verbunden und z.b. Widerspruch dagegen nicht möglich. Bevor ein bestimmten Rechtsbehelf eingelegt werden kann, ist deshalb immer zuerst die Rechtsnatur der Maßnahme der Behörde zu prüfen. Von dieser Prüfungspflicht gibt es allerdings eine Ausnahme.

Seite 6/7 Bedeutung der Rechtsbehelfsbelehrung beim VA Rechtsbehelfs- belehrung Die Prüfung, ob es sich bei der Verwaltungsmaßnahme um einen VA handelt, ist dann überflüssig, wenn die Verwaltung dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat. In der Rechtsbehelfsbelehrung steht geschrieben: "Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich...". Durch diese Belehrung erkennt die öffentliche Verwaltung ihre Maßnahme als Verwaltungsakt an und die Rechtsqualität braucht nicht mehr gesondert geprüft zu werden. Einen exemplarischen Text einer Rechtsbehelfsbelehrung finden Sie in den Materialien unter M 3 als Anlage zum Ablehnungsschreiben der Sozialhilfeverwaltung - Hamletstadt für Karl Willig. Ist dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, würde man/frau in einem Gutachten lediglich darauf hinweisen, dass es sich bei dem Schreiben der Verwaltung um einen Verwaltungsakt handelt, wie aus der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung zu ersehen ist. Ist dem Schreiben der öffentlichen Verwaltung jedoch keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, ist zu prüfen, welche Rechtsqualität dieser Bescheid hat. Mit der genauen Prüfung der Merkmale des Verwaltungsakts befassen wir uns erst in Teil 2 des "Spiels" unter der LE 6b noch genauer. 2.2. Handlungsfähigkeit der widerspruchführenden Person ( 36 SGB I) Handlungs- fähigkeit Wann eine natürliche Person handlungsfähig ist, also bestimmte Rechtshandlungen vornehmen kann, erläutert der 36 SGB I. In Abs. 1 heißt es unter anderem, dass, wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen kann. Beachten Sie hierbei bitte, dass hier Sozialleistungen nach allen Leistungsgesetzen des SGB, nicht nur Sozialhilfeleistungen gemeint sind. Für Anträge nach der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflegeversicherung ist die Handlungsfähigkeit gem. 36 SGB I zu beachten. Für Sozialhilfeleistungen gibt es keine Altersgrenze für die Antragstellung (wohl aber für die Widerspruchseinlegung - hier gilt dann 36 SGB I), da die Sozialbehörde bei Kenntnisnahme von der Notlage handeln muss ( 18 Abs. 1 SGB XII). Anträge verfolgen bedeutet, dass der/die 15jährige (ab dem 15. Geburtstag) selbst Widerspruch einlegen kann. Für die Klageerhebung bedarf es dann

Seite 7/7 allerdings des Einverständnisses des gesetzlichen Vertreters. 36 SGB I ist in einem Gutachten nur dann zu prüfen, wenn der/die AntragstellerIn noch nicht volljährig ist. 2.4. Beschwer der widerspruchführenden Person Beschwer Der/die Widerspruchsführerin muss durch das Verwaltungshandeln beschwert sein. Herr XY, der seine Eingliederungshilfe nach 39 BSHG nicht erhält, ist von der Verwaltungsmaßnahme beschwert bzw. belastet, weil er seinen Anspruch auf Leistung nicht verwirklichen kann (und deshalb kann er sich beschweren). Ohne Beschwer kein Rechtsbehelf. Hätte Herr XY einen uneingeschränkt begünstigenden VA erhalten, wäre er nicht von dem VA beschwert und demzufolge wäre ein Widerspruch auch unzulässig. Es gibt je nach Anspruch zwei Arten von Beschwer. Ist der Anspruch auf Leistung im Gesetz verpflichtend formuliert - also wenn es sich um eine sog. "Muss- Leistung" handelt. (z.b. wenn im Leistungsgesetz steht: "Jeder Mensch hat Anspruch auf..., oder: einem Behinderten ist Eingliederungshilfe zu gewähren), dann kann der/die WiderspruchsführerIn geltend machen, in seinem/ihrem subjektiv- öffentlichen Recht verletzt zu sein. Ist im Gesetz eine Soll- " oder "Kannleistung" formuliert (z.b.: Hilfesuchenden kann Beihilfe oder ein Darlehen gewährt werden, oder Hilfe soll gewährt werden), dann kann der/die WiderspruchführerIn geltend machen, in seinem/ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt zu sein. Diese Geltendmachung der Rechtsverletzung bedeutet noch nicht, dass auch tatsächlich das Recht der Betroffenen verletzt wurde, sondern nur, dass gegenwärtig durch den ablehnenden Bescheid eine Rechtsverletzung eben nicht auszuschließen ist. Form und Frist Die Prüfung wo, wie und innerhalb welcher Frist Widerspruch zu erheben ist, erfolgt in LE 7. In unserem Fall fehlt Karl Willig bisher noch der Nachweis darüber, wann ihm der Bescheid der Verwaltung zugegangen ist. Die Zulässigkeitsprüfung kann deshalb zunächst noch nicht abgeschlossen werden.