Fachliche Leitlinien für. Streetwork/Mobile Jugendarbeit

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Transkript:

Fachliche Leitlinien für Streetwork/Mobile Jugendarbeit Einführung In den letzten Jahren lässt sich eine immer größere Ausdifferenzierung des Arbeitsgebietes beobachten. Auch Angebote der Offenen Jugendarbeit, mobile Spielplatzprojekte oder flexible Hilfsangebote der Jugendhilfe werden unter dem Fachbegriff Streetwork/Mobile Jugendarbeit angeboten. Dabei ist festzustellen, dass einhergehend mit der Ausdifferenzierung ein schleichender Prozess der Entprofessionalisierung stattfindet. Gerade neue Projekte starten unter immer schlechteren Rahmenbedingungen. Arbeitsplatzbeschreibungen, eine genaue Bestimmung der Zielgruppen oder eine vor Projektbeginn durchgeführte Sozialraumanalyse fallen oft dem Wunsch nach schnellen Lösungen zum Opfer. Neue Projekte werden lediglich mit Honorarkräften, Studenten oder bestenfalls mit befristeten Stellen ausgestattet. Gleichzeitig ergeben sich für die Mitarbeiter dann oft Aufgabenstellungen, die konträr zum fachlichen Ansatz Streetwork/Mobile Jugendarbeit stehen. So kommt es z.b. zu ordnungspolitischer Instrumentalisierung, wobei die gesetzlichen Grundlagen der Jugendund Jugendsozialarbeit unberücksichtigt bleiben. Streetwork/Mobile Jugendarbeit sollte als eigenständiges Arbeitsfeld dargestellt und methodisch und didaktisch weiter entwickelt werden. Diese fachpolitischen Leitlinien sollten für die Planung und Entwicklung neuer Projekte oder bei der Qualitätsdiskussion vor Ort als Grundlage dienen. Die über 20 jährige Erfahrung im Arbeitsfeld Streetwork/Mobile Jugendarbeit zeigt, dass dieser Arbeitsansatz sowohl brennpunktbezogen als auch sozialräumlich erfolgreich ist, wenn er fachlich qualifiziert eingesetzt wird. 1

Situationen und Handlungsfelder Streetwork/Mobile Jugendarbeit ist dann richtig, wenn junge Menschen auf der Suche nach geeigneten Aufenthaltsmöglichkeiten sind junge Menschen sich Treffpunkte im öffentlichen Raum ausgesucht haben, die Konflikte hervorrufen junge Menschen ihren Lebensmittelpunkt aus Mangel an Alternativen auf der Straße haben junge Menschen von Jugendhilfe und Schule nicht mehr erreicht werden oder sich diesen Angeboten verweigern junge Menschen einrichtungsbezogene Angebote nicht (mehr) nutzen junge Menschen als sozial benachteiligt, stigmatisiert oder kriminalisiert gelten jungen Menschen altersgerechte Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten fehlen junge Menschen bei der Schaffung positiver Lebensbedingungen unterstützt werden sollen Im Rahmen des speziellen Arbeitsansatzes von Streetwork/Mobile Jugendarbeit lassen sich durch Begleitung und Unterstützung gemeinsam mit den jungen Menschen realistische Lebensperspektiven entwickeln. Streetwork/Mobile Jugendarbeit orientiert sich an folgenden Grundprinzipien: Anwaltschaft für die Interessen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gewährleistung von Anonymität und Vertraulichkeit Anerkennung der Freiwilligkeit des Kontaktes Kontinuität in der Beziehung Transparenz des Arbeitsauftrages gegenüber den KlientInnen Streetwork/Mobile Jugendarbeit fördert ein gesellschaftliches Klima des gegenseitigen Verständnisses zwischen Klientel und dem jeweiligen sozialen Umfeld und bietet sich in Konfliktfällen als Vermittlungsinstanz an. 2

Im Spektrum von Freizeitgestaltung bis zu Hilfen zur Existenzsicherung hat Streetwork/Mobile Jugendarbeit eine breite Palette von Anforderungen zu bewältigen. Gerade bei Jugendlichen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, muss zwischen dem cliquentypischen Abhängen im öffentlichen Raum und dem Überleben auf der Straße im Zusammenhang mit verdeckter und offener Wohnungslosigkeit unterschieden werden. Abhängig von der Problematik setzt Streetwork/Mobile Jugendarbeit auf die Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen an ihren selbst gewählten Freizeittreffpunkten oder auf existenzsichernde Maßnahmen und umfassende Einzelhilfe. Streetwork/Mobile Jugendarbeit arbeitet in einem umfangreichen interdisziplinären Netzwerk. Oberstes Ziel ist die Verbesserung der Lebensbedingungen der KlientInnen mit Hilfe von regelmäßigem Austausch über deren aktuellen Bedarf. Gleichzeitig müssen ihre Interessen gegenüber anderen Gruppen und Institutionen vertreten und sichtbar gemacht werden. Dadurch bietet sich für Streetwork/Mobile Jugendarbeit die Möglichkeit, an der Weiterentwicklung des örtlichen Hilfesystems mitzuwirken. Dabei sieht sich Streetwork/Mobile Jugendarbeit einer sozialräumlichen Perspektive verpflichtet. Sie agiert bewusst und gezielt im sozialen Nahraum der Betroffenen und kooperiert mit den Institutionen, die für die Adressaten von Bedeutung sind. Ziele und Methoden Streetwork/Mobile Jugendarbeit versteht sich als aktivierende und ressourcenorientierte Sozialarbeit. Sie befähigt junge Menschen dazu, dass sie auch und gerade dann, wenn sie als Einzelne oder als Gruppe mit ihrer Umwelt in Konflikt geraten, ihre persönlichen oder kollektiven Lebenssituationen selbst bewältigen können. Ziel ist die Erschließung von öffentlichen Räumen (Institutionen, öffentliche Plätze) und die Erweiterung von Sozialkompetenzen, wie z.b. Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Beziehungsaufbau und pflege, Entwicklung und Realisierung individueller Lebensperspektiven. Streetwork/Mobile Jugendarbeit arbeitet mit den Methoden der Sozialarbeit, die auch aus anderen Feldern der Jugendhilfe bekannt sind: Gemeinwesenarbeit, Gruppenarbeit, Einzelhilfe. 3

Besonderes Merkmal dieses Arbeitsansatzes ist es allerdings, dass Fachkräfte die Jugendlichen und jungen Erwachsenen an ihren Treffpunkten oder anderen Lebensorten aufsuchen und sie in ihrem Alltag begleiten. Die Kontaktaufnahme ist hierbei nicht an Bedingungen geknüpft. Streetwork/Mobile Jugendarbeit orientiert sich nicht in erster Linie an Einrichtungen, Gebäuden oder Programmen, sondern an den wechselnden, in der Regel problembelasteten Lebenswelten ihrer Adressaten. Eine große methodische Vielfalt und Flexibilität sind deshalb Voraussetzungen für diese Arbeit. Strukturen und Rahmenbedingungen Der Arbeitsauftrag Streetwork/Mobile Jugendarbeit beinhaltet die konkrete Beschreibung des Arbeitsfeldes, basierend auf gesetzlichen Grundlagen und einer aktuellen Sozialraumanalyse, die erst eine bedarfsgerechte Planung ermöglichen. In der Praxis hat es sich bewährt, einen klaren Arbeitsauftrag mit allen Beteiligten (z.b. Trägern, Vertretern der Jugendpolitik und Bürgern) abzustimmen. Hilfreich ist hierbei die Entwicklung eines eigenen Profils in Ergänzung zu anderen Angeboten. Dieser fachliche Auftrag erfordert pädagogisch ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte. Die Qualitätssicherung wird gewährleistet durch: Fachlichen Austausch (regionale Arbeitskreise) Reflexionsmöglichkeiten im Team, Institutionsübergreifende Kollegiale Beratung oder Supervision Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen Allgemein gilt, dass Streetwork/Mobile Jugendarbeit als Aufgabengebiet der Jugendhilfe selbstverständlich mit einem angemessenen Sachmitteletat ausgestattet sein muss. Hinzu kommen geeignete Kommunikationsmöglichkeiten via Internet und Mobiltelefon genauso wie Räumlichkeiten, die als Büro und/oder Beratungsraum zu nutzen sind. Der Vorstand der LAG Düsseldorf, 30.09.05 4

Herausgeber: Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.v. Graf-Recke-Str. 209 40237 Düsseldorf Tel.: 0211/3610-293 Fax: 0211/3610-280 em@il: wuesthof@streetmob-nrw.de www.streetmob-nrw.de 5