Die Praxis der Verteidigerbestellung durch den Richter von der Rechtswirklichkeit der Beiordnung nach 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO

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Transkript:

30. Herbstkolloquium am 8. November 2013 Die Praxis der Verteidigerbestellung durch den Richter von der Rechtswirklichkeit der Beiordnung nach 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO Forschungsstelle Recht und Praxis der Strafverteidigung (RuPS) der Goethe- Universität Frankfurt am Main, Richter am OLG Nürnberg, unter Mitarbeit von Assessor Sebastian Lander, Assessor Fabian Meinecke, M.A., und Martine Lapière 1

Materialien Folien mit den wesentlichen Ergebnissen auch o per E-Mail an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie, die auf S. 23 des Fragebogens ihre Adresse eingetragen haben o als pdf-download über die Homepage der Forschungsstelle http://www.jura.uni-frankfurt.de/rups Ausführlichere Aufsatzfassung im StraFo 2014 (Frühjahr) Vollständige Monografie ebenfalls in 2014 (Sommer) 2

Überblick über das Programm der kommenden Stunde A. Ausgangslage Wissenschaftliche Aufgabenstellung Bisheriger Forschungsstand B. Methodische Vorüberlegungen Erhebungsmethode Experimental- und Kontrollgruppe Dateninventar 3

Überblick C. Rechtstatsachenforschung zur Praxis der Pflichtverteidigerbestellung in der Bundesrepublik Deutschland I. Die Rechtslage in den 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 Satz 4 seit dem 1.1.2010 II. Der Stellenwert der Pflichtverteidigungsnovelle für ein rechtsstaatliches Strafverfahrensrecht Notwendigkeit frühzeitiger Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren Fortschritte gegenüber dem ursprünglichen Rechtszustand Gesetzgebungsgeschichte 4

Überblick C. Rechtstatsachenforschung zur Praxis der Pflichtverteidigerbestellung III. Die Problemfelder der Neuregelung in der Praxis des Strafverfahrens 1. Die Regelung in 141 Abs. 3 Satz 4 zum Zeitpunkt der Beiordnung 2. Der Begriff der Unverzüglichkeit ein Danaergeschenk für den Beschuldigten? 3. Die Notwendigkeit einer transparenteren Beiordnungspraxis 4. Die Praxis der Anwendung des 143 D. Rechtspolitische Forderungen 5

A. Ausgangslage Wissenschaftliche Aufgabenstellung Bisheriger Forschungsstand 6

B. Methodik Erhebungsmethode Experimental- und Kontrollgruppe Dateninventar 7

Grundgesamtheit und Stichprobe Experimentalgruppe ~ 3.300 Fragebögen ( Vollerhebung AG Strafrecht im DAV; am 1.1.2013 2.931 FA Strafrecht insgesamt in den 27 regionalen RAK) Umfangreichste Erhebung bei Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 941 Rückläufe ( weit überobligatorische Stichprobe von 29% der Grundgesamtheit) Kontrollgruppe 60 Fragebögen ( z.zt. 94 Ermittlungsrichter allerdings einschließlich 34 JGG i.v.m. 126, 162 StPO in Hessen insgesamt) 30 Rückläufe ( repräsentative Stichprobe ab n=30) 8

Dateninventar 9

Dauer der Tätigkeit (Experimental- und Kontrollgruppe) 10

Anteil Fachanwälte für Strafrecht Professionalisierungsgrad 11

Tätigkeit in Großstadt (Kanzleisitz; Sitz des AG) 12

Tätigkeit in Großstadt nach Bundesländern 13

Organisationsgrad: Registriert auf Homepage der AG Strafrecht im DAV ( 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) 14

Anzahl der Beiordnungen nach 140 (alle Fälle) im Jahr 2012 und Dauer der Tätigkeit 15

Anzahl der Beiordnungen nach 140 Abs. 1 Nr. 4 im Jahr 2012 und Professionalisierungsgrad (Fachanwalt für Strafrecht) 16

Registriert auf Homepage der AG Strafrecht im DAV und Anzahl der Beiordnungen nach 140 Abs. 1 Nr. 4 im Jahr 2012 17

Überblick C. Rechtstatsachenforschung zur Praxis der Pflichtverteidigerbestellung in der Bundesrepublik Deutschland I. Die Rechtslage in den 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 Satz 4 seit dem 1.1.2010 140 (1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn Nr. 4 (weggefallen) gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft nach den 112, 112a oder einstweilige Unterbringung nach 126a oder 275a Abs. 5 vollstreckt wird; 117 (4) (weggefallen) Hat der Beschuldigte noch keinen Verteidiger, so wird ihm ein Verteidiger für die Dauer der Untersuchungshaft bestellt, wenn deren Vollzug mindestens drei Monate gedauert hat und die Staatsanwaltschaft oder der Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter es beantragt 18

Überblick C. Rechtstatsachenforschung zur Praxis der Pflichtverteidigerbestellung in der Bundesrepublik Deutschland II. Der Stellenwert der Pflichtverteidigungsnovelle für ein rechtsstaatliches Strafverfahrensrecht Notwendigkeit frühzeitiger Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren Fortschritte gegenüber dem ursprünglichen Rechtszustand Gesetzgebungsgeschichte 19

III. Die Problemfelder der Neuregelung in der Praxis des Strafverfahrens Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Studie 20

Vorverlagerung des Bestellzeitpunktes Im Fall des 140 Abs. 1 Nr. 4 bei Untersuchungshaft oder einstweiliger Unterbringung wird der Verteidiger seit 1.1.2010 nach Beginn der Vollstreckung bestellt. Eine klare Mehrheit von 80% der Verteidiger hält eine Vorverlagerung des Bestellungszeitpunkts vom Zeitpunkt des Vollstreckungsbeginns auf den Zeitpunkt der Vorführung des Beschuldigten für geboten (51,2% halten dies für zwingend, weitere 28,8% für wünschenswert ). Demgegenüber sind 69,0% der Ermittlungsrichter gegen eine derartige Vorverlagerung ( nicht wünschenswert ). Unter denjenigen, die eine Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der Vorführung für nicht wünschenswert halten, verweisen 91,7% auf die mögliche Bindungswirkung einer übereilten Wahl und 75,1% auf die die damit verbundene mögliche Verkürzung der Überlegungsfrist für den Beschuldigten. 21

Vorverlagerung des Beiordnungszeitpunkts auf den Zeitpunkt der Vorführung Diskrepanz zwischen den Berufsgruppen 22

Vorverlagerung des Beiordnungszeitpunkts auf den Zeitpunkt der Vorführung Gründe für die Ablehnung (beide Berufsgruppen) 23

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht Die Bestellung nach Beginn der Vollstreckung muss nach der Formulierung in 141 Abs. 3 Satz 4 unverzüglich erfolgen. Gleichzeitig ordnet 142 Abs. 1 Satz 1 an, dass vor der Bestellung eines Verteidigers dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden (soll), innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Zwar wird aus Sicht von 44,9% der Verteidiger das Anhörungs- und Bezeichnungsrecht des Beschuldigten gem. 142 Abs. 1 in der Praxis auch im Falle einer Bestellung nach 141 Abs. 3 Satz 4 regelmäßig gewahrt. Bedenklich und alarmierend ist aber, dass umgekehrt 46,3% der Verteidiger antworten, dieses Recht werde nur selten oder gelegentlich gewährt. 95,8% aller Praktiker halten das Anhörungs- und Bezeichnungsrecht zugleich für sinnvoll. Als Grund hierfür wird vor allem die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Auswahl des (Vertrauens-)Anwalts genannt (78,8%). Speziell die Ermittlungsrichter weisen außerdem vielfach (26,9%) auf die Vermeidung der Notwendigkeit eines späteren Verteidigerwechsels hin (Strafverteidiger: 5,3%). 24

Wahrung des Anhörungs- und Bezeichnungsrechts (beide Berufsgruppen) 25

Wahrung des Anhörungs- und Bezeichnungsrechts nach Berufsgruppen 26

Inhaltliche Befürwortung des Anhörungs- und Bezeichnungsrechts nach Berufsgruppen 27

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Nutzung des Internets 80% der Befragten geben an, die Nutzung des Internets werde dem Beschuldigten zu Zwecken der Verteidigersuche nie ermöglicht. 15,7% wählten die Antwort selten. Nur 0,8% entfallen zusammen auf regelmäßig und immer. Speziell auf die Strafverteidigersuche auf der Homepage der AG Strafrecht im DAV greift der Beschuldigte nie (64,7%) oder selten (26,6%) zurück. 28

Wahrung des Anhörungs- und Bezeichnungsrechts: Nutzung des Internets und der Homepage der AG Strafrecht durch Beschuldigte 29

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Herstellung unmittelbaren Kontakts 48,1% der Ermittlungsrichter, aber nur 11% der Verteidiger geben an, die Herstellung unmittelbaren Kontakts mit dem ins Auge gefassten Verteidiger werde dem Beschuldigten immer ermöglicht. Als Begründung, mit der die Herstellung unmittelbaren Kontakts im Einzelfall versagt wird, nennen die Antwortenden neben dem Aspekt der Missbrauchsgefahr (48,9%) u.a. die Nichterreichbarkeit des Verteidigers (11,5%) sowie (sonstige) organisatorische oder zeitliche Gründe (20,5%). 30

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Ermöglichung der Herstellung unmittelbaren Kontakts 31

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Ermöglichung der Herstellung unmittelbaren Kontakts disparates Bild nach Berufsgruppen 32

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Versagung unmittelbaren Kontakts Begründungen (beide Berufsgruppen) 33

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Versagung unmittelbaren Kontakts nach Berufsgruppen 34

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Verteidigerbestellung per sofort nach Beginn der Vollstreckung 44,1% der Praktiker geben an, regelmäßig erfolge die Verteidigerbestellung sofort nach Beginn der Vollstreckung, obgleich das Gesetz (nur) von der Notwendigkeit unverzüglicher Bestellung spricht. Der Großteil (91,3%) der Ermittlungsrichter hält ungeachtet der Formulierung des Gesetzes eine sofortige Bestellung für sachgerecht; Gleiches gilt für 60,8% der Verteidiger. 35

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Sofortige Bestellung (beide Berufsgruppen) 36

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht nach Berufsgruppen 37

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht Binnendifferenzierung nach Fachanwaltstitel und Beiordnungserfahrung 38

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht de lege ferenda: Sofortige Bestellung sachgerecht? 39

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht de lege ferenda: Sofortige Bestellung sachgerecht? bei Binnendifferenzierung nach Haftbeiordnungserfahrung und Fachanwaltstitel 40

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Verteidigerbestellung nach Bezeichnungsfristen Soweit keine sofortige Bestellung praktiziert wird, wird dem Beschuldigten nach Angaben von 54,9% der Praktiker im Regelfall eine Bezeichnungsfrist von einer Woche gesetzt. Dahinter folgen die Antworten zwischen 1 und 2 Wochen (17,7%) und 1 bis 3 Tage (11,9%). Über die Auslegung des gesetzlichen Unverzüglichkeitsgebotes besteht Uneinigkeit. So halten 20,0% eine Frist von zwei Wochen ausnahmslos noch für unverzüglich, anderseits sind 19,1% der Meinung, eine Frist von einer Woche sei ausnahmslos nicht mehr unverzüglich. Ein Drittel (33,3%) der Teilnehmenden vertritt die Auffassung, es komme insoweit stets auf den Einzelfall an. 70,4% der Ermittlungsrichter und 53,3% der Strafverteidiger sprechen sich generell für eine flexible Frist aus. 41

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Bezeichnungsfrist im Regelfall (beide Berufsgruppen) 42

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Bezeichnungsfrist im Regelfall 1 oder 2 Wochen noch unverzüglich? 43

Anhörungs- und Bezeichnungsrecht: Einstellungen der beiden Berufsgruppen zu einer flexible(re)n Frist 44

Rechtsfolgen bei Benennung eines Verteidigers durch Beschuldigten Nach 142 Abs. 1 Satz 2 bestellt der Ermittlungsrichter ( 141 Abs. 4 Hs. 2) den vom Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneten Verteidiger, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Zwar berichten 42,8% der Strafverteidiger, es werde vom Gericht ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des 142 Abs. 1 Satz 2 nie ein anderer Verteidiger beigeordnet. Gleichzeitig entfallen angesichts der kein Bestellungsermessen eröffnenden Formulierung des Gesetzes bedenkliche 36,9% auf die Alternative selten und 15,6% auf gelegentlich. Auch 20,7% der Ermittlungsrichter geben an, dass trotz Fehlens eines wichtigen Grundes gleichwohl selten ein anderer als der bezeichnete Verteidiger bestellt werde. Als Zielrichtungen für eine solche vom Wunsch des Beschuldigten abweichende Beiordnung werden z.b. genannt: Auswahl eines aus Sicht des Gerichts geeigneteren Verteidigers (Verteidiger: 56,9%; Richter: 25,0%), Ortsferne des Kanzleisitzes (V: 45,8%; R: 25,0%) oder der Schutz des Beschuldigten vor als unsachgemäß und/oder prozessordnungswidrig empfundener Verteidigung (V: 15,0%; R: 25,0%). 45

Beiordnung eines anderen Verteidigers (beide Berufsgruppen) 46

Beiordnung eines anderen Verteidigers Wahrnehmung der Abweichung von der geltenden Rechtslage nach Berufsgruppen 47

Zielrichtungen bei trotz 142 Abs. 1 Satz 2 abweichender Beiordnung 48

Verteidigerlisten I Die Erfahrungen mit der Nutzung von Verteidigerlisten sind disparat. 23,4% der Praktiker geben an, es werde regelmäßig auf Listen zurückgegriffen, nach den Erfahrungen fast ebenso vieler (22,8%) geschieht dies nie. Nach der Angabe von mehr als der Hälfte der Richter (55,6%) aber weniger als einem Drittel der Verteidiger (32,2%) werden regelmäßig Listen gebraucht, die dem Einblick Dritter zugänglich und nicht nur Gerichtsinterna sind. Mit 72,2% berichtet der ganz überwiegende Teil der Teilnehmenden von einer alphabetischen Strukturierung der Listen. Eine Sortierung nach der formalen Qualifikation der Anwälte (Fachanwaltstitel) erfolgt offenbar selten (5,2%). Bei der Frage nach sachlichen Auswahlkriterien für die Aufnahme in die Listen werden am häufigsten die Antworten Fachanwalt für Strafrecht (83,2%), Interessengebiete/Tätigkeitsschwerpunkte (17,6%), Geographischer Bereich, in dem der Anwalt bereit ist, als Verteidiger beigeordnet zu werden (14,6%) und zeitliche Erreichbarkeit (13,6%) genannt. 49

Verteidigerlisten Verbreitung des Rückgriffs auf Listen 50

Verteidigerlisten Verbreitung gerichtsinterner Listen 51

Verteidigerlisten Strukturierung 52

Verteidigerlisten: Durchschnittliche Anzahl an aufgeführten Rechtsanwälten (absolut und Differenzierung Großstadt [> 100.000]/Nicht-Großstadt) 53

Verteidigerlisten: Auswahlkriterien (beide Berufsgruppen) 54

Verteidigerlisten II Laut 57,1% der Antwortenden sind die örtlichen Anwaltvereine einschließlich der AG Strafrecht im DAV als Ersteller von Verteidigerlisten in Erscheinung getreten. 48,3% nennen hier die örtliche Rechtsanwaltskammer, 38,0% die Strafverteidigervereinigungen, 26,7% die Ermittlungsrichter und 3,7% die Staatsanwaltschaften. Fast drei Viertel (73,2%) der Teilnehmer geben an, etwa vorhandene Listen würden im Bedarfsfall nie oder selten an den Beschuldigten ausgehändigt. Nur 13,0% geben an, dies geschehe regelmäßig oder immer. 55

Verteidigerlisten: Ersteller von Listen 56

Verteidigerlisten: Aushändigung von Listen 57

Rechtsfolgen bei Nichtbenennung eines Verteidigers durch Beschuldigten Kriterien, nach denen die Auswahl eines vom Gericht selbst bestimmten Verteidigers erfolgt, werden für den Fall, dass Verteidigerlisten verwendet werden, uneinheitlich genannt. Dazu gehört u.a., dass der Anwalt aus vorherigem/-n Verfahren bekannt ist (66,6%), die Zugehörigkeit des Anwalts zum persönlichen Bekanntenkreis des Ermittlungsrichters (52,6%; dabei allerdings Richter 8,3% und Verteidiger 54,0%) und fachliche Kriterien (26,8%; dabei allerdings Richter 95,8% und Verteidiger 24,5%). 13,4% der Antwortenden meint, die Beiordnung erfolge schlicht durch Abarbeitung der Verteidigerliste von A bis Z, 9,1% glauben oder wissen, dass nach dem Zufallsprinzip beigeordnet wird. 58

Verteidigerlisten: Kriterien für die Auswahl bestimmter Verteidiger (beide Berufsgruppen) 59

Kriterien für die Auswahl nach Berufsgruppen; Auseinanderfallen von Selbst- und Fremdwahrnehmung (oder: Ein Verteidiger der bellt wird selten bestellt! ) 60

Bestellungen nach schematischen Verfahren 40,2% der Verteidiger meinen, dass unabhängig von der gegenwärtigen Rechtslage die Bestellung durch das Gericht bei fehlender Bezeichnung eines Verteidigers durch den Beschuldigten nach einem rein schematischen Verfahren (z.b. Abarbeitung von A bis Z oder nach dem Zufallsprinzip) anstatt nach fachlichen Kriterien erfolgen solle. 59,8% der Verteidiger sind gegen ein solches Vorgehen; die teilnehmenden Ermittlungsrichter sprechen sich sämtlich gegen ein schematisches Verfahren bei der Verteidigerbestellung aus. Ebenfalls alle teilnehmenden Ermittlungsrichter sprechen sich gegen die Übertragung der Auswahl eines Verteidigers bei ausgebliebener Bezeichnung durch den Beschuldigten auf die örtlichen Rechtsanwaltskammern de lege ferenda aus. Auch 60,5% der Verteidiger stimmen diesem Vorschlag nicht zu. 61

Schematische Auswahl ( A bis Z /Zufall)? nach Berufsgruppen 62

Schematische Auswahl ( A bis Z /Zufall)? Binnendifferenzierung innerhalb der Verteidigerschaft nach Fachanwaltstitel und Beiordnungserfahrung gem. 140 (alle Fälle) 63

Übertragung der Auswahl auf die Rechtsanwaltskammern de lege ferenda? nach Berufsgruppen einerseits und innerhalb der Verteidigerschaft nach Region andererseits 64

Beiordnungspraxis: Unterschiede zwischen Ermittlungsrichter und Strafkammer? Die große Mehrheit der Befragten (70,4% insgesamt, davon 100% der Ermittlungsrichter) vermag keine Unterschiede in der Beiordnungspraxis durch Ermittlungsrichter einerseits und Strafkammern (etwa bei Sicherverwahrungssachverhalten) andererseits festzustellen. 65

Unterschiede in der Anordnungspraxis zwischen Ermittlungsrichtern und Strafkammern? nach Berufsgruppen 66

Praxis der Anwendung des 143 Nach 143 ist die Bestellung des beigeordneten Verteidigers zurückzunehmen, wenn demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und die Wahl annimmt. Die Norm wird allgemein so interpretiert, dass unter gewissen Voraussetzungen die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung auch jenseits dieses gesetzlich geregelten Spezialfalles möglich ist. Erfahrungen zum Verteidigerwechsel in Verlegenheitswahlfällen Nach der Erfahrung von 64,2% der Befragten ermöglicht das Gericht nach einer Verlegenheitswahl in der Haftsituation des 140 Abs. 1 Nr. 4 im Regelfall später einen vereinfachten Verteidigerwechsel; der gegenteiligen Ansicht sind aber immerhin 36,8% der Strafverteidiger (10,3% der Ermittlungsrichter). Es bestehen große regionale Unterschiede bei der Handhabung eines Wechsels bei Verlegenheitswahl : besonders häufig wird eine Bereitschaft der Gerichte hierzu z.b. aus Hamburg (92,3%) und Schleswig-Holstein (91,3%) angegeben, deutlich seltener in Bayern (50,0%) und Rheinland-Pfalz (43,3%). 67

Ermöglichung des Verteidigerwechsels nach Verlegenheitswahl nach Berufsgruppen 68

Ermöglichung des Verteidigerwechsels nach Verlegenheitswahl nach Bundesländern 69

Ermöglichung des Verteidigerwechsels nach Verlegenheitswahl nach Haftbeiordnungserfahrung 70

Erfahrungen zum Verteidigerwechsel in Verlegenheitswahlfällen Die häufigsten Gründe für die Versagung eines Verteidigerwechsels seitens des Gerichts bei Verlegenheitswahl sind Mehrkosten (nach Angabe von 78,2% der Strafverteidiger und 86,7% der Ermittlungsrichter), das Vermeiden einer Verfahrensverzögerung (37,4% Strafverteidiger; 40,0% Ermittlungsrichter) sowie der allgemeine Verwirkungsgedanke, nach dem der Beschuldigte genug Bedenkzeit gehabt habe (43,3% Strafverteidiger; 53,3% Ermittlungsrichter). Finanzielle Interessen werden sowohl von Strafverteidigern als auch von Ermittlungsrichtern am häufigsten als Verweigerungsgrund des alten Verteidigers wahrgenommen (81,9% bei den Strafverteidigern; 81,8% bei den Ermittlungsrichtern). 71

Gründe für die Versagung des Verteidigerwechsels nach Verlegenheitswahl nach Berufsgruppen 72

Zustimmungsbereitschaft des alten Verteidigers zum Wechsel nach Verlegenheitswahl nach Berufsgruppen 73

Angemessene rechtliche Reaktion auf das Vorenthalten von Mitwirkungsmöglichkeiten Sämtliche Ermittlungsrichter geben an, das Gericht ermögliche im Regelfall einen Verteidigerwechsel, wenn dem Beschuldigten entgegen 142 Abs. 1 Satz 1 keine angemessene Frist gesetzt worden sei; auch seitens der Strafverteidiger wird dies überwiegend (70,9%) beobachtet. Irritierend ist aber, dass auch in solchen Bundesländern, in denen von dem oder jedenfalls einem dortigen Oberlandesgericht die gegenteilige Rechtslage in leicht verfügbaren Fachpublikationen dargelegt worden ist, eine entgegenstehende Praxis in relevantem Umfang zu existieren scheint. Nur etwa die Hälfte der Strafverteidiger (50,1%) gibt an, das Gericht ermögliche im Regelfall bei fehlender Einräumung der Möglichkeit angemessener Information des Beschuldigten einen vereinfachten Verteidigerwechsel; nur ein Ermittlungsrichter ist der gegenteiligen Ansicht. 74

Verteidigerwechsel bei unterlassenem Setzen einer angemessenen Frist nach Berufsgruppen 75

Verteidigerwechsel bei unterlassenem Setzen einer angemessenen Frist nach Bundesländern 76

Verteidigerwechsel bei unterlassenem Setzen einer angemessenen Frist ausgewählte Bundesländer und dortige obergerichtliche Rechtsprechung Thüringen (40% negative Rückmeldungen entgegen OLG Jena StraFo 2012, 138, 139), Sachsen (30,4% negative Rückmeldungen entgegen OLG Dresden NStZ-RR 2012, 213), Berlin (25,8% negative Rückmeldungen entgegen KG StV 2012, 656, 657), Nordrhein-Westfalen (25,9% negative Rückmeldungen entgegen OLG Düsseldorf StV 2010, 350), Niedersachsen (21,7% negative Rückmeldungen entgegen OLG Braunschweig StraFo 2013, 115, 116 und OLG Celle StV 2012, 720) und schließlich selbst in Baden-Württemberg (noch 17,6% negative Rückmeldungen entgegen OLG Karlsruhe StV 2010, 179). 77

D. Rechtspolitische Forderungen 78

, Richter am Oberlandesgericht Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtstheorie und Forschungsstelle Recht und Praxis der Strafverteidigung (RuPS) Anschrift und Kontakt: Campus Westend (RuW 4.122) Grüneburgplatz 1 D-60323 Frankfurt a.m. Tel.: 069/798-34336 (Sekretariat: Frau Katja Arnold) Fax: 069/798-34521 E-Mail: sekretariat-jahn@jura.uni-frankfurt.de Web: http://www.jura.uni-frankfurt.de/jahn 80