VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v.

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Transkript:

VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v. Ausführungen von Herrn Kurt Bock, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), am 20. Juli 2017 auf der Halbjahrespressekonferenz in Frankfurt (Es gilt das gesprochene Wort) I. Wirtschaftliche Lage der Branche Sehr geehrte Damen und Herren, das erste Halbjahr ist für die deutsche Chemieindustrie positiv verlaufen. Der Umsatz der Branche stieg beträchtlich. Das wirtschaftliche Umfeld in Europa stützte den Aufwärtstrend: Die meisten europäischen Länder setzten ihren Aufschwung dank der anhaltenden Wirkung der Sonderfaktoren billiges Öl, schwacher Euro und niedrige Zinsen fort. Dadurch nahm die Industrieproduktion Fahrt auf. Mit ihr stieg auch die Nachfrage nach Chemikalien. Allerdings blieb das Mengengeschäft durch einen weiteren Rückgang bei petrochemischen Grundstoffen wenig dynamisch. Die Produktion der chemischpharmazeutischen Industrie in Deutschland stieg im ersten Halbjahr um 1,5 Prozent. Die Kapazitäten waren mit rund 87 Prozent gut ausgelastet. Mögliche negative ökonomische Auswirkungen des bevorstehenden Brexits und der neuen Linie der US-amerikanischen Wirtschafts- und Handelspolitik zeigen sich bisher nicht in den Kennzahlen. Grafik 1 Entwicklung Produktion nach Halbjahren Produktionsentwicklung der Sparten Mit Ausnahme der organischen Grundchemikalien waren alle Sparten im Plus: Die Basischemie zeigte eine gemischte Entwicklung: Zwar konnten die Hersteller von anorganischen Grundstoffen ihre Produktion um 3 Prozent ausweiten. Auch die Polymerproduktion, zu der neben den Kunststoffen auch die Chemiefasern zählen, legte im ersten Halbjahr um 2,5 Prozent zu. Doch die Produktion von petrochemischen Grundstoffen war rückläufig und ging um 3,5 Prozent zurück. Grafik 2 Veränderung Produktion Sparten Mainzer Landstraße 55 60329 Frankfurt E-Mail: presse@vci.de Internet: www.vci.de/presse Telefon +49 69 2556-1496 Telefax +49 69 2556-1613

Die gute Industriekonjunktur in Deutschland und Europa belebte das Geschäft mit Fein- und Spezialchemikalien. Die Produktion stieg im ersten Halbjahr 2017 um 1,5 Prozent. Die Verbraucher zeigten sich in den ersten sechs Monaten in Kauflaune. Davon profitierten auch unsere Hersteller von konsumnahen Produkten: Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel oder Kosmetika konnten ihre Produktion um 1,5 Prozent ausweiten. Die Pharma-Nachfrage erwies sich als unverändert robust. Die Hersteller erzielten ein Produktionsplus von 3,5 Prozent. Erzeugerpreise Dank der guten Kapazitätsauslastung und anziehender Ölpreise stiegen die Erzeugerpreise im ersten Halbjahr um 3,5 Prozent. Die Entwicklung bei den Rohstoffpreisen: Grafik 3 Entwicklung Erzeugerpreise Rohöl kostete im ersten Halbjahr mit rund 52 Dollar pro Barrel 34 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Rohbenzin (Naphtha) verteuerte sich im gleichen Zeitraum ebenfalls um mehr als 30 Prozent auf 428 Euro je Tonne. Angesichts gut ausgelasteter Kapazitäten und wachsender Nachfrage konnten die Chemieunternehmen für viele Basisprodukte Preiserhöhungen durchsetzen. Umsatz Die anziehenden Erzeugerpreise sowie leichte Mengenzuwächse brachten den deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen ein kräftiges Umsatzplus. Die Erlöse stiegen im ersten Halbjahr insgesamt um rund 5 Prozent auf 96,9 Milliarden Euro, gleichermaßen getragen von der Inlandsnachfrage und dem Exportgeschäft. Grafik 4 Veränderung der Kernindikatoren Der Inlandsumsatz legte um 4,5 Prozent zu. Der Auslandsumsatz erhöhte sich sogar um 5 Prozent. Die Exportquote der Branche liegt unverändert bei über 61 Prozent. Neben dem Europageschäft stiegen auch die Verkäufe nach Nordamerika und Asien deutlich. Die nach wie vor schwierige Lage in Brasilien wirkte sich hingegen dämpfend auf das Geschäft in Lateinamerika aus. 2

Beschäftigung Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Branche stieg im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent auf 449.300 Beschäftigte. Ausblick Die Stimmung in der Branche ist derzeit insgesamt gut. Die aktuelle Lage wird angesichts kräftig steigender Umsätze positiv beurteilt. Auch für die zweite Jahreshälfte rechnen die Unternehmen mit anhaltend guten Geschäften. In allen für die deutsche Chemie wichtigen Märkten rechnen die Unternehmen bis ins kommende Jahr hinein mit einem stabilen Wirtschaftswachstum. Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für unseren wichtigsten Handelspartner, die USA. Investitionen Die Zuversicht der Branche spiegelt sich in den Plänen für Sachinvestitionen in Deutschland wider: Die Unternehmen wollen in diesem Jahr mit rund 7,5 Milliarden Euro mehr als jemals zuvor in Produktionsanlagen und Maschinen investieren. Dieser Rekordwert entspricht einem Anstieg von 6,7 Prozent oder rund 470 Millionen Euro gegenüber 2016 1. Grafik 5 Investitionen im In- und Ausland seit 2002 Auch die Auslandsinvestitionen 2 der deutschen Chemieindustrie legen in diesem Jahr wieder zu. Sie steigen um 5,8 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. Auffällig ist, dass der Anteil Europas an den Auslandsinvestitionen in diesem Jahr auf 27 Prozent steigt, gegenüber knapp 22 Prozent im Vorjahr. Prognose Gesamtjahr 2017 Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in den ersten sechs Monaten und einem stabilen Ausblick heben wir unsere Prognose für das Gesamtjahr 2017 an: Wir gehen nun von einem Produktionswachstum der Branche von 1,5 Prozent aus (bisher 1 Prozent). Der Umsatz sollte bei einem Anstieg der Preise von 3,5 Prozent um 5 Prozent auf 194 Milliarden Euro anziehen. Grafik 6 Prognosen 2017 BIP, Industrieund Chemieproduktion II. Industriepolitische Erwartungen an die Parteien vor der Bundestagswahl 2017 1 Investitionen der Branche im Inland in Mrd. Euro: 2015: 7,14 2016: 7,03 2 Investitionen der Branche im Ausland in Mrd. Euro: 2015: 8,6 2016: 7,9 3

Deutschland geht es aktuell gut, besonders im internationalen Vergleich. Die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und auch künftig wachsende Steuereinnahmen 3 eröffnen dem Staat erheblichen Handlungsspielraum für die nächste Legislaturperiode. Es gilt jetzt, die Gunst der Stunde zu nutzen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhalten, auszubauen und ihn fit für die Zukunft zu machen. Das Investitionsdefizit muss überwunden werden. Mit Blick auf die Bundestagswahl appellieren wir an alle Parteien, den Standort Deutschland durch gute Industriepolitik zu stärken. Denn alle Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit, bessere Bildung und mehr innere Sicherheit sollten ohne zusätzliche Verschuldung des Staates finanziert werden. Hierfür ist eine starke und global wettbewerbsfähige Industrie eine wichtige Voraussetzung. Denn die Industrie hat für unser Land eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung: Ihr Anteil an der Wertschöpfung ist mit knapp 23 Prozent fast doppelt so hoch wie in den USA, Frankreich oder Großbritannien. Als Arbeitgeber 4 und Steuerzahler 5 trägt die Industrie entscheidend zu Stabilität und Wohlstand in Deutschland bei. Grafik 7 Int. Vergleich Anteil Industrie an der Bruttowertschöpfung In dieser Legislaturperiode sind zwar mit den Branchendialogen des Bundeswirtschaftsministeriums und dem Bündnis Zukunft der Industrie ermutigende Ansätze entstanden. Davon abgesehen sind aber in den letzten vier Jahren kaum konkrete Fortschritte für mehr Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit erzielt worden. Lobreden auf die Bedeutung der Industrie und Versprechungen in Wahlprogrammen müssen jetzt auch Taten folgen. Wir brauchen mehr Substanz in der Industriepolitik mit dem Ziel, den Standort Deutschland tatsächlich zu stärken. Politische Handlungsfelder Und das sind die wesentlichen Stellschrauben aus Sicht des VCI dafür in der nächsten Legislaturperiode: Energiekosten deckeln und Klimaziele international einbetten 3 + 120 Mrd. Euro ggü. 2017 von Bund, Ländern u. Gemeinden bis 2021 lt. BMF 4 6,1 Mio. direkt Beschäftigte in der Industrie 5 Summe Unternehmenssteuern 2015: gut 123 Mrd. Euro (18,3 % der Steuereinnahmen) 4

Wegen der steigenden EEG-Umlage zahlt die Industrie im internationalen Vergleich Spitzenpreise für Strom. Vor allem der nicht entlastete Mittelstand trägt immer höhere Kosten. Eine echte Kostenbremse durch mehr Markt in der Energiewende ist dringend erforderlich. Gleichzeitig sollte eine alternative Finanzierung für die weitere Förderung des Ausbaus regenerativer Stromerzeugung die EEG-Umlage für die Verbraucher stabilisieren und schneller auf null zurückführen. Die Planungssicherheit für die Industrie muss erhöht werden, damit energieintensive Unternehmen wieder mehr investieren. Das dies keine wohlfeilen Klagen sind, zeigt der stetige Rückgang der Produktion besonders energieintensiver Petrochemikalien in Deutschland. Grafik 8 Vergleich Preise Industriestrom in der EU Unser Vorschlag für ein neues Finanzierungssystem lautet: Weitere Windkraftund Solaranlagen sollten ab 2019 aus dem Bundeshaushalt statt über die EEG- Umlage finanziert werden. Bestehende Anlagen wären davon ausgenommen. Die deutsche Industrie leistet ihren Beitrag zum Klimaschutz sowohl mit ihren innovativen Prozessen und Produkten, die bei uns und den Kunden Emissionen einsparen, als auch über den Emissionshandel. Dieser führt durch den festgelegten Minderungsfaktor verlässlich zu einer Senkung der Treibhausgase in der EU. Spezifische Reduktionsziele für die Industrie in einem nationalen Klimaschutzgesetz zu verankern, ist deshalb überflüssig. Nationale Alleingänge führen lediglich zu weiteren Kostenbelastungen für die Unternehmen, ohne der Umwelt damit zu helfen. Innovation ermöglichen und Life Sciences unterstützen In Forschung und Entwicklung muss mehr investiert werden. Ziel sollte es sein, den Anteil der F+E-Ausgaben Deutschlands von heute 3,0 auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen. Dafür muss die Projektförderung durch den Staat ausgeweitet werden. Gleichzeitig sind ihre Vergabefahren weniger bürokratisch und technologieoffen zu gestalten. Mehr Projektförderung ist zum Beispiel in unserer Branche gefragt, um das große Potenzial der Life Sciences auszuschöpfen. Die künftige Bundesregierung sollte sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung in diesem Zukunftsfeld unterstützen. Unerlässlich sind außerdem die ausreichende Vergütung von innovativen Arzneimitteln und ein Umfeld, in dem moderner Pflanzenschutz möglich ist. Grafik 9 Ausgaben F+E Staat und Wirtschaft Ich appelliere in diesem Zusammenhang an die Parteien, neue molekularbiologische Methoden, die unter dem Begriff Genome-Editing zusammengefasst werden, nicht von vornherein zu verdammen und damit deren Nutzung in Deutschland zu verhindern. Der Wert von Genome-Editing für die 5

Forschung, für Medizin, Pflanzenzucht, Ernährung oder industrielle Produktion ist enorm. Hier kann die Politik in Berlin und Brüssel exemplarisch zeigen, dass sie gewillt ist, einen Innovations-Check als verbindlichen Bestandteil in die Abschätzung von Gesetzesfolgen zu integrieren. Ein weiterer wichtiger Hebel zur Steigerung der Forschungsintensität ist die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Sie kann unbürokratisch mehr Innovationsanreize in den Unternehmen setzen und neues Wissen schaffen. Die steuerliche Förderung ist zudem keine Einbahnstraße. Es lassen sich dadurch gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsgewinne erzielen. Das unterstreichen verschiedene Studien und Expertengremien. Es besteht inzwischen ein breiter Konsens der meisten politischen Parteien über den Nutzen der steuerlichen Forschungsförderung. Nach etlichen erfolglosen Anläufen der Politik muss es deshalb dieses Mal direkt nach der Wahl klappen mit der steuerlichen Forschungsförderung und zwar für alle forschenden Unternehmen, ob groß oder klein. In Bildung investieren Die Industrie braucht bestens ausgebildete Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Facharbeiter. Gute Bildung vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern ist dafür die Basis. Schulen und Hochschulen sind dafür personell und finanziell besser auszustatten, um die Qualität von Unterricht und Lehre zu verbessern. Die Bildungsausgaben in Deutschland liegen gemessen am BIP 6 deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Auch bei den absoluten Staatsausgaben pro Bürger für Bildungsmaßnahmen rangiert Deutschland im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen. Ein Bildungs-Schlusslicht kann aber auf Dauer kein Innovations-Weltmeister werden das müssen wir aber, wenn wir die Stärke des Standorts Deutschland halten wollen. Grafik 10 Ausgaben für Bildung im int. Vergleich Moderne Infrastruktur bereitstellen Die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland muss erhalten werden. Die Substanz von Straßen, Brücken und Schleusen ist gefährdet, Bahntrassen sind überlastet. Der VCI hat rund 60 prioritäre Verbesserungen 7 im direkten Umfeld von Chemiestandorten identifiziert, die aus unserer Sicht so schnell wie möglich in Angriff genommen werden müssen. Grafik 11 Engpässe Infrastruktur für Chemielogistik 6 OECD-Durchschnitt 2013: 5,2 % des BIP; Deutschland: 4,3 % 7 VCI-Position Die wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte für die chemische Industrie 6

Chemie 4.0 ist auf schnelle Datenverbindungen ins Internet angewiesen. Der Breitbandausbau als Basis für die digitale Transformation der Industrie und für neue Geschäftsmodelle muss deutlich Fahrt aufnehmen auch in der Fläche. 70 Prozent aller Industriearbeitsplätze 8 liegen im ländlichen Raum. Auch viele unserer Hidden Champions aus dem Chemie-Mittelstand, der rund 1.900 Unternehmen umfasst, sind nicht in den Ballungszentren angesiedelt. Sie, aber auch ihre Kunden und Lieferanten, brauchen leistungsfähige Anschlüsse zum Internet, wenn sie mit Wettbewerbern in Indien und China künftig auf Augenhöhe bleiben wollen. Meine Damen und Herren, Politik geht alle Bürger an, denn politische Entscheidungen betreffen uns alle. Der VCI will dazu beitragen, dass bei der kommenden Bundestagswahl möglichst viele Beschäftigte unserer Branche ihre Stimme abgeben. Mit dem Chemie-Navigator möchten wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber nicht nur motivieren, wählen zu gehen. Wir wollen ihnen auch ermöglichen, sich vor der Wahl über die industriepolitischen Positionen der Parteien und des Verbandes zu acht besonders relevanten Chemie-Themen zu informieren. Denn Industriepolitik gerät im Wahlkampf leicht ins Hintertreffen, obwohl gerade sie große Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitsplätze hat. Der Chemie-Navigator ist ein internetbasiertes Informationstool. Es wird keine Wahlempfehlung gegeben und die Nutzung ist anonym. Dieses Online-Angebot des VCI wird ab Mitte August zur Verfügung stehen. Die nächste Bundesregierung muss die Weichen in der neuen Legislaturperiode für mehr Innovationsfähigkeit des Standortes stellen. Ein positives Umfeld für Innovationen und Investitionen kombiniert mit effizienter Regulierung wird Kräfte freisetzen, die die gesamtwirtschaftliche Leistung Deutschlands spürbar mobilisieren. Davon profitiert jeder einzelne Bürger. Das unterstreicht auch eine Analyse des Forschungsinstitutes Prognos 9. Sie entstand als Ergänzung des gemeinsamen Projektes zur Entwicklung unserer Branche bis 2030. Gute Industriepolitik mit den von mir erläuterten Maßnahmen Grafik 12 Wirkung positives Umfeld für Investitionen u. Innovation 8 Quelle BDI: Juni 2017 9 Die deutsche chemische Industrie 2030 Update 2015/2016: Alternativszenarien (Juni 2017) 7

würde das Bruttoinlandsprodukt 10 und die Produktion der Industrie (gegenüber dem Basisszenario) deutlich stimulieren. In unserer Branche würden sich Investitionen und Forschungsausgaben spürbar erhöhen und gleichzeitig der Energieverbrauch verringern. Fazit: Alle Parteien sollten nicht vergessen, wenn sie um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger werben und politische Verantwortung für das Land in der nächsten Legislaturperiode übernehmen wollen: Industriepolitik ist Zukunftspolitik für Deutschland. Kontakt: VCI-Pressestelle Telefon: 069 2556-1496 E-Mail: presse@vci.de 10 Veränderung gegenüber Basisszenario in %: BIP + 2,6, Industrieproduktion + 3,0; Chemie: Investitionen + 9,9, F+E-Ausgaben + 7,0, Energieverbrauch - 5,4 8