Juristische Volltext- E-Klausuren E-Prüfungs-Symposium 2017 Neue Prüfungsformen im Zeitalter der Digitalisierung Marc Sauer, Andreas Hoffmann Universität Siegen
Background Mehrjährige Kooperation mit dem Justizministerium NRW (LJPA) E-Klausuren im juristischen Staatsexamen Pilotprojekt E-Klausuren mit dem Ziel: Hochschulweiter Einsatz von E-Klausuren Schritt für Schritt weitere Fachbereiche mit ggf. speziellen Anforderungen integrieren In Siegen keine volljuristische Ausbildung, sondern Wirtschaftsrecht 2
Übergeordnete Fragestellungen Welche allgemeinen Anforderungen werden an elektronische Volltext-Prüfungen gestellt? Welche speziellen Anforderungen kommen durch den juristischen Kontext hinzu? Welche Erwartungen haben Lehrende und Studierende an eine Volltext-E-Klausur? Hat die Art der Klausurform Auswirkungen auf die Art und Weise der Aufgabenbearbeitung / Kompetenzmessung? 3
Testsetting und methodisches Vorgehen Aufgabenstellungen 2-3-stündige Klausur Privatrecht 2-3 juristische Fälle im Gutachtenstil à Anwenden von Schemata Ähnlichkeit zum juristischen Staatsexamen Mehrere Ergänzende kurze Freitextaufgaben Studierende Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsinformatik Lehramtsstudierende entsprechender Fächer Wahl zwischen Papier- (71) und E-Klausur (219) 4
Testsetting und methodisches Vorgehen 1) Obersatz à aufstellen einer Arbeitshypothese 2) Tatbestandsmerkmale à Nennung der Tatbestandsmerkmale 3) Definitionen à Definition der Tatbestandsmerkmale 4) Subsumtion à Unterordnung des Sachverhaltes unter die gesetzliche Norm 5) Ergebnis à Ergebnis mit Rückbezug auf die Arbeitshypothese Gutachtenstil 5
Testsetting und methodisches Vorgehen Aufgabenstellungen 2-3-stündige Klausur Privatrecht 2-3 juristische Fälle im Gutachtenstil à Anwenden von Schemata Ähnlichkeit zum juristischen Staatsexamen Mehrere Ergänzende kurze Freitextaufgaben Studierende Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsinformatik Lehramtsstudierende entsprechender Fächer Wahl zwischen Papier- (71) und E-Klausur (219) 6
Testsetting und methodisches Vorgehen Prüfungsdurchführung im Audimax 2 Klapptische pro Prüfling für Laptop (15 ) und Begleitmaterialien (u.a. Gesetzesbücher) Weniger Platz als bei paralleler Papierklausur Evaluation Studierende Elektronischer Fragebogen im Nachgang Kleingruppeninterviews direkt im Anschluss Evaluation Korrektoren Mündliches bzw. schriftliches Feedback Vergleich der Wörterzahlen von Papier- und E- Klausur (zufällige Auswahl von 100 Papierklausuren) 7
Prüfungsumgebung (Software) 8
Ergebnisse - Studierende 98,9 % würden wieder E-Klausur wählen Wörterzahlen Bei Papierklausuren durchschnittlich 1874 Bei E-Klausuren durchschnittlich 2103 (ca. 12% mehr) Gute bis sehr gute Klausuren beider Varianten überdurchschnittlich 9
Ergebnisse - Studierende Umfang / Einsatz Korrekturmöglichkeiten 83 % haben die Korrektur- und Formatierungsmöglichkeiten wie Copy&Paste, Umstrukturierungen etc. genutzt à gerade schlechtere Klausuren wirkten trotz EDV unordentlich Was hat den Studierenden besonders gut gefallen? Zeitersparnis durch Tippen ( Lieber tippen als schreiben"): 54 % Übersicht / Lesbarkeit: 25 % Verbesserungsvorschläge Mehr Ähnlichkeit zu MS-Word: 10% Bildschirmgröße / -aufteilung und Layout: 29 % Tastatur / Maus: 16 % 10
Korrekturumgebung 11
Bewertungsbogen 12
Markierungen 13
Schlusskommentar 14
Ergebnisse - Korrektoren Computerschrift besser lesbar à Inhalt ganzer Abschnitte besser auf einen Blick erfassbar Arbeiten über einen längeren Zeitraum am PC kein Problem (einstimmig bevorzugte Korrekturart) Mehr Zeit für Randkommentare Bemühung um mehr Details, bessere Formulierungen und mehr Seriosität Schlechtere Qualität in Sprache / Ausdruck Häufige Tippfehler und Buchstabendreher Formulierungen im SMS-Stil 15
Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Kommentierungen à Bezug zu Fehlern deutlich besser erkennbar Nachvollziehbare Korrektur Nachgelagerter Lerneffekt / Lernzuwachs durch Klausureinsicht besser möglich Abschnitte auf einen Blick erfassbar Bessere / gezieltere inhaltliche Begutachtung Eigentliche Kompetenzmessung rückt in den Vordergrund Präsentation des tatsächlichen Wissenstandes, statt Bemühen um lesbares Schriftbild 16
Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Neue Techniken der Falllösung? 1. Vorformulieren / Erstellen einer Lösungsskizze 2. Ausformulieren und argumentieren 3. Ggf. Lösungsskizze (aus 1) an Argumentation anpassen (Reihenfolge ändern) à Umfassendere Beschäftigung mit dem Fall / Problem à höhere Kompetenzniveaus? Analyse und Beurteilung der eigenen Lösung während des Bearbeitungsprozesses Übertragbarkeit auf weitere Disziplinen!? 17
Quellen F. Kollmann, A. Hoffmann (2015): Entwicklung und Evaluation eines Prüfungssystems zur Durchführung elektronischer Volltextklausuren im juristischen Staatsexamen In: H. Pongratz, R. Keil (Hg.) 2015 DeLFI 2015 - Die 13. e-learning Fachtagung Informatik der Gesellschaft für Informatik e.v. (GI), München, 1.-4. September 2015, GI-Verlag, S. 157 168 A. Hoffmann, J. v.d. Esche (2016): Interview Neue Juristische Wochenschrift (NJW): Die juristische E-Prüfung. S. 12 f., Ausgabe 39/2016. Verlag C.H.Beck ohg, München. M. Becker, C. Weidt (2017): Untersuchungen zur elektronischen Juraklausur in großen Gruppen, ZRP 2017 T. Hildebrand (2016): Juristischer Gutachtenstil: Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 18