FARBE UND WAHRNEHMUNG 2 FARBSTOFFE

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Transkript:

FARBE UND WAHRNEHMUNG 2 FARBSTOFFE 2.1 Natürliche 2.1.1 Indigo 2.1.2 Krapp 2.1.3 Blauholz 2.1.4 Reseda 2.1.5 Purpur 2.1.6 Karmin - Cochenille aus Schildläusen 2.2 Künstliche 2.2.1 Geschichte der Farbstoffchemie 2.2.2 Blue Jeans 2.2.3 Bezeichnung von n 2.2.4 und Ökobilanzen Literatur 1

2 FARBSTOFFE Im Gegensatz zu wasserunlöslichen Pigmenten sind in Wasser oder anderen Lösungsmitteln löslich und färben Textilmaterialien wie Baumwolle, Seide und Wolle an. Beim Färbevorgang gehen die chemische Verbindungen mit Atomen oder Atomgruppen der Stofffasermoleküle ein. Für die Färbung mit n ist kein Bindemittel erforderlich. Natürliche und synthetische Natürliche tierischen Ursprungs: pflanzlichen Ursprungs: z.b. Hämoglobin (Blutfarbstoff), Karmin, Purpur. Chlorophyll (Blattgrün), Anthocyane (z.b. in Heidelbeeren, Kirschen, Rotkraut, Carotinoide (in Safran, Karotten, Tomaten, Eidotter), Flavone (z.b. Reseda), Indigo, Blauholz, Krapp., die in bunten Obst- und Gemüsesorten vorkommen, spielen in der menschlichen Ernährung eine wichtige Rolle. Flavonoide hemmen die Bildung chemisch aggressiver Moleküle (freier Radikale), stärken damit das Immunsystem, senken das Krebsrisiko, schützen vor Pilz-, Bakterienund Vireninfektionen. 2

Chlorophyll (Blattgrün) Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) Das zur Photosynthese dienende Pflanzengrün ist tierischem rotem Blutfarbstoff in seiner Molekülstruktur sehr ähnlich. Beide sind überwiegend aus Kohlenstoff und Wasserstoff aufgebaut. Im Zentrum des Chlorophyllmoleküls findet sich ein von Stickstoffatomen umgebenes Magnesiumatom. An dessen Stelle steht bei Hämoglobin ein Eisenatom. Von den natürlichen n ist nur eine sehr begrenzte Anzahl im Hinblick auf ihre Beständigkeit auch färbetechnisch brauchbar. Von zahllosen Pflanzen mit färbenden Inhaltsstoffen liefern nur wenige auch beständige, gewerblich nutzbare Färbemittel. Relativ zahlreich sind gelb und rot färbende Färberpflanzen, dauerhaft blau färbende dagegen sind selten. Technisch brauchbare natürliche pflanzlichen Ursprungs z.b.: Safran, Reseda, Krapp, Blauholz, Indigo. tierischen Ursprungs Purpur, Karmin. 3

Synthetische z.b.: Anilin- oder Teerfarbstoffe (1834, Friedlieb Ferdinand Runge: Kyanol gewonnen aus Steinkohlenteer) Azofarbstoffe (1858, Peter Griess, August Wilhelm Hofmann: Stickstoff-Benzol-Verbindungen / Azobenzol) Anthrachinonfarbstoffe (1901, René Bohn: Indanthren ) Mittlerweile sind einige zehntausend synthetische bekannt. Etwa 6500 davon werden technisch genutzt, in Produktionsmengen von mehreren Tonnen pro Jahr werden knapp 500 hergestellt. Färbung von Textilien zur Färbung von Textilien sind chemische Verbindungen organischer Natur, die eine chemische Affinität zu Fasern besitzen. Die färbende Substanz soll in die Faser aufgenommen werden und nicht nur deren Oberfläche bedecken. Die Färbung soll der Einwirkung von Sonnenlicht, Wasser, Waschmitteln und Verschleiß widerstehen und möglichst lange unverändert erhalten bleiben. 4

Färbung durch Direktfarbstoffe Direktfarbstoffe lassen sich ohne weitere Vorbehandlung direkt aus neutraler, wässriger Lösung auf die Faser (meist Baumwolle) aufziehen. Indirekte Färbeverfahren Verküpung (Vorbehandlung des Farbstoffs) Küpenfarbstoffe wasserunlösliche Substanzen, die durch Entzug von Sauerstoff Reduktion (Verküpung) in wasserlösliche Verbindungen (Leukobase) überführt werden. Nach dem Aufziehen auf die Faser (z. B. Baumwolle) bildet sich an der Luft durch Oxidation der wasserunlösliche Farbstoff zurück. Beizen (Vorbehandlung der Faser) Das Gewebe wird vor dem Farbbad mit einem Beizmittel vorbehandelt. Das klassische Beizen erfolgt in drei Schritten: o Behandlung des Gewebes mit einer metallsalzhaltigen Lösung (z. B. aus Aluminium-, Calcium-, Zinn- oder Bleisalzen) o zweites, ammoniakhaltiges Bad, o Farbbad. Wenn Ammoniak auf das Metallsalz im Gewebe einwirkt, bilden sich unlösliche Metallhydroxide, die in den Fasern zurückbleiben und mit der Färbelösung reagieren dadurch entstehen stabile, unlösliche farbige Verbindungen, die man als Lack bezeichnet. 5

Ionische und nichtionische Textilfarbstoffe Ionische Verbindungen (wasserlösliche saure und basische ) Die ionischen Verbindungen unterteilt man in anionische und kationische. Anionische Verbindungen enthalten negativ geladene, kationische Verbindungen enthalten positiv geladene Farbstoffionen. Herkömmlicher Weise werden anionische Verbindungen als saure, kationische Verbindungen als basische bezeichnet. Saure eignen sich zum Färben von Polyamidfasern (z. B. Wolle, Nylon). Acrylfasern werden mit basischen n gefärbt. Nichtionische Verbindungen (wasserunlösliche Dispersionsfarbstoffe) Für Kunstfasern wie Polyester, Acetate und Triacetate benötigt man Dispersionsfarbstoffe (nichtionische ). Bei diesem Verfahren werden in Wasser praktisch unlösliche synthetische Farbmittel eingesetzt, die aus dem Färbebad als feinst zermahlene feste Partikel in die Kunstfaser diffundieren, wo sie sich lösen und mit der Faser verbinden. 6

2.1 Natürliche 2.1.1 Indigo Färberwaid (Isatis tinctoria) Indigostrauch (Indigofera tinctoria) Indigo ist im reinen Zustand ein dunkelblaues, kupferrot schimmerndes Pulver, das in Wasser nur schwer löslich ist. Der blaue Farbstoff kann aus verschiedenen Pflanzen gewonnen werden: Färberwaid Isatis tinctoria Kaukasus, Asien, später Europa Indigopflanze Indigofera tinctoria Indien, Asien, heute weitverbreitet Färberwaid und die Indigopflanze enthalten selbst keinen Indigo, sondern Indican, die gelbe Vorstufe des s. Erst nach chemischen Umwandlungen entsteht der lichtechte Farbstoff Indigo und entfaltet seine blaue Farbe auf Textil. 7

Zur Geschichte des Indigo Indigo ist neben Krapp und Reseda einer der ältesten bekannten pflanzlichen. Die ältesten Funde stammen aus einer steinzeitlichen Höhle in Frankreich. Der älteste schriftliche Hinweis dazu findet sich bei Caesar in seinem Buch über den Gallischen Krieg: Alle Britannier färben sich mit Waid (vitrum) blau und sehen daher in der Schlacht ganz schrecklich aus. In Europa gewann man blauen Farbstoff lange Zeit aus Färberwaid, einer Blütenpflanze aus der Familie der Kreuzblütler. Urkunden aus dem Mittelalter berichten vom Waidanbau in Thüringen. Die Stadt Erfurt wurde durch den Waidhandel so reich, dass sie daraus die Mittel zur Gründung der Universität im Jahre 1392 aufbrachte. Der in Thüringen produzierte Waidindigo wurde nach Sachsen oder in die Tuchstadt Köln exportiert. Über die Hafenstädte Hamburg, Lübeck und Bremen gelangte er nach Holland und nach England. Mit der Gründung der ostindischen Handelsgesellschaft im Jahre 1602 durch die Holländer war der Untergang des europäischen Indigo aus Waid besiegelt: Die holländischen Seefahrer begannen, Indigo aus Indien zu importieren. Die asiatische Indigopflanze zeichnet sich durch eine höhere Farbausbeute aus. Dadurch war der Farbstoff preisgünstiger herzustellen. Zur Stützung des einheimischen Waidhandels wurden zunächst Verbote erlassen, die die Einfuhr und die Weiterverarbeitung des indischen Indigo verhindern sollten. In Nürnberg drohte Färbern, die sich nicht an das Verbot hielten, die Todesstrafe. Im 17. Jahrhundert setzte sich nach langem Konkurrenzkampf der indische Indigo aufgrund seines höheren Farbstoffgehalts endgültig durch. Im Jahre 1897 befanden sich in Indien 700.000 Hektar Anbaufläche für Indigo, die indische Jahresproduktion lag bei 8.000 Tonnen. Das Jahr 1878 brachte eine entscheidende Wende, da dem deutschen Chemiker Adolf von Baeyer erstmals die künstliche Herstellung von Indigo gelang. Ab 1897 kam dieser synthetische Indigo durch die Badische Anilinund Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen zu einem Preis in den Handel, der deutlich unter dem Preis des in Indien produzieren Indigo lag. Drastische Preissenkungen von Seiten der Produzenten und Exporteure in Indien konnten den Siegeszug des synthetischen Indigo nur für kurze Zeit verzögern. 1914 hielt natürlicher Indigo nur noch einen Marktanteil von 4%. 8

Gewinnung des s aus der indischen Indigopflanze (Indigofera) Die Pflanzenteile werden in Indien vor Ort verarbeitet. Zur Gärung legt man sie in große, in den Boden eingelassene Becken. Im Zuge der Gärung wird Indican in Indoxyl und Traubenzucker zersetzt. Nach etwa 15 Stunden wird die gelbliche Flüssigkeit in ein tiefer gelegenes Becken abgelassen, in das durch einfaches Schlagen oder mit Hilfe von Schaufelrädern Luft hinzugefügt wird. Der durch das Schlagen in die Becken eingebrachte Sauerstoff wandelt das wasserlösliche, gelbe Indoxyl in einer Oxidation zu blauem Indigo. Der so gewonnene Farbstoff ist nicht mehr wasserlöslich und setzt sich am Boden ab. Er wird getrocknet und danach zu Blöcken verarbeitet. Noch heute ist natürlicher Indigo im Handel, der aus Indien stammt und in Blockform geliefert wird. 9

Echter indischer Indigo, gehandelt in Blöcken Färbung mit Indigo Verküpung. Da Indigo selbst nicht wasserlöslich ist, muss der Farbstoff mit Hilfe eines Reduktionsmittels (ursprünglich Gärung unter Zusatz von Urin und Pottasche, heute Natriumthiosulfat) in ein wasserlösliches Salz umgewandelt werden. Die Farbe wechselt dabei von blauviolett nach gelblich bis farblos. Beim Färbevorgang werden Textilien in die Küpe mit dem wasserlöslichen Salz getaucht. Gelangt das vorerst gelblich gefärbte Material an die Luft, färbt es sich von gelb über grün nach blau, und es entsteht auf dem Gewebe durch Oxidation wieder Indigo. Farbstoff > Reduktion > Leukobase > Oxidation > Farbstoff Um in die Faser einziehen zu können, wird der wasserunlösliche Indigo in der Küpe durch Reduktion in farblose wasserlösliche Leukobase verwandelt. Nach dem Färbebad entsteht an der Luft durch Oxidation aus der farblosen Leukobase in der Faser wieder der wasserunlösliche blaue Farbstoff. Die Wasserunlöslichkeit des Farbstoffs Indigo ist die Ursache der weitgehenden Waschfestigkeit der mit Indigo erzielten Blaufärbung. Während der natürliche Indigo heute nur noch einen sehr geringen Marktanteil besitzt, dient künstlicher Indigo auch heute noch als Farbstoff für die von Levi Strauss im Jahre 1850 eingeführten Jeans. (Ursprünglich Hosen aus Baumwolle aus der italienischen Stadt Genua; aus der französischen Form des Städtenamens Gênes formte die amerikanische Umgangssprache den Begriff Jeans ).Zunächst war Jeans aus blauem, reißfestem Baumwollstoff ( Serge de Nîmes - Gewebe aus der Stadt Nîmes, daraus abgeleitet Denim ) als Arbeitshosen für Goldgräber in Kalifornien gedacht. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden sie zum modischen Kleidungsstück. 10

2.1.2 Krapp Die Krapppflanze (Färberröte, Rubia tinctorum) ist eine 50-80cm hohe Staude und Schlingpflanze aus der Familie der Rötegewächse. Ihr Farbstoff findet sich nicht in den kleinen gelben Blüten, sondern im Zellsaft und in den Wurzeln. Eigenschaften und Gewinnung des Farbstoffs Die Krapppflanze (Färberröte, Rubia tinctorum) enthält in ihren roten Wurzeln 1 2% des s Alizarinrot, der in reiner Form orangerote Kristalle bildet. Diese sind in Wasser schlecht und in Alkohol relativ gut löslich. Die Wurzelstöcke werden ab dem dritten Jahr im Frühling und im Herbst gesammelt, getrocknet und schließlich geschnitzelt oder gemahlen. 11

Zur Geschichte Krapp ist neben Indigo einer der ältesten Pflanzenfarbstoffe. Im Grab des ägyptischen Herrschers Tutenchamun (ca. 1.337 v.) ließen sich Spuren des roten s Alizarin auf einem Gürtel nachweisen. Plinius der Ältere berichtet um 23 nach Chr. von der Pflanze Rubia, die zum Färben der Wolle und des Leders unentbehrlich sei und viel Gewinn bringe. Die Römer verwendeten den roten Farbstoff als Imitat für das wesentlich teurere, aus Purpurschnecken gewonnene Purpur. In Mitteleuropa finden sich im 5. Jahrhundert nach Chr. erste Hinweise auf die Verwendung von Krapp. Im Spätmittelalter lag das Zentrum des Krappanbaus in den Niederlanden. Von besonderer Bedeutung war ein im osmanischen Reich entwickeltes Färbeverfahren: Es erzielte ein feuriges Rot von hoher Farbechtheit, das sogenannte Türkischrot. Zur Erzeugung von Türkischrot ist eine Reihe von langwierigen Arbeitstechniken notwendig. Früher nahm eine solche Färbung 26 Arbeitstage in Anspruch. Das Geheimnis dieser Färbung bestand darin, die Baumwolle vor dem Beizen mit einem ranzigen Pflanzenöl (Olivenöl oder Rizinusöl) und Pottasche zu behandeln. Türkische Einwanderer lüfteten das Geheimnis des Verfahrens im 17. Jahrhundert in Frankreich und brachten den elsässischen und provencialischen Krappanbau zur Blüte. Noch im 19. Jahrhundert wurden weltweit bis zu 70.000 Tonnen Krapp pro Jahr (1868) für Färbungen verbraucht. Den deutschen Chemikern C. Graebe und C. Liebermann gelang im Jahr 1869 erstmals die künstliche Herstellung von Alizarin. Das synthetische Alizarin kam 1871 zu einem wesentlich günstigeren Preis als das natürliche in den Handel. Dadurch war der Anbau der Krapppflanze für die Krappbauern nicht mehr rentabel. Heute gibt es nur noch kleine Relikte von Anbaugebieten in Südfrankreich und in der Türkei. Färbung mit Krapp Zum Färben weicht man die Wurzel einen Tag zuvor in Wasser ein. Beim Färbevorgang kommt das Textilmaterial gemeinsam mit der Krappwurzel und dem Einweichwasser in das Färbebad. Das Bad wird etwa eine Stunde bei einer Temperatur von 70 80 C konstant gehalten. Steigt die Temperatur über diesen Wert, wird die Farbe nicht rot, sondern bräunlich. Damit die Färbung gleichmäßig gelingt, muss das Bad ständig umgerührt werden. Die gefärbten Textilien werden an der Luft aufgehängt und getrocknet. Alaun beim Beizen bewirkt leuchtend rote Farbtöne auf der Stofffaser, Eisensalze führen zu bräunlichen Nuancen. 12

2.1.3 Blauholz Eigenschaften Das rote Kernholz des in Mittelamerika beheimateten, immergrünen Baumes (Haematoxylum campechianum) dient als Rohmaterial für den Farbstoff Hämatoxylin, der für intensive Blau-Violett-Färbungen verwendet werden kann. Der Farbstoff wird heute meist als geraspeltes Holz gehandelt. Etwas teurer ist Blauholzextrakt, rotes Pulver, das durch Auskochen des Holzes mit Wasser gewonnen wird. In reiner Form bildet der Farbstoff gelbe oder farblose Kristalle, die in heißem Wasser und in Alkohol gut löslich sind. Kocht man geraspeltes Blauholz mit Laugen, färbt sich die Lösung purpurrot, erst unter Lufteinwirkung auf den Textilien bildet sich die blauviolette Farbe. Dabei wandelt sich Hämatoxylin in den eigentlichen Farbstoff Hämatein um. Geschichte Mit der Eroberung Mexikos durch Cortez im Jahr 1522 kam das Blauholz nach Europa. Das Holz wuchs ursprünglich auf der Halbinsel Yucatán und wurde von dem mexikanischen Hafen Campeche nach Spanien verschifft. Es galt als so kostbar, dass die spanische Marine den Transportschiffen militärischen Geleitschutz zum Schutz gegen Seeräuber mit auf den Weg schickte. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Farbstoff in Europa sehr beliebt, England importierte bis 13.000 Tonnen Blauholz pro Jahr. Heute ist der Baum in weiten Teilen der Tropen verbreitet und wird vor allem in Jamaika angebaut. 13

Verwendung Blauholz war bis ins 20. Jahrhundert ein vielverbreiteter Farbstoff für die Baumwoll- und Leinenfärberei. Es eignet sich um Färben natürlicher und synthetischer Materialien wie Wolle, Seide, Leder und Kunstfaser. Zum Färben von Textilien kocht man die Holzspäne mit Wasser auf und filtriert den xtrakt durch ein Leinentuch. Danach können die vorgebeizten Textilstoffe im heißen Wasser gefärbt werden. Das Beizen mit Alaun erzeugt eine violette Farbe auf der Textilfaser, das Vorbeizen mit Weinstein oder Eisensalzen führt eher zu blaugrauen Farben. Der Farbstoff färbt Seide in tiefem Blauschwarz. Schwarz, besonders als mit Blauholz gefärbte Seide, war in Europa ab dem 16. Jahrhundert die Farbe der Aristokratie. (Das Armenschwarz des Mittelalters, eine Färbung aus Erlenrinde, war dagegen ein stumpfes Dunkelgrau). Noch bis ins 20. Jahrhunderts, als es bereits Kunstfasern gab, galt Blauholz als der beste Farbstoff, um Nylonstrümpfe und Dessous tiefschwarz zu färben. Der Farbstoff ist nicht ganz lichtecht, mit Blauholz gefärbte Materialien bleichen unter Lichteinwirkung allmählich aus. Als Lebensmittelfarbstoff ist der Farbstoff nicht zugelassen. In der Mikroskopie verwendet man Hämatoxylin aus Blauholz zur Anfärbung von Zellkernen. 14

2.1.4 Reseda Reseda, Färberwau (Reseda luteola) ist eine zweijährige Blütenpflanze, die auf kalkhaltigem, trockenem Boden gedeiht und lange, gelbe Blütentrauben ausbildet. Der größte Teil des gelben s Luteolin findet sich in den Samenhülsen. Eigenschaften In reiner Form bildet der in der ganzen Resedapflanze vorkommende Farbstoff Luteolin kleine, gelbe, glänzende Kristalle, die sich in Wasser schwer und in Soda, Pottasche und Ammoniaklösung mit tief gelber Farbe lösen. Luteolin gehört wie viele andere gelbe Pflanzenfarbstoffe zur Familie der Flavone. Der Farbstoff gilt als der beständigste gelbe Pflanzenfarbstoff. Lichtecht und dauerhaft haltbar ist Luteolin jedoch nur auf reiner Seide. Geschichtliches Die Samen der Pflanze konnten in jungsteinzeitlichen Uferbausiedlungen am schweizerischen Pfäffiker See nachgewiesen werden (8.000 v. Chr.). Der römische Dichter Vergil berichtet von einem Kraut namens herba lutea. Vermutlich nutzten die Römer den gelben Farbstoff zum Färben ihrer Hochzeitsgewänder. 15

Erste schriftliche Anleitungen zum Färben mit Wau (Reseda) sind aus dem 8. Jahrhundert nach Chr. von Rezepten aus Süditalien bekannt. Im 17. Jahrhundert gab es große Anbaugebiete in Südengland. Reseda wurde vor allem in Londoner Färbereien verarbeitet. In Deutschland waren in Thüringen, Sachsen, Bayern und Württemberg Resedafelder zu finden. Noch bis ins 20. Jahrhundert benutzte man die Pflanze zum Färben von Seide. Später wurde der Farbstoff fast vollständig von synthetischen n verdrängt. Die Pflanze wächst heute wild in ganz Europa, vor allem an Bahndämmen. Färbung mit Reseda Die getrockneten Stängel und Blütenteile werden zuerst in einem Färbetopf mit Wasser aufgekocht. Im Gegensatz zu den Blauholz- oder Krappfärbungen benötigt man wesentlich mehr Pflanzenmaterial. Danach wird der Extrakt durch ein Leinentuch filtriert. Auch die Reseda gehört zu den Beizenfarbstoffen. Das Vorbeizen der Seide oder der Wolle erfolgt in der Regel mit Alaun. Weinstein erzeugt eher braune Farbtöne. Das eigentliche Geheimnis der Resedafärbung besteht darin, dem Färbebad ein paar Teelöffel Kalk beizufügen. Erst dadurch entstehen intensive Gelbtöne. Nach der Kalkzugabe färbt man das vorgebeizte Material eine Stunde im kochenden Färbesud. 16

2.1.5 Purpur Schneckengehäuse der Gattung Murex Purpurgewänder am The Royal Crown of byzantinischen Kaiserhof the United Kingdom Mosaik, Ravenna, um 574 Eigenschaften Die im Mittelmeer lebenden Purpurschnecken enthalten in ihren Hypobronchialdrüsen eine gelbliche Flüssigkeit, die eine Vorstufe des Farbstoffs 6,6-Dibromindigo darstellt. Da sich in der Drüse der Schnecke nur ein winziger Tropfen der gelben Flüssigkeit befindet, aus der später der Farbstoff gewonnen wird, sind zur Herstellung von einem Gramm des reinen s etwa 8000 Schnecken erforderlich. Die Schnecken leben am Meeresboden und ernähren sich räuberisch von anderen Muscheln oder Schnecken und von Aas. Die im Mittelmeer vorkommenden Arten von Purpurschnecken ergeben unterschiedliche Rottöne. So lassen sich Färbungen vom hellen Rot bis zum tiefsten Violett herstellen. Der Küpenfarbstoff zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Leuchtkraft und Lichtechtheit aus. In seinem chemischen Aufbau ähnelt der Purpurfarbstoff dem blauen Indigo. Bei Purpur sind lediglich zwei Wasserstoffatome der Benzolkerne durch zwei Bromatome ersetzt. 17

Geschichtliches Erste Überlieferungen berichten von der Entdeckung des s durch die Phönizier. Aus der griechischen Antike ist eine Legende überliefert, wonach ein Hund am Strand eine Purpurschnecke gefressen und seine Schnauze sich dabei rot verfärbt habe. Der Hirte glaubte, der Hund habe sich verletzt und wischte dessen Schnauze mit einem Tuch ab, das dauerhaft rot verfärbt blieb. Die Phönizier sammelten die Schnecken systematisch und wurden durch die vielen Farbabstufungen der leuchtenden Purpurfärbungen berühmt. Daher erklärt sich der griechische Name für Phönizien ("Purpurland"). Noch heute findet man am Strand des Südhafens von Sidon im Libanon meterhohe Anhäufungen von Schalen. Bei den Römern war der teure Purpurfarbstoff den Kaisern und Senatoren vorbehalten. Nur der Cäsar durfte vollständig in Purpur gefärbtes Gewand tragen, die Senatoren mussten sich mit einem purpurnen Streifen an ihrer Toga begnügen. Da sich in der Drüse der Schnecke nur ein winziger Tropfen der gelben Flüssigkeit befindet, aus der später der Farbstoff gewonnen wird, sind zur Herstellung von einem Gramm des reinen s etwa 8000 Schnecken erforderlich. Dies erklärt den außergewöhnlich hohen Preis und die Exklusivität des s. In Rom stand die Purpurfärberei unter staatlicher Aufsicht, die Kaiser waren an den Gewinnen beteiligt. Purpur als leuchtendes Rot war in Rom und auch später bei den deutschen Kaisern ein Symbol der Macht. Nach dem Ende des römischen Reiches stand Purpur in Konstantinopel weiterhin in Verwendung, seine Herstellung geriet aber mit dem Untergang von Byzanz in Vergessenheit. Im Jahre 1468 wurde von Papst Paul II. Purpurrot als Kennfarbe für Kardinäle offiziell eingeführt. Die purpurroten Trachten der Kardinäle und die Mäntel der deutschen Kaiser waren dagegen oft nicht mehr mit Purpur aus den Schnecken gefärbt, sondern mit einem aus Kermesläusen gewonnen Farbstoff (siehe Cochenille). Bereits in der Antike gab es Versuche, Purpur durch billigere wie Krapp zu ersetzen. Noch heute gilt Purpur als teuerster aller, bei Kremer Pigmente kostet ein Gramm des s über 2000,-. 18

Herstellung Die Purpurschnecken werden zerstampft (oder die Drüsen herausgeschnitten) und mehrere Tage in Salz gelegt. Danach kocht die Masse mit Urin ein, bis nur noch der sechzehnte Teil übrig bleibt. Während des Kochens werden alle Fleischteile, die an die Oberfläche treiben, entfernt. Die Stoffe können anschließend in die Küpe eingetaucht und gefärbt werden. Erst am Licht entwickelt sich der Küpenfarbstoff in einer Enzymreaktion auf dem Gewebe von gelb nach rot bis violett. Dabei entsteht ein äußerst unangenehmer Geruch. Verwendung Heute besitzt der Farbstoff Purpur fast keine praktische Verwendung mehr. In seltenen Fällen wird er eingesetzt, wenn alte mit Purpur gefärbte Stoffe restauriert werden müssen. Der Chemiker Paul Friedlaender versuchte 1908, den antiken Farbstoff zu analysieren, um ihn chemisch identisch künstlich herzustellen. Dazu musste er zunächst Purpur nach altem Rezept zubereiten. Bei Fischhändlern in Triest kaufte er 12.000 Purpurschnecken, kochte sie und gewann daraus 1,4g Farbstoff gerade genug, um ein Taschentuch damit zu färben. (Zum Färben eines antiken Kaisermantels wurden etwa 3 Millionen Schnecken benötigt ein enormer Aufwand, der für Exklusivität sorgte. Die Segel von Kleopatras königlichem Schiff waren mit Purpur eingefärbt.) Friedlaender entdeckte, dass der Farbstoff aus dem Schneckenschleim chemisch fast identisch mit Indigo ist. Indigo plus 2 Bromatome ergibt Purpur. Der deutsche Farbenspezialist Kremer-Pigmente liefert auch heute noch Schneckenpurpur nach altem Rezept. Ein Gramm kostet derzeit etwa 2450, somit kostet ein Kilogramm des reinen, natürlichen Farbstoffs Purpur heute mehr als 2 Millionen Euro. 19

2.1.6 Karmin - Cochenille aus Schildläusen Amerikanische Cochenillelaus Mit Karmin gefäbte Textilfasern Das aus Läusen gewonnene Cochenille enthält den roten Farbstoff Karmin als färbenden Bestandteil. Zur Geschichte Ein aus Kermesläusen gewonnener Farbstoff war bereits bei den Ägyptern, Griechen und Römern unter dem Namen Scharlachrot zum Färben von Wolle, Leder und Seide bekannt. Vermutlich liegt der Ursprung für Scharlachfärberei bei den Phöniziern. Eine bei Karl dem Großen erstmals erwähnte polnische Schildlausart wurde auch als Johannisblut bezeichnet. Sie lebt unterirdisch an den Wurzeln eines Nelkengewächses. Die wichtigste Cochenilleart wurde später die amerikanische Cochenillelaus (siehe Bild), die nach der Unterwerfung der Azteken in Mexiko ab dem Jahre 1532 nach Spanien exportiert und ab 1824 auf den Kanarischen Inseln angesiedelt wurde. Dort ist die Schildlaus auf ihrer Wirtspflanze, einer Feigenkaktee (Opuntie) bis heute verwildert anzutreffen. Nach Gold und Silber wurde Cochenille für Spanien das wichtigste Handelsprodukt. 20

Die amerikanische Cochenillelaus verdrängte wegen ihres höheren Farbstoffgehalts schnell die einheimische Kermeslaus. Neben den Kanarischen Inseln wie Lanzarote oder Fuerteventura ist heute Peru der wichtigste Lieferant von natürlichem Cochenille. Das aus Läusen gewonnene Cochenille war bis zum Aufkommen der künstlich hergestellten im 19. Jahrhundert neben der Krappwurzel der wichtigste Pflanzenfarbstoff für intensive und leuchtkräftige Rotfärbungen auf Stoffen. Noch im Jahr 1870 exportierten die Kanarischen Inseln 3.000 Tonnen Cochenille. Kurze Zeit später wurde es durch die künstliche Produktion von Anilinfarbstoffen, die aus Erdölprodukten gewonnen werden, vom Markt verdrängt. Eigenschaften Cochenille ist ein roter, wasserlöslicher Farbstoff, der aus drei verschiedenen Schildlausarten gewonnen wird. Er enthält Carmin als färbenden Bestandteil. Dieser besteht im Wesentlichen aus Carminsäure und Kermessäure. Cochenille schmeckt in Wasser gelöst sehr bitter. Der bittere Farbstoff hält Mäuse und Vögel davon ab, die Schildläuse zu fressen. Deutscher Name lateinischer Name Wirt Kermes-Schildlaus Kermes vermillio Kermeseiche polnische Cochenillelaus Porphyrophor apolonica Nelkengewächse amerikanische Cochenillelaus Dactylopius coccus Kakteen Gewinnung des s Zur Gewinnung des s aus der amerikanischen Cochenillelaus werden Kakteenplantagen angelegt. Die Ohren der Opuntien werden mit Hilfe der Muttertiere beimpft. Diese legen 16 Tage lang täglich 400 Eier. Für den Kaktus ist die Schildlaus ein Parasit, der sich festsaugt und von dessen Saft lebt. Der Farbstoff wird von den Läusen selbst produziert und befindet sich im Körper der Weibchen und in den Eiern. Nach 75 Tagen haben 21

sich hunderte von dicken Läusen entwickelt. Diese werden kurz vor ihrer Eiablage gesammelt, da besonders die Eier viel roten Farbstoff enthalten. Ein geübter Pflücker erntet pro Tag bis zu 1 kg Läuse, dies entspricht etwa 140.000 Tieren. Er tötet sie in heißem Wasserdampf oder trocknet sie an der Sonne. Eine Menge von 3 kg der Tiere ergibt 1 kg getrocknete Läuse. Der Verkaufspreis für 1 kg getrocknete Läuse liegt heute bei 50,- bis 75,-. Wesentlich teurer ist der durch Mahlen und Extraktion mit Wasser gewonnene reine Farbstoff Karmin. Ein Kilogramm kostet bis zu 250,-. Das Färben mit Cochenille Natürliches Cochenille wird heute von Pflanzenfärbern zur Rotfärbung von Textilien eingesetzt. Zur Vorbereitung des Färbebades werden die getrockneten Läuse gemahlen und über Nacht in Wasser eingeweicht. Am nächsten Tag filtriert man die Brühe nach 15-minütigem Kochen durch ein Tuch in einen Färbetopf. Nach dem Beizen der Textilien erfolgt deren Färbung unter Zugabe von weiteren Beizmitteln durch einstündiges Kochen im Färbebad. Durch Zusatz von Weinstein und Zinnchlorid entsteht dabei ein Rot von intensiver Leuchtkraft. Durch Misch- oder Überfärbungen mit Indigo oder Krappwurzel entstehen Violett- oder Orangetöne. Zur intensiven Färbung von 1kg Wolle sind etwa 100g getrocknete Läuse notwendig. 22

Verwendung Farbpalette von Cochenillefärbungen auf Wolle. Der natürliche Farbstoff Cochenille wird heute noch als Lebensmittelfarbstoff E 120 in Campari verwendet. In der Regel handelt sich aber bei dem in den Lebensmitteln verwendeten Cochenillerot jedoch um künstlich hergestelltes Karmin (zum Beispiel E 124 in Gummibärchen). Cochenille kann auch zur Färbung von Ostereiern verwendet werden. Cochenille kann jedoch Allergien auslösen, daher ist seine Verwendung als Lebensmittelfarbstoff problematisch. In der Mikroskopie färbt man Zellkerne zur Kontraststeigerung mit Karmin rot an. Lippenstifte enthalten oft Cochenille als färbende Substanz. 23

2.2 Künstliche 2.2.1 Geschichte der Farbstoffchemie Die Grundlage für die Entwicklung der modernen Farbstoffchemie bildete die Entdeckung des Phenols und des Anilins in Steinkohlenteer durch den deutschen Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge im Jahre 1834. Etwa zwanzig Jahre später, im Jahre 1856, machte der 18jährige Student William Perkin in London eine zufällige Entdeckung. Eigentlich wollte er durch Oxidation von Anilin Chinin, ein fiebersenkendes Mittel, herstellen. Er erhielt eine schwarzviolette Masse, aus der er durch Extraktion mit Alkohol einen violetten Farbstoff isolieren konnte, den er Mauvein nannte. Perkins Farbstoff Mauvein ist der erste künstlich hergestellte Anilinfarbstoff. Er eignet sich besonders zur Färbung von Seide. Lyoner Seidenfärber prägten eine neue Modefarbe (mauve, malvenfarbig), die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliebt war. William Perkin gründete mit Vater und Bruder zur kommerziellen Nutzung seiner Entdeckung Mauvein mit großem Erfolg eine Fabrik für synthetische. In der Folgezeit verdrängen die aufkommenden, auf chemischem Wege hergestellten die ehemaligen Naturfarbstoffe fast vollständig vom Markt. 24

Entwicklungen und Erfindungen der Farbstoffchemie 1856 Perkin stellt erstmals Mauvein, einen Anilinfarbstoff, her. 1858 Anilinfarbstoff Magenta - in Frankreich hergestellt (benannt nach Stadt in Oberitalien, in deren Nähe im Jahr 1856 die französische Armee die österreichischen Truppen besiegte.) ab1863 Gründung von Farbstofffabriken (Bayer, Hoechst, BASF). 1868 Graebe und Liebermann gelingt die Synthese von Alizarin (künstlicher Krappfarbstoff ). 1877 Künstlich produziertes Alizarin überholt mengenmäßig das natürliche auf dem Weltmarkt. 1878 Dem deutschen Chemiker Baeyer gelingt die Indigosynthese. 1884 Böttiger entwickelt Kongorot, den ersten direktfärbenden Azofarbstoff. 1893 324 künstliche organische sind bekannt. 1896 Beginn der Indigoproduktion bei BASF. 1901 Indanthrenblau sehr wasch- und lichtbeständiger Farbstoff aus Anthrachinon. 1914 Der Marktanteil an natürlichem Indigo beträgt nur noch 4%. Synthetische Textilien wie Polyamid oder Polyester lassen sich in der Regel nicht von Naturfarbstoffen, sondern nur von künstlich hergestellten n wie den Reaktivfarbstoffen anfärben. Heute existieren tausende von künstlichen n. Fast alle werden wie die Synthetikfasern aus Erdölprodukten gewonnen. 25

Reaktivfarbstoffe enthalten eine Molekülgruppe, einen sogenannten Anker, der mit den OH-Gruppen der Zellulosefasern von Baumwolle eine neue chemische Verbindung bildet. Dies erklärt die hohe Wasch-, Licht- und Säureechtheit der Cibacron-. Entwicklungsfarbstoffe (z. B. Anilinschwarz) bilden die Farbe erst durch die chemische Reaktion des s mit der Textilfaser. 2.2.2 Blue Jeans Die Einführung des künstlichen Indigo im Jahre 1878 verhalf den um 1850 von dem Amerikaner Levi-Strauss auf den Markt gebrachten Jeans (siehe auch S.10) zu großem kommerziellem Erfolg. Vor 1878 waren Jeans noch relativ kostenaufwändig mit natürlichem Indigo gefärbt. Seit etwa 1970 kann jedes Textilmaterial mit künstlichen n so dauerhaft und preisgünstig gefärbt werden wie nie zuvor. Kleidung wird zur billigen Massenware. In der Ära der Wegwerfgesellschaft entsteht eine Gegenbewegung von Konsumverweigerern. Deren Erkennungszeichen: abgetragene, verwaschene Jeans. Die Nachfrage nach klassischen, mit Indigo gefärbten Jeans steigt rapide, Indigo (synthetisch nur noch von BASF produziert) wird knapp und teuer. Mit Indigo gefärbte klassische Jeans werden erheblich teurer als die mit dem preisgünstigen lichtechten Anthrachinon-Farbstoff Indanthren gefärbte Hosen. Durch ihre Indigofärbung heben sich bis heute teure Designer-Jeans von billigen Kaufhaus-Jeans ab. 26

2.2.3 Bezeichnung von n Die Bezeichnung von n kann erfolgen: nach chemischen Gesichtspunkten (wissenschaftliche Klassifizierung) nach dem Verhalten zur Faser und der anzuwendenden Färbetechnik (technische Klassifizierung) nach den Handelsnamen der verschiedenen Hersteller nach dem so genannten Color-Index hier sind fast alle in ein standardisiertes Code- System eingetragen. Color Index - Internationale Klassifizierung von Farbmitteln Jeder chemische Farbstoff und jedes Pigment hat eine internationale Zuteilungsnummer, die Color Index Nummer. Damit können Handelsnamen der verschiedenen Hersteller eindeutig klassifiziert und zugeordnet werden, z.b.: Acid-blue 25 = Acilan direct blue A (Bayer) = ERIO blue GRL (CIBA) Direct blue 76 = Sirius blue F4GA (Bayer) = Durazol blue 2GN (ICI) Pigment blue 15 = Paperblue BNL (CIBA) = Heliogen blue 6930 (BASF) 27

2.2.4 und Ökobilanzen Seit einiger Zeit stehen viele synthetische in der Diskussion, ob sie der Umwelt zumutbar sind. Bei ihrer Herstellung fallen zahlreiche giftige Zwischenprodukte an, die oft nicht zur Gänze verarbeitet werden können und als Abfälle in die Umwelt gelangen. Auf Grund dieser Probleme arbeiten neuerdings einige Hersteller daran, verstärkt Naturfarbstoffe und natürliche Bindemittel einzusetzen - insbesondere im Wohnbereich (z.b. Auro). Eine neue sanfte Chemie ist nach und nach im Entstehen, die nur nachwachsende Rohstoffe verwendet und sämtliche Abfälle in den Produktions- und Stoffkreislauf zurückzuführen sucht. Der blaue Engel : Erkennungszeichen für umweltverträgliche. 28

Literatur Margarete Bruns: Eva Heller: Das Rätsel Farbe. Materie und Mythos. Stuttgart 1997 (1998²) Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken, München 2000 Thomas Seilnacht: Das Lexikon der und Pigmente. 1995-2000 www.seilnacht.tuttlingen.com Hans Heinrich Vogt: Farben und ihre Geschichte. Stuttgart 1973 Norbert Welsch, Claus Chr. Liebmann: Farben. Natur, Technik, Kunst. Berlin 2003 29

Dieses Skriptum ist eine stark gekürzte Zusammenfassung von Einführungsvorträgen der Lehrveranstaltung Farbentheorie. Das Skriptum dient als Orientierungs- und Lernhilfe. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt nicht den Besuch der Lehrveranstaltung. Dr. Peter Stoeckl Design / Grafik und Werbung Universität für angewandte Kunst Wien peter.stoeckl@uni-ak.ac.at http://www.klassefuerideen.at/stoeckl_skript_farbentheorie.html 2016-12-28 30