Bindungen und Bindungsstörungen Hilfen für bindungsgestörte Kinder Anforderungen an Jugendhilfe und Pflegeeltern

Ähnliche Dokumente
Einführung in die Bindungstheorie sowie Diagnostik und Behandlung von Bindungsstörungen

Die Bedeutung von Bindung in Sozialer Arbeit, Pädagogik und Beratung

Sichere Bindungserfahrungen: Das Fundament einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung.

Bindungsstörungen bei älteren Kindern und Jugendlichen

Downloads Die Bedeutung der Bindung für die stationäre Betreuung von Kleinstkindern Folien und andere Informationen Karl Heinz Brisch

Bindung, Trauma und Bindungsstörung: Ursachen, Therapie und Prävention

Bindungsstörungen was ist das eigentlich?

Familie und Bindung: Prägung, Prävention, Schwachstellen

Das Kind und ich eine Bindung, die stärkt

Überblick. Alles Wachsen ist Veränderung. JOHN BOWLBY. Bindung und Beziehung. Basel, 10.September 2013

Vater-Mutter-Kind. Wie die Liebe Wurzeln schlägt. Karl Heinz Brisch

Übersicht. Homepage Bindungen von Kindern im Trennungs- und Scheidungskonflikt

Bindung. Definition nach John Bowlby:

Was brauchen Kinder unter Drei? Qualitätskriterien für familienunterstützende Angebote

Wie wichtig sind sichere Beziehungen? Über Kompetenz und Verletzlichkeit von Kleinkindern

Folien. Bindung und Jugend Bindungsstörungen, Therapie und Prävention. John Bowlby. Übersicht. Karl Heinz Brisch.

Jeannette Hollerbach. Diplom Pädagogin. Karl Heinz Brisch

Übersicht. Phasen der Schwangerschaft. Entwicklung des Kindes. Kinderschutz. Pränatale Angst der Schwangeren

Eltern-Baby-Beobachtung im Kindergarten und in der Schule Vorbeugung von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen

Ein Leitfaden zur Vermittlung von dem Aufbau einer sicheren Bindung zwischen der Betreuungsperson und dem Kind. (v. Lydia Oehling/ 2009)

Bindung und Sucht Dr.med. Nevena Vuksanovic

B.A.S.E. in Hessen! Copyright Karl Heinz Brisch München Alle Rechte vorbehalten.

Die Hauner Kinderschutzgruppe

Sogenannte Schreibabys im Kontext von Bindungstheorie, Selbstpsychologie, Psychosomatik und Psychoanalyse

Die Bedeutung der sicheren Eltern-Kind- Bindung als Schutzfaktor vor Gewaltentwicklung

HfH Interkantonale Hochschule für Pädagogik Trauma und Lernen 16./17.Mai 2014

Therapeutische Hilfen für traumatisierte Paare mit ihren Kindern

Frühe Bindungserfahrungen Bedeutung für die Entwicklung, Therapie und Prävention von Suchterkrankungen

Frau. Bindung. Sucht. Sucht. Bindung.

Glückliche Kinder durch sichere Bindung

Bindungen stärken bei kindlichem Stress und in Risikokonstellation Regensburger Fachtagung - Frühe Hilfen April 2015

Die Bedeutung von Bindung und Trauma bei der Entstehung von ADHS Karl Heinz Brisch

"Bindung als Voraussetzung für gesunde kindliche Entwicklung"

Dr. Ludger Kotthoff Narben sexueller Gewalt. Psychische Folgen der Traumatisierung

Auswirkung der psychischen Erkrankung der Eltern auf die Beziehungsgestaltung mit den Kindern

Bindung und Beziehung im Kontext von Kindeswohlgefährdung

Grundlagen und Anwendung der Bindungstheorie in der Beratung und Psychotherapie. Karl Heinz Brisch

Die Bedeutung von Bindung im Kontext der Familienbildung

Trauma und Sucht Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung

SAFE AUSBILDUNG. Modellprojekt zur Förderung F Bindung zwischen Eltern und Kind im Landkreis Altötting. Januar 2008 bis Januar 2009

BESCHÄDIGTE KINDHEIT Ein traumatherapeutischer Blick auf die komplexe Entwicklungsstörung nach Frühtraumatisierung

Inhalt. 1 Basiswissen

Bindungsstörung bei psychisch kranken Eltern

Bindung - Trennung. InfoserviceVollzeitpflege, LJA Brandenburg 1 von 5

Mythos Vater zur Bedeutung abwesender und anderer Väter

Bindung und Beziehung als Motor in der frühkindlichen Entwicklung Dr. med. Edelhard Thoms, Leipzig

Forum Suchtmedizin Ostschweiz Regionalkonferenz Ost 14. August Sucht und Trauma. Dr. med. Thomas Maier

ICH, LIEBE UND TRAUMA IM PÄDAGOGISCHEN ALLTAG

Wir über uns. Informationen zur Station 0.2// Mutter-Kind-Behandlung // Kompetent für Menschen.

Trauma und Traumafolgestörung bei Kindern und Jugendlichen

Diagnostik von Traumafolgestörungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Grundannahmen der Bindungstheorie Das Bindungs und das Explorationssystem

Folgen von Traumatisierungen in nahen Beziehungen - Therapeutischer Umgang mit der "inneren Not"

Bindungsorientierte Pädagogik

Diagnostik der Bindungsqualität. Einführung in die Diagnostik der Frühen Bildung und Frühförderung

Psychotherapie. noch einmal zur Erinnerung! Posttraumatische Belastungsstörungen

Umgang mit Bindungsstörungen im sozial- und heilpädagogischen Alltag - Herausforderung zur Selbstentwicklung

Die Bedeutsamkeit der Eltern-Kind-Bindung und deren Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern

Traumatisierte Paare und ihre Kinder - Auswirkungen auf Bindung und Entwicklung

Dissoziative Störungen, Konversionsstörungen

Gewalterfahrungen und Trauma bei Flüchtlingen

Entwicklungsförderung in Kindertagesstätten: Die Bedeutung der Bindungsentwicklung

Wie viel Mama, wie viel Papa? Bindung und Umgang nach elterlicher Trennung

Traumapädagogik als Pädagogik der Selbstbemächtigung von jungen Menschen Wilma Weiß

Das Baby verstehen. das Handbuch zum Elternkurs für Hebammen. von Angelika Gregor und Manfred Cierpka

Das Symbiosetrauma. Systemische Therapie im Kontext von Trauma und Bindung. Steyerberg, 11. September

Traumatherapie und Behandlungsmodelle Dr.Meusers, Dr. Schmidt Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke

Macht Eure Welt endlich wieder mit zu meiner...

Traumatischer Stress in der Familie

Elterliche psychische Erkrankung, Erziehungsfähigkeit und kindliche Entwicklung

Arbeit mit traumatisierten. Inneren Stimmen

Gesundheitsförderung in der Geburtshilfe: Über den Zusammenhang von Stillförderung, Bonding und Familiengesundheit

Der präventive Auftrag in den Frühen Hilfen aus der Sicht bindungstheoretischer Erkenntnisse

Liebe and Trauma. Wie beides Menschen miteinander verbindet und wie es sie voneinander trennt. Groesbeek 11. Juni

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Psychische Gesundheit stärken. Dr. med. Edelhard Thoms

Die Psychodynamik der Täter-Opfer-Spaltung

Die fundamentale Bedeutung der Mutter-Kind-Bindung für seelische Gesundheit und Krankheit

Anna Freud (1952) - Harvard Lectures

Die Schläge, die meine Mama bekam, spürte ich in meinem Bauch

Sucht und Trauma. Die schwarzen Brüder

Funded by Fonds Gesundes Österreich

Praxis für Psychotherapie (für Erwachsene) Elternberatung für Säuglinge und Kleinkinder von 0 bis 3 Jahren

"Krankheit und Heilung - Irrwege, Umwege, Auswege" Die Sichtweise der mehrgenerationalen systemischen Psychotraumatologie (MSP)

Mutter-Kind-Bindung, neue Ergebnisse, Risikofaktoren und Korrekturmöglichkeiten Stuttgart, 15. Oktober Prof. Dr. Gabriele Gloger-Tippelt

Was ist ein Seelisches Trauma? Welche Psychotherapie ist hilfreich? Franz Ruppert Seelische Traumata

Werner Dirrigl SICHERE BINDUNGEN IM BILDUNGSPROZESS

Emotionen und Bindung bei Kleinkindern Entwicklung verstehen und Störungen behandeln (Beltz 2011)

Umgang mit traumatisierten Geflüchteten. Referentin: Dipl. Psych. Ursula Meier-Kolcu Datum:

Frühkindliche Bindungs- erfahrung und Persönlichkeits- entwicklung. Dr.Jürgen Wettig Ltd.Abteilungsarzt ZSP Rheinblick Eltville

Das menschliche Gehirn

- Traumapädagogik in der Praxis

eine Hochrisikopopulation: Biographien betroffener Persönlichkeiten

Alter und Trauma. Prof. Dr. med. Gabriela Stoppe 16. November 2016

Pflegeeltern gesucht!

Therapie der posttraumatischen Belastungsstörung

Wir sollten lernen. mit den Augen. des Kindes zu sehen. mit den Ohren. des Kindes zu hören. mit dem Herzen. des Kindes zu fühlen.

Die Prävalenz traumatischer Erfahrungen, Posttraumatischer Belastungsstörung und Dissoziation bei Prostituierten

Psychologische Beratungsstelle im Treffpunkt Familie, Hof. Jugend- und Familienhilfe Marienberg Psychologische Beratung ggmbh

Transkript:

Bindungen und Bindungsstörungen Hilfen für bindungsgestörte Kinder Anforderungen an Jugendhilfe und Pflegeeltern Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität

Übersicht Zusammenfassung der Bindungstheorie Trauma und Bindungsstörungen Diagnostik und Therapie Prävention Videobeispiele

John Bowlby "Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet."

Bindung zum Überleben Bindung ist für das Leben so grundlegend wie Luft zum Atmen und Ernährung Die emotionale Bindung sichert das Überleben und die Entwicklung des Säuglings

Bindungstheorie John Bowlby Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings Die Bindungsperson ist der sichere emotionale Hafen für den Säugling

Bindungstheorie I Durch Angst und Trennung wird das Bindungsbedürfnis aktiviert Durch körperliche Nähe zur Bindungsperson wird das Bindungsbedürfnis wieder beruhigt Die primäre Bindungsperson muss nicht die leibliche Mutter/Vater sein

Bindungstheorie II Das Bindungsbedürfnis steht im Wechsel mit dem Erkundungsbedürfnis Wenn das Bindungsbedürfnis beruhigt ist, kann der Säugling die Umwelt erkunden

Feinfühligkeit Die Pflegeperson mit der größten Feinfühligkeit in der Interaktion wird die Hauptbindungsperson für den Säugling große Feinfühligkeit fördert eine sichere Bindungsentwicklung

Feinfühligkeit Die Pflegperson muss die Signale des Säuglings wahrnehmen richtig interpretieren angemessen reagieren prompt reagieren

Sprachliche Interaktion Förderung einer sicheren Bindung durch die Verbalisierung der inneren Welt der affektiven Zustände der Handlungszusammenhänge des Säuglings

Rhythmus der Interaktion in Handlung und Sprache Förderung einer sicheren Bindung durch Wechselseitige Abstimmung in der Mutter- Säuglings-Interaktion und Kommunikation Korrektur von Missverständnissen unsichere Bindung über-synchrone Interaktion und Kommunikation absolut asynchrone Interaktion

Blickkontakt Blickkontakt mit gelungener Affektabstimmung (Intersubjektivität) zwischen Säugling und Pflegeperson fördert die sichere Bindungsentwicklung

Berührung Feinfühlige Berührung und Körperkontakt zwischen Pflegeperson und Säugling fördert die sichere Bindungsentwicklung

Persönlichkeit von Pflegepersonen hilfreiche Eigenschaften für die sichere Bindungsentwicklung von Kindern Feinfühligkeit Emotionale Verfügbarkeit Verarbeitung von eigenen Traumata bevor Pflegearbeit mit Kindern Ressourcen

Videobeispiel Mutter-Kind-Interaktion Spielen Wickeln Füttern Split-Screen-Technik

Bindungsqualitäten I sicher (ca. 65%) unsicher vermeidend (ca. 25%) ambivalent (ca. 10%)

Bindungsqualitäten II Organisierte vs. Desorganisierte Bindung Organisiert (sicher, unsicher) (ca. 80-90%) Desorganisiert (ca. 10-20%) Nach Trauma Eltern (ca. 75-80% desorganisiert)

Inneres Arbeitsmodell der Bindung Verinnerlichung der verlässlichen Bindungsinteraktionen führen zu organisiertem stabilen Bindungs-Arbeitsmodell (Repräsentation von Bindung) Sichere Bindung Unsichere Bindung (vermeidend, ambivalent) Desorganisierte Bindung Mehrere sich widersprechende Arbeitsmodelle

Hierarchie der Bindungspersonen (Bindungspyramide) Hauptbindungsperson wird bei größtem Stress aufgesucht Kann am besten beruhigen Nachgeordnete Bindungspersonen Können bei kleinerem Stress trösten Werden als Ersatz für Hauptbindungsperson akzeptiert, wenn diese nicht verfügbar ist

Psychopathologie UNSICHERE Bindung ist KEINE Psychopathologie DESORGANISIERTE Bindung ist beginnende Psychopathologie BINDUNGSSTÖRUNG ist fixierte frühe Psychopathologie

Bindung und psychische Entwicklung Sichere Bindung SCHUTZ Un-sichere Bindung RISIKO

Folgen der Bindungsentwicklung (1) Sichere Bindung Schutzfaktor bei Belastungen Mehr Bewältigungsmöglichkeiten Sich Hilfe holen Mehr gemeinschaftliches Verhalten Empathie für emotionale Situation von anderen Menschen Mehr Beziehungen Mehr Kreativität Mehr Flexibilität und Ausdauer Mehr Gedächtnisleistungen und Lernen

Folgen der Bindungsentwicklung (2) Un-Sichere Bindung Risikofaktor bei Belastungen weniger Bewältigungsmöglichkeiten Lösungen von Problemen eher alleine Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten weniger Beziehungen Mehr Rigidität im Denken und Handeln Weniger prosoziale Verhaltensweisen schlechtere Gedächtnisleistungen und Lernen Störungen in der Sprachentwicklung

Verhalten des Kindes bei desorganisierter Bindung Widersprüchliches und rasch wechselndes Verhalten zwischen Nähesuche, Vermeidung, Ignorieren der Bindungsperson Stereotype motorische Verhaltensweisen Motorisches Einfrieren (Freezing) Trance, Dissoziation Aggressive Affektausbrüche Wut Selbstverletzung Aggression gegen andere Personen oder Gegenstände Unterwasser-Bewegungen (verlangsamte Motorik) Akute Körpersymptome, Schmerzen

Desorganisierte Bindung Beginnende Psychopathologie in Bindungsbeziehungen als Mischung aus Episoden von Normalität in Bindungssituationen Episoden mit Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten

Bindung zwischen den Generationen Zusammenhang zwischen dem Bindungsmuster der Pflegeperson und der Bindungsqualität der Kinder sichere Pflegeperson mit sicheren Kindern Mutter-Kind ca. 75% Vater-Kind ca. 65% unsichere Pflegeperson mit unsicheren Kindern traumatisierte Pflegeperson mit desorganisierten Kindern Bindungsgestörte Pflegeperson mit bindungsgestörten Kindern

Motivationale Systeme zum Überleben Erfüllung physiologischer Bedürfnisse Luft zum Atmen, Wärme, Durst, Hunger, Bindung Exploration Sensorische Stimulation Alle Wahrnehmungssinne Sensorisch-sexuelle Stimulation Selbsteffektivität Abwehr und Vermeidung von aversiven Reizen Schmerz Integration der Motivationalen Systeme in Netz von sozialen Beziehungen in der Gruppe

Bindungs-Beziehung Inter-Subjektivität Bindung Physiologische Bedürfnisse Exploration Inter-Subjektivität Sensorischsexuelle Stimulation Selbstwirksamkeit Vermeidung von negativen Reizen

Ursachen von Bindungsstörungen Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen Massive Vernachlässigung Emotionale Gewalt Häufig wechselnde Bezugssysteme Multiple Verluste von Bezugspersonen Sexuelle Gewalt Körperliche Gewalt

Auslöser ( Trigger ) für Trauma-Erinnerung Bindungspersonen werden durch Verhalten der Kinder an eigenes Trauma erinnert Trigger im Verhalten des Säuglings, Kindes, Jugendlichen Bindungswünsche, Nähe Weinen, Kummer, Schmerz, Bedürftigkeit Ablösung, Abgrenzung Trigger in der affektiven Erregung unbewusste Vorgänge!!!

Re-Inszenierung des Traumas In der Interaktion mit dem Säugling Zurückweisung der Nähewünsche -Vermeidung Gewalt Abrupte Handlungsabbrüche Überstimulation (sexuell-sensorisch) In der affektiven Kommunikation Übertragung der Trauma-Affekte Wut, Scham, Erregung

Folgen von Bindungsstörungen I Zerstörung der sicheren emotionalen Basis Verlust von emotionaler Sicherheit und Vertrauen mangelnde Beziehungsfähigkeit Hochgradige Verhaltensstörung in bindungsrelevanten Situationen

Folgen von Bindungsstörungen II psychosomatische Störungen aggressives Verhalten im Konflikt Defizite in den kognitiven Möglichkeiten Störung in der Entwicklung des Gehirns Weitergabe an die nächste Generation

Neurobiologie Veränderungen nach Trauma 1. Stufe der Bewältigung Suche nach Bindungsperson Sicherheit, Beruhigung 2. Stufe der Bewältigung Aktivierung von archaischen Notfallreaktionen Flucht oder Kampf Erstarrung Ohnmacht und Hilflosigkeit Langanhaltende Stimulation der Hormonsysteme für Stresshormone

Bindungsstörungen ohne Bindung Promiskuität Übererregung Hemmung Aggression Unfall-Risiko Rollenwechsel Psychosomatik

Bindungsstörungen ohne Bindungszeichen keine Suche nach Hilfe oder Bindungsperson in Gefahr oder bei Aktivierung von Angst kein Trennungsprotest extreme Vermeidung von Beziehung Rückzug in Isolation

Bindungsstörungen Promiskuität Pseudo-Bindung an jede verfügbare Person Suche nach Nähe in Gefahr und bei Angst Bindungsperson beliebig austauschbar keine echte spezifische Bindungsperson keine sichere emotionale Basis

Bindungsstörungen Übererregung Kaum Trennung möglich Kind bewacht seine Bindungsperson Kleine Trennungen führen zur Übererregung Spiel nur in der Nähe der Mutter Auch in höherem Alter (Kiga, Schule)

Bindungsstörungen Hemmung Hemmung, die Bindungsperson als sichere Basis bei Angst und Gefahr zu nutzen in Abwesenheit der Bindungsperson zeigt Kind Bindungsverhalten und spezifische Bindungssuche zu fremden Personen

Bindungsstörungen Aggression ambivalente Bindungsnähe wird durch aggressive Verhaltensweisen hergestellt Verkennung des Bindungswunsches durch andere Personen aggressive Antwort auf Bindungswunsch Ablehnung steigert Angst Spirale

Bindungsstörungen Unfall-Risiko spektakuläre Risikosituation mit Aktivierung der Aufmerksamkeit der Bindungspersonen Inszenierung von Unfällen Reaktion der Bindungsperson nur bei maximaler Gefahr für ihr Kind kein Lerneffekt aus Unfallerfahrung

Bindungsstörungen Rollenwechsel Kind muss sichere emotionale Basis für erwachsene Bindungsperson sein Umkehrung in den Rollen Kind hat kein Vertrauen, potentielle Bindungspersonen in Angst und Gefahr zu nutzen

Bindungsstörungen Psychosomatik Deprivation mit physiologischer Dysregulation psychogene Wachstumsretardierung Störungen der Eltern-Kind-Interaktion Schreistörung Schlafstörung Essstörung

Diagnostik I Bindungs-Trauma-Anamnese Suche nach Auslösern für Aktivierung des Bindungssystems durch Traumaerfahrungen

Diagnostik II Fremde-Situations-Test für Säuglinge (12 bis 19 Monate) Trennungs-Test für Vorschulkinder (2-6 J.) Puppenspiel (3-12 J.) - Geschichtenergänzung Kinder-Bindungsinterview (CAI) (13-16 J.) Erwachsenen-Bindungsinterview (AAI) Erwachsenen-Bindungsprojektions-Test (AAP)

Warum Deprivationssymptome? Frühe emotionale und soziale Mangelversorgung ist ein großer Stress für die Gehirnentwicklung (sequentielle Traumatisierung) Stress durch multiple Trennungen Großer Stress hemmt neuronale Wachstumshormone Studien Pränataler Stress und Frühdeprivation

Symptome bei Deprivation Entwicklungsverzögerung in allen Bereichen Kleinwuchs Kleiner Kopfumfang Stereotypien und Selbststimulation Autismus ähnliche Symptome Bindungsstörungen Fremd- und Selbstaggressivität

Schwere der Schädigung Je vertrauter der Ort und je eindeutiger das Trauma durch die Bindungsperson verübt wird, desto größer ist die Erschütterung und Zerstörung des sicheren emotionalen Hafens (psychische Repräsentation / Arbeitsmodell) Schutzfaktor: wenigstens eine sichere frühe stabile Bindungsbeziehung

Folgen von Bindungsstörungen - Schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls mangelnde Beziehungsfähigkeit weniger pro-soziales Verhalten im Konflikt Geringe Stresstoleranz bei Belastungen Risiko für psychosomatische Störungen Risiko für dissoziative Erkrankungen Gefahr von Missbrauch und Misshandlung Weitergabe an die nächste Generation

Bindung und Pflege I Trennung von den leiblichen Eltern zum Schutz des Kindes nach traumatischer Erfahrung Beruhigung des kindlichen Bindungsbedürfnisses Chance für neue Erfahrung der Bindungssicherheit mit Pflegeeltern Räumlich Körperlich Emotional Sozial

Bindung und Pflege II Heilung von Bindungsstörungen Neuerfahrung von Sicherheit in Pflegebeziehungen Kontinuität und Dauer Pflegeeltern werden neue Bindungspersonen Schutzfaktor für spätere Lebensbelastungen Eigene Psychotherapie für Kind Supervision und Sicherheit für Pflegeeltern

Bindung und Pflege III Störung der Bindungsentwicklung durch Angst des Kindes vor Rückführungsdrohung Erzwungene Besuchskontakte Umgangsrecht der leiblichen Täter-Eltern

Bindung und Pflege IV Störung des Heilungsprozesses Fehlende rechtliche Sicherheit für Pflegeltern Keine emotionale Sicherheit durch fehlende Supervision Drohende Trennung von Pflegekind aktiviert Bindungssystem der Pflegeltern Emotionale Distanzierung Emotionale Verstrickung

Bindung und Besuchskontakt Besuchskontakt und Umgang mit leiblichen Eltern nach Trauma-Erfahrung mit diesen Täter-Eltern Angst beim Kind Aktivierung von pathologischen Bindungsmustern als Bindungsstörungen Re-Traumatisierung Begleitung des Umgangs gibt keine emotionale Sicherheit Sicherheit nur durch Kontaktsperre mit Tätern

Bindung und Rückführung I Rückführung planbar Wenn leibliche Eltern in einer langfristigen Psychotherapie Wenn leibliche Eltern keine Täter- Psychopathologie mehr zeigen Wenn nachweisbar bei leiblichen Eltern psychische Heilung entsteht

Bindung und Rückführung II Rückführung planbar Wenn Kontakt zu leiblichen Eltern keine Bindungsstörung beim Kind aktiviert Wenn räumliche, körperliche, emotionale und soziale Sicherheit für Kind Wenn langfristige Vorbereitung Wenn sich eine sichere Bindung zu leiblichen Eltern zu entwickeln beginnt

Voraussetzungen für Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern Äußere und innere Sicherheit für Pflegepersonen Pädagogische-therapeutische Ausbildung Selbsterfahrung, Selbsterfahrung, Selbsterfahrung Anstellungsvertrag Ausreichend Gehalt Sichere Räume Wenige Kinder Team Supervision für Team und Einzelfall Ressourcen, Ressourcen, Ressourcen Gesellschaftliche Anerkennung

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern Keine abgegrenzten Phasen Keine lineare Entwicklung Bindungsaufbau wie "Achterbahn-Erfahrung" Verzögerung Beschleunigung Absturz ins Wasser Looping Vor- und Zurück Nicht-Aussteigen-können Angst, Panik,Todesangst Verlust der Beziehung zur Realität Psychosomatische Symptome

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern I Alle Muster der Bindungsstörung in bindungsrelevantem Kontext Besondere Probleme für Pflege Pseudo-Normalität Grenzverletzungen Aggressivität Dissozialität Sexualisierung Körperliche Symptome - Somatisierung

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern II Kinder zeigen etwas von ihrer inneren Not Angst Alpträume Intrusionen Flashbacks Psychosomatische Beschwerden Essstörungen Schmerzen Dissoziative Symptome

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern IIII Kinder bringen ihre Not vorsichtig in die Beziehung zur Pflegeperson Weinen Körperkontakt Trost Angst vor Verlassenwerden Trennungsschmerz

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern IV Kinder verbalisieren akute Not Narrative des akuten Erlebens Kinder verbalisieren vergangene Not Narrative Fragmente von erlebten Traumata

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern V Wiedererleben von wachgerufenen, alten Affekten und emotionalem Schmerz in der schützenden haltenden Pflegebeziehung Neuerfahrung des sicheren emotionalen Hafens mit Pflegeperson bei Angst und Schmerz Entwicklung von Bindungssicherheit Vertrauen, Schutz, Beruhigung, Suche nach Nähe

Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern VI Exploration der Welt Neue Beziehungen innerhalb und außerhalb der Pflegebeziehungen Empathische Situationen mit anderen Trennungen werden möglich ohne traumatische Situationen

Indikation für Psychotherapie Unverarbeitete Traumatisierung Bindungsstörung Schwere psychosomatische Störung

Voraussetzung für Psychotherapie Sicherer Rahmen Äußerlich Verlässliche Strukturen kein Kontakt mit Täter Innerlich Stabilisierung zur Stress und Affektregulation

Therapie von Bindungsstörungen Phase 1 Herstellung einer sicheren emotionalen therapeutischen Bindung Therapeutische Feinfühligkeit Bindungsstörungen mit bizarren Interaktionsmustern

Therapie von Bindungsstörungen Phase 2 Exploration der Lebensgeschichte Erfahrungen von Trennung Verlust Trauma

Therapie von Bindungsstörungen Phase 3 Wiederbelebung in der Übertragung Neue Bindungserfahrung Trennungserfahrungen mit Therapeuten Trauerarbeit Bearbeitung der Realtraumata

Therapie von Bindungsstörungen Phase 4 Veränderung von Realbeziehungen Trauerarbeit Veränderung der Bindungsrepräsentation Earned secure = erworbene Bindungssicherheit

Therapie von Bindungsstörungen Phase 5 Abschied in der Therapie - Exploration Intervallbehandlung Sichere emotionale therapeutische Beziehung wird nicht aufgelöst Kürzere Behandlungsphasen zu späteren Zeiten Rückgriff auf therapeutische Beziehung

Ziel der Therapie Verarbeitung von bedrohlichen, angstmachenden, erregenden Affekten Gewinnung von Selbstkontrolle über Affekte Entwicklung von Sicherheit

Methoden der Therapie Viele "Handwerkzeuge" Einzeltherapie Gruppentherapie Gespräch Spiel Musik, Kunst, Bewegung Traumatherapie (EMDR)

Prävention von Bindungsstörungen Förderung der elterlichen Feinfühligkeit Schulung über Bedeutung der sicheren Bindung Verhinderung von unvorbereiteten Trennungen Vermeidung von Traumatisierung Behandlung nach Traumaerfahrung

SAFE SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN Modellprojekt zur Prävention von Bindungsstörungen Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität

SAFE - Mentor- Multiplikatoren Weiterbildung in SAFE für Menschen, die mit Schwangeren, Eltern und Säuglingen arbeiten Schwangerschaftsberaterinnen Hebammen und Stillberaterinnen Krankenschwestern Geburtshelfer Psychologen Kinderärzte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Pädagogen Sprachheilpädagogen und Sprachtherapeuten

B.A.S.E. B A S E Babywatching Ein Präventionsprogramm zur Vorbeugung von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität = Babywatching = Against Aggression and Anxiety = For Sensitivity = For Empathy

Internationale Konferenz 30. Nov. - 02. Dez. 2007 Wege zu sicheren Bindungen in Familie und Gesellschaft Prävention, Begleitung, Beratung und Psychotherapie Karl-Heinz.Brisch@med.uni-muenchen.de http://www.theodor-hellbruegge-stiftung.de

John Bowlby (1980) Emotionale Bindungen an andere Menschen sind der Dreh- und Angelpunkt im Leben eines Menschen, nicht nur in der Säuglingszeit oder im Kindergartenalter, sondern auch in der Schulzeit und Jugend sowie im Erwachsenleben bis ins hohe Alter. Aus diesen emotionalen Bindungen schöpft ein Mensch Kraft und Lebenszufriedenheit, und er kann hieraus auch wieder anderen Menschen Kraft und Lebensfreude schenken. Dies sind Themen, in denen sich die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und traditionaler Weisheit treffen und übereinstimmen. Wir hoffen daher, dass unser gegenwärtiges Wissen trotz aller Unzulänglichkeiten schon umfassend genug sein möge, um uns in unseren Anstrengungen zu leiten, denjenigen zu helfen, die bereits große psychische Schwierigkeiten haben und noch mehr andere Menschen davor zu bewahren, solche Schwierigkeiten erst gar nicht zu bekommen. In J. Bowlby (1980) Attachment and loss. Vol. III: Loss: Sadness and depression (pp. 442). New York: Basic Books.

Literatur Brisch, K. H. (1999) Bindungsstörungen. (7. Auflage, 2006), Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K.H., Grossmann, K.E., Grossmann, K., Köhler, L. (Hrsg.) (2002). Bindung und seelische Entwicklungswege. (2. Auflage, 2006) Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K. H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (2003) Bindung und Trauma. (2. Auflage, 2006) Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (2006) Kinder ohne Bindung. Stuttgart, Kett-Cotta Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (2007) Die Anfänge der Eltern-Kind-Bindung. Stuttgart, Kett-Cotta Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (im Druck) Der Säugling Bindung, Neurobiologie und Gene Stuttgart, Kett-Cotta