Brustkrebs Screening mittels Mammographie : Contra oder «a case for reasonable doubts»

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Transkript:

Brustkrebs Screening mittels Mammographie : Contra oder «a case for reasonable doubts» Marcel Zwahlen Institut für Sozial- und Präventivmedizin Universität Bern www.ispm.ch

Conflict of Interests «Offiziell» habe ich keine deklariert und bin bei keinem Screeningprogramm direkt involviert Ich bin mitverantwortlich für das Kapitel Krebsfrüherkennung im Nationalen Krebsprogramm 2011 2015 Ich bin mitverantwortlich des Mammografie- Monitoring Berichts der Jahre 2010 / 2011 von swiss cancer screening Ich bin Mitautor eines Kapitels über Screening in einem Public Health Lehrbuch Ich bin Erstautor eines Positionspapiers der Schweizerischen Krebsliga zur Mammografie im Jahr 2002 ; ich war damals Angestellter der Schweizerischen Krebsliga

Screening vs. diagnostisches Testen Diagnostisches Testen / Abklärung betrifft Menschen mit Symptomen / Leiden Screening betrifft Menschen, die sich gesund fühlen Primum non nocere! Stigmatisierung, falsch positive Resultate Jede unerwünschte Wirkung ist iatrogen und 100% verhütbar

Ziel der Vorsorgeuntersuchung Risikomarker / Vorstufen nachweisbar Frühe Diagnose Zeit Frühe Therapie Prävention von Langzeitkomplikationen / Tod

Enthusiasmus für Screening Most women with breast cancer could be saved by detection with mammography Mammography helps your doctor see the breast cancer when the cure rates are near 100% American Cancer Society

Abklärung auffälliger Befunde ( falsch-positive Befunde) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau Brustkrebs hat ist 0.3% ( 3 pro 1000) Wenn die Frau Brustkrebs hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer auffälligen Mammographie 85% (Sensitivität) Wenn die Frau keinen Brustkrebs hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer auffälligen Mammographie 3% (Rate falsch-positiver Resultate).

Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau nach auffälligem Mammogramm Brustkrebs hat? Resultat = 26 / 325 = 8% Positiv prädiktiver Wert 10'000 Frauen kein BK 9970 299 positiver Test negativer Test 30 Haben BK 26 4 positiver Test negativer Test

Mammografiescreening in der Schweiz, Swiss Cancer Screening, 2014 Positiver prädiktiver Wert variiert nach Alter und Screeningrunde

Überdiagnose Wenn die durch Screening entdeckte Erkrankung nie Symptome oder den Tod verursacht hätte. Tumor, der nie progredient verlaufen wäre oder sich evtl. zurückgebildet hätte. Langsamwachsender Tumor, so dass die betroffenen PatientInnen aus einem anderen Grund sterben, ohne dass ihr Tumor symptomatisch geworden wäre

Welch & Black JNCI 2010: 102: 605-613

BMJ 2014: 348; g366 Screening years Fifteen years after enrolment, the excess became constant at 106 cancers.

Wann nützt ein Screening?

Eine neue Studie zeigt folgende statistisch signifikanten Resultate bei Krebspatienten - 95% überlebten 5 Jahre nach der Diagnose, nachdem der Krebs durch ein Screening vor Auftreten von Symptomen entdeckt worden war. - 65% überlebten 5 Jahre nach der Diagnose, nachdem der Krebs aufgrund von auftretenden Beschwerden entdeckt worden war. Würden Sie das Screening für diesen Krebs empfehlen?

Synapse Oct 2014 der Ärztegesellschaft Baselland

Fallstricke bei der Evaluierung von Screening Programmen Naive Vergleiche von PatientInnen mit Tumoren, die durch Screening entdeckt wurden mit PatientInnen mit klinischen Manifestationen sind irreführend und unbrauchbar Lead Time Bias Length Bias Healthy Screenee Bias

Therapeutische Umschau 2013; 70 (4): DOI 10.1024/0040-5930/a000390

Mortalität aller Ursachen ausser Brustkrebs in der HIP Mammografie-Studie (New York 1963) Mortalität / 10 000 Screening Gruppe Teilnahme verweigert: 86 Teilgenommen: 42 Total 57 Kontroll-Gruppe 58 Shapiro et al. Evidence on screening for breast cancer from a randomized trial. Cancer 1977; 39 (6 Suppl):2772-2782.

Lead time bias Der Diagnosezeitpunkt wird vorverlegt, dadurch wird die Überlebenszeit scheinbar verlängert Length bias Langsam wachsende Tumore werden beim Screening eher entdeckt als die bösartigeren rasch wachsenden Tumore Healthy screenee bias TeilnehmerInnen an Screening-Programmen sind in der Regel gesünder als Nicht-TeilnehmerInnen Naive Vergleiche des Überlebens unbrauchbar Daten von gross angelegten randomisierten Studie mit Vergleichsgruppe sind nötig

Eine randomisierte Studie bei initial gesunden Personen zeigt folgende statistisch signifikanten Resultate - In der Screening Gruppe verstarben pro 1000 Personen 8. - In der Gruppe ohne Screening vestarben pro 1000 Personen 10. Würden Sie das Screening empfehlen?

Daten von gross angelegten randomisierten Studie mit Vergleichsgruppe sind nötig Mortality HR 95% CI Colorectal cancer (verified) 0 68 (0 59 0 80) Non-colorectal cancer causes (verified) 0 99 (0 96 1 02) All-cause 0 97 (0 94 1 00)

Mammographie Screening in der CH 1300-1400 Brustkrebs-Todesfälle pro Jahr 500-600 Todesfälle in der Altergruppe 50-74 20% relative Reduktion der Brustkrebsmortalität, heisst: 100-120 Todesfälle könnten maximal pro Jahr vermieden werden Independent UK Panel Report, Lancet 2012; 380:1778-86 Daten basieren hauptsächlich auf Cochrane Review von Gøtzsche & Jørgensen 2011.

Information über die Mammographie Wird in erster Linie von den «OrganisatorInnen» des Screenings betrieben Zielkonflikt Klare Information zur Entscheidungsfindung Information, die zur Teilnahme überzeugen soll

1000 Frauen ohne Screening Über 10 Jahre mit 5 Mal Mammografie 1000 Frauen mit Screening 200 Frauen müssen eine auffällige Mammographie abklären lassen 20 Frauen erhalten Brustkrebsdiagnose 24 Frauen erhalten Brustkrebsdiagnose (Bei 4-7 Frauen wird der Brustkrebs nicht im Screening entdeckt) 15 Frauen sterben nicht an Brustkrebs 5 Frauen sterben an Brustkrebs 32 Frauen sterben an einer anderen Krankheit als an Brustkrebs 20 Frauen sterben nicht an Brustkrebs 4 Frauen sterben an Brustkrebs 32 Frauen sterben an einer anderen Krankheit als an Brustkrebs Ein Brustkrebstodesfall weniger in der Screening Gruppe

Führt das Screening auch wirklich zu insgesamt weniger Todesfällen? Deaths from other causes than breast cancer Jüni & Zwahlen. Ann Int Med 2014; 160: 864-6

Deaths from all causes Jüni & Zwahlen. Ann Int Med 2014; 160: 864-6

Meine Einschätzung des Mammographie Screenings (I) Das Mammografie-Screening reduziert die Brustkrebssterblichkeit, ist jedoch mit beträchtlichem Aufwand und unerwünschten Wirkungen verbunden. Es bestehen Zweifel, ob die Gesamtsterblichkeit wirklich gesenkt wird. Zudem stellen sich Fragen zur Übertragbarkeit der Resultate der vorliegenden RCT auf heute aufgrund Veränderterter Mammographie Technologie Verändertert Behandlung des Brustkrebs (auch nach klinischer Diagnose)

Meine Einschätzung des Mammographie Screenings (II) Die «moderneren» Daten und Resultate aus den Implementierungen des Mammographie-Screenings sind kaum schlüssig zu interpretieren (Monitoring, Fall- Kontroll-Studien, etc..) Ann Int Med 2014: 160: 864-6