Aufsichtsrats-Score. Studie zu Effizienz, Besetzung und Transparenz deutscher Aufsichtsräte Prof.Dr. Ruhwedel Dezember 2011

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Transkript:

Aufsichtsrats-Score Studie zu Effizienz, Besetzung und Transparenz deutscher Aufsichtsräte Prof.Dr. Ruhwedel Dezember 2011

Die vorliegende Studie Aufsichtsrats-Score zeigt, dass die Funktionsfähigkeit von Aufsichtsräten in den vergangenen Jahren bei den DAX-30-Gesellschaften zum Teil deutlich zugenommen hat, jedoch weiterhin Defizite bei der Arbeitsweise und Besetzung der Gremien bestehen. Die DAX-Konzerne erfüllen derzeit 65,6% der für den Aufsichtsrats-Score formulierten Anforderungen 1. Zukünftig wird es verstärkt darauf ankommen, die bestgeeigneten Mitglieder für den Aufsichtsrat zu gewinnen. Dies erfordert die Berücksichtigung eines breiten Pools möglicher Kandidaten und Kandidatinnen aus dem In- und Ausland. Hierzu müssen geeignete Nominierungsprozesse im Aufsichtsrat vorhanden sein, die eine Besetzung auch außerhalb des bestehenden Netzwerkes ermöglichen. 1. Einleitung Aufsichtsräte glauben nicht an Wunder, sie verlassen sich darauf. Dieses Ende der 90er Jahre geprägte Bonmot trifft für die meisten der Aufsichtsratsmitglieder heute nicht mehr zu. Ausgelöst durch verschiedene rechtliche Initiativen sowie den Deutschen Corporate Governance Kodex hat sich die Überwachungstätigkeit in einer Vielzahl von Aufsichtsräten kontinuierlich verbessert. Auch wenn vor Entwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex niemand rechtlich daran gehindert wurde, ein guter Aufsichtsrat zu sein, sind heute alle Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten für eine funktionsfähige Überwachung umfassend dokumentiert. Diese Klärung und die hiermit verbundene Haftungsverschärfung haben eine deutliche Verbesserung der Überwachungstätigkeit bewirkt. Dennoch können immer wieder Fälle eines eklatanten Versagens von Aufsichtsräten beobachtet werden. Die Studie Aufsichtsrats-Score untersucht daher auf Basis der Kriterien - Arbeitsweise des Aufsichtsrats - Eignung der Aufsichtsratsmitglieder - Diversity in der Zusammensetzung des Gremiums sowie - Transparenz über die Aufsichtsratsbesetzung und -tätigkeit die Qualität der Aufsichtsräte in den DAX-30-Gesellschaften und zeigt klare Handlungsempfehlungen auf. Verschärfte Anforderungen haben zu einer Verbesserung der Unternehmensüberwachung beigetragen Professionalität, Unabhängigkeit und Eignung müssen deutlich ausgebaut werden 2. Aufsichtsrats-Score Vorgehensweise Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse basieren auf einer Analyse der öffentlich verfügbaren Informationen (Homepage, Geschäftsbericht einschließlich Corporate Governance Bericht und Bericht des Aufsichtsrates) zur Besetzung und Arbeitsweise der DAX30- Aufsichtsräte. Erhebungszeitraum war Mai bis Juli 2011. Zielsetzung der Untersuchung ist die Bewertung der Qualität der Aufsichtsräte auf der Basis des Aufsichtsrats-Scores (AR-Score). Der AR-Score misst AR-Score wertet öffentlich verfügbare Informationen aus 1 Ohne KGaAs. Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 1

die Erfüllung standardisierter Bewertungskriterien zur Qualität von Aufsichtsräten auf Basis der öffentlich verfügbaren Informationen in vier gewichteten Themenfeldern (s. Abb.). Für jedes der Themenfelder wurden geeignete Bewertungskriterien definiert und die Ausprägung bei den DAX-30-Gesellschaften ermittelt. Dabei entsprechen die Bewertungskriterien des AR-Scores nur zum Teil dem Corporate Governance Kodex und gehen inhaltlich darüber hinaus. Der AR-Score wird in Prozent angegeben: Ein AR-Score von 50% bedeutet, dass ein Unternehmen die Hälfte der insgesamt möglichen Gesamtpunkte erreicht; der Gesamtscore entsteht durch die gewichtete Aggregation der Einzelscores. Themenfelder, Bewertungskriterien und Gewichtung des Aufsichtsrats-Scores (Überblick): Themenfelder, Bewertungskriterien und Gewichtung 3. Kernergebnisse Arbeitsweise des Aufsichtsrats Die Arbeitsweise des Aufsichtsrats sollte eine laufende und umfassende Begleitung des Vorstands ermöglichen und sich nicht nur auf die Vorbereitung und Durchführung einiger weniger Sitzungstermine beschränken. Bei einigen der betrachteten Gesellschaften ist eine deutliche Erhöhung der Sitzungsfrequenz des Aufsichtsrats zu beobachten. So tagten die Aufsichtsräte der Deutschen Börse und der Deutschen Bank zehn Mal bzw. neun Mal im Jahr 2010 (vs. Bayer mit vier Sitzungen). Als Mindeststandard für Unternehmen dieser Komplexität sollte die Sitzungsfrequenz des gesamten Aufsichtsrates bei sechs bis acht Sitzungen pro Jahr liegen. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren deutlich mehr Ausschüsse eingerichtet. Die überwiegende Anzahl der Unternehmen im DAX-30 verfügt über einen Prüfungsausschuss (97 %) und einen Nominierungsausschuss (97 %) sowie Präsidium bzw. Präsidialausschuss (80 %). Während Präsidium und Prüfungsausschuss im Jahr Arbeitsweise des Aufsichtsrates nur in einigen Gremien vorbildlich Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 2

2010 im Durchschnitt 4,5- bzw. 5,5-mal tagten, lag die Sitzungshäufigkeit des Nominierungsausschusses unter 1 (Ausnahme Infineon mit vier Sitzungen). Verbesserungspotenziale bestehen neben der Erhöhung der Sitzungsfrequenz in einer Intensivierung der Ausschusstätigkeit - dies umfasst auch die verstärkte Nutzung temporärer Ausschüsse für Sonderthemen wie etwa bei der Telekom zur Begleitung der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen - sowie in der Übertragung von Aufgaben an einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats (Ressortbildung). Insbesondere sollte die Arbeit des Nominierungsausschusses intensiviert werden, um eine langfristige Nachfolge- und Besetzungsplanung des Aufsichtsrats unabhängig vom Vorstand zu ermöglichen. Dieser tagte im Jahr 2010 im Schnitt weniger als einmal pro Jahr, was vor dem Hintergrund der Wichtigkeit einer langfristigen, qualifizierten Besetzungsplanung des Aufsichtsrates unzureichend erscheint. Besetzung Auf Basis formal messbarer Kriterien scheint die Eignung der Aufsichtsratsmitglieder insgesamt vergleichsweise gut ausgeprägt zu sein (komplementäre Eignung des Gesamtgremiums). Die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder sollte sich jedoch weniger an großen Namen orientieren, sondern stärker an den Anforderungen des Unternehmens (hier insbesondere der Branche, dem Marktumfeld sowie dem Grad der Internationalisierung) und der zeitlichen Verfügbarkeit der Aufsichtsräte. Auch bei den Vertretern der Arbeitnehmer sollten darüber hinaus ebenso wie bei den Anteilseignervertretern stärker Fachexperten z.b. Berater oder Wirtschaftsprüfer berufen werden, wodurch die Heterogenität der Kompetenzen sowie die fachliche Expertise auf der Arbeitnehmerbank ebenfalls zunähme. Eine eignungsorientierte Besetzung erfordert jedoch einen langfristig ausgerichteten Besetzungsprozess mit klaren Anforderungsprofilen, was heute in zahlreichen Unternehmen noch nicht vorhanden zu sein scheint (lediglich die Commerzbank veröffentlich ein Anforderungsprofil für ihre Aufsichtsratsmitglieder). Besetzung muss sich stärker an der Eignung ausrichten, nicht an großen Namen Diversität Eine höhere Diversity in den Aufsichtsräten ist eine der Kernforderungen in der aktuellen Diskussion. Dies betrifft neben einer größeren Repräsentanz von Ausländern vor allem eine stärkere Besetzung mit weiblichen Mitgliedern. Vor dem Hintergrund der Ansprüche an die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen und dem hohen Internationalisierungsgrad deutscher Unternehmen ist die Diversity in den Aufsichtsräten insgesamt noch sehr gering ausgeprägt. So betrug 2010 der Anteil weiblicher Mitglieder nur 14,4 %, der Anteil ausländischer Mitglieder gar nur 12,6 %. Dabei gibt es große Unterschiede Die Aufsichtsräte müssen internationaler und weiblicher werden Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 3

zwischen den betrachteten Unternehmen: Einige Unternehmen verzichten fast gänzlich auf die Besetzung mit ausländischen oder weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern, in anderen Gremien ist dagegen bereits eine größere Anzahl vorhanden (z.b.: Daimler und Dt. Börse mit jeweils sechs ausländischen Mitgliedern). Seitens der Anteilseigner sind lediglich 26 Frauen in 20 Unternehmen berufen; die Arbeitnehmerseite entsendet dagegen 46 Frauen in 21 Unternehmen. Während die Kapitalseite somit insbesondere Nachholbedarf bei den weiblichen Vertretern hat, ist die Vertretung der internationalen Mitarbeiter seitens der Arbeitnehmervertreter stark ausbaufähig. Es ist jedoch in jedem Fall darauf zu achten, dass Diversity kein Selbstzweck sein sollte, sondern wie viele Unternehmen es betonen die Auswahl auf Basis der Anforderungen und der Kompetenzen erfolgt; diese sollten jedoch definiert und transparent kommuniziert werden. Transparenz Eine hohe Transparenz über die Besetzung und die Tätigkeit des Aufsichtsrats ermöglicht externen Stakeholdern die Entwicklung eines eigenen Qualitätsurteils. Dabei werden insbesondere solche Unternehmen eine größere Transparenz aufweisen, die ein ernsthaftes Interesse an der Information ihrer Stakeholder haben und sich in ihrer Arbeitsweise positiv abheben ( Tue Gutes und rede darüber! ). Fokus des Transparenzkriteriums ist daher die Frage, welche Informationen zur Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder sowie zu Strukturen und Prozessen der Aufsichtsratstätigkeit zur Verfügung stehen. Die Studienergebnisse zeigen, dass insgesamt nur ein eingeschränktes Maß an Transparenz über die Besetzung und die Arbeitsweise im Aufsichtsrat besteht. Für eine Beurteilung der Eignung einzelner Aufsichtsratsmitglieder sind jedoch umfassende Informationen über den beruflichen Werdegang, aktuelle berufliche Verpflichtungen sowie weitere Mandate erforderlich. Die Anzahl der Mandate und der aktuell ausgeübte Beruf werden zwar bei allen Unternehmen genannt; bei der Beschreibung der Kompetenzen der Aufsichtsratsmitglieder bestehen jedoch große Unterschiede: Während sich einige Unternehmen auf die Nennung des aktuellen Berufes bzw. des akademischen Grades beschränken (teilweise ergänzt um einen ausführlicheren Lebenslauf des Aufsichtsratsvorsitzenden), veröffentlichen einige wenige Unternehmen zumindest einen ausführlichen Lebenslauf aller Mitglieder, was eine detaillierte Beurteilung der formalen Eignung ermöglicht. Nahezu alle Unternehmen beschränken die Begründung für die Berufung in den Aufsichtsrat auf die Nennung der aktuellen beruflichen Position ein Bezug zum Unternehmen und den Anforderungen an die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats wird allenfalls für den Finanzexperten hergestellt. Zumindest für den Besetzungsprozess ist zu fordern, dass die Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder im Detail beschrieben werden Größere Transparenz über Besetzung und Tätigkeit des Aufsichtsrats erforderlich Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 4

und die Unternehmen begründen, warum der Kandidat über die bestmögliche Eignung für die zu besetzende Position verfügt auch sollten die Ziele zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats entsprechend weiterentwickelt werden: Im Untersuchungszeitraum fiel auf, dass bis auf die Anpassung der Diversityziele an ein öffentlich gewünschtes Mindestmaß die Zielzusammensetzung in der Mehrzahl der Unternehmen keine signifikante Veränderung vorsieht im Gegenteil, die Unternehmen scheinen alle mit ihrer heutigen Besetzung zufrieden zu sein. Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen, vor denen eine Vielzahl von Unternehmen steht, ist dieses Ergebnis überraschend und es ist zu hoffen, dass die extern kommunizierten Ziele nicht den internen entsprechen. 4. Handlungsempfehlungen Auf Basis der Untersuchungsergebnisse können eindeutige Handlungsempfehlungen für eine Verbesserung der Überwachungstätigkeit von Aufsichtsräten abgeleitet werden: Laufende, unabhängige Überwachung des Vorstands stärken: Intensivierung der Ausschussarbeit (auch ad-hoc), Ressortbildung und Durchführung von Sitzungen ohne den Vorstand Eignungsorientierte Besetzung des gesamten Aufsichtsrates sicherstellen: Einführung eines systematischen, laufenden Nachfolge- und Besetzungsprozesses im Nominierungsausschuss auf Basis eines klaren, individualisierten Anforderungsprofils Unabhängigkeit und Verfügbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder stärken: Stärkeren Fokus auf persönliche Unabhängigkeit und auf zeitliche Verfügbarkeit bei der Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern setzen Verbesserungspotenziale in allen Untersuchungsbereichen identifiziert Erhöhung der Diversity der Aufsichtsräte: Nutzung des gesamten Potenzials geeigneter Kandidaten Fokus auf Internationalisierung sowie eine Stärkung der technischen und Industriekompetenz Erhöhung der Transparenz über die Arbeit des Aufsichtsrats: Größere Transparenz über Besetzungsentscheidungen sowie Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Aufsichtsrats Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 5

5. Detailergebnisse Aufsichtsrats-Score in Prozent: Unternehmen Arbeitsweise Eignung Diversity Transparenz AR-Score Siemens 75,0% 85,7% 100,0% 50,0% 79,3% SAP 78,9% 82,1% 75,0% 40,0% 75,9% Commerzbank 71,1% 83,9% 50,0% 60,0% 73,0% Dt. Post 61,8% 96,4% 75,0% 20,0% 72,8% Dt. Bank 65,8% 80,4% 100,0% 35,0% 72,0% ThyssenKrupp 68,4% 78,6% 75,0% 55,0% 71,8% E.ON 65,8% 76,8% 100,0% 45,0% 71,5% Dt. Börse 75,0% 73,2% 75,0% 40,0% 70,8% Allianz 75,0% 71,4% 75,0% 45,0% 70,6% Münchener Rück 67,1% 73,2% 100,0% 30,0% 69,1% Daimler 60,5% 82,1% 75,0% 45,0% 69,1% BMW 56,6% 89,3% 50,0% 40,0% 67,3% Dt. Telekom 73,7% 69,6% 75,0% 25,0% 67,3% Adidas 59,2% 78,6% 75,0% 30,0% 65,6% Metro 67,1% 75,0% 50,0% 30,0% 64,8% Beiersdorf 63,2% 80,4% 50,0% 20,0% 64,4% Volkswagen 61,8% 73,2% 50,0% 30,0% 62,0% K+S 48,7% 80,4% 50,0% 50,0% 61,6% BASF 56,6% 71,4% 50,0% 45,0% 60,7% MAN 56,6% 75,0% 50,0% 20,0% 59,6% Bayer 52,6% 75,0% 50,0% 30,0% 59,1% Infineon 73,7% 60,7% 25,0% 25,0% 58,8% Heidelb. Cement 50,0% 85,7% 25,0% 10,0% 57,8% Lufthansa 40,8% 76,8% 75,0% 15,0% 56,0% RWE 53,9% 58,9% 75,0% 25,0% 55,2% Linde 38,2% 71,4% 25,0% 30,0% 49,3% Prof. Dr. Peter Ruhwedel 2011 6

Über den Autor Peter Ruhwedel ist Professor für Strategisches Management und Organisation an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Duisburg und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Studien und Fachartikel zum Thema Corporate Governance. Er berät seit mehr als zehn Jahren Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte in den Bereichen Corporate Governance, Reorganisation und Unternehmenssteuerung. Darüber hinaus ist er Gründungsgesellschafter von AufsichtUndRat - Kompetenzzentrum für Aufsichtsratsentwicklung, Beirat einer mittelständischen Verlagsgesellschaft sowie Mitglied des Vorstandes der Financial Experts Association e.v., dem ersten deutschen Berufsverband für Finanzexperten in Aufsichtsräten und Beiräten. Kontaktinformationen Prof. Dr. Peter Ruhwedel FOM Hochschule für Oekonomie & Management Professur für Strategisches Management und Organisation Kaiserswerther Str. 368 47259 Duisburg peter@ruhwedel.com 0203 / 984 20 784 www.ruhwedel.com