11. Berner Ultraschall und Perinatal Symposium Rechtliche Probleme in der Pränataldiagnostik. Dr. iur. Ursina Pally Hofmann, Rechtsanwältin

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Transkript:

11. Berner Ultraschall und Perinatal Symposium 2016 Rechtliche Probleme in der Pränataldiagnostik Dr. iur. Ursina Pally Hofmann, Rechtsanwältin

Wrongful Birth/Wrongful Life Schwangerschaft mit einem kranken/geschädigten Kind Grundsätzlicher Kinderwunsch Sofern das Kind gesund ist Schädigung durch Entwicklungsstörung Genetische Ursache Ansprüche Der Mutter (des Vaters) aus Wrongful Birth Des Kindes aus Wrongful Life

Wrongful Birth/Wrongful Life Geburt des kranken Kindes wird nicht verhindert Fehlerhafte genetische Beratung vor SS Fehlerhafte oder unterlassene Pränataldiagnostik bzw. fehlende Aufklärung und Beratung Schwangerschaftsabbruch Wäre legal möglich gewesen Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung Gefahr einer schweren seelischen Notlage Gefahr umso grösser, je fortgeschrittener die SS Frau hätte die Schwangerschaft abgebrochen

Sorgfaltspflichten/Aufklärung Diagnostik nach den Regeln der ärztlichen Kunst Aufklärung bei US und Laboruntersuchung Zweck und Aussagekraft der Untersuchung Möglichkeit eines unerwarteten Untersuchungsergebnisses Mögliche Folgeuntersuchungen und eingriffe Vorhandensein von Informations und Beratungsstellen Aufklärung bei pränataler genetischer Untersuchung Mit der Untersuchung verbundene Risiken, Häufigkeit und Art der Störung

Sorgfaltspflichten/Aufklärung Mögliche psychische und physische Belastungen Möglichkeit der Kostenübernahme Unterstützung betreffend Ergebnis Bedeutung der Störung und prophylaktische oder therapeutische Massnahmen bzw. deren Fehlen Schwerwiegende unheilbare Störung: Abbruch/Alternativen Frau entscheidet Ob die Untersuchung durchgeführt werden soll Ob sie das Ergebnis zur Kenntnis nehmen will Welche Folgerungen sie aus dem Ergebnis ziehen will

Sorgfaltspflichten/Aufklärung Beratungsgespräch Rechtzeitige Aufklärung über diagnostische Möglichkeiten Angemessene Bedenkzeit zwischen Beratung und Untersuchung Dokumentation Einbezug des Ehegatten oder Partners wenn möglich

CH: Obergericht Bern v. 2.5.2011 SS Kontrolle nach 12. SSW Gynäkologin Kannte Risiko für erbliche Stoffwechselerkrankung Führte die entsprechende Diagnostik nicht durch (Klärte die Mutter darüber nicht auf) Geburt eines kranken Mädchens Mutter/Kind klagen je auf Genugtuung

CH: Obergericht Bern v. 2.5.2011 Anspruch der Mutter bejaht Verletzung des Selbstbestimmungsrechts Beeinträchtigung der affektiven Beziehungen zur Tochter Hätte abgetrieben, wenn sie Risiko gekannt hätte Abbruch wäre wegen Überforderung der Mutter mit Pflege und Erziehung legal möglich gewesen Anspruch des Kindes verneint Kein Anspruch auf Abtreibung Kein Recht auf Nichtexistenz

AT: Oberster Gerichtshof 7 Ob214/11p v. 27.2.2012 Frau erkundigt sich anlässlich einer SS Kontrolle nach der Möglichkeit einer Fruchtwasseruntersuchung Arzt Erklärt, dass nach seinen Untersuchungen alles in bester Ordnung sei Fragt Frau, ob sie Gefahr laufen wolle, durch die Untersuchung ein gesundes Kind zu verlieren (was die Frau verneint) Aufklärung und Beratung Tendenziös und suggestiv Frau von der Entscheidung für eine Fruchtwasseruntersuchung abgehalten

AT: Oberster Gerichtshof 7 Ob214/11p v. 27.2.2012 Das Fehlgeburtsrisiko hervorgehoben, ohne auf dessen Wahrscheinlichkeit von 1% hinzuweisen Nicht darauf hingewiesen, dass bei den bisher durchgeführten Untersuchungen eine Unsicherheit von 25% verblieb Behandlungsvertrag Diagnostik, Aufklärung und Beratung lex artis Diagnostik dient u.a. Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen Diagnostik soll Eltern Entscheid über gesetzlich zulässigen SS Abbruch ermöglichen

D: BGH VI ZR 136/01 v. 18.6.2002 Während SS 11 US Untersuchungen Ehemann erkundigte sich wiederholt, ob alles in Ordnung sei SSW 20 0/5 Femur von 29 mm > keine weitere Abklärung in Spezialsprechstunde veranlasst (1996)

BGH VI ZR 136/01 v. 18.6.2002 Kind Beide Oberarme nicht ausgebildet Oberschenkel re verkürzt, links nicht vorhanden Kein Wadenbein Beide Füsse Knick Hackfussstellung Mutter Seit Geburt depressive Störung, voraussichtlich lange andauernd Während ersten Wochen pp latente Suizidgefahr

D: BGH VI ZR 136/01 v. 18.6.2002 Behandlungsvertrag Schutzbereich gilt auch für Ehemann Pflicht zur Beratung über erkennbare Gefahr einer Schädigung des Kindes Femurlänge von 29 mm hätte als hochgradig auffällig erkannt, und weitere Untersuchungen und eine Beratung der Eltern erfolgen müssen Abbruch Wäre legal möglich gewesen (gesundheitliche Gefahr für Mutter bejaht) Mutter hätte abgetrieben

D: BGH VI ZR 135/99 v. 15.2.2000 Frau mit Kyphosskoliose Deswegen mehrere Operationen durchgeführt, weitere anstehend Präoperativ Übelkeit, Erbrechen SZ im Unterleib Schwindel mit Hitzewallungen Amenorrhoe (kam häufig vor, Frau ging davon aus, aufgrund einer hormonellen Disposition nicht spontan schwanger werden zu können)

D: BGH VI ZR 135/99 v. 15.2.2000 Konsilium durch Gynäkologen Unauffälliger Befund Lokale Wärmeanwendungen Kein SS Test Sectio in der 35. SSW, gesundes Mädchen Erziehung des Kindes nur mit fremder Hilfe möglich Frau gesundheitlich beeinträchtigt Ehemann mit Glasknochenkrankheit im Rollstuhl Frau hätte deshalb abgetrieben

D: BGH VI ZR 135/99 v. 15.2.2000 Behandlungsvertrag Operative Behandlung des orthopädischen Leidens Konsilium des Gynäkologen zum Ausschluss einer Gefährdung von Mutter und Kind im Hinblick auf die bevorstehende OP Haftung allenfalls dann, wenn durch OP ein Risiko verwirklicht worden wäre Vertragsinhalt ist nicht: Abwendung einer unzumutbaren Belastung der Klägerin durch ein Kind