Rechnergestützte Steuerung von Behandlungspfaden im Krankenhaus als Grundlage für ein integriertes Wissensmanagement



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Transkript:

Rechnergestützte Steuerung von Behandlungspfaden im Krankenhaus als Grundlage für ein integriertes Wissensmanagement Prof. Dr. Hermann Krallmann 1 und Dr. Michael Cebulla 2 1 Fachgebiet Systemanalyse und EDV, Technische Universität Berlin Sekr. FR6-7 Franklinstraße 28/29 10587 Berlin hermann.krallmann@tu-berlin.de 2 KRALLMANN AG Alt-Moabit 90c 10559 Berlin michael.cebulla@krallmann.com Zusammenfassung. Im Beitrag werden die Methoden der Prozessmodellierung auf die Analyse und Steuerung klinischer Behandlungspfade und der Realisierung von spezifischen Workflowsteuerungen angewendet. Als Resultat wird ein allgemeiner methodischer Ansatz entwickelt, der auf der Basis von formalen Modellen der spezifischen Behandlungspfade die Realisierung einer Workflowsteuerung gestattet. Diese wiederum dient als Grundlage für eine umfassende Situationserkennung und ein integriertes Wissensmanagement. 1 Einleitung Behandlungspfade und standardisierte Behandlungsvorgaben haben sich seit der DRG-Reform [1] als mächtiges Werkzeug des Medizin-Controllings etabliert und sind zu einem wichtigen Managementthema im Healthcare-Bereich geworden. Sie ermöglichen es, die Behandlungsqualität und -effizienz zu erhöhen sowie Standards und Best Practices zu etablieren. Deshalb ist die Einführung von Behandlungspfaden eine Top-Priorität im klinischen Bereich [2]. Dabei ist der Vergleich mit anderen Branchen interessant, in denen während der letzten Jahrzehnte verschiedene Methoden und Notationen zur Beschreibung von Prozessen entwickelt und erfolgreich zum Einsatz gebracht wurden. Dabei lag der Akzent stets auf der Einführung einer prozessorientierten Sichtweise im Unternehmen und auf Fragen der Prozessoptimierung [3].

2 Prof. Dr. Hermann Krallmann und Dr. Michael Cebulla Aus dieser übergreifenden Perspektive lässt sich sagen, dass der klinische Bereich mit der Einführung von Behandlungspfaden einen wesentlichen Schritt zur Prozessorientierung vollzogen hat und damit eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Methoden aus dem Business Process Management - dem Management von Geschäftsprozessen - erfüllt. Abb. 1. Von der Prozessmodellierung bis zur Workflowsteuerung Bei der Modellierung von Behandlungspfaden wird einem dreistufigen Ansatz gefolgt (vgl. Abbildung 1): 1. Interdisziplinäre Prozessmodellierung auf der fachlichen Ebene mit erweiterten ereignisgesteuerten Prozessketten (eepks) [4]. In den klinischen Einrichtungen werden interdisziplinäre Teams gebildet, deren Aufgabe es ist, die bestehenden Prozesse zu modellieren und eine Schwachstellenanalyse sowie eine Prozessoptimierung durchzuführen. 2. Modellierung auf der IT-Ebene mit der Business Process Modeling Notation (BPMN) [5]. Hierbei werden insbesondere Fragen der IT-Einbettung und der Interaktion mit bestehenden Systemen geklärt. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Konzepte aus den serviceorientierten Architekturen (SOA). 3. Auf der Implementierungsebene werden die erhobenen Behandlungspfade in Form von ausführbaren Workflows zur Verfügung gestellt. Dies geschieht im Wesentlichen durch die automatische modell-basierte Transformation von BPMN-Modellen in BPEL-Modelle [6]. Während der Behandlung interagieren die Workflows mit dem klinischen Personal und verfolgen auf diese Weise den Behandlungsverlauf. Auf diese Weise können Verspätungen oder Verzögerungen erkannt und über mobile Devices (z.b. per SMS) gemeldet werden. Die Workflowsteuerung ermöglicht weiterhin die weitgehende Automatisierung von Dokumentationstätigkeiten und insbesondere die automatische Erzeugung von Arztbriefen und Berich-

Rechnergestützte Steuerung von Behandlungspfaden im Krankenhaus 3 ten. Diese Automatisierung hat erhebliche Einsparungen im Hinblick auf die Arbeitszeit besonders der Ärzte zur Folge. 2 Softwarearchitektur Ein entscheidendes Merkmal des Ansatzes besteht darin, dass Behandlungspfade nicht nur auf der Basis standardisierter Notationen aufgenommen und modelliert, sondern auch in einer Workflowsteuerung umgesetzt werden. Als Resultat konnte eine interaktive Ausführungsplattform für Behandlungspfade mit offenen und standardisierten Schnittstellen aufgebaut werden, die in dieser Form gegenwärtig einzigartig ist. In diesem Abschnitt wird die Softwarearchitektur beschrieben, die bei dieser Umsetzung zugrunde gelegt wird (vgl. Abbildung 2). Abb. 2. Softwarearchitektur Die Softwarearchitektur beruht auf einem offenen standardisierten Ansatz, der ein Maximum an Änderbarkeit und Erweiterbarkeit bietet. Auf diese Weise wird dem Silo-Denken wirksam entgegengetreten, von dem die IT-Landschaften der klinischen Einrichtungen nach wie vor stark geprägt sind. Weiterhin wird die Sicherheit bestehender Investitionen gewährleistet durch die Möglichkeit, bestehende Systeme über standardisierte Schnittstellen zu integrieren. Außerdem können vendor lock in-effekte vermieden werden. Diese umfassende Integration heterogener System- und Datenwelten eröffnet

4 Prof. Dr. Hermann Krallmann und Dr. Michael Cebulla darüber hinaus weitreichende Möglichkeiten für die intelligente Steuerung von Behandlungspfaden. 1. Auf der Basis des medizinischen Standards HL7 und von Adaptern zu den proprietären Systemen (z.b. i.s.h.med) wird eine umfassende Integration der IT-Landschaft vorgenommen. Ein Enterprise Service Bus unterstützt die Transformation von Nachrichten zwischen verschiedenen Formaten und ein dynamisches Routing. Die Daten aus den Fremdsystemen werden dabei über standardisierte Schnittstellen und Adapter in die automatisierte Workflowsteuerung eingebunden. 2. Durch die Integration einer Komponente zur komplexen Ereignisverarbeitung (Complex Event Processing) kann eine erweiterte und ganzheitliche Überwachung der Behandlungsverläufe unter Einbeziehung von Kontextbedingungen geleistet werden. Inferenzregeln für die Erkennung und Kompensation kritischer Situationen und Ereignisse können wiederum von den Prozessexperten visuell beschrieben werden. Auf der Grundlage dieser Technologien wurde ein SIRS-Frühwarnsystem implementiert, das eine Warnung generiert, wenn ein Verdacht auf eine beginnende Sepsis vorliegt (vgl. Abbildung 3). Abb. 3. Softwarearchitektur Abbildung 4 zeigt abschließend die Benutzeroberfläche des Healthcare Cockpits, das dem Benutzer Zugang zu den hier beschriebenen Funktionen bietet. 3 Schluss Das Healthcare-Cockpits der KRALLMANN AG verbindet die Funktion einer elektronischen Patientenakte (EPA) mit einer Workflowsteuerung und einer intelligenten Situationsüberwachung:

Rechnergestützte Steuerung von Behandlungspfaden im Krankenhaus 5 Abb. 4. Healthcare Cockpit: Benutzeroberfläche Die jeweils benötigten Informationen werden dem Benutzer in der jeweils aktuellen Phase des Workflows automatisch zur Verfügung gestellt. Es ergibt sich eine situationsaktuelle voll integrierte Sicht auf den aktuellen Behandlungsverlauf für jeden Patient und für die gesamte Station. Die Benutzung von Papier entfällt weitestgehend, da die Daten in elektronischer Form gespeichert, verwaltet und bearbeitet werden. Unerwünschte oder kritische Situationen können automatisch erkannt und gemeldet werden. Als weitere Themen im Zusammenhang mit einem integrierten Wissensmanagement werden im Rahmen dieses Ansatz die Auswertung natürlichsprachlicher Texte sowie die Integration von Fuzzy-Regeln verfolgt. Acknowledgements Das Forschungsprojekt Rechnergestütztes Wissensmanagement im Krankenhaus wurde vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung gefördert. Literaturverzeichnis 1. InEK - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, http://www.gdrg.de/cms/ (Zuletzt besucht: 20.03.2012) 2. Michael Greiling, Johanna Mormann, Ruth Westerfeld, Klinische Pfade steuern, Baumann: Kulmbach (2003)

6 Prof. Dr. Hermann Krallmann und Dr. Michael Cebulla 3. Hermann Krallmann, Marten Schönherr, Matthias Trier, Systemanalyse im Unternehmen - Prozessorientierte Methoden der Wirtschaftsinformatik, Oldenbourg Wissenschaftsverlag: München (2008) (5. Auflage) 4. August Wilhelm Scheer, ARIS. Vom Geschäftsprozess zum Anwendungssystem, Spinger: Berlin, Heidelberg u. a. (2002) 5. Alexander Großkopf, Gero Decker, Mathias Weske, The Process: Business Process Modeling using BPMN, Meghan-Kiffer Press: Tampa,FL 2009 6. OASIS Standard Web Services Business Process Execution Language Version 2.0, http://docs.oasis-open.org/wsbpel/2.0/wsbpel-v2.0.pdf (Last Accessed 21.03.2012)