Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt für den Eigentümer und seinen Ehegatten

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Transkript:

VORWEGGENOMMENE ERBFOLGE Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt für den Eigentümer und seinen Ehegatten von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt werden regelmäßig mit folgenden Zielen übertragen: Abzug des Kapitalwerts des Nießbrauchs, die mehrfache Ausnutzung der Freibeträge nach 16 StG durch vorgezogene Schenkungen, insbesondere des Freibetrags von 400.000 EUR für die Kinder oder auch eine niedrige Steuerprogression. 1. Neuauflage Nießbrauchserlass vom 30.9.13 Die Übertragung einer Immobilie des Privatvermögens unter Nießbrauchsvorbehalt bereitet in der Regel weder einkommen- noch schenkungsteuerrechtlich besondere Probleme. Die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer dinglicher sowie obligatorischer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist von der Finanzverwaltung im neugefassten Nießbrauchserlass (BMF vom 30.9.13, BStBl I 13, 1184, im Folgenden: Nießbrauchserlass) umfassend geregelt. Auch die schenkungsteuerrechtliche Behandlung stellt die Praxis aufgrund der in der neugefassten Richtlinie R E 7.4 StR 2011 gegebenen Erläuterungen vor keine besonderen Probleme. Weder der Nießbrauchserlass noch die StR 2011 gehen aber auf die Folgen ein, wenn sich der die Immobilie schenkende Eigentümer ehegatte das Nießbrauchsrecht nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen Ehegatten vorbehält. 2. Musterfall Vater V, geboren am 3.1.45 und verheiratet mit Frau M, geboren am 25.3.53, erwarb 1993 für umgerechnet 4.000.000 EUR ein 1975 errichtetes Geschäftsgrundstück, das er seitdem vermietete. V übertrug die Immobilie mit notariell beurkundetem Übergabevertrag vom 28.12.03 zum 1.1.04 auf seinen Sohn S unter Nießbrauchsvorbehalt. Im Vertrag ist hierzu unter anderem formuliert: Der Veräußerer behält sich den unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauch für sich selbst und seine Ehefrau M als Gesamtberechtigte nach 428 BGB an dem gesamten vorstehend näher bezeichneten Grundbesitz vor. Auf der Immobilie noch lastende Verbindlichkeiten von 1.200.000 EUR werden vom Sohn im Übergabevertrag übernommen. Im Innenverhältnis wird allerdings vereinbart, dass der Vater sich weiterhin zur Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet. Die Mieter wurden über die Übertragung der Immobilie nicht informiert und zahlten die Mieten einschließlich aller Nebenkosten weiterhin auf das Konto des Vaters. Der Vater kümmerte sich auch um die Verwaltung der Immobilie und bediente über sein Mietkonto die Zins- und Tilgungsleistungen aus den Erträgen der Immobilie. Es gelang ihm, die gesamten Verbindlichkeiten bis Ende 2013 zu tilgen. Nicht eindeutig sind die Folgen, wenn Nießbrauch auch für Ehegatten gelten soll Vermietetes Geschäftsgrundstück Übertragung auf den Sohn unter Nießbrauchsvorbehalt Hypothek: Zins- und Tilgungsleistung wird weiter vom Vater bezahlt 303

Der Verkehrswert der Immobilie betrug im Zeitpunkt der Übertragung auf den Sohn 6.600.000 EUR, wovon 30 % auf den Grund und Boden entfallen. Die Gebäudeabschreibung ermittelte sich somit gemäß 7 Abs. 4 EStG mit 2 % von 4.620.000 EUR (= 92.400 EUR). Seit der Übertragung haben sich Herstellungskosten und AfA-Bemessungsgrundlage nicht mehr verändert. Vater V verstirbt am 16.4.14. Alleinerbin wird seine Ehefrau. M hinterlässt ihr nach Abzug aller Verbindlichkeiten einschließlich der Beerdigungskosten ein Reinvermögen von 2.380.000 EUR. Der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau nach 1371 Abs. 2 BGB würde sich auf 1.250.000 EUR belaufen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach Abzug der AfA in Höhe von jährlich 92.400 EUR und weiterer Werbungskosten betrugen für die Jahre 2011 bis 2013 im Durchschnitt 215.400 EUR. Aus Vereinfachungsgründen soll für 2014 von vergleichbaren Werten ausgegangen werden. Der Grundbesitzwert im Zeitpunkt des Todes soll mit 8.200.000 EUR angenommen werden. Frau M steht der volle Versorgungsfreibetrag gemäß 17 StG zu. Der Vater verstirbt, Mutter wird Alleinerbin 3. einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seit Übergabe Wird eine Immobilie unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen, sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Nießbraucher zuzurechnen (Nießbrauchserlass, Tz. 41). Bei der Übertragung von Grundbesitz unter Nießbrauchsvorbehalt ist allerdings zu klären, ob der Nießbrauch auf den übertragenden Alleineigentümer beschränkt bleiben oder auf den Ehegatten ausgedehnt sein soll. Behält sich der Eigentümerehegatte das Nießbrauchsrecht für sich und seinen Ehegatten, der nicht Eigentümer der Immobilie war, vor, könnte darin ein unentgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch an den Ehegatten, der nicht Eigentümer ist, oder die Begründung eines Vorbehaltsnießbrauchs für beide Ehegatten zu sehen sein. Fraglich ist dann allerdings immer noch, ob eine Einräumung des Nießbrauchsrechts schon im Zeitpunkt der Schenkung der Immobilie erfolgt ist oder ob der Nießbrauch von der Ehefrau aufschiebend bedingt erworben wird und erst im Falle des Vorversterbens des Vaters mit seinem Tod auf den anderen Ehegatten übergeht. Eine ausdrückliche Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Erwerbs ist nicht erfolgt, sodass die getroffenen Vereinbarungen einer Auslegung bedürfen. In einem schon älteren Urteil des BFH zu einem vom Schenker vereinbarten Nießbrauchsrecht hat der BFH den Nutzungswert allein dem bisherigen Eigen tümer zugerechnet, wenn sich an der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks nichts ändert (BFH 21.7.88, IX R 86/84, BStBl II 88, 938, 924; Jülicher, ZEV 00, 185). Für Rentenvereinbarungen hat der schaftsteuersenat des BFH eine vergleichbare schenkungsteuerliche Wertung vorgenommen (BFH 22.8.07, II R 33/06, BStBl II 08, 28). Mieteinnahmen sind weiter dem Vater und der Mutter zuzurechnen Der BFH geht in seinem Urteil vom 21.7.88 (IX R 86/84, BStBl II 88, 938, 924) unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung davon aus, dass die Einkünfte demjenigen zuzurechnen sind, der durch die tatsächliche Ausübung des Nießbrauchs den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpach- Zuwendungsnießbrauch an Ehegatten aufschiebend bedingt? 304

tung verwirklicht hat. Das ist im vorliegendem Fall allein der Ehemann bzw. Vater. Die mit ihm bestehenden Mietverträge sind aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts nicht geändert worden, der Vater hat weiterhin die Mieten vereinnahmt, sich um die Verwaltung der Immobilie gekümmert und auch Zinsund Tilgungsleistungen aus den Mieten erbracht. Da alles beim alten geblieben ist, ist daher davon auszugehen, dass er seinen Vorbehaltsnießbrauch als Gesamtgläubiger in vollem Umfang in Anspruch genommen hat. Vater hat Vorbehaltsnießbrauch als Gesamtgläubiger beansprucht Solange V und M leben, ergibt sich daraus die Konsequenz, dass allein Ehemann V die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung versteuern muss (Nießbrauchserlass, Tz. 14 bis 17). Gleiches gilt, wenn M vor V stirbt. Stirbt V wie im vorliegenden Fall vor M, hat diese aufschiebend bedingt erworben. Es stellt sich dann die Frage, ob M nach dem Tod des V neben der Befugnis zum Abzug der laufenden Aufwendungen auch noch die Befugnis zur Abschreibung hat. Dem könnte entgegenstehen, dass M mit dem Tod des Ehemanns V einen unent geltlichen Zuwendungsnießbrauch im Wege einer Schenkung auf den Todesfall erhalten hat. Folge eines unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs wäre, dass M keine Befugnis zur Abschreibung hat (Nießbrauchserlass, Tz. 18 unter Hinweis auf BFH 24.4.90, IX R 9/86, BStBl II 90, 888). Folge: Frau M hätte dann ab April 2014 Einkünfte in Höhe von (215.400 EUR zuzüglich nicht abzugsfähige AfA 92.400 EUR = 307.800 EUR x 9/12 =) 230.850 EUR. Abschreibungen durch M Folge des unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs nach dem Tod des V Nach meines Erachtens überzeugenderer Auffassung von Kulosa (Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., 7 Rn. 40) kann der überlebende Ehegatte im Falle einer Gesamtgläubigerschaft in analoger Anwendung des 11d EStDV auch nach dem Tod des Ehegatten die AfA in der bisherigen Höhe in Anspruch nehmen, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Wegfall des AfA- Potenzials aus der ursprünglichen Tragung der AK/HK zu vermeiden. Anders als beim nicht begünstigten Zuwendungsnießbrauch, wo derjenige, der die AK/HK getragen hat, ausschließlich das AfA-Volumen ohne das eigent liche Wirtschaftsgut auf einen Dritten übertragen will, soll bei der Beteiligung des Ehegatten am Vorbehaltsnießbrauch das verbleibende ( immaterielle) Wirtschaftsgut, das die frühere Kostentragung repräsentiert, wirtschaftlich selbst auf den überlebenden Ehegatten übergehen, was die analoge Anwendung des 11d EStDV rechtfertige. Folge: Frau M hätte dann ab April 2014 nicht um die AfA erhöhte Einkünfte von (215.400 EUR x 9/12 =) 161.550 EUR. Anwendung des 11d EStDV analog PRAXISHINWEIS Da die einkommensteuerliche Wertung nicht zweifelsfrei ist, könnte zur Sicherung der vollen AfA-Berechtigung jedenfalls für die Lebenszeit des V im Vertrag geregelt werden, dass der Ehefrau ein aufschiebend bedingtes Recht eingeräumt werden soll. Sollte im Falle der Annahme eines Zuwendungsnießbrauchs mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung die AfA-Befugnis verloren gehen, könnte zudem geregelt werden, dass der Nießbrauch im Falle des Todes des V durch eine Rente Sicherung der vollen AfA-Berechtigung 305

abgelöst werden kann. Wird das vom Übergeber des Vermögens vorbehaltene Nutzungsrecht nämlich später gegen wiederkehrende Leistungen abgelöst, handelt es sich um eine zeitlich gestreckte gleitende Vermögensübergabe (BMF 11.3.10, BStBl 10, 227, Tz. 25 und 85). Das BMF-Schreiben spricht die steuerlichen Folgen der Ablösungsvereinbarung zwar nur für vor 2008 übertragene Immobilien des Privatvermögens im Zusammenhang mit bis zu diesem Zeitpunkt noch anerkannten Versorgungsleistungen an und geht nicht auf die steuerlichen Folgen für Übertragungen ab 2008 ein; die Aus führungen des BMF-Schreibens zur Übertragung privater Immobilien gegen eine Verpflichtung zur Zahlung wiederkehrender Leistungen dürften aber sinngemäß zur Anwendung kommen. Alternativ: Nießbrauch durch Rente ablösen 4. Ermittlung der schaftsteuer für M Im Fall einer Gesamtgläubigerschaft ist die Schenkung des anteiligen Nutzungs rechts an den Dritten ausgeführt ( 9 StG), wenn diesem im Innen verhältnis zwischen dem Schenker und dem Dritten ein eigener Anspruch zusteht und er gegenüber dem bisherigen Eigentümer nicht zum vollen Ausgleich verpflichtet ist. In diesem Zeitpunkt tritt die Bereicherung des Dritten auf Kosten des bisherigen Eigentümers ein. Soweit keine anderen Vereinbarungen ersichtlich sind oder nachgewiesen werden, soll gemäß 430 BGB von einer sofortigen Berechtigung der Gesamtgläubiger zu gleichen Teilen ausgegangen werden. Steht dem Dritten nach dem im Innenverhältnis Vereinbarten erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.b. mit dem Tod eines weiteren Gesamtgläubigers, ein Leistungsanspruch zu, ist sein Erwerb aufschiebend bedingt oder befristet und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu berücksichtigen. Es entscheidet beim Einräumen einer Gesamtgläubigerstellung somit das Innenverhältnis zwischen den Gesamtgläubigern und nicht das Außenverhältnis zum Schuldner darüber, ob und inwieweit eine freigebige Zuwendung vorliegt (FinMin Baden-Württemberg 25.6.03, S 3810/25, im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder, DStR 03, 1485; ergänzt durch Erlass vom 9.1.04, DStR 04, 139; siehe auch Moench, StG, Juni 2012, 7 Rn. 138b). Innenverhältnis der Gesamtgläubiger entscheidend Nach Auffassung des BFH liegt im Falle einer Rente eine freigebige Zuwendung des Schenkers an seine Ehefrau nur vor, wenn sie über die eingehenden Zahlungen im Innenverhältnis rechtlich und tatsächlich endgültig frei verfügen kann (BFH 22.8.07, II R 33/06, BStBl II 08, 28). Diese Wertung dürfte für einen Nießbrauch entsprechend gelten und folgt somit im Grundsatz den einkommensteuerlichen Wertungen. Im Ergebnis beurteilt sich damit die Frage, ob der durch den Vertrag zugunsten Dritter im Außenverhältnis begünstigte Ehegatte i.s. des 7 Abs. 1 Nr. 1 StG bereichert ist, stets nach dem Innenverhältnis zum zuwendenden Ehegatten. Dieses kann nach Ansicht des BFH seine Ausgestaltung bei mehreren Anlässen erfahren haben, nämlich bei der Eröffnung des Oder- Kontos bzw. der Erteilung der Bankvollmacht und der Verschaffung der Gesamt gläubigerstellung bezüglich des Nießbrauchsrechts. Fehlen schriftliche oder mündliche Vereinbarungen der Eheleute über das Innenverhältnis, ist es vornehmlich aus dem Verhalten der Eheleute zu erschließen. Ausgestaltung des Innenverhältnisses Oder-Konto, Bankvollmacht etc. 306

Die Mieter wurden im vorliegenden Fall über die Übertragung der Immobilie nicht informiert und zahlten die Mieten einschließlich aller Nebenkosten weiter hin auf das Konto des Vaters. Der Vater kümmerte sich auch um die Verwaltung der Immobilie und bediente über sein Mietkonto die Zins- und Tilgungsleistungen aus den Erträgen der Immobilie, sodass der Ertrag vorrangig zur Tilgung der Verbindlichkeiten verwendet wurde. Die Ehefrau hat laut Sachverhalt nicht über die Mieterträge disponiert. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Vater das Nießbrauchsrecht zunächst nur für sich selbst vorbehalten wollte und der Erwerb des Nießbrauchsrechts der Ehefrau aufschiebend bedingt sein sollte. Damit ist der Nießbrauchswert vor Bedingungseintritt wegen 6 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen (BFH 8.2.06, II R 38/04, DStR 06, 896). Miete wurde weiterhin vom Vater eingenommen PRAXISHINWEIS Dies gilt ebenso für die vom Sohn übernommene Verbindlichkeit. Übernimmt der mit einem Grundstück unter Vorbehaltsnießbrauch Beschenkte auch die persönliche Haftung für die auf dem Grundstück abgesicherten Verbindlichkeiten, verpflichtet sich aber der Schenker und Vorbehaltsnießbraucher, diese Verbindlichkeiten für die Dauer des Nießbrauchs weiter zu tilgen und zu verzinsen, liegt nach Auffassung des BFH keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor. Schuldübernahme durch Schenker es liegt keine gemischte Schenkung vor Die kumulative oder ausschließliche Schuldübernahme durch den Beschenkten steht nach Auffassung des BFH unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung und ist daher gemäß 12 Abs. 1 StG i.v. mit 8 BewG, 6 Abs. 1 BewG bis zum Eintritt der Bedingung bzw. des Ereignisses nicht zu berücksichtigen (BFH 17.10.01, II R 60/99, BStBl II 02, 165; BFH 26.1.00, II B 88/99, BFH/NV 00, 954). Da die Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Todes des V bereits getilgt ist, geht auf S keine Verbindlichkeit über, sodass auch keine Korrektur des Schenkungsteuerbescheids gemäß 6 Abs. 2 BewG i.v. mit 5 Abs. 2 BewG zu erfolgen hat. M hat damit das Nießbrauchsrecht erst mit dem Tod des V aufschiebend bedingt im Wege einer Schenkung auf den Todesfall gemäß 3 Abs. 1 Nr. 2 StG erworben und muss es neben dem Erwerb durch anfall gemäß 3 Abs. 1 Nr. 1 StG versteuern. Fazit: M hat den Nießbrauch erst mit dem Tod des V erworben Für die Berechnung des Kapitalwerts ist zu beachten, dass der maßgebliche Jahreswert des Nießbrauchs der Betrag ist, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird ( 15 Abs. 3 BewG). Gemeint ist der im Durchschnitt der Jahre erwartete Reinertrag, der durch Schätzung zu ermitteln ist. Dabei können die in den vergangenen (drei) Jahren erzielten Rein erträge einen wichtigen Anhaltspunkt geben (OFD Hannover 13.8.93, S 3250-5 - StH 351/S 3250-2 - StO 241). Der Jahreswert auf der Basis der Reinerträge richtet sich nicht nach der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß 21 EStG. Im vorliegenden Fall ist die AfA den Einkünften wieder hinzuzurechnen, da die Ehefrau M durch die AfA nicht wirtschaftlich belastet wird und ihr auch insoweit Erträge zukommen. 307

PRAXISHINWEIS Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der Jahreswert eines Nutzungsrechts auch ohne Abzug von Zinsen für Verbindlichkeiten zu berechnen ist, die auf den übertragenen Vermögensgegenständen lasten und vom Nutzungsberechtigten zu zahlen sind. Dabei ist unerheblich, ob der Beschenkte die Verbindlichkeiten gar nicht als persönliche Schuld übernommen hat oder zwar als persönliche Schuld übernommen hat, im Innenverhältnis aber für die Dauer des Bestehens des Nutzungsrechts von der Zinszahlung freigestellt wurde (FinMin Schleswig-Holstein 30.1.04, VI 353 - S 3811 021, DStR 04, 1129; ergänzend hierzu FinMin Bayern 10.5.04, 34 - S 3810-023 - 20976/04, DB 04, 1753). Berechnung des Jahreswerts eines Nutzungsrechts Ermittlung der schaftsteuer Bereicherung durch Schenkung auf den Todesfall Jahreswert Nießbrauch * (Vervielfältiger Frau, 61 Jahre) = 230.850 EUR * 13,541 = 3.125.939 EUR keine Begrenzung gemäß 16 BewG, da Grundbesitzwert 8.200.000 / 18,6 = 440.860 EUR Bereicherung durch anfall 2.380.000 EUR Bereicherung ( 10 Abs. 1 S. 2 StG) 5.505.939 EUR abzüglich Zugewinnausgleich - 1.250.000 EUR abzüglich Freibetrag ( 16 Abs. 1 Nr. 2 StG) - 500.000 EUR abzüglich Versorgungsfreibetrag ( 17 Abs. 1 StG) - 256.000 EUR steuerpflichtiger Erwerb ( 10 Abs. 1 S. 1 StG) 3.499.939 EUR abgerundet ( 10 Abs. 1 S. 6 StG) 3.499.900 EUR festzusetzende Steuer (19 %, kein Härteausgleich) 664.981 EUR Keine Begrenzung gemäß 16 BewG Wäre das Nießbrauchsrecht der Ehefrau schon im Zeitpunkt der Schenkung mit dem zu diesem Zeitpunkt für sie maßgeblichen (im Regelfall höheren) Kapitalwert zugewendet worden, wäre es bei der Ermittlung der schaftsteuer nur zu berücksichtigen, wenn die Zuwendung innerhalb der letzten 10 Jahre erfolgt ist ( 14 StG). Ein Erwerb außerhalb der 10 Jahre hätte im fall eine Zusammenrechnung vermieden und zur erneuten Ausnutzung des Freibetrags von 500.000 geführt. Früherer Erwerb durch M Freibetrag hätte eventuell neu genutzt werden können Sind die Erträge aus dem Nießbrauchsrecht sehr hoch, besteht allerdings die Gefahr, dass sich hierdurch neues Vermögen beim Nießbraucher aufbaut, das dann später der schaft- bzw. Schenkungsteuer zu unterwerfen ist. Schenkungsteuerlich ideal ist der Verbrauch der Erträge für die private Lebensführung. WEITERFÜHRENDER HINWEIS Brüggemann, Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und Pflichtteilsergänzungsanspruch, 13, 261 ff. 308 ARCHIV Ausgabe 10 2013 Seite 261-265