WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN DIPLOMARBEIT



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Transkript:

WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit: Die historische Entwicklung von FAIRTRADE Österreich The History of FAIRTRADE Austria Verfasserin/Verfasser: Eleonora Rau Matrikel-Nr.: 0053191 Studienrichtung: Betriebswirtschaft Beurteilerin/Beurteiler: Ao. Univ. Prof. Dr. Karl Bachinger Ich versichere: dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe. dass ich dieses Diplomarbeitsthema bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/ einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe. dass diese Arbeit mit der vom Begutachter beurteilten Arbeit übereinstimmt. Datum Unterschrift

Eleonora Rau Die historische Entwicklung von FAIRTRADE Österreich Diplomarbeit Wien, im Februar 2007 2

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis...3 Abbildungsverzeichnis...5 Tabellenverzeichnis...6 1. Einleitung...7 1.1. Zielsetzung und Problemstellung...7 1.2. Vorgangsweise...7 1.3. Begriffsdefinitionen...7 1.3.1. FAIRTRADE, TransFair, Fair Trade und Fairer Handel...8 2. Der internationale Faire Handel...9 2.1. Begriffsabgrenzungen...9 2.2. Prinzipien Wie funktioniert der faire Handel?... 12 2.3. Entwicklung... 17 2.3.1. Die Anfänge des fairen Handels... 17 2.3.2. Die 1970er-Jahre Politische Kampagnen... 19 2.3.3. Die 1980er-Jahre Labelling und Massenmarkt... 20 2.3.4. Die 1990er-Jahre Professionalisierung... 22 2.3.5. Heute Aufbruch ins nächste Jahrtausend... 30 Exkurs: Die Weltläden... 32 3. FAIRTRADE Österreich... 35 3.1. Vorrunden, Gründungsmitglieder, Gründung... 35 3.2. Name und Logo Entwicklung und Umbenennung... 39 3.3. Rechtliche Form... 41 3.4. Trägerorganisationen... 42 3.5. Einführung und Volumina der FAIRTRADE Produkte... 47 3.6. Marktpenetration, Marktanteil... 49 3.7. LizenznehmerInnen... 51 3.8. Lizenzeinnahmen... 55 3.9. Distribution... 58 3.9.1. Zusätzliche Distributionswege... 60 3.9.2. Onlineshops... 61 3.10. Marketing und PR... 63 3

3.10.1. Shopping for a better world... 65 3.10.2. Reise nach Nicaragua und Costa Rica... 65 3.10.3. Marketingkampagne 2001 2004... 67 3.10.4. PR-Arbeit... 71 3.10.5. Ökostaffel... 71 3.10.6. Faire Wochen... 71 3.10.7. Das Prominenten Komitee... 74 3.10.8. Zusätzliche Maßnahmen... 75 3.11. Personalentwicklung, Personalmanagement... 77 3.12. Finanzielle Situation... 79 3.12.1. Kapitalentwicklung und Umsatz... 79 3.12.2. Gewinnentwicklung... 80 3.12.3. Spenden, Förderer... 81 3.12.4. Die FAIRTRADE Aktie... 82 3.12.5. Staatliche Förderungen... 83 3.13. Konsumentenprofil... 85 3.14. Bekanntheitsgrad... 86 3.15. Kooperationen... 87 4. Aktuelle Trends im österreichischen Lebensmittelhandel Zukunftsprognosen FAIRTRADE Österreich... 89 5. Kritik... 91 6. Schlussbetrachtung... 94 Literaturverzeichnis... 95 4

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Das Kontrollsystem... 15 Abb. 2: Max-Havelaar-Logo... 21 Abb. 3: Logo IFAT... 23 Abb. 4: FTO-Siegel... 24 Abb. 5: Logo EFTA... 25 Abb. 6: Logo NEWS!... 25 Abb. 7: Logo TransFair... 26 Abb. 8: Siegelorganisationen FLO weltweit... 27 Abb. 9: International Fairtrade Certification Mark... 29 Abb. 10: Internationale Organisationen des Fairen Handels in Europa... 30 Abb. 11: Logo Weltläden Österreich... 32 Abb. 12: Helmut Adam... 36 Abb. 13: Logo TransFair... 37 Abb. 14: Entwicklung des FAIRTRADE Logos... 40 Abb. 15: Trägerorganisationen 2003... 43 Abb. 16: FAIRTRADE Produkte 2005... 48 Abb. 17: Lizenzeinnahmen 2005 detailliert und Veränderungen zum Vorjahr... 56 Abb. 18: Verfügbarkeit von FAIRTRADE Produkten 2002... 59 Abb. 19: Verfügbarkeit von FAIRTRADE Produkten 2006... 60 Abb. 20 und 21: Startpressekonferenz im Museum für angewandte Kunst... 63 Abb. 22: JournalistInnenreise 1995... 65 Abb. 23: JournalistInnenreise 1995... 66 Abb. 24: Garantiert doppelten Genuss! Informationskampagne 2003... 70 Abb. 25 und 26: TransFair Bus... 72 Abb. 27: Die FAIRTRADE Aktie... 83 Abb. 28: Entwicklung Bekanntheitsgrad von FAIRTRADE 1999-2002... 86 Abb. 29: Bananengrafik... 91 5

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Entwicklung der Volumina der FAIRTRADE Produkte, Angaben in Tausend... 47 Tab. 2: Entwicklung der Marktanteile der FAIRTRADE Produkte, Angaben in Prozent... 49 Tab. 3: TransFair Österreich LizenznehmerInnen im Mai 1995... 51 Tab. 4: FAIRTRADE Österreich LizenznehmerInnen 2002... 52 Tab. 5: FAIRTRADE Österreich LizenznehmerInnen 2005... 53 Tab. 6. Lizenzeinnahmen FAIRTRADE Österreich, Angaben in Euro... 56 Tab. 7: Lizenzgebühren bei FAIRTRADE Produkten in Österreich (je kg/l in Euro)... 57 Tab. 8: Distributionsliste 1993 und 1994, Angaben: Anzahl der Geschäfte... 58 Tab. 9: Entwicklung Eigenkapital 1994-2005, Angaben in Euro... 79 Tab. 10: Entwicklung der Mitgliedsbeiträge der Trägerorganisationen von 1994 bis 2005, Angaben in Euro... 81 6

1. Einleitung 1.1. Zielsetzung und Problemstellung Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick der Entwicklung des internationalen Fairen Handels zu erstellen und die Entwicklung des Vereines TransFair/FAIRTRADE Österreich detailliert darzustellen. Die Daten zu TransFair/FAIRTRADE Österreich waren leider nicht vollständig zu erheben, so fehlen die Jahresberichte der Jahre 1999, 2000 und 2001. Die Daten des Jahres 2001 waren aber fast vollständig aus dem Jahresbericht 2002 zu eruieren, so fehlen also die Daten der Gewinnentwicklung, der Mitgliedsbeiträge und der staatlichen Förderungen der Jahre 1999 und 2000. 1.2. Vorgangsweise Im Rahmen einer Begriffsdefinition sollen zu Beginn sämtliche Unklarheiten in der Welt von FAIRTRADE, Fair Trade und Co. beseitigt werden. Anschließend wird es eine Abhandlung der internationalen Entwicklung des fairen Handels geben mit besonderer Konzentration auf die Geschichte von TransFair/FAIRTRADE Österreich. Dabei werden die unterschiedlichen Organisationen, Trägerorganisationen und Dachorganisationen beschrieben. Außerdem wird ein Abbild der heutigen Situation von FAIRTRADE Österreich erstellt. 1.3. Begriffsdefinitionen Folgende Definitionen sollen grundlegende Begriffe klarstellen, vor allem in welchem Sinne sie in dieser Arbeit verstanden werden. Die Definitionen sind nicht allgemein gültig und sollen im Kontext dieser Arbeit verstanden werden. 7

1.3.1. FAIRTRADE, TransFair, Fair Trade und Fairer Handel Für diese Arbeit ist es von Bedeutung zwischen FAIRTRADE, TransFair, Fair Trade und Fairem Handel zu unterscheiden. Die vier internationalen Organisationen Fairtrade Labelling Organisations International FLO, International Fair Trade Association IFAT, Network of European World Shops NEWS! und European Fair Trade Association EFTA einigten sich in ihrem losen Zusammenschluss FINE (FLO, IFAT, NEWS! und EFTA) im Dezember 2001 auf eine gemeinsame Definition des Begriffs Fairer Handel. Folglich ist der Faire Handel (engl.: Fair Trade)... eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Er leistet einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, in dem er bessere Handelsbedingungen bietet und die Rechte benachteiligter ProduzentInnen und ArbeiterInnen speziell in den Ländern des Südens sichert. Fair Trade Organisationen engagieren sich gestärkt durch VerbraucherInnen aktiv für die Unterstützung der ProduzentInnen, für Bewusstseinsbildung und Kampagnenarbeit, um die Regeln und Praktiken des konventionellen Handels zu verändern. 1 In diesem Sinne bezeichnet Fairer Handel also die gesamte Fairhandelsbewegung, FAIRTRADE Österreich eingeschlossen. TransFair Österreich bezeichnet den gemeinnützigen Verein bis zu seiner Umbenennung im Jahre 2003. Seit dem Frühjahr 2003 ist daher die Bezeichnung FAIRTRADE Österreich gültig (Großbuchstabenschreibweise und zusammengeschrieben). In dieser Arbeit wird bis 2003 die Bezeichnung TransFair Österreich und ab 2003 FAIRTRADE Österreich für alle in Verbindung mit der heutigen Organisation FAIRTRADE Österreich stehenden Sachverhalte verwendet. Die englische Bezeichnung für Fairen Handel Fair Trade wird der Klarheit und Eindeutigkeit halber in dieser Arbeit, außer in Zitaten, nicht verwendet. 1 EZA Geschäftsbericht 2003/04, S. 2. 8

2. Der internationale Faire Handel Dieser Teil der Arbeit wird die Entwicklung und Arbeitsweise der Fairhandelsbewegung von ihren Anfängen an behandeln. Es wird die Struktur der unterschiedlichen Organisationen, ihrer Dachverbänden, der vielfältigen Netzwerke und der internationalen Zusammenschlüsse der Initiativen erörtert. 2.1. Begriffsabgrenzungen In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Definitionen und Beschreibungen des fairen Handels. Es lassen sich drei unterschiedliche Zugänge feststellen: Definitionen, die benachteiligte ProduzentInnen in den Entwicklungsländern in den Mittelpunkt stellen: Als Fairer Handel wird der kontrollierte Handel mit Produkten bezeichnet, deren Bezahlung üblicherweise über dem Weltmarktpreis liegt. Dies soll den Produzenten ein höheres und verlässlicheres Einkommen ermöglichen, als unter normalen Bedingungen möglich wäre. 2 Der faire Handel ist ein alternativer Ansatz zum konventionellen internationalen Handel. Er ist eine Handelspartnerschaft, die eine nachhaltige Entwicklung für ausgeschlossene und benachteiligte ProduzentInnen anstrebt. Er versucht das durch die Gewährung besserer Handelsbedingungen, durch Bewusstseinsbildung und Kampagnen. 3 Definitionen, die auf die Veränderung der bestehenden Welthandelsstruktur abzielen: 2 http://de.wikipedia.org/wiki/fairer_handel (16.01.2007). 3 Uwe Kleinert, Inlandswirkungen des Fairen Handels, in: Misereor (Hrsg.), Entwicklungspolitische Wirkungen des Fairen Handels, Aachen 2000, S. 31. 9

Fairer Handel bedeutet den Handel zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern, bei dem den Herstellern der vor allem agrikulturellen Produkte in den Entwicklungsländern ein so genannter fairer Preis bezahlt wird. Dieser Preis liegt grundsätzlich über dem Weltmarktpreis; die Preisdifferenz wird an den Endverbraucher in den Industrieländern weitergegeben, weshalb ein im Vergleich zum herkömmlich gehandelten Produkt erhöhter Preis gefordert wird. 4 Definitionen, die den Verbraucher in den Industrieländern explizit einbeziehen: 5 Der Faire Handel Fair Trade ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Er leistet einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, in dem er bessere Handelsbedingungen bietet und die Rechte benachteiligter ProduzentInnen und ArbeiterInnen speziell in den Ländern des Südens sichert. Fair Trade Organisationen engagieren sich gestärkt durch VerbraucherInnen aktiv für die Unterstützung der ProduzentInnen, für Bewusstseinsbildung und Kampagnenarbeit, um die Regeln und Praktiken des konventionellen Handels zu verändern. 6 Alternativer Handel ist ein weiterer häufig verwendeter Begriff, der seit dem Beginn der Fair-Handels-Bewegung in den späten 1940er-Jahren und 1950er- Jahren zur Beschreibung eines Handelssystems verwendet wird, das den Zugang von KleinproduzentInnen aus Entwicklungsländern an die großen Märkte der Industrieländer ermöglicht. Heute wird die Bezeichnung alternativer Handel auf unterschiedliche Weise verwendet, in der Fachliteratur lässt sich keine relevante Definition abgrenzen. Alternativer Handel wird oft als Überbegriff oder Synonym für Fairen Handel oder Ethischen Handel verwendet. 4 Torsten von Bartenwerffer, Kalle Becker, Fairer Handel Ökonomische Kritik eines populären Schlagwortes und seiner politischen Implikationen, St. Gallen 1999, S. 6. 5 Wolfgang Bartsch, Fairer Handel Hält eine Idee Einzug in den Lebensmittelhandel? Kritische Analyse anhand von FAIRTRADE Produkten in Österreich, Wien 2003, S. 9. 6 EZA Geschäftsbericht 2004, S. 2. 10

Alternativer Handel arbeitet auf direktem Weg mit den ProduzentInnen und verteilt die Waren durch die alternativen Distributionskanäle der Weltläden. Die Gründung der Siegelinitiativen ermöglichte einen Wechsel vom Zugang über die unternehmerische Ebene auf die Produktebene. Der Unterschied dieser beiden Zugänge ist, dass Weltläden fair gehandelte Produkte nur über ihre Läden (unternehmerische Ebene) verkaufen, während zertifizierte Produkte über sämtliche Verkaufsstellen des Handels vertrieben werden können. Diese können anhand ihres Zertifikats als fair gehandelte Produkte erkannt werden und somit wird bestätigt, dass die Vorgaben des fairen Handels eingehalten wurden (Produktebene). 7 Durch diesen Wechsel haben viele der alternativen Handelsorganisationen ( Alternative Trade Organizations ATOs), die ursprünglich über ihre eigenen Distributionskanäle verkauften, die vielfältigen Möglichkeiten des Verkaufs über sämtliche Verkaufsstellen des Handels realisiert. Seit diese ATOs nicht mehr ausschließlich auf ihre eigenen Distributionskanäle konzentriert sind werden sie als Fair Trade Organisationen (FTO) bezeichnet. 8 7 Bettina Schörgenhofer, The Fair Trade Initiatives in Europe and the United States A Comparison, Wien 2003, S. 23. 8 Schörgenhofer (2003), S. 23. 11

2.2. Prinzipien Wie funktioniert der faire Handel? Hinter dem FAIRTRADE Gütesiegel steht ein internationales System, das durch unabhängige und effiziente Kontrollen die Einhaltung der internationalen FAIRTRADE Kriterien sicherstellt. Diese internationalen Kriterien werden von der Fairtrade Labelling Organizations International (FLO, siehe Kap. 2.3.4) in Zusammenarbeit mit den ProduzentInnenorganisationen, den alternativen Handelsorganisationen, ExpertInnen und anderen Stakeholdern festgelegt, und zwar in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des ISEAL Code of Good Practice for Standard Setting. Damit ein Produkt dieses Siegel führen kann, muss es den internationalen FAIRTRADE Standards entsprechen. ProduzentInnenorganisationen, die FAIRTRADE Produkte liefern, werden dann aufgrund dieser Standards durch die FLO-CERT GmbH (siehe Kap. 2.3.4), einer unabhängigen Zertifizierungsinstanz, die regelmäßige Inspektionen durchführt, zertifiziert. 9 FAIRTRADE Kriterien: Genossenschaften, die ihre Produkte zu fairen Bedingungen verkaufen wollen, verpflichten sich unter anderem vertraglich zur Einhaltung folgender sozialer Kriterien: Sie müssen politisch unabhängig sein und eine demokratische Struktur aufweisen. Bei den Genossenschaftsmitgliedern handelt es sich überwiegend um kleinbäuerliche Familienbetriebe. Die Kleinbauern sind an allen wichtigen Entscheidungen ihrer Genossenschaft direkt und demokratisch beteiligt. Dies gilt insbesondere für die Verwendung des Mehrerlöses aus dem Fairen Handel. Transparenz von Management und Verwaltung muss gewährleistet werden, um den Mitgliedern eine effektive Kontrolle zu ermöglichen. 9 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 7. 12

Die Genossenschaften verpflichten sich, arbeitsrechtliche und ökologische Mindeststandards umzusetzen. 10 Weiters sind bei der FLO gegenwärtig auch Betriebe und Plantagen registriert, die unter anderem folgende Sozial-Kriterien erfüllen: Sämtliche, in den jeweiligen Erzeugerländern geltende gesetzliche und tarifliche Mindest-Standards müssen eingehalten werden. Dies gilt besonders für Beschäftigungsgarantien und Höhe der Löhne, aber auch für betriebliche Sozialleistungen und Arbeitsschutzbestimmungen. Alle Beschäftigten sind berechtigt, sich einer unabhängigen Gewerkschaft anzuschließen und kollektiv über Löhne und Arbeitsbedingungen zu verhandeln. PlantagenbesitzerInnen verpflichten sich, arbeitsrechtliche und ökologische Mindeststandards umzusetzen. Das Plantagenmanagement stellt der internationalen Kontrollebene FLO alle relevanten Daten zur Verfügung und erstattet regelmäßig über die Verkäufe zu fairen Bedingungen Bericht. Transparenz von Management und Verwaltung muss gegeben sein. Die einzelnen Organisationen sollen offen für neue Mitglieder sein und jegliche Diskriminierung ablehnen. 11 Folgende Kriterien gelten für ImporteurInnen und HerstellerInnen: Der Rohstoff wird direkt von Partnerbetrieben gekauft, die im FLO- Produzentenregister eingeschrieben sind. ProduzentInnen und AbnehmerInnen streben eine langfristige Lieferbeziehung an. Für den Rohstoff erhalten die Produzentenorganisationen einen festgelegten FAIRTRADE Preis, der über dem Weltmarktpreis liegt und 10 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fair_trade_kriterien (23.01.2007). 11 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fair_trade_kriterien (23.01.2007). 13

sowohl die Produktionskosten als auch Lebenshaltungskosten deckt. Sollte der Weltmarktpreis über den FAIRTRADE Preis steigen, wird jedenfalls der höhere Preis bezahlt. Zusätzlich muss den ProduzentInnen ein fixer FAIRTRADE Aufschlag, die FAIRTRADE Prämie, für Sozialprojekte bezahlt werden. Für Produkte aus biologischem Anbau ist ein zusätzlicher Aufschlag, die Bio Prämie, zu zahlen. Auch die übrigen Geschmackszutaten und Aromastoffe, für die es keine offiziellen FAIRTRADE Kriterien gibt, dürfen nicht aus Quellen oder Produktionsverfahren stammen, die mit dem Grundgedanken des Fairen Handels unvereinbar sind. Hierzu zählen zum Beispiel Kinderarbeit oder Anbau unter erheblichen Umweltbelastungen. Auf Wunsch der Produzentenorganisationen wird vom Käufer ein Kredit von bis zu 60% des Kaufwertes gewährt (Vorfinanzierung). Importeure und Hersteller müssen Kontrollen von FAIRTRADE und unabhängigen Wirtschaftsprüfern zulassen. Die HerstellerInnen (z.b. Kaffeeröster) zahlen eine Lizenzgebühr für die Nutzung des FAIRTRADE Gütezeichens. Diese Gebühr schmälert nicht das Einkommen der ProduzentInnen, denn sie wird zusätzlich zu dem festgelegten Mindestpreis bezahlt. 12 Diese Kriterien behandeln also im Wesentlichen den direkten Handel mit den ProduzentInnengruppen unter Ausschluss von ausbeuterischen ZwischenhändlerInnen, die Zahlung über dem Weltmarktniveau festgelegter Mindestpreise, die Zahlung von Prämien für soziale Projekte, langfristige Handelsbeziehungen, die Vorfinanzierung, die Zahlung einer zusätzlichen Prämie für biologisch kontrollierten Anbau und das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. 13 12 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fair_trade_kriterien (23.0.2007). 13 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 8. 14

Alle Produkte, die das FAIRTRADE Zertifikat tragen, stammen von Produzentenorganisationen, die von der FLO-CERT inspiziert und zertifiziert werden. Der Anbau und die Ernte der Produkte müssen unter Einhaltung der von FLO International e.v. festgelegten internationalen FAIRTRADE Standards erfolgen. Zusätzlich zu den Kontrollen während der Produktion wird auch der gesamte Vertriebsweg ständig überwacht (Warenflusskontrolle) um die Glaubwürdigkeit der zertifizierten Produkte sicherzustellen. Dieses Ineinandergreifen von Zertifizierung, Überwachung und Lizenzvergabe garantiert, dass die Integrität der Vertriebskette nicht verletzt wird. 14 Die regelmäßige Kontrolle lässt sich durch folgende Graphik veranschaulichen: Abb. 1: Das Kontrollsystem Quelle: http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fairtrade_kontrollsyste m (23.01.2007). 14 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fairtrade_kontrollsystem (23.01.2007). 15

Durch dieses System wird sichergestellt, dass nur Produkte und Inhaltsstoffe, die auf der Produktionsstufe zertifiziert wurden, auch als zertifizierte FAIRTRADE Produkte gekennzeichnet werden können und zwar nicht von beliebigen Unternehmen: Nur FAIRTRADE LizenznehmerInnen können das FAIRTRADE Zeichen auf ihren Produkten führen. 15 FAIRTRADE Österreich kontrolliert die Unternehmen (GroßhändlerInnen, EinzelhändlerInnen, Alternativhandelsorganisationen), die in Österreich Produkte mit dem FAIRTRADE Gütesiegel verkaufen. Die LizenznehmerInnen melden vierteljährlich ihre Verkaufsabschlüsse zu fairen Bedingungen. Diese Daten werden mit den Angaben von FLO-CERT abgeglichen. Unabhängige WirtschaftsprüferInnen führen zusätzlich stichprobenartig jährliche Kontrollen (Bestellmengen, Verbrauch, Lager) bei diesen LizenznehmerInnen durch. Dem Lizenzvertrag entsprechend ist diesen WirtschaftsprüferInnen Einsicht in die Bücher zu gewähren. Auch FAIRTRADE in Österreich wird einmal jährlich von unabhängigen WirtschaftsprüferInnen geprüft. 16 15 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fairtrade_kontrollsystem (23.01.2007). 16 http://www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade&zo=fairtrade_kontrollsystem (23.01.2007). 16

2.3. Entwicklung Die Entwicklung des fairen Handels und der FAIRTRADE Organisation lässt sich in mehrere Phasen unterteilen. Die Ursprünge lassen sich in einige Länder und auf unterschiedliche Zeitpunkte zurückführen. So heißt es, die Amerikaner hätten 1946 Handarbeiten aus Puerto Rico eingekauft und 1958 den ersten formalen Fair Trade Shop eröffnet. In Europa liegen die Anfänge in den späten 1950er- Jahren in Großbritannien. In den Niederlanden liegen die Anfänge des Fairen Handels im Jahre 1959, 1967 wurde die erste Import Organisation (Fair Trade Organisatie) gegründet. 2.3.1. Die Anfänge des fairen Handels Ende der 1940er-Jahre beschäftigten sich die beiden US-amerikanischen Organisationen Ten Thousand Villages (vormals Selfhelp Crafts der Mennonitischen Kirche) und Sales Exchange for Refugee Rehabilitation and Vocation SERRV (Nonprofit alternative trade and development organisation) mit dem Verkauf von Handwerksprodukten von europäischen Flüchtlingen und später von lateinamerikanischen ProduzentInnen. 1958 wurde der erste formale Fair Trade Shop in den USA eröffnet. 17 1959 wurde in den Niederlanden die Stiftung Steun voor Onderontwikkelde Streken, kurz SOS (heute: Fair Trade Organisatie) von jungen KatholikInnen gegründet. Sie gilt als die erste alternative Handelsorganisation und war als Entwicklungshilfeorganisation gewidmet. Damaliger Gründungsgrund war eine Kampagne, in der Milchpulver für vom Hungertod bedrohte Menschen in Sizilien gesammelt wurde. 18 17 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 2. 18 Armin Balutsch-Khosravi, Transfair Fairtrade, Optionen zur Lösung des Nord-Süd- Konfliktes, Wien, 1998, S. 9. 17

Die Hilfsorganisation Oxfam 19 UK war Gründer des Fairen Handels in Groß Britannien. Der damalige Direktor hatte auf einer Reise nach Hong Kong die Idee, Handwerksartikel von chinesischen Flüchtlingen in den Oxfam-Läden zu verkaufen. Das erste Verkaufsobjekt war ein ausgestopftes Nadelkissen. 1964 gründete Oxfam die erste alternative Handelsorganisation. Auf internationaler Ebene wurde der Ruf nach fairem Handel erstmals 1964 auf der ersten UNCTAD Konferenz (United Nations Conference on Trade and Development) laut. Die Entwicklungsländer stellten damals unter dem Motto Trade not Aid Fairer Handel statt Almosen eine solche Forderung an die Industrieländer. Die Betonung lag auf fairen Handelsbeziehungen aber die Industriestaaten des Nordens kamen dieser Forderung nicht nach, sie boten stattdessen Entwicklungshilfe und Kredite an. In den Niederlanden wurde die Idee jedoch von einer engagierten Gruppe, die schon seit den späten 1950er-Jahren aktiv war, aufgenommen. 1967 wurde in Kerkrade, NL durch SOS der Handel mit Produkten aus der so genannten Dritten Welt aufgenommen. Der Verkauf der Handwerksprodukte erfolgte vorerst über Kirchenbasare, Aktionsgruppen und dem Postversand. 20 Auch der erste Weltladen wurde in den Niederlanden gegründet, und zwar im April 1969 in Breukelen. Die Weltläden hatten von Anfang an eine wichtige Rolle in der gesamten Fair Trade Bewegung. Sie waren nämlich nicht nur im Verkauf aktiv, sondern auch in der Bewusstseinsbildung und Kampagnenarbeit. Außerdem wurde der Markt durch die Weltläden enorm erweitert und die Umsätze der Fair Trade Organisationen konnten immer mehr gesteigert werden. Diese alternativen Handelsorganisationen definierten sich in einer Mittlerstellung zwischen den ProduzentInnen vor allem kleinbäuerlicher Struktur und den Absatzmärkten der industrialisierten Länder. Sie arbeiteten nicht gewinnorientiert, sondern gewährten sogar riskante Kredite an Produzentengruppen in der Dritten Welt, die herkömmliche Banken nicht gewährten. Die politische Komponente wird an dem 19 Oxfam: Oxford Committee for Famine Relief (internationale Organisation, die humanitäre Projekte gegen Hungersnöte entwickelt und durchführt). 20 EFTA (Hrsg.), Fair Trade Jahrbuch 1995, Genf 1995, S. 11. 18

Schwerpunkt der Bildungsarbeit deutlich, die ein kritisches Bewusstsein über das Nachfrageverhalten in den Weltläden hinaus zu erzeugen versuchte. 21 2.3.2. Die 1970er-Jahre Politische Kampagnen Während der 1960er- und 1970er- Jahre wurde in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas durch NGOs (Non governmental organisations Nichtregierungsorganisationen) und sozial motivierte Menschen die Nachfrage für Fair Marketing Organisationen wahrgenommen. Den benachteiligten ProduzentInnen wurde das notwendige Know-How vermittelt, um eine Vernetzung von neugegründeten Fair Trade Organisationen in den Entwicklungsländern mit den Organisationen in den Industrieländern zu ermöglichen. Die Basis dieser Beziehungen bildeten Partnerschaft, Dialog, Transparenz und gegenseitiger Respekt mit dem gemeinsamen Ziel, mehr Fairness im internationalen Handel zu erreichen. Ursprünglich wurde der Faire Handel, wie schon erwähnt Alternative Trade bezeichnet, sein Wachstum war von den späten 1960er-Jahren an vom Development Trade ( Entwicklungshilfe & Handel ) geprägt. Der Schwerpunkt dieser Organisationen lag auf der Vermarktung von Handwerksprodukten aus Entwicklungsländer. Meistens handelte es sich bei den GründerInnen dieser Organisationen um kirchliche oder entwicklungspolitisch orientierte Gruppen in Europa. Die Hilfe bestand aus der Organisation von ProduzentInnengruppen, Unterstützung bei der Produktion, sozialem Service, dem Export in den Norden und bei der Gründung neuer Fair Trade Organisationen in den Entwicklungsländern selbst. Eine weitere Richtung, die sich neben dem Development Trade herausbildete, war der Solidarische Handel. Diese Form der Fairen Handelsorganisationen ermöglichte es Ländern, die wirtschaftlich und politisch ausgegrenzt waren, am fairen Handel teilzunehmen. 21 Bartsch (2003), S. 16. 19

Zu Beginn des fairen Handels konzentrierten sich die meisten Fair Trade Organisationen in den Entwicklungsländern auf das Handwerk und verkauften diese Produkte dann in den Weltläden. Die Kontakte zu den ProduzentInnen wurden meist über missionarische Einrichtungen geschlossen. 1973 wurde erstmals Kaffee von KleinproduzentInnen aus Guatemala in die Niederlande importiert. Dieses Produkt erwies sich als äußerst gewinnbringend und erzielte ansprechende Umsatzzahlen. 22 Auch heute noch profitieren unzählige KaffeeproduzentInnen von fair gehandeltem Kaffee, da sein Konsum in Europa nach wie vor steigt. Das Sortiment wurde nach dem erfolgreichen Handel mit Kaffee erweitert. Außerdem eröffneten sich durch den Einstieg in den Lebensmittelbereich neue Verkaufsmöglichkeiten wie Supermärkte und Bioläden. 2.3.3. Die 1980er-Jahre Labelling und Massenmarkt In den 1980er-Jahren wurde erstmals der Ruf nach Labelling, also der Siegelvergabe, laut. Außerdem gab es eine neue Herausforderung zu meistern: Das Neue an den fair gehandelten Produkten war immer mehr verloren gegangen, die Verkaufszahlen stagnierten und die Handwerkprodukte begannen, auf dem Markt sehr altmodisch und nicht mehr modern zu wirken. Da der Markt für Handwerksprodukte immer weiter zurückging, waren die Unterstützer des fairen Handels dazu gezwungen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, und innovative Lösungen für die andauernde Krise in dieser Branche zu finden. Waren aus der Landwirtschaft bildeten dabei den perfekten Ersatz zum schwindenden Markt für Handwerksprodukte: Sie boten eine erneuerbare Einkommensquelle und waren leicht zu vermarkten, da theoretisch jeder einzelne Verbraucher ein potentieller Kunde werden konnte. Die ersten landwirtschaftlichen Produkte, die im fairen Handel verkauft wurden, waren Kaffee und Tee, denen getrocknetes Obst, Kakao, Zucker, Fruchtsäfte, Reis, Gewürze und Nüsse schnell folgten. 22 Balutsch-Khosravi (1998), S. 9. 20

1988 wurde von der niederländischen Organisation Solidaridad das Max- Havelaar-Gütesiegel für Fairen Handel als erstes FAIRTRADE Label eingeführt und vorerst nur für Kaffee vergeben. 23 Die Idee zu diesem Gütesiegel hatten ein Priester und ein Mitarbeiter der Organisation Solidaridad. All jene Produkte, welche die Kriterien des Fairen Handels erfüllten, wurden für das Label qualifiziert, damit diese Produkte in Supermärkten, unter all den anderen Produkten, für die KonsumentInnen erkennbar sind. Auf diese Weise wollte man auch den traditionellen Handel mit einbeziehen bzw. auf faire Handelsbedingungen aufmerksam machen. 24 Abb. 2: Max-Havelaar-Logo Quelle: http://www.ekodirect.com/ekoweb/maxhavelaar.htm (22.01.2007). 23 http://de.wikipedia.org/wiki/fairer_handel (22.01.2007). 24 Marlike Kocken, Eine kurze geschichtliche Darstellung der Bewegung des Fairen Handels, 2004, S. 2. 21

Der Name Max Havelaar geht auf einen Helden im gleichnamigen Buch vom holländischen Autor Eduard Douwes Dekker zurück das 1860 veröffentlicht wurde und über die Ungerechtigkeiten im Kaffeehandel zwischen den Niederlanden und deren früheren Kolonie Indonesien berichtet. 25 Der Erfolg von Max-Havelaar Holland bewirkte, dass auch andere europäische ATOs dieses Gütesiegel benutzten. Es folgten etliche Siegelorganisationen, etwa in Groß Britannien die British Fairtrade Foundation, in Belgien oder in der Schweiz, die ihr Siegel ebenfalls Max Havelaar nannten. Das Logo und die dahinter stehenden Kriterien waren aber unterschiedlich. 26 Die 1980er-Jahre waren außerdem durch hohe Umsatzzuwächse gekennzeichnet. Allerdings blieb der alternative Handel eine Nische und die Situation der ProduzentInnen verbesserte sich nicht wesentlich. 1988 scheiterte das International Coffee Agreement (ICA), ein Abkommen zwischen allen ProduzentInnen- und den größten KonsumentInnenländern, das seit 1962 das Preisniveau durch Exportquoten regelte. Durch den Zusammenbruch dieses Abkommens fielen die Kaffee-Preise um 50% und mehr. All das veranlasste ATOs darüber nachzudenken, wie fair gehandelte Produkte zusätzlich im traditionellen Handel abgesetzt werden könnten, um die Absatzmengen zu erhöhen. 27 2.3.4. Die 1990er-Jahre Professionalisierung Die 1990er-Jahre waren von dem Bewusstsein geprägt, dass die Zersplitterung in viele kleine Importorganisationen des alternativen Handels bzw. unterschiedliche Siegelorganisationen der Schlagkräftigkeit des Anliegens nicht dienlich sind. 28 Der Welthandel änderte sich durch die voranschreitende Globalisierung, das Welthandelsvolumen stieg an, aus ehemaligen Entwicklungsländern waren teilweise Industrie- bzw. zumindest Schwellenländer geworden und die Staaten 25 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 3. 26 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 3. 27 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 2f. 28 Bartsch (2003), S. 18. 22

des ehemaligen Ostblocks veränderten sich rasant. Darüber hinaus hielten ethische Standards Einzug in die Strategie und die Unternehmensphilosophie transnationaler Konzerne, sodass das Monopol darauf nicht mehr bei den vielen Initiativen des Fairen Handels lag. 29 Es wurde also deutlich, dass man die Kooperationen unter allen am Fairen Handel beteiligten Organisationen auf internationaler Ebene verstärken musste, um größeren internationalen Einfluss zu erlangen. 30 Folgende Organisationen wurden im Zuge dieser Erkenntnisse gegründet: Mit dem gemeinsamen Ziel der Ausweitung fairer und ausgeglichener Handelsbeziehungen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern schlossen sich 1989 etwa 30 ATOs zur International Federation for Alternative Trade (IFAT, heute: International Fair Trade Association) zusammen. Abb. 3: Logo IFAT Quelle: www.ifat.org (19.01.2007). Im Jahr 2004 hatte IFAT mehr als 200 Mitglieder aus 55 verschiedenen Ländern der Welt. Die IFAT-Mitglieder sind ProduzentInnen-Kooperativen und -Vereinigungen, Export-Marketing-Gesellschaften, Importeure, Einzelhändler, Weltläden, nationale regionale Fair-Trade-Netzwerke und Finanzinstitutionen, die der Fair-Trade-Bewegung angehören. Das Netzwerk IFAT repräsentiert demnach die gesamte Fair-Handels Kette, vom Produkt bis hin zum Verkauf. Die Aufgabe IFATs besteht darin, die soziale Situation benachteiligter ProduzentInnen zu verbessern, die 29 Bartsch (2003), S. 19. 30 http://de.wikipedia.org/wiki/international_fair_trade_association (19.01.2007). 23

Zusammenarbeit von Fairhandelsorganisationen zu fördern und sich für eine größere Gerechtigkeit im Welthandel einzusetzen. 31 Um das zu bewerkstelligen organisiert IFAT regelmäßige Treffen zum Wissens- und Erfahrungsaustausch, vernetzt ATOs im Norden und Süden, leistet Bildungs- und Lobbying-Arbeit und unterstützt die Entwicklung von international einheitlichen Kriterien des fairen Handels. 32 2004 wurde das FTO (Fair Trade Organization) Siegel beim World Social Forum in Mumbai, Indien eingeführt. Das FTO Siegel identifiziert weltweit registrierte Organisationen Fairen Handels. Über 150 Organisationen wurden bisher registriert. Dieses Siegel dient als Monitoring-System für Organisationen des Fairen Handels, es soll die Glaubwürdigkeit all dieser Organisationen gegenüber politischen Entscheidungsträgern, dem kommerziellen Handel und den KonsumentInnen gewährleisten. Das Siegel ist für alle IFAT Mitglieder verfügbar, die den Erfordernissen der IFAT Standards und dem Monitoring-System entsprechen. 33 Abb. 4: FTO-Siegel 31 http://de.wikipedia.org/wiki/international_fair_trade_association (19.01.2007). 32 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 6. 33 Kocken (2004), S. 3. 24

Quelle: http://www.ifat.org/theftomark.shtml (19.01.2007). Die European Fair Trade Association (EFTA) ist ein Zusammenschluss von 11 Fair-Trade-Organisationen aus neun europäischen Ländern und wurde nach vielen Jahren informeller Zusammenarbeit 1990 ins Leben gerufen. Abb. 5: Logo EFTA Quelle: http://www.european-fair-trade-association.org (19.01.2007). Ziel der EFTA ist die Unterstützung seiner Mitgliedsorganisationen, deren Arbeit und die Kooperation und Koordination mit ihnen. EFTA versucht seinen Mitgliedern den Austausch von Informationen und das Networking zu erleichtern, verschafft ihnen die Möglichkeit der Arbeitsteilung und erstellt und entwickelt gemeinsame Projekte. 34 Weiters zählen Bewusstseinsbildung und Kampagnen-Arbeit, speziell auf EU-Ebene, zum Aufgabengebiet der EFTA. 35 1994 wurde die Zusammenarbeit der Weltläden durch die Vereinigung Network of European Worldshops (NEWS!) realisiert. Abb. 6: Logo NEWS! 34 http://www.european-fair-trade-association.org/efta/index.php (19.01.2007). 35 FAIRTRADE Österreich (Hrsg.), Allgemeine Infos und geschichtliche Entwicklung, Wien 2003, S. 6. 25

Quelle: http://www.worldshops.org/index.html (19.01.2007). NEWS! repräsentiert mehr als 2.500 Läden in 13 Mitgliedsländern. Hauptaufgabe ist die Vernetzung der Weltläden, die Herstellung von Informationsflüssen und der Erfahrungsaustausch, die Organisation von Projekten und Kampagnen, die Unterstützung der Weltladen-Dachverbände und die Organisation des jährlichen Europäischen Weltladen-Tags. 36 Nebenbei ist zu bemerken, dass nicht alle Weltläden Mitglied der nationalen Dachverbände sind, so existieren mehr Weltläden als NEWS! vertritt. Mehr Informationen zu NEWS! siehe Kapitel Exkurs: Die Weltläden. EFTA und TransFair Deutschland gründeten 1992 TransFair International als Träger des europäischen FAIRTRADE Siegels in Göttingen, Deutschland. Abb. 7: Logo TransFair 36 http://www.worldshops.org (19.01.2007). 26

Quelle: http://www.transfair.org (19.01.2007). 1994 traten TransFair International fünf nationale TransFair Organisationen bei (Kanada, Italien, Luxemburg, Japan und Österreich). TransFair International kümmerte sich um alle produzentenbezogenen Aspekte, wie Produktkriterien, Führung des Produzentenregisters, Monitoring und Kontrolle des Flusses der fair gehandelten Produkte bis zum Importeur bzw. die Kommunikation zwischen den nationalen TransFair Mitgliedern. 37 Im April 1997 schlossen sich verschiedene internationale Siegelorganisationen zu der gemeinsamen Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) mit Sitz in Bonn zusammen. Zurzeit arbeiten 19 nationale Siegelorganisationen des Fairen Handels in 20 Ländern zusammen. Abb. 8: Siegelorganisationen FLO weltweit 37 Bartsch (2003), S. 20. 27

Quelle: http://www.transfair.org/ueber_transfair/wer_sind_wir/fairerhandelweltweit. php (19.01.2007). FLO arbeitet als unabhängige, internationale Kontrollinstanz, die die Festsetzung und Überwachung der Einhaltung der fairen Handelsstandards übernahm. Außerdem legen hier die Siegelinitiativen und die Produzentenvertreter gemeinsam die Strategien und Richtlinien für den Fairen Handel fest. Die Organisation kontrolliert und zertifiziert regelmäßig ca. 500 ProduzentInnen in mehr als 50 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Zusätzlich leistet FLO Lobbyarbeit in den internationalen Organisationen und stellt die Kommunikation zwischen den nationalen Initiativen sicher. FLO ist geteilt in FLO International und FLO-CERT. FLO- CERT wurde als eigene Zertifizierungseinheit gebildet, um das Monitoring und die Kontrolle auch institutionell zu trennen. 38 FLO war außerdem wesentlich daran beteiligt, einen Zugang zum kommerziellen Handel zu erreichen. Mehr als zwei Drittel aller von der FLO besiegelten Produkte wurden 2004 im kommerziellen Handel verkauft. 39 38 http://www.transfair.org/ueber_transfair/wer_sind_wir/fairerhandelweltweit.php (19.01.2007). 39 Kocken (2004), S. 3. 28

Die Siegelorganisationen, die FLO gründeten, benutzten ursprünglich unterschiedliche Logos. Der Entschluss zu internationalen Standards und Zertifizierungen wurde mit der Erstellung eines einheitlichen gemeinsamen Logos, der International Fairtrade Certification Mark, vervollständigt. Dieses gemeinsame Logo sollte in Zukunft den internationalen Warenverkehr und die Öffentlichkeitsarbeit erleichtern. Die meisten der FLO-Siegelinitiativen benutzen heute das International Fairtrade Certification Mark, oft mit einem Slogan in der jeweiligen Landessprache oder dem Namen der Organisation. Die Siegelinitiativen in Kanada, der Schweiz und den Vereinigten Staaten verwenden noch immer ihre eigenen Logos. 40 Abb. 9: International Fairtrade Certification Mark Quelle: http://www.fairtrade.net/certification_mark.html#c120 (22.01.2007). Die vier Organisationen IFAT, EFTA, NEWS! und FLO bildeten im März 1999 in Utrecht, Niederlande einen zwanglosen Zusammenschluss, die so genannte FINE-Gruppe (FLO, IFAT, NEWS! und EFTA). FINE einigten sich in der Utrechter-Vereinbarung auf eine einheitliche Definition von Fairem Handel (siehe Kapitel 1.3.1) und formulierten gemeinsame Ziele. Nennenswert ist vor allem, dass es zum ersten Mal eine internationale Vereinigung der Verbände der alternativen Importorganisationen, der Weltläden und der Siegelinitiativen gab, was in Anbetracht der bisherigen 40 http://www.fairtrade.net/certification_mark.html (22.01.2007). 29

historischen Entwicklung der Bewegung des Fairen Handels einen unglaubliche Fortschritt bedeutete. Abb. 10: Internationale Organisationen des Fairen Handels in Europa Quelle: EFTA (Hrsg.), Fair Trade in Europe 2005 Facts and Figures on Fair Trade in 25 European countries, Brüssel 2005, S. 26. Die 1990er-Jahre waren also zusammenfassend für die Vernetzung und die Organisation von lokal agierenden, idealistischen Initiativen zu international vernetzten und organisierten Vereinigungen enorm wichtig und beschleunigten die Entwicklung der Bewegung um ein Vielfaches. Zielsetzungen, Strategien und Potentiale wurden entwickelt, verändert, vereinheitlicht und stabilisiert, dadurch erleichterte sich die Zusammenarbeit der Organisationen, Vereine und Verbände ebenfalls deutlich. 41 Vernetzung trägt ganz wesentlich zum Erfolg aller Organisationen des Fairen Handels bei. In der ganzen Welt wurden Netzwerke etabliert, wie z.b. das Asia Fair Trade Forum, das Ecota Fair Trade Forum in Bangladesh, die Fair Trade Group Nepal, Associated Partners for Fair Trade Philippines, Fair Trade Forum India, Kenya Federation for Alternative Trade (KEFAT), Coordinadora in Latein Amerika etc. 42 2.3.5. Heute Aufbruch ins nächste Jahrtausend 41 Bartsch (2003), S. 22. 42 Kocken (2004), S. 4. 30

Die Europäische Kommission gab bekannt, dass sie den Fairen Handel unterstützen wolle. Auch die Weltbank hat eine positive Einstellung zum Fairen Handel. Nach dem Kommentar zu einer Weltbankstudie im Jahr 2003 kann fair gehandelter Kaffee Vorteile haben, wie etwa verbessertes Ressourcenmanagement und geringerer Einsatz von Pestiziden was wiederum die Kosten und Gesundheitsrisiken reduziert und mehr ländliche Arbeitsplätze, für diejenigen schafft, die auf sie angewiesen sind. Das Jahr 2004 wurde von den Vereinten Nationen zum Reis-Jahr erklärt. In den Niederlanden feierte man 2004 das 45-jährige Bestehen der Fairen-Handels- Bewegung. Organisationen versuchten vermehrt, den Fairen Handel mit den wirtschaftlich schwächeren Partnern in das Regelwerk der WTO zu integrieren, was allerdings umstritten ist. Am 23. März 2004 fand eine Europäische Konferenz zum Thema Fairer Handel - Ein Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung? im Europäischen Parlament in Brüssel statt, die federführend von EURO COOP (European community of consumer cooperatives), NEWS! und EFTA organisiert wurde. 2005 wurde von den Vereinten Nationen als Jahr der Mikro-Finanzsysteme ausgerufen. Im Jahr 2006 startete die Nichtregierungsorganisation Weed eine Initiative zum fairen Handel mit Computern. Mit dem Projekt PC global sollen Missstände bei der Computerherstellung aufgedeckt werden. Innerhalb der letzten zehn Jahre erlebte der faire Handel weltweit einen regelrechten Boom. FINE schätzte, dass der Verkauf von Produkten aus fairem Handel, sowohl solche mit als auch ohne Siegel, etwa 260 Millionen Euro einbrachte. 2005 wurde die Summe auf 660 Millionen Euro geschätzt, was eine Steigerung um 154% und eine stetige Erhöhung um etwa 20% pro Jahr bedeutete. Auf ähnliche Weise entwickelte sich der Verkauf in den Vereinigten Staaten und den Pazifikländern; dort erhöhten sich die Umsätze von 291 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 376 Millionen Euro im Jahr 2004. 43 43 http://de.wikipedia.org/wiki/fairer_handel (22.01.2007). 31

Exkurs: Die Weltläden Abb. 11: Logo Weltläden Österreich Quelle: http://www.weltlaeden.at/start.asp (10.01.2007). Nach der Gründung des ersten Weltladens 1969 in den Niederlanden verbreitete sich die Idee der Weltladen-Bewegung schnell in ganz Europa. Es entstanden Weltläden in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich, Schweden, Großbritannien und Belgien. In den meisten Ländern haben sich die Weltläden zu nationalen Organisationen zusammengeschlossen, um die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen zu erleichtern. Die meisten Weltläden werden auf unterschiedlichsten Wegen von Vereinen unterstützt. 44 In Österreich wurde 1982 der Dachverband der Weltläden, Arbeitsgemeinschaft Weltläden ARGE WL gegründet und umfasst mittlerweile 92 Verkaufsstellen und zwei Kaffeehäuser, die ein einheitliches Logo verwenden. Die meisten Weltläden werden von Vereinen geführt. Einige wenige Weltläden werden von Privatpersonen, drei von der Importorganisation EZA Fairer Handel und einer von 44 EFTA (Hrsg.), Fair Trade in Europe 2001 Facts and Figures on the Fair Trade Sector in 18 European countries, Maastricht, Brüssel, Salzburg 2001, S. 6f. 32

der Importorganisation Eine Welt Handel geführt. 45 Die ARGE WL unterstützt ihre Mitglieder auf einigen Gebieten: Training in Marketing und Kommunikation, Materialien für Werbekampagnen und Informationsaustausch. 46 Viele dieser nationalen Vereinigungen schlossen sich 1994 zu NEWS! (Network of European World Shops), dem Netzwerk der Europäischen Weltläden zusammen. Diese internationale Organisation umfasst bis heute über 2500 Weltläden aus dreizehn Ländern und mehr als 100.000 Freiwillige aus Zentral- und Westeuropa. 47 NEWS! vereinfacht die Kooperation und das Networking zwischen ihren Mitgliedern, indem es Informationen (NEWS!letter, Website, Organisation von Workshops) bereitstellt und halbjährlich eine Europäische Weltläden Konferenz organisiert. 48 NEWS! koordiniert europaweite Kampagnen und ist verantwortlich für den Austausch von Informationen und Erfahrungen im Hinblick auf Bewusstseinsbildung und Professionalisierung. 49 Im Mai jedes Jahres organisiert NEWS! den "Europäischen Weltladentag", an dem sich jeweils mehr als zweitausend Weltläden beteiligen. Weltläden sind auf fair gehandelte Produkte spezialisiert und werden meistens von engagierten Mitgliedern lokaler Vereinigungen geführt. Das typische Sortiment eines Weltladens umfasst einerseits die klassischen agrarischen Produkte des Südens (Kaffee, Tee, Kakao, Honig, Gewürze, Zucker, Fruchtsäfte, getrocknete Früchte...), andererseits auch (Kunst-) Handwerk aus diesen Ländern (Körbe, Taschen, Musikinstrumente, Dekorationsfiguren, Kleidung, Hängematten,...). 50 Weltläden sollen nicht nur ein Verkaufsort sein, sondern auch ein Aktionszentrum des Fairen Handels darstellen. So werden breit angelegte Kampagnen und Informations- und Bildungsarbeit organisiert, um die Bevölkerung über die ungerechten Welthandelsstrukturen und deren Auswirkungen auf die Menschen in den Entwicklungsländern aufzuklären. Weltläden werden daher gerne von 45 http://de.wikipedia.org/wiki/weltladen (3.11.2006). 46 EFTA (Hrsg.), Fair Trade in Europe Facts and Figures on the Fair Trade Sector in 16 European countries, Maastricht, Brüssel, London 1998, S. 10. 47 http://www.worldshops.org/news.html (8.11.2006). 48 EFTA (2001), S. 10. 49 Kocken (2004), S, 3. 50 http://de.wikipedia.org/wiki/weltladen (3.11.2006). 33

Lehrern, Schulen und anderen entwicklungspolitisch interessierten Menschen aufgesucht. 51 Am 4. Mai 2002 wurde der erste weltweite World Fair Trade Day von der gesamten weltweiten Fair Trade Bewegung veranstaltet. 52 51 ARGE WL (Hrsg.), Aktuell - Informationen der ARGE WELTLÄDEN (2004/1). 52 Kocken (2004), S. 3. 34

3. FAIRTRADE Österreich 3.1. Vorrunden, Gründungsmitglieder, Gründung Am 12. Juni 1992 startete der gemeinnützige europäische Verein TransFair International ( TransFair Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der "Dritten Welt" e.v. ) nach eineinhalb Jahren Vorbereitungszeit seine Arbeit. Gegründet wurde er auf einer Tagung nahe Göttingen/Deutschland von den GeschäftsführerInnen alternativer Handelsorganisationen sowie der VertreterInnen der deutschen Arbeitergemeinschaft ARGE Kleinbauernkaffee. Aus der ARGE Kleinbauernkaffee entstand schließlich TransFair Deutschland. Ziel war es, benachteiligte Produzentenfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern und durch den Fairen Handel ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. 53 TransFair selbst handelt nicht mit Waren. Der Verein vergibt vielmehr sein Siegel für fair gehandelte Produkte. Für die Nutzung des Siegels hebt TransFair Lizenzgebühren ein. TransFair ist also keine Marke, sondern zeichnet Produkte mit seinem Siegel aus, die zu festgelegten fairen Bedingungen gehandelt wurden. Zu den Aufgaben gehört die Kontrolle der Fairhandelsregeln, das Siegelmarketing, die Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. 54 In Österreich wurde nach der Etablierung von Max Havelaar, TransFair Deutschland und TransFair International verstärkt auf die Schaffung einer Siegelinitiative hingearbeitet. Die Erfolge in den Anfangsjahren des Siegels in Deutschland spornten die Akteurinnen und Akteure in Österreich zu einem ähnlichen Weg an. 55 In mehreren Treffen mit allen wichtigen FAIRTRADE AkteurInnen (z.b. EZA Dritte Welt GmbH, ARGE Weltläden, CONA, usw.) und 53 http://www.transfair.org/ueber_transfair/wer_sind_wir/index.php (9.11.2006). 54 http://www.transfair.org/ueber_transfair/wer_sind_wir/index.php (9.11.2006). 55 Christine Zeiner, Fair Trade als Antwort auf den Welthandel: Alternativer und fairer Handel in Österreich, Wien 2003, S. 84. 35

GewerkschaftsvertreterInnen 1992 und 1993 wurde die Gründung von TransFair Österreich beschlossen. 56 Die Vorbereitungsphase bis zur Gründung nahm ca. ein Jahr Arbeit in Anspruch. In dieser ersten Phase bis zur Gründung waren vor allem der ÖIE Österreichischer Informationsdienst für Entwicklungspolitik und die ARGE Weltläden aktiv. 57 Die Gründungsorganisationen von TransFair Österreich hatten direkt von Anfang an Kontakt zu dem damaligen Dachverband aller TransFair Organisationen, TransFair International. 58 Die Gründungsmitglieder folgten dabei dem Prinzip des niederländischen Max Havelaar Systems und wurden von TransFair Deutschland unterstützt. TransFair Deutschland war nicht aktiv involviert, hat aber bei dem konkreten Aufbau des österreichischen Büros unterstützt. So hat TransFair Deutschland, zum Beispiel, das gesamte Vertragswerk zur Verfügung gestellt. Ein ständiger Meinungsaustausch fand statt und gemeinsam wurden Anträge für Finanzmittel erstellt. 59 Am 30. März 1993 haben 11 Trägerorganisationen (A3W Aktion Dritte Welt, ARGE Weltläden, CONA Verein zur Förderung des gerechten Nord-Süd- Handels, Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs, EDCS-Austria Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft, Evangelischer Arbeitskreis für Weltmission, IIZ Institut für internationale Zusammenarbeit, ÖED Österreichischer Entwicklungsdienst, ÖIE Österreichischer Informationsdienst für Entwicklungspolitik, Österreichisches Nord-Süd-Institut, Südwind Verein zur Förderung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen Österreich und der Dritten Welt) 60 die Gründung von TransFair Österreich, Verein zur Förderung des fairen Handels, mit den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, unterzeichnet. Abb. 12: Helmut Adam 56 http://de.wikipedia.org/wiki/fairtrade_österreich (9.11.2006). 57 Interview Helmut Adam Dezember 2006. 58 Jutta Goss (TransFair Deutschland), E-Mail Interview Dezember 2006. 59 Jutta Goss (TransFair Deutschland), E-Mail Interview Dezember 2006. 60 Gründungsversammlung TransFair Österreich, Gründungsmitglieder. 36